Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht 10. Einheit
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- Friedrich Kolbe
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1 Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht 10. Einheit Institut für Recht der Wirtschaft
2 Die Form des Rechtsgeschäftes Willenserklärung und Verträge sind grundsätzlich formlos, also auch mündlich möglich. Nur ausnahmsweise ist die Einhaltung einer Form vorgeschrieben. Gründe: Beweisfunktion (Rechtssicherheit), Warnfunktion (Schutz vor Übereilung), Beratungsfunktion (Belehrung durch Notar), Kontrollfunktion (staatliche Stellen sollen Existenz der WE kontrollieren können) Institut für Recht der Wirtschaft 2 /X
3 Die Form des Rechtsgeschäftes Die verschiedenen Formarten: 1. Schriftform, 126 BGB 2. Elektronische Form, 126 a BGB 3. Notarielle Beurkundung, 128 BGB 4. Öffentliche Beglaubigung, 129 BGB 5. Sonderformen Institut für Recht der Wirtschaft 3 /30
4 Die Form des Rechtsgeschäftes Formarten Nr. 1. u. 2. (Schriftform und elektronische Form) 1. Schriftform, 126 BGB: Eigenhändiger Namenszug unter der Erklärung Beispiele: Bürgschaft ( 766 BGB); Schuldanerkenntnis 780 BGB; Mietvertrag 550 BGB. 2. Elektronische Form ( 126 a BGB): Datenübertragung mit elektronischer Signatur ersetzt Schriftform, wenn nicht d. Gesetz ein anderes bestimmt. Institut für Recht der Wirtschaft 4 /30
5 Die Form des Rechtsgeschäftes Formarten Nr. 3. u. 4. (Notarielle Beurkundung und Öffentliche Beglaubigung) 3. Notarielle Beurkundung, 128 BGB: Verlesung und Unterzeichnung der Erklärung ( 8 ff. BeurkG) Beispiele: Grundstückskaufverträge ( 311 b Abs. 1 BGB), Schenkungsversprechen ( 518 BGB) 4. Öffentliche Beglaubigung, 129 BGB Amtliche Bestätigung der Authentizität der Unterschrift. Beispiel: Anmeldung zum Handelsregister ( 12 HGB) Institut für Recht der Wirtschaft 5 /30
6 Die Form des Rechtsgeschäftes Formarten Nr. 3. u. 4. (Notarielle Beurkundung und Öffentliche Beglaubigung) 5. Sonderformen: - Eigenhändigkeit (z. B. Testament, 2247 BGB); - Beiderseitige Anwesenheit vor zuständiger Stelle (z.b. Auflassung, 925 BGB oder Eheschließung, 1311 BGB); - Kündigung mit eingeschriebenem Brief (in vielen Arbeitsverträgen) Institut für Recht der Wirtschaft 6 /30/2
7 Die Form des Rechtsgeschäftes Rechtsfolgen von Verstößen Gesetzliches Formerfordernis Grundsatz: Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes! Ausnahmen: 1. Heilung Durch Erfüllung des Rechtsgeschäftes, wenn gesetzlich vorgesehen, z. B. 311 b Abs. 1; 518 Abs. 2; 766 Satz 2 BGB BGB Berufung auf Formmangel kann als Rechtsmissbrauch unzulässig sein, z. B. bei arglistiger Verhinderung formgültiger Beurkundung Institut für Recht der Wirtschaft 7 /30/2
8 Die Form des Rechtsgeschäftes Rechtsfolgen von Verstößen Vertragliches Formerfordernis Im Zweifel (wenn nichts anderes vereinbart ist): Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes! Daher Auslegung notwendig, ob konstitutive Wirkung der Schriftformklausel gewollt war (Folge des Fehlens der Schriftform: Nichtigkeit) oder ob nur deklaratorische Wirkung der Schriftformklausel gewollt war (Folge des Fehlens d. Schriftform: Gültigkeit). Institut für Recht der Wirtschaft 8 /30/2
9 Inhaltliche Grenzen des Rechtsgeschäfts Im Schuldrecht gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit, die gesetzlichen Regelungen sind, soweit nicht etwa im Rahmen des Verbraucherschutzes etwas anderes angeordnet wird, dispositiv. Zwei inhaltliche Grenzen sind aber zwingend zu beachten: 134 BGB Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot 138 BGB Verstoß gegen die guten Sitten Institut für Recht der Wirtschaft 9 /31
