Beitrag: Wildtierverbot im Zirkus? Quälerei in der Manege

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1 Manuskript Beitrag: Wildtierverbot im Zirkus? Quälerei in der Manege Sendung vom 3. März 2015 von Christian Esser und Manka Heise Anmoderation: Hereinspaziert! Denn wir gehen in den Zirkus. Da bringen uns Clowns zum Lachen. Artisten lassen unsren Atem stocken. Auch die Raubkatzen, die ihre Dompteure in Stücke reißen könnten, stattdessen aber Pfötchen geben. So, und ab jetzt betrachten wir die Show nicht mehr mit staunenden Kinderaugen, sondern blicken kritisch hinter Glanz und Glitzer. Denn der Mensch dressiert das Tier - und quält dabei die Kreatur. Elefanten, Tiger und Co, die weiten Auslauf brauchen, vegetieren in kleinen Gehegen und engen Käfigwagen. Verängstigt und gestresst werden sie von Stadt zu Stadt gekarrt. Immer mehr Länder verbieten deshalb Wildtiere im Zirkus. Bei uns aber, in Deutschland, gibt die Politik - Tusch! - die Manege frei für Tierquälerei. Wie Christian Esser und Manka Heise zeigen. Text: Schöne heile Zirkuswelt Elefanten und Tiger, die Kunststücke vorführen. O-Ton Thomas Schröder, Präsident Deutscher Tierschutzbund: Kein Elefant macht einen Kopfstand, kein Tiger springt durch Feuerreifen. Das, was die Tiere als Clownerie in der Manege machen müssen, macht kein Tier freiwillig in freier Natur. Und das ist die Realität hinter den Kulissen: Bilder, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Weltweit werden Dickhäuter in vielen Zirkussen misshandelt, damit sie in der Manege Kunststücke vorführen. Stühlingen an der Schweizer Grenze. Hier gastiert der Zirkus Luna. Tierschützer spielen uns heimlich gedrehtes Material zu: Immer wieder wurden von Amtstierärzten in diesem Familienbetrieb Missstände bei der Tierhaltung festgestellt. Sie entdecken Bären in kleinen Käfigen. Statt in einem beheizten Zelt

2 steht ein Elefant auf einem engen Transporter - bei gerade mal fünf Grad. Tobias Dornbusch kümmert sich um misshandelte Zirkuselefanten und wildert sie wieder aus. Er kritisiert die Elefanten- Haltung bei Zirkus Luna. O-Ton Tobias Dornbusch, Zoologe: Der Elefant kann sich nicht bewegen. Der kann keinerlei arttypisches Verhalten zeigen, der kann noch nicht mal sich zum Schlafen hinlegen, weil der Transporter zu schmal ist, mit der Temperatur, das waren fünf Grad. Das ist natürlich viel zu kalt für einen Elefanten. Das sind tropische Tiere - und das kann man nur als Tierquälerei beurteilen. Seit 15 Jahren lebt die Elefantenkuh Benjamin ganz allein im Zirkus Luna. Filmaufnahmen zeigen, dass sie den Kopf hin und her bewegt für Kritiker ein Zeichen: Die Elefantenkuh ist verhaltensauffällig. Schon öfter verletzte sie Menschen. Benjamin schleuderte einen Familienvater und dessen Säugling in die Luft. Der Mann lag im Koma, verlor eine Niere. Sein Kind erlitt einen Oberschenkelhalsbruch. Einem elfjährigen Jungen schlägt sie mit dem Rüssel ins Gesicht. Kieferbruch. Trotzdem lässt der Zirkus immer noch Kinder auf dem Elefanten reiten. Dass Elefanten wie Benjamin noch in Zirkussen auftreten dürfen, dafür sorgt auch dieser Mann: Immanuel Birmelin ist Verhaltensbiologe und bekannt wegen seiner Bücher über Wellensittiche und Meerschweinchen. Viele Zirkusse bestellen ihn als Gutachter für Ihre Wildtiere ein, so auch der Zirkus Luna. Trotz der Unfälle hält er Benjamin für ungefährlich. O-Ton Immanuel Birmelin, Verhaltensbiologe: Bei diesen Unfällen, die da passiert sind, müsste man mal wirklich recherchieren, was ist da passiert. Außer, dass was schlimm ist. Ich weiß nicht, was ist passiert genau, ob der Elefant das grundsätzlich macht, was ist mit dem Elefant los, hat er ne Verhaltensstörung all das. Das konnten wir nicht feststellen. Würden Sie tatsächlich immer noch Kinder auf einem Elefanten reiten lassen? O-Ton Immanuel Birmelin, Verhaltensbiologe: Ja, wenn der Elefant, wenn er wirklich zahm ist und wenn er wirklich Kontakt zu den Kindern hat, warum nicht. Wir begleiten Amtstierarzt Klaus Reuther bei einem

