6 Komplexe Integration
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- Jörn Tiedeman
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1 6 Komplexe Integration Ziel: Berechne für komplexe Funktion f : D W C Integral der Form f(z)dz =? wobei D C ein Weg im Definitionsbereich von f. Fragen: Wie ist ein solches komplexes Integral sinnvollerweise zu definieren? Wie sind komplexe Integrale der obigen Form einfach zu berechnen? Für welche Funktionen f kann man das Integral einfach bestimmen? Wie hängt der Wert des komplexen Integrals vom Weg ab? Kann man eine komplexe Funktion mittels komplexer Integration darstellen? Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 123
2 6.1 Definition und Berechnung komplexer Integrale Ausgangspunkt: Sei f : D W eine komplexe Funktion mit Definitionsbereich D C; Sei D eine beschränkte orientierte Kurve mit Parametrisierung : t z(t) D t [α, β] wobei z(α) Anfangspunkt und z(β) Endpunkt der Kurve. Nun zerlegen wir in n Teilkurven, jeweils durch Anfangs- und Endpunkte z 0 = z(t 0 ), z 1 = z(t 1 ), z 2 = z(t 2 ),..., z = z(t ), z n = z(t n ), definiert, wobei α = t 0 < t 1 <... < t < t n = β. Mit z k = z k+1 z k, 0 k n 1, bilden wir die Partialsumme S n = f(ζ k ) z k für ζ k [zk,z k+1 ] Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 124
3 Definition komplexer Kurvenintegrale. Nun verfeinern wir die Zerlegung, so dass max 0 k<n z k 0 für n. Betrachte die Grenzwerte lim n S n =? Definition: Falls für jede Zerlegungsfolge z 0,..., z n für mit max z k 0 0 k<n für n und für jede Wahl von Zwischenpunkten ζ k [zk der Grenzwert,z k+1 ] lim n S n der Partialsummen S n jeweils existiert und stets denselben Wert ergibt, so wird der Grenzwert lim S n = lim f(ζ k ) z k =: f(z) dz n n als das Integral der Funktion f längs der Kurve bezeichnet. In diesem Fall spricht man von einem komplexen Kurvenintegral, f heißt Integrand und heißt Integrationsweg. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 125
4 Bemerkungen zu komplexen Kurvenintegralen. Ist f reellwertig auf der reellen Achse und ist = [α, β] R ein beschränktes Intervall der reellen Achse, so stimmt das komplexe Kurvenintegral mit dem entsprechenden Riemannschen Integral überein: β f(z)dz = f(x) dx. Das komplexe Kurvenintegral exisitiert unter den folgenden Bedingungen. (a) f ist stückweise stetig längs ; (b) besitzt eine Parametrisierung z(t), t [α, β], die stückweise stetig differenzierbar ist, so dass z (t) 0 für alle t [α, β]. Geometrische Interpretation von (b): Die Tangente der Kurve variiert stetig längs bis auf endlich viele Knickstellen, d.h. ist stückweise glatt. Im folgenden setzen wir die Bedingungen (a) und (b) stets voraus. α Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 126
5 Beispiel. Wir berechnen das Integral z dz, wobei der im positiven Sinn einmal durchlaufene Einheitkreisrand. Verwenden mit q = e 2πi/n die n + 1 Punkte z k = q k 0 k n zur Zerlegung von sowie die Zwischenpunkte ζ k = z k. Für die n-te Partialsumme bekommen wir S n = und somit = (q 1) f(ζ k ) z k = z k (z k+1 z k ) = q 2k = (q 1) (q 2 ) k S n = (q 1) q2n 1 q 2 1 = q2n 1 q + 1 Wegen q 2n = e 4πi = 1 folgt S n = 0 für alle n und somit q k (q k+1 q k ) z dz = 0. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 127
6 Noch ein Beispiel. Wir berechnen nun das Integral zdz, wobei erneut der im positiven Sinn einmal durchlaufene Einheitkreisrand. Mit der gleichen Zerlegung und den gleichen Zwischenpunkten bekommen wir S n = q k (q k+1 q k ) für die Partialsummen. Mit q = e 2πi/n = 1/q folgt somit S n = (q 1) = n(q 1) = n(e 2πi/n 1). Mit der Substitution l = 2πi/n berechnen wir nun den Grenzwert lim S 2πi e l 1 n = lim n n n(e2πi/n 1) = lim l 0 l (el 1) = 2πi lim l 0 l Somit gilt zdz = 2πi. = 2πi. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 128