10 Inhaltliche Grenzen des Rechtsgeschäfts 134 BGB Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot Voraussetzungen: 1. Gesetzliches Verbot 2. Verstoß dagegen (einschl. Umgehungsgeschäft) Rechtsfolge Nichtigkeit, sofern sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (etwa, wenn nur die Begleitumstände, nicht der Inhalt/Erfolg des Rechtsgeschäftes vom Gesetz untersagt werden (z. B. Kaufvertrag nach Ladenschluss). Institut für Recht der Wirtschaft 10 /31
11 Inhaltliche Grenzen des Rechtsgeschäfts 138 BGB Verstoß gegen die guten Sitten 1. Wucher, 138 Abs. 2 BGB - Auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (z. B. Darlehenszinssatz über dem Zweifachen des Marktzinses) - Ausbeutung einer Zwangslage o. ä. / - Vorsatz 2. Sittenwidrigkeit, 138 Abs. 1 BGB Definition: Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Fallgruppen: Knebelung, Übersicherung, Verstoß gegen Allgemeinbelange, Schädigung Dritter (z. B. Kollusion bei der Stellvertretung [Folie 24]) Institut für Recht der Wirtschaft 11 /31
12 Zeitliche Grenzen von Ansprüchen Ansprüche bestehen, wenn keine auflösende Bedingung oder Befristung ( 158 Abs. 2, 163 BGB) vereinbart ist, grundsätzlich zeitlich unbeschränkt, bis sie durch Erfüllung o. ä. erlöschen. Hiervon macht das Gesetz zwei praxiswichtige Ausnahmen: Verjährung von Ansprüchen: Leistungsverweigerungsrecht gegen den rechtlich fortbestehenden Anspruch (Einrede), 214 Abs. 1 BGB; Verwirkung von Ansprüchen: Erlöschen d. Anspruches wegen Arglisteinwand (Einwendung), 242 BGB; Institut für Recht der Wirtschaft 12 /32
13 Zeitliche Grenzen von Ansprüchen Voraussetzungen der Verjährung: 1. Verjährungsfrist Grundsätzlich: Drei Jahre, 195 BGB, aber Ausnahmen (z. B. 30 Jahre bei titulierten Forderungen, 197 BGB). 2. Fristbeginn Grundsätzlich erst mit Entstehung des Anspruchs und Kenntnis des Gläubigers, 199 Abs. 1 BGB 3. Keine Hemmung Der Zeitraum d. Hemmung wird bei der Fristberechnung nicht mitgerechnet, 209 BGB; z. B. bei gerichtlichen Rechtsverfolgungsmaßnahmen, 204 BGB. 4. Kein Neubeginn der Verjährung Bei Anerkenntnis und Vollstreckungshandlungen, 212 Abs. 1 BGB. Folge: Erneuter Lauf der vollständigen Verjährungsfrist. Institut für Recht der Wirtschaft 13 /32
14 Zeitliche Grenzen von Ansprüchen Voraussetzungen der Verwirkung: 1. Zeitmoment Verstreichen einer langen Zeitspanne seit Anspruchsentstehung 2. Umstandsmoment Berechtigtes Vertrauen des Schuldners, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werde. Institut für Recht der Wirtschaft 14 /32
15 Fall 20 S ist Inhaber eines Bauunternehmens. Da dieses in Zahlungsschwierigkeiten steckt, ist S seinem Lieferanten G bereits in erheblichem Umfang Zahlungen aus Materiallieferungen schuldig. Als S erneut eine größere Partie bestellt, besteht G auf Sicherheiten. In einem darauf anberaumten Besprechungstermin bei S ist auch dessen Ehefrau F anwesend, die geringfügig bei S beschäftigt ist. G schlägt vor, dass diese sich für die Warenlieferung mit einem Volumen von ,00 verbürgen solle. Institut für Recht der Wirtschaft 15
16 Fall 20 Auch wenn F keine werthaltigen Vermögensgegenstände habe, bestehe er auf einer solchen Verpflichtung. Daraufhin erklärt F gegenüber G, dass sie für die Verbindlichkeiten ihres Mannes als Bürgin einstehen wolle. Als S kurze Zeit später einen Insolvenzantrag stellt und die Zahlung für das gelieferte Material nicht bei G eingeht, verlangt dieser von der Ehefrau F Zahlung. Zu Recht? Institut für Recht der Wirtschaft 16