3 Kontrollbesuch im Zirkus Luna. Drehen dürfen wir hier nicht. Allein in den vergangenen vier Jahren hat der Zirkus 124 Mal gegen die Haltungsrichtlinien verstoßen. Viel ausrichten kann der Amtstierarzt nicht. O-Ton Klaus Reuther, Amtsveterinär: In anderen Bereichen haben wir die Tierschutznutztierverordnung, die regelt genau wie Rinder, Schweine, Hühner gehalten werden müssen. Und eine ähnliche Regelung wäre sicher auch im Bereich von den Wildtieren im Zirkus wünschenswert. Weil Gesetze fehlen, schreiten die Veterinärämter nicht ein. Der Elefant bleibt. Der Zirkus-Betreiber geht ungehindert mit Benjamin in einer Wohnsiedlung spazieren. Bald reist der Zirkus wieder in eine andere Stadt. Dann ist ein anderes Amt zuständig. Vor zwei Wochen in München. 550 Menschen demonstrieren gegen Wildtiere im Zirkus. Die Proteste richten sich hier insbesondere gegen den Zirkus Krone. O-Ton Michaela Cosenza: Also, die Tiere werden auf engsten Raum gehalten und müssen teilweise auch lange Reisen in Kauf nehmen, wenn der Zirkus auf Tournee ist, und noch dazu dann eben Kunststücke lernen, die sie so niemals machen würden. O-Ton Heike Weiß: Wenn sie einem Kind sagen, wie das Tier gehalten wird, was mit dem Tier passiert und wie das gequält wird, wird kein Kind in den Zirkus gehen. Das machen nur die Eltern. Auch Frank Keller schaut sich die Demonstration an. Keller ist der Pressesprecher vom Circus Krone. Kritik weist er zurück: Den Tieren bei Krone ginge es gut, man werde streng kontrolliert. Wildtiere im Zirkus seien wichtig. Und eine ganz große Aufgabe des Zirkus ist ja auch die Artenerhaltung verschiedener Tierarten. Denn wenn es den Zirkus und zoologische Gärten nicht geben würde, wäre zum Beispiel der sibirische Tiger schon Anfang der 50er Jahre von der Erde verschwunden. Und das ist ja auch ein Aspekt, den viele Leute einfach gar nicht realisieren. Aber ist da nicht eher der Zoo für zuständig - statt der Zirkus? Beide, beide. Absolut: Zoo und Zirkus.

4 Die Attraktion im Circus Krone sind die weißen Löwen. Zehntausende lockten sie schon zu Krone. Martin Lacey ist der Züchter und der Dompteur der Tiere. O-Ton Martin Lacey, Dompteur: Wir lieben unsere Tiere. Also, mein Tier ist meine Familie, ist mein Leben. Warum sagen die, gerade Ihre Darbietung, die weißen Löwen, das sei Inzucht? O-Ton Martin Lacey, Dompteur: Die haben keine Ahnung, gibt keine Inzucht. Frage jeden Amtstierarzt, jeder ist qualifiziert und er weiß, es gibt keine Inzucht bei mir, so ist das. Der Tierschutzbund sieht das anders und fordert ein Wildtierverbot. Er sieht insbesondere die Zucht der weißen Löwen kritisch. O-Ton Thomas Schröder, Präsident Deutscher Tierschutzbund: Der weiße Löwe ist ein Gendefekt. Es gibt keine Art weißer Löwe. Wer also weiße Löwen in der Manege hat, der will einfach nur Publikumsneugier auslösen, etwas Besonderes haben. Das hat überhaupt nichts mehr zu tun mit Arterhaltung, mit artgerechtem Verhalten. Hier züchtet man Tiere mit einem Gendefekt miteinander in Inzucht, um Publikum anzulocken. Das ist eines der schlimmsten Missstände in den Zirkusmanegen. Dabei genießen gerade Politiker das Blitzlichtgewitter mit Zirkustieren auf dem Arm. Auch Gregor Gysi hat eine Patenschaft für einen weißen Löwen übernommen. Und auch Volker Kauder zeigt sich gerne in der Zirkuswelt. Er wollte mal Zirkusdirektor werden so steht es auf seiner Internetseite. Und Circus Krone wirbt mit dem prominenten Politiker an der Seite der Inhaberin Christel Sembach-Krone. Mit Kauder werde es kein Wildtierverbot geben. Das geht aus einem Schreiben seines Büros an einen Zirkus-Fan hervor: Ich kann Ihnen außerdem versichern, dass weder Herr Kauder noch die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag für ein generelles Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus sind. Auch der tierschutzpolitische Sprecher der Union, Dieter Stier, ist gegen ein Wildtierverbot genau wie der Landwirtschaftsminister Christian Schmidt.

