in unserem ChemieNord aktuell Recht 17/2009 besprechen wir lesenswerte Urteile zu den folgenden Themen:
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- Beate Braun
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1 ChemieNord Kapstadtring Hamburg An unsere Mitgliedsunternehmen, Vorstand und Tarifkommission ChemieNord aktuell - Recht 17/2009 Hamburg, (0) schwenke@chemienord.de Sehr geehrte Damen und Herren, in unserem ChemieNord aktuell Recht 17/2009 besprechen wir lesenswerte Urteile zu den folgenden Themen: 1. Bestehendes Arbeitsverhältnis am Ende der Zielperiode als Voraussetzung für eine Bonuszahlung 2. Treuwidrige Berufung auf Unwirksamkeit einer Arbeitnehmer-Eigenkündigung 3. Altersdifferenzierungen nach Betriebszugehörigkeit in Sozialplänen nach Inkrafttreten des AGG 4. Zum Lohnwucher Im Einzelnen: 1. Bestehendes Arbeitsverhältnis am Ende der Zielperiode als Voraussetzung für eine Bonuszahlung BAG-Urteil vom 6. Mai AZR 443/08 I. Sachverhalt Die Vertragsparteien hatten in Abhängigkeit von der Erreichung quantitativer und qualitativer Ziele einen Zielbonus vereinbart und dazu folgende Regelung getroffen: Seite 1 von 6
2 Voraussetzung für die Auszahlung des Bonus ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zum Abschluss des Geschäftsjahres. Geschäftsjahr war das jeweilige Kalenderjahr. Der Arbeitnehmer verstarb am Seine Erben machten eine anteilige Bonuszahlung geltend. II. Entscheidungsgründe Das BAG sah den Anspruch als nicht begründet an. Zwar belaste die Klausel den Arbeitnehmer unangemessen, soweit der Anspruch auf die Bonuszahlung von einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zum Abschluss des Geschäftsjahres abhängig gemacht werde. Denn insoweit werde weder zwischen einer vom Arbeitgeber und einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung differenziert noch berücksichtigt, dass der Grund für die Kündigung auch im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers liegen könne, wie bei einer betriebsbedingten Kündigung. Es sei nicht interessengerecht, dem Arbeitnehmer auch im Falle einer nicht in seinen Verantwortungsbereich fallenden, z. B. betriebsbedingten Kündigung, einen ganz wesentlichen Teil seiner Vergütung vorzuenthalten. Allerdings sah das BAG die zu beurteilende Vertragsklausel als teilbar an. Werde das Wort ungekündigtes in der Klausel gestrichen, setze die Auszahlung des Bonus nur noch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Abschluss des Geschäftsjahres voraus. Die Klausel sei damit sprachlich teilbar und die restliche Regelung verständlich. In diesem Fall könne die Klausel nach 306 Abs. 1 BGB teilweise aufrecht erhalten werden. Die nach Anwendung des so genannten Blue-Pencil-Tests verbliebene restliche Regelung benachteilige den Arbeitnehmer nicht unangemessen. Treffen Arbeitsvertragsparteien eine entgeltrelevante Zielvereinbarung und bestimmen sie als Zielperiode das Geschäftsjahr, kann in aller Regel erst nach Ablauf der Zielperiode festgestellt werden, ob und in welcher Höhe dem Arbeitnehmer der ihm für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus zusteht. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien zu Beginn des Geschäftsjahres nicht ausschließlich quantitative, sondern auch qualitative Ziele gemeinsam festgelegt haben. Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Geschäftsjahres, sei zu dem die Ermittlung eines bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielten Geschäftsergebnisses, zu dem der Arbeitnehmer beigetragen hat, in der Regel nicht möglich oder zumindest für den Arbeitgeber mit einem unzumutbar hohen Aufwand verbunden. Somit werde ein Arbeitnehmer, dessen Bonuszahlung aus einer Zielvereinbarung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im gesamten Geschäftsjahr gebunden werde, nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit behindert und damit nicht unangemessen benachteiligt. Seite 2 von 6
3 III. Bewertung/Folgen der Entscheidung Die Entscheidung des BAG ist erfreulich. Sie klärt die umstrittene Frage, ob der Anspruch auf Bonuszahlung aus Zielvereinbarungen vom Erleben eines Stichtages abhängig gemacht werden kann und schafft damit Rechtssicherheit. 2. Treuwidrige Berufung auf Unwirksamkeit einer Arbeitnehmer-Eigenkündi Eigenkündi- gung BAG-Urteil vom 12. März AZR 894/07 - Das BAG stellt in der Entscheidung zunächst heraus, dass auch die vom Arbeitnehmer ausgesprochene außerordentliche Kündigung zu ihrer Wirksamkeit eines wichtigen Grundes im Sinne des 626 Abs. 1 BGB bedürfe. Insoweit würden auch dieselben Maßstäbe wie für die Kündigung des Arbeitgebers gelten. Ebenso müsse der Arbeitnehmer die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des 626 Abs. 2 BGB einhalten. Fehle es an einem wichtigen Grund oder sei diese Frist nicht eingehalten, sei die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers unwirksam. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit sei jedoch durch den Grundsatz von Treu und Glauben ( 242 BGB) beschränkt. Jedenfalls eine schriftlich ohne jedes Drängen des Arbeitgebers abgegebene Kündigungserklärung des Arbeitnehmers spreche für eine ernsthafte und endgültige Lösungsabsicht. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer schriftlich erklärten Eigenkündigung sei daher regelmäßig treuwidrig. Der Vertragspartner solle darauf vertrauen dürfen, dass sein Kontrahent den Vertrag einhält und sich im Dauerschuldverhältnis nur nach Maßgabe der gesetzlichen Fristen davon löse, so lange ein wichtiger Grund nicht vorliegt. Im konkreten Fall hat das BAG allerdings durchaus geprüft, inwieweit besondere Umstände gegen die unzulässige Rechtsausübung sprechen konnten. Es hat solche Umstände verneint, weil der Arbeitnehmer den Arbeitgeber wegen nicht vollständiger Entgeltzahlung vor seiner fristlosen Kündigung mehrmals erfolglos abgemahnt und zu keinem Zeitpunkt nach der Kündigung seine Arbeitskraft nochmals angeboten hatte. Aus Sicht des Arbeitgebers habe daher kein Anlass bestanden, an der Ernsthaftigkeit des Lösungswillens zu zweifeln. 3. Betriebszugehörigkeit in Sozialplänen nach Inkrafttreten des AGG BAG-Urteil vom 26. Mai AZR 198/08 - Seite 3 von 6
4 Mit diesem Urteil hat das BAG derartige Regelungen in Sozialplänen für AGGkonform erachtet. Ein Sozialplan könne regeln, dass die Abfindungshöhe mit zunehmender Betriebszugehörigkeit ansteigt. Die damit verbundene mittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer sei durch 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. Ein Sozialplan könne ferner vorsehen, dass Arbeitnehmer, die und sei es nach dem Bezug von Arbeitslosengeld vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen können, geringere Abfindungen erhalten. Auch eine solche Regelung werde durch 10 Satz 3 Nr. 6 AGG ermöglicht. Erfreulich ist weiter die Feststellung, dass 10 Satz 3 Nr. 6 AGG nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoße, da die Regelung durch ein vom nationalen Gesetzgeber verfolgtes legitimes Ziel gerechtfertig sei. Es entspreche einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Die mit einem Arbeitsplatzverlust verbundenen wirtschaftlichen Nachteile können mit steigendem Lebensalter zunächst zunehmen, weil die Gefahr längerer Arbeitslosigkeit typischerweise wächst, und können geringer sein, wenn Arbeitnehmer nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in der Lage sind, Altersrente in Anspruch zu nehmen. Dieser Befund rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters. Demzufolge müssten sich die Betriebsparteien innerhalb eines Sozialplans auch nicht auf eine einheitliche Berechnungsformel beschränken. Der Sachgrund dafür, für Abfindungen älterer Arbeitnehmer ab einem bestimmten Stichtag eine andere Berechnungsformel zugrunde zu legen, könne darin liegen, dass sich bei rentennahen Jahrgängen die zu besorgenden wirtschaftlichen Nachteile typischerweise konkreter einschätzen ließen als bei rentenfernen. Mit dieser Entscheidung setzt das BAG erfreulicherweise seine für Sachverhalte vor Inkrafttreten des AGG entwickelte Rechtsprechung fort. 4. Zum Lohnwucher BAG-Urteil vom 22. April AZR 436/08 Die Frage, wann ein auffälliges Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung und damit ein sittenwidriger Lohnwucher vorliegt, war höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt. Mit diesem Urteil hat das BAG sich nunmehr für eine Grenze von Seite 4 von 6
5 zwei Dritteln ausgesprochen, unterhalb derer bei Fehlen besonderer Umstände des Falls ein Lohnwucher anzunehmen ist. Werde der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liege eine ganz erhebliche, ohne Weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifischen Rechtfertigung bedürfe. Solche besonderen Umstände könnten gegebenenfalls sonstige geldwerte oder nicht geldwerte Arbeitsbedingungen sein. Dabei seien grundsätzlich jedoch nur die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tarifentgelt zu vergleichen. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen seien ebenso wenig einzubeziehen wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis. Nur diese generalisierende Betrachtungsweise ermögliche eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwertes. Allerdings könnten solche nicht berücksichtigungsfähigen tariflichen Zusatzleistungen im Einzelfall zu einer Korrektur der Zwei-Drittel-Grenze führen, wenn sie sich praktisch erheblich auswirkten. Es handele sich dann um besondere Umstände. Das BAG betont auch, dass maßgebend für die Beurteilung eines Lohnwuchers nicht allein der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei, sondern eine Entgeltvereinbarung auch nachträglich wucherisch werden könne, wenn sie nicht an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst wird. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des Lohnwuchers trifft das BAG folgende grundsätzliche Aussagen: Lohnwucher setzt voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht. Im Arbeitsverhältnis könne jedoch regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Tarifentgelte den Arbeitgebern bekannt sind. Damit sei der Marktwert der Arbeitsleistung jedenfalls erkennbar und der Arbeitgeber habe sich bei einem Unterschreiten der Zwei-Drittel-Grenze zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Mit dieser Entscheidung folgt das BAG der strafrechtlichen Würdigung des BGH, der ein auffälliges Missverhältnis ebenfalls bei zwei Dritteln des Tarifentgelts angenommen hat. Mit freundlichen Grüßen Seite 5 von 6
6 Hans-Georg Schwenke Geschäftsführer Seite 6 von 6
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