17 Fall Abwandlung: Wie wäre es, wenn die Erklärung anlässlich des Gespräches von einem anwesenden und bevollmächtigten Vertreter der Hausbank des S (H-Bank) abgegeben worden wäre? 2. Abwandlung: Änderte sich die Beurteilung im Grundfall, wenn F einen schriftlichen Bürgschaftsvertrag unterzeichnet hätte? Institut für Recht der Wirtschaft 17
18 Fall 20 Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) I. Anspruch aus 765 BGB i.v.m. 433 Abs. 2 BGB G kann von F Zahlung von ,00 verlangen, wenn er einen Anspruch hat. Als Anspruchsgrundlage kommt allein 765 BGB i. V. m. 433 Abs. 2 BGB in Betracht. a) Vertragsschluss Voraussetzung dafür ist ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen F und G. Dazu sind zwei entsprechende Willenserklärungen (Angebot u. Annahme, 145 ff. BGB) erforderlich. Diese Erklärungen wurden anlässlich des Gespräches abgegeben. Ein Bürgschaftsvertrag wurde somit geschlossen. Institut für Recht der Wirtschaft 18
19 Fall 20 Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) b) Wirksamkeit des Vertrages Fraglich ist, ob der Bürgschaftsvertrag wirksam ist, denn gemäß 766 Satz 1 BGB bedarf die Erklärung des Bürgen der Schriftform. Gegen dieses gesetzliche Formerfordernis wurde verstoßen, da G und F den Bürgschaftsvertrag nur mündlich geschlossen haben. Gemäß 766 Satz 2 BGB kann dieser Formverstoß nur geheilt werden, wenn der Bürge seine Verpflichtung erfüllt. Dies ist aber nach dem Sachverhalt noch nicht geschehen. Die Erklärung der F und damit d. Bürgschaftsvertrag sind somit gemäß 125 Satz 1 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Formerfordernis nichtig. Institut für Recht der Wirtschaft 19
20 Fall 20 Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) Ergebnis Mangels wirksamen Bürgschaftsvertrages besteht daher keine Zahlungsverpflichtung der F. Institut für Recht der Wirtschaft 20
21 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) I. Anspruch aus 765 BGB i.v.m. 433 Abs. 2 BGB G kann von der H-Bank Zahlung von ,00 verlangen, wenn er einen Anspruch hat. Als Anspruchsgrundlage kommt allein 765 BGB i. V. m. 433 Abs. 2 BGB in Betracht. a) Vertragsschluss Voraussetzung ist ein Bürgschaftsvertrag zwischen G und der H-Bank. Dazu sind zwei entsprechende Willenserklärungen (Angebot u. Annahme) erforderlich. Diese Erklärungen wurden anlässlich des Gespräches abgegeben. Der bevollmächtigte Vertreter der H-Bank gab dabei eine Willenserklärung im Namen und mit Vertretungsmacht der H-Bank ab. Ein Bürgschaftsvertrag wurde somit geschlossen. Institut für Recht der Wirtschaft 21
22 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) b) Wirksamkeit des Vertrages Fraglich ist, ob der Bürgschaftsvertrag wirksam ist, denn gemäß 766 Satz 1 BGB bedarf die Erklärung des Bürgen der Schriftform. Gegen dieses gesetzliche Formerfordernis wurde verstoßen, da G und die H-Bank den Bürgschaftsvertrag nur mündlich geschlossen haben. Der Bürgschaftsvertrag könnte somit gemäß 125 Satz 1 BGB formnichtig sein. Zwar bedarf die Bürgenerklärung gemäß 766 BGB grundsätzlich der Schriftform, gemäß 350 HGB findet diese Formvorschrift aber keine Anwendung, wenn die Bürgschaft auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft ist. Institut für Recht der Wirtschaft 22
23 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) Hier liegt jedoch ein Handelsgeschäft gemäß 343 HGB vor, da die H-Bank gemäß 1 HGB Kaufmann ist und die Bürgschaftserklärung zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehört. Der Bürgschaftsvertrag ist damit wirksam. G kann die H-Bank auf Zahlung in Anspruch nehmen. Der H-Bank steht auch nicht die Einrede der Vorausklage gemäß 771 BGB zu, nach welcher der Gläubiger zunächst beim Schuldner einen erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuch unternehmen muss. Gemäß 349 HGB gilt diese Einrede bei Handelsgeschäften eines Kaufmanns nicht. Institut für Recht der Wirtschaft 23