7 Ein weiteres Beispiel. Wir berechnen nun das Integral 1 z dz wobei wieder der im positiven Sinn einmal durchlaufene Einheitkreisrand. Beachte, dass für jeden Punkt z auf dem Einheitskreisrand gilt z = 1 z für alle z C mit z = 1. Somit bekommen wir unter Verwendung des vorigen Beispiels 1 z dz = z dz = 2πi. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 129
8 Zur einfacheren Berechnung komplexer Integrale. Ziel: Reduziere Berechnung eines komplexen Integrals auf zwei reelle Integrale. Start: Sei f : D W eine stetige komplexe Funktion. Der Integrationsweg besitze Parametrisierung : t z(t) = x(t) + iy(t) für α t β Weiterhin: Zerlegung des Parameterintervalls [α, β] mit Parametern t 0 = α < t 1 <... < t < t n = β liefert entsprechende Zerlegung von mit Teilpunkten z 0 = z(t 0 ), z 1 = z(t 1 ),..., z = z(t ), z n = z(t n ). Setze t k = t k+1 t k und z k = z k+1 z k für k = 0, 1,..., n 1. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 130
9 Zur einfacheren Berechnung komplexer Integrale. Dann gilt z k = z k+1 z k = z(t k+1 ) z(t k ) = [x(t k+1 ) x(t k )] + i[y(t k+1 ) y(t k )] = [x (t k ) + iy (t k )] t k + Φ k = z (t k ) t k + Φ k mit lim n Φ k t k = 0 für k = 0, 1,..., n 1. Mit den Zwischenpunkten ζ k = z(t k ) = z k bekommen wir S n = f(ζ k ) z k = für die n-ten Partialsummen mit Grenzwert lim S n = f(z)dz = n f(z(t k ))[z (t k ) t k + Φ k ] β α f(z(t))z (t)dt. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 131
10 Rezept zur Berechnung eines komplexen Integrals. Aufgabe: Berechne komplexes Kurvenintegral f(z) dz Lösungsweg: (a) Stelle den Integrationsweg in Parameterform dar : t z(t) für α t β (b) Substituiere im Integral z = z(t), somit dz = z (t)dt; (c) Ersetze den Integrationsweg durch die reellen Grenzen α und β. (d) Berechne das Integral f(z)dz = β α f(z(t))z (t)dt. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 132
11 Beispiel. Wir berechnen nun erneut das Integral z dz über den im positiven Sinn einmal durchlaufenen Einheitskreisrand. Wähle als Parametrisierung : t z(t) = e it für 0 t 2π Dann gilt dz = z (t)dt = ie it dt und somit zdz = 2π 0 e it ie it dt = i 2π 0 e 2it dt = 1 2 e2it 2π 0 = 1 2 ( e 4πi e 0) = 0 Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 133
12 Weitere Beispiele. Wir berechnen nun erneut die Integrale zdz und 1 z dz jeweils über den im positiven Sinn einmal durchlaufenen Einheitskreisrand. Mit der gleichen Parametrisierung wie im vorigen Beispiel ergibt sich für das erste Integral 2π 2π zdz = e it ie it dt = i 1 dt = 2πi 0 und für das zweite Integral bekommt man entsprechend den Wert 1 2π 2π z dz e it ie it dt = i 1 dt = 2πi Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 134
13 Eigenschaften des komplexen Kurvenintegrals. Additivität bezüglich des Integranden. Für zwei komplexe Funktionen f und g gilt (f(z) + g(z))dz = f(z)dz + g(z) dz. Homogenität bezüglich des Integranden. Für eine komplexe Funktionen f und eine Konstante c C gilt cf(z)dz = c f(z) dz. Additivität bezüglich des Integrationsweges. Seien 1 und 2 zwei Kurven, wobei der Endpunkt von 1 mit dem Anfangspunkt von 2 übereinstimmt. Dann gilt für die zusammengesetzte Kurve f(z)dz = f(z)dz + f(z)dz Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 135