5 Circus Krone muss sich also keine Sorgen machen, dass die Politik die Wildtiere verbietet. Zuletzt war eben der Herr Gysi, der eine Patenschaft von einem weißen Löwen in Berlin übernommen hat - Der Herr Kauder ist immer mal hier. Es sind verschiedene, der Oberbürgermeister hier von München, der Herr Reiter war jetzt gerade zur Premiere von unserem Weihnachtsprogramm hier in München. Also, die Politik steht ja auf unserer Seite. Da haben Sie keine Sorge, dass da der Wind sich mal dreht? Überhaupt nicht, überhaupt nicht. Dabei sieht die deutsche Bevölkerung Wildtiere in der Manege kritisch. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Frontal21: 66 Prozent der Befragten finden es nicht gut, wenn Wildtiere in Zirkusbetrieben gehalten werden. Lediglich 15 Prozent finden Wildtiere im Zirkus gut. 14 Prozent ist es egal. Selbst 60 Prozent der CDU/CSU-Wähler finden es nicht gut, wenn Elefanten, Giraffen oder Tiger im Zirkus gezeigt werden. Eine wirkliche Chance für ein Wildtierverbot im Zirkus gab es schon Der damalige Ministerpräsident Roland Koch brachte einen Antrag für das Wildtierverbot auf den Weg. In der Regierung damals Renate Künast und die tierfreundlichen Grünen. Doch die verhinderten ein Verbot so Koch. O-Ton Roland Koch, ehemaliger Ministerpräsident Hessen: Das hat mich schon sehr überrascht. Nicht so sehr bei einzelnen Grünen vielleicht, aber dass strategisch die Entscheidung getroffen worden ist, dass man, wenn ein Vorschlag von der CDU oder von mir kommt, lieber abgelehnt wird, bevor man den artgerechten Tierschutzgedanken verfolgt, ja, das war durchaus ein Stück neues Erlebnis. Renate Künast sagt, juristisch sei der Vorschlag aus Hessen damals schlecht gemacht gewesen. Den Tierschützer nimmt sie Koch auch heute noch nicht ab. O-Ton Renate Künast, B 90/GRÜNE, MdB: Vielleicht ist es eine kleine Altersverwirrung und eine Misserinnerung. Ich sage nur: Legehennenverordnung, Bundesjagdgesetz, Haltungsformen für Schweine. Roland Koch war ganz vorne an, wenn es darum ging, den Profit weit

6 über den Respekt und die Würde der Tiere zu halten. Und da war das mit den Wildtieren einfach ein Versuch und eine Show, mal ein Thema zu setzen. Die Politik streitet, die Tiere leiden. Der Circus Roncalli. Einer der erfolgreichsten Zirkus-Betriebe Europas verzichtet seit Jahrzehnten auf Wildtiere erzählt uns Zirkusdirektor Bernhard Paul. O-Ton Bernhard Paul, Circus Roncalli: Ich kann mich erinnern, dass ich als kleiner Junge, ich war sechs Jahre alt, vor einem Käfigwagen stand, in Österreich, von einem österreichischen Zirkus, und da waren Bären drin und die Bären sind da drin gestanden und haben den ganzen Tag [Anmerkung der Red.: Bernhard Paul wippt mit dem Körper hin und her] - und da haben sie mir leidgetan. Es sollte ja halbwegs verhaltensgerecht sein. Also, ich sage jetzt ein Beispiel. Wenn man sowas macht, dann sollte es was sein, was man in der freien Wildbahn unter Umständen auch sehen würde. Jetzt muss ich dazu sagen, ich hab noch nie auf freier Wildbahn oder im Wald gesehen einen Bären, der Motorrad fährt und ein Glitzerkostüm anhat. Ich hab noch nie gesehen Schimpansen, die Matrosenkostüme haben und auf dem Seil tanzen. Roncalli setzt auf Artisten und Clowns. Damit haben Sie schon Millionen von Zuschauern begeistert. O-Ton Bernhard Paul, Circus Roncalli: Österreich, das Land, aus dem ich komme, hat schon ein Wildtierverbot und die Welt ist nicht stehen geblieben. Der Wechsel ist natürlich schwer und vor allem deswegen, weil es immer noch natürlich Publikum gibt, die Tiere sehen wollen. Aber auch für dieses Publikum hat Roncalli etwas im Programm: eine Eisbären-Show ganz ohne Wildtiere. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.