24 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) I. Anspruch aus 765 BGB i.v.m. 433 Abs. 2 BGB G kann von der F Zahlung von ,00 verlangen, wenn er einen Anspruch hat. Als Anspruchsgrundlage kommt allein 765 BGB i. V. m. 433 Abs. 2 BGB in Betracht. a) Vertragsschluss Voraussetzung ist ein Bürgschaftsvertrag zwischen G und F. Dazu sind zwei entsprechende Willenserklärungen (Angebot u. Annahme) erforderlich. Diese Erklärungen wurden anlässlich des Gespräches abgegeben und schriftlich im Rahmen eines Vertrages festgehalten. Ein Bürgschaftsvertrag wurde somit geschlossen. Institut für Recht der Wirtschaft 24
25 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) b) Wirksamkeit des Vertrages Fraglich ist, ob der Bürgschaftsvertrag wirksam ist. Zunächst bedarf die Erklärung des Bürgen gem. 766 Satz 1 BGB der Schriftform. Dieses gesetzliche Formerfordernis ist erfüllt, da die F einen schriftlichen Bürgschaftsvertrag unterzeichnet hat. Der Bürgschaftsvertrag könnte jedoch gemäß 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller recht und billig denkenden Menschen verstößt. Die Rechtsprechung hat dazu verschiedene Fallgruppen entwickelt. Institut für Recht der Wirtschaft 25
26 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) Unter Berücksichtigung des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips wird es danach als sittenwidrig angesehen, wenn Bürgschaftserklärungen ersichtlich mittel- und vermögensloser Familienangehöriger eines Schuldners veranlasst werden. Der Grund liegt darin, dass eine Erfüllung der Zahlungsverpflichtung durch den Bürgen ersichtlich nicht möglich ist, so dass seine Insolvenz billigend in Kauf genommen wird. Im vorliegenden Fall war die F, die Ehefrau des S, also eine Familienangehörige ersichtlich mittellos und damit unfähig, die Bürgschaftsforderung zu erfüllen. Ihre Bürgschaftserklärung war daher wg. Sittenwidrigkeit nichtig. Institut für Recht der Wirtschaft 26
27 Fall Abwandlung / Lösung (Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit ) Mangels wirksamen Bürgschaftsvertrages scheidet eine Zahlungsverpflichtung der F daher aus. G kann die F nicht auf Zahlung in Anspruch nehmen. Institut für Recht der Wirtschaft 27
28 Fall 21 Bauunternehmer S benötigt wieder einmal Geld, um Zahlungsrückstände bei einem Lieferanten auszugleichen, der ihm mit der Stellung eines Insolvenzantrages droht. Angesichts des gegenwärtigen Auftragseinganges darf S davon ausgehen, dass sich die Liquiditätslage seines Unternehmens alsbald bessern wird. Mit Blick auf den aktuellen Geldbedarf nimmt er Kontakt zu seiner Hausbank (H-Bank) auf. Die H-Bank erklärt sich, nachdem S seine Situation geschildert hat, zwar zu einer Darlehensgewährung in der erforderlichen Höhe bereit, verlangt hierfür aber einen Zinssatz von 33 % p. a. sowie eine Abtretung aller künftigen Forderungen des U gegen seine Kunden (Globalzession). Institut für Recht der Wirtschaft 28
29 Fall 21 Nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer zahlt U die Darlehenssumme zurück, verweigert indes den Ausgleich der Zinsforderung der H-Bank. Zu Recht? Institut für Recht der Wirtschaft 29
30 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) I. Anspruch aus 488 BGB Die H-Bank kann gem. 488 Abs. 1 Satz 2 die Zahlung der Zinsen i.h. von 33% von S verlangen, wenn zwischen ihnen ein entsprechender Darlehensvertrag geschlossen wurde. a) Vertragsschluss Voraussetzung für den Darlehensvertrag sind zwei Willenserklärungen gem. 145 ff. BGB, Angebot und Annahme. Diese Erklärungen wurden abgegeben. Ein Darlehensvertrag wurde geschlossen. Institut für Recht der Wirtschaft 30
