Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

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1 Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Staatsminister Helmut Brunner Allgäu-Schwäbischer Milchbauerntag 29. Mai 2016, Irsee Es gilt das gesprochene Wort! Referat Presse Telefon Ludwigstraße München Telefax

2 Liebe Milchbäuerinnen und Milchbauern! Ich danke dem Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) für die Einladung zum 1. Allgäu-Schwäbischen Milchbauerntag. Es war mir wichtig, heute hierher nach Irsee zu kommen, denn mich treibt die gleiche Sorge um wie Sie. Der Milchmarkt steht in einer nie dagewesenen Krise. Nicht ohne Grund habe ich bereits lange vor dem Ende der Milchquote für ein funktionierendes Sicherheitsnetz gekämpft. I. Milchpolitik Wir wissen aber alle, dass es nicht ausreichend ist, nur auf die Probleme hinzuweisen. Gefragt sind Lösungsvorschläge und die können wir nur gemeinsam mit den Betroffenen, mit Ihnen, liebe Milchbauern, erarbeiten. Alleingänge am Grünen Tisch machen keinen Sinn! Der zentrale Punkt ist doch: Wir haben derzeit auf dem Milchmarkt vor allem ein Mengenproblem. Einer S e i t e 1

3 schwachen Nachfrage steht ein deutlich zu hohes Milchangebot gegenüber. Auch auf dem Milchmarkt gilt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Das heißt doch, und hier sind wir uns einig, wenn wir eine nachhaltige Verbesserung der Marktsituation erreichen wollen, müssen wir das Problem bei der Wurzel packen und die Milchmenge reduzieren. Und zwar nicht nur in Deutschland oder Bayern, sondern in ganz Europa, ansonsten sind alle flankierenden Maßnahmen ohne große Wirkung. Dann sind sie nur schmerzlindernd, aber nicht heilend. Für mich war immer klar, und ich habe das auch immer gesagt: Denkverbote darf es dabei nicht geben! Bei der Agrarministerkonferenz (AMK) im April musste ich bei meinen Länderkollegen viel Überzeugungsarbeit leisten, aber es hat sich gelohnt. Herausgekommen ist ein Beschluss, der das Kind beim Namen nennt und weitreichende Maßnahmen vorschlägt. Wir waren uns alle einig, dass es nicht nur Hilfsgelder braucht, sondern dass wir die Preisspirale nach unten nur durchbrechen können, wenn es gelingt, die Roh- S e i t e 2

4 stoffmenge zur verringern. Zunächst ist die Branche selbst gefordert, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Milchmenge schneller und effektiver an die Nachfrage anzupassen. Einig waren sich die Agrarminister auch darin, dass Milcherzeuger und Molkereien, die ihre Milchmenge freiwillig z.b. über ein Bonusprogramm reduzieren, finanziell unterstützt werden sollten. Wie bei allen Programmen, die eine Reduzierung des Milchangebots zum Ziel haben, gilt auch hier: Sinnvoll ist eine derartige Maßnahme nur, wenn sie europaweit umgesetzt wird. In dem Beschluss haben wir aber auch deutlich gemacht: Sollten bis zur nächsten AMK im September keine Fortschritte erzielt werden, dann werden auf europäischer Ebene die faktischen und rechtlichen Möglichkeiten einer zeitlich befristeten entschädigungslosen Mengenbegrenzung geprüft und umgesetzt. Wir sehen dies als letzte Option, bevor es zu einem massiven Strukturbruch kommt! S e i t e 3