14 Weitere Eigenschaften des komplexen Integrals. Homogenität bezüglich des Integrationsweges. Sei die zu in entgegengesetzter Richtung durchlaufene Kurve. Dann gilt f(z)dz = f(z) dz. Obere Schranke für den Betrag des Integrals. Sei L die Länge der Kurve. Dann gilt die Standardabschätzung f(z) dz L max f(z) z Beweis: Mit M = max z f(z) gilt die Abschätzung S n = f(ζ k ) z k f(ζ k ) z k M für die n-te Partialsumme und somit S n ML für alle n N. Durch den Grenzübergang n folgt die Behauptung. z k ML Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 136
15 6.2 Integrale analytischer Funktionen Grundvoraussetzung: f : D W sei analytisch. Weitere Voraussetzung: Das Definitionsgebiet D von f sei offen und einfach zusammenhängend. Weitere Begriffe: Der Integrationsweg heißt geschlossen, falls Anfangs- und Endpunkt von übereinstimmen. heißt einfach geschlossen, falls die Kurve keine Schnittpunkte besitzt, d.h. für alle Parameter t 1, t 2, t 1 t 2, einer beliebigen Parametrisierung : t z(t) für α t β von gilt z(t 1 ) z(t 2 ), d.h. z(t) ist injektiv. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 137
16 Der Cauchysche Integralsatz. Satz (Cauchyscher Integralsatz): Sei f analytisch auf dem einfach zusammenhängenden Gebiet G. Dann gilt für jede geschlossene Kurve G f(z)dz = 0, d.h. das Integral von f längs jeder geschlossenen Kurve in G ist Null. Beweis: Sei G geschlossen mit Parametrisierung : t z(t) für α t β Dann gilt f(z)dz = β α f(z(t))z (t)dt. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 138
17 Beweis des Cauchyschen Integralsatzes. Mit den üblichen Darstellungen z(t) = x(t) + iy(t) und f(z) = u(z) + iv(z) erhalten wir daraus f(z) dz = = bzw. es gilt die Darstellung f(z)dz = β α β α [u(z(t)) + iv(z(t))][x (t) + iy (t)]dt [u(z(t))x (t) v(z(t))y (t)]dt β + i [v(z(t))x (t) + u(z(t))y (t)]dt α (udx vdy) + i (vdx + udy), des komplexen Kurvenintegrals durch zwei reelle Kurvenintegrale. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 139
18 Fortsetzung des Beweises. Im folgenden zeigen wir, dass die reellen Kurvenintegrale jeweils verschwinden. O.E. nehmen wir dabei als einfach geschlossen und positiv orientiert an. Mit dem Greenschen Satz (Analysis III) gilt für das ebene Vektorfeld p = (u, v) (udx vdy) = rot(p)dx dy wobei Ω das von eingeschlossene Gebiet bezeichnet, d.h. Ω =, und wobei rot(p) = ( v) x Ω u y = v x u y. Mit den Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen, insbesondere u x = v y, verschwindet die Rotation von p, d.h. es gilt rot(p) = 0, und somit (udx vdy) = rot(p)dx dy = 0. Analog zeigt man, dass (vdx + udy) = 0; somit insgesamt Ω f(z)dz = 0. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 140
19 Beispiele. umlaufe den Einheitskreisrand einmal im positiven Sinn. Beispiel 1: f(z) = z ist analytisch auf ganz C. Somit ist der Cauchysche Integralsatz anwendbar und es gilt z dz = 0. Beispiel 2: Für f(z) = z ist der Cauchysche Integralsatz nicht anwendbar, denn f ist in keinem Gebiet analytisch. Es gilt zdz = 2πi. Beispiel 3: Die Funktion f(z) = 1/z ist analytisch in dem Gebiet C \ {0}. Allerdings ist C \ {0} nicht einfach zusammenhängend und somit ist der Cauchysche Integralsatz nicht anwendbar. Es gilt 1 dz = 2πi. z Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 141
6.8 Residuenkalkül. Ziel: Weitere Verallgemeinerung auf mehrere Löcher L 1,..., L N. Kapitel 6: Komplexe Integration Γ 1
6.8 Residuenkalkül Erinnerung: Sei f analytisch auf einem zweifach zusammenhängenden Gebiet G, d.h. G besitzt genau ein Loch L. Weiterhin seien und zwei positiv orientierte geschlossene Wege, die das Loch
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