31 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) b) Wirksamkeit des Vertrages Fraglich ist, ob der Darlehensvertrag wirksam ist. Der Darlehensvertrag könnte gemäß 138 Abs. 2 BGB wegen Wucher nichtig sein. Das Wuchergeschäft setzt objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Nach der Rechtsprechung kann als Faustformel gelten, dass die Überschreitung des Doppelten des Marktzinssatzes für vergleichbare Kredite ein solches Missverhältnis begründet. Institut für Recht der Wirtschaft 31
32 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) Im vorliegenden Fall soll S für die zur Verfügung gestellten Mittel einen Zinssatz von 33 % aufwenden. Damit verlangt die H-Bank einen Zinssatz, der mehr als doppelt so hoch wie der normale Zins bei Unternehmenskrediten ist. Zwar besteht hier ein nicht unerhebliches Kreditausfallrisiko der H-Bank, aber immerhin konnte zur Sicherung d. Kredites eine Globalzession vorgenommen werden, so dass bei einem Zinssatz von 33 % der Richtwert der Rechtsprechung überschritten ist. Damit liegt ein objektiv auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Der objektive Tatbestand eines Wuchergeschäfts ist somit gegeben. Institut für Recht der Wirtschaft 32
33 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) Auch die subjektiven Voraussetzungen des Wuchertatbestandes liegen vor, weil die H-Bank wissentlich die Zwangslage des S ausgenutzt hat, dem trotz erfolgsversprechender Zukunftsaussichten ein Insolvenzantrag eines Lieferanten drohte. Der Darlehensvertrag ist somit gem. 138 Abs. 2 BGB nichtig. Mangels wirksamen Darlehensvertrages scheidet ein Anspruch gem. 488 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Zinszahlung i.h.v. 33 Prozent aus. Institut für Recht der Wirtschaft 33
34 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) II. Anspruch aus 812 BGB Fraglich ist, ob die H-Bank einen Anspruch auf Zahlung der Zinsen i.h. von 33% von S gem. 812 BGB verlangen kann. Dann müsste der S etwas erlangt haben (1), durch Leistung der H-Bank (2) und zwar ohne Rechtsgrund (3). 1. Etwas erlangt Mit der Verfügungsmacht über die Darlehenssumme hat der S einen Vermögensvorteil erlangt. Institut für Recht der Wirtschaft 34
35 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) (2) Durch Leistung S hat den Vermögensvorteil auch durch Leistung der H- Bank erlangt, da diese ihm die Darlehenssumme zur Verfügung gestellt hat. (3) Ohne Rechtsgrund Der S hat den Vermögensvorteil auch ohne Rechtsgrund erlangt, da der Darlehensvertrag wg. Verstoßes gegen 138 Abs. 2 nichtig war. Die Voraussetzungen des 812 BGB liegen somit vor. Institut für Recht der Wirtschaft 35
36 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) Der Anspruch gem. 812 BGB könnte jedoch gem. 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen sein. Gemäß 817 Satz 2 BGB ist die Rückforderung eines Vermögensvorteils bzw. seines objektiven Wertes ( 818 Abs. 2 BGB) ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Im vorliegenden Fall hat die H-Bank mit ihren Darlehenskonditionen gegen die guten Sitten verstoßen. Institut für Recht der Wirtschaft 36
37 Fall 21 Lösung (ges. Verbot, Sittenwidrigkeit) Der Anspruch der H-Bank auf Rückforderung des Vermögensvorteils ist damit gem Satz BGB ausgeschlossen. Nach ganz überwiegender Meinung führt dies dazu, dass überhaupt keine Zinsen (auch nicht marktübliche Zinsen) verlangt werden können. Die H-Bank hat somit keinen Anspruch auf Zahlung der Zinsen gegen S. Institut für Recht der Wirtschaft 37
38 Fall 22 Unternehmer U handelt mit Druckmaschinen. Er verkauft eine solche am an den K und stellt am selben Tag den Kaufpreis von ,00 in Rechnung. K bezahlt die Rechnung nicht, weil er sich in Zahlungsschwierigkeiten befindet und zudem (unberechtigterweise) angebliche Mängel behauptet. Bei U geriet die Sache zunächst in Vergessenheit. Als U den K im Jahre 2003 anmahnt, finden zwischen dem und diverse Besprechungen und Verhandlungen wegen der behaupteten Mängel statt, die indes ergebnislos verlaufen. Am fordert U von K nochmals Zahlung. Institut für Recht der Wirtschaft 38
39 Fall 22 Als K nicht zahlt, bleibt der Vorgang zunächst bei U erneut liegen. Am lässt U über seinen Anwalt Zahlungsklage gegen K beim zuständigen Landgericht einreichen. Hätte diese Klage Aussicht auf Erfolg, wenn K die Zahlung mit Blick auf die inzwischen vergangene Zeit verweigert? Institut für Recht der Wirtschaft 39
40 Fall 22 Lösung (Verjährung) I. Anspruch aus Kaufvertrag gem. 433 Abs. 2 BGB Die Klage hat Erfolgsaussichten, wenn U gegen K einen durchsetzbaren Kaufpreiszahlungsanspruch in Höhe von ,00 gemäß 433 Abs. 2 BGB hat. 1. Vertragsschluss Zunächst müsste zwischen beiden Seiten ein Kaufvertrag gem. 433 BGB zustande gekommen sein. Laut Sachverhalt ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Institut für Recht der Wirtschaft 40
41 Fall 22 Lösung (Verjährung) 2. Wirksamkeit des Vertrages Der Vertrag müsste zudem wirksam sein, d.h. es dürften keine Nichtigkeitsgründe vorliegen. Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Der Vertrag ist wirksam. 3. Durchsetzbarkeit des Vertrages Der Vertrag müsste durchsetzbar sein. Einwendungen bestehen nicht, da die Mängelbehauptungen des K nach der Aufgabenstellung unberechtigt waren. Fraglich ist jedoch, wie sich die Einrede der Verjährung auswirkt. Institut für Recht der Wirtschaft 41
42 Fall 22 Lösung (Verjährung) Im Falle der Verjährung steht dem Schuldner K gemäß 214 Abs. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu, welches er als Einrede geltend machen muss. Der K hat die Einrede der Verjährung zwar geltend gemacht. Fraglich ist jedoch, ob die Verjährungsfrist abgelaufen war. Die Verjährungsfrist bestimmt sich nach den BGB. Vorliegend geht es um die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren ( 195 BGB). Institut für Recht der Wirtschaft 42
43 Fall 22 Lösung (Verjährung) Die Verjährungsfrist beginnt gemäß 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von diesem Kenntnis erlangte bzw. hätte erlangen müssen. Obwohl der Kaufvertrag also bereits am geschlossen wurde, begann die Verjährungsfrist erst am zu laufen. Daraus ergäbe sich grundsätzlich ein Verjährungsfristablauf zum Die Verjährungsfrist kann aber gehemmt sein oder infolge anderer Umstände sogar ganz neu beginnen. Institut für Recht der Wirtschaft 43
44 Fall 22 Lösung (Verjährung) Gemäß 203 BGB tritt eine Hemmung ein, wenn zwischen Schuldner und der Gläubiger über den Anspruch Verhandlungen stattfinden. Dies ist zwischen dem und geschehen. Folge ist, dass gem. 209 BGB dieser einmonatige Zeitraum bei der Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird. Dadurch ist der Verjährungseintritt bis zum hinausgezögert worden. Institut für Recht der Wirtschaft 44
45 Fall 22 Lösung (Verjährung) Mit der Klageerhebung hat U gemäß 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine erneute Hemmung der Verjährung erreicht, so dass die Einrede der Verjährung nicht durchgreift. Der Kaufpreisanspruch ist somit durchsetzbar. Die Klage hätte Aussicht auf Erfolg. Institut für Recht der Wirtschaft 45
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