5 Doch die vielen Milcherzeugerbetrieben, die aufgrund des anhaltendenden Preisverfalls bereits in massiven Liquiditätsschwierigkeiten stecken, können nicht warten, bis die Märkte wieder im Gleichgewicht sind. Sie müssen so schnell wie möglich finanziell entlastet werden. Ich fordere daher von Brüssel ein Hilfsprogramm, das wenn es wirken soll mindestens eine Milliarde Euro umfasst und auch auf eine Verringerung der Milchmenge abzielt. Aber auch der Bund muss Flagge zeigen und selbst ein kraftvolles Hilfspaket schnüren. Das 100-Millionen- Euro-Hilfsprogramm, das die Bundeskanzlerin angekündigt hat, reicht nicht aus! Es muss sich messen lassen, an dem Sonderprogramm von 2009 (500 Mio Mio. Liquiditätshilfen)! Ich kann nur sagen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Förderung von E-Autos wichtiger ist als die Landwirtschaft! Um die Liquidität auf den Betrieben zu verbessern, wurde bereits einiges getan (frühzeitige Auszahlung der Flächenförderprogramme, Liquiditätshilfen, Aufstockung der LUV-Bundeszuschüsse). Der S e i t e 4

6 Bund muss jetzt aber für weitere Entlastungen sorgen, indem er die Zuschüsse zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung (LUV) von derzeit 178 Millionen Euro auf hohem Niveau fortsetzt (200 Mio. pro Jahr) die steuerliche Gewinnglättung von derzeit zwei auf vier Jahre ausdehnt und die Möglichkeit steuerfreier Risikorücklagen prüft. Geld, das Landwirte in guten Jahren verdienen, sollten sie steuerlich unschädlich zurücklegen können, um sich in schlechten Zeiten selbst helfen zu können. Es ist klar: Wir brauchen ein Gesamtpaket. Dabei gilt: Alle Maßnahmen müssen an das klare Signal gekoppelt sein: Runter mit der Menge! II. Bayerische Agrarpolitik Darüber hinaus müssen wir weiter für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen. Die Zukunft der bayeri- S e i t e 5

7 schen Landwirtschaft das zeigt auch die aktuell äußerst schwierige Lage auf den Agrarmärkten liegt nicht in der Massenproduktion und in agrarindustriellen Einheiten, für deren Produktionsmethoden (GVO, Hormone, Klone, Biopatente) es bei uns ohnehin keine Akzeptanz gibt. Austauschbare Grundprodukte können andere Agrarexportländer (z. B. Neuseeland, USA) effizienter als wir produzieren. Wir dagegen müssen die Chancen von Premiumprodukten und Spezialitäten noch gezielter nutzen, auch weil wir in einem teureren Kostenumfeld produzieren. Und hier sind die Potenziale längst nicht ausgeschöpft: Der Bioboom hält an, Regionalität ist ein neuer Megatrend und durch die engere Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Ernährungshandwerk, Gastronomie und Betriebskantinen wollen wir weitere Wertschöpfungsketten mit Mehrwertkonzepten aufbauen. Zudem unterstützen wir durch vielfältige Maßnahmen und Initiativen die Landwirte wie kein anderes Land: angewandte Forschung, vielfältige Bildungsangebote vom Nebenerwerb bis zum Hochschulstudium, geförderte S e i t e 6

8 Verbundberatung durch die Selbsthilfeeinrichtung bis hin zu den agrarpolitischen Kernfördermaßnahmen. Dafür nehmen wir auch viel Geld in die Hand! Auf die bereits in 2015 gebundenen 200 Millionen Euro im Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) setzen wir heuer noch einmal neun Millionen Euro drauf. Mit 110 Millionen Euro fördern wir die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung über die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete und mit 75 Millionen Euro (in 2015) zielgerichtete Investitionen zur Verbesserung tiergerechter und wettbewerbsfähiger Ställe. Wir haben auch erreicht, dass in Deutschland die Umverteilungsprämie bei den Direktzahlungen eingeführt wurde. Davon profitieren in Bayern Betriebe! Dank unseres hartnäckigen Einsatzes muss nur ein Drittel der Betriebe ökologische Vorrangflächen vorhalten. Und ich kämpfe für weitere Vereinfachungen bei der letzten GAP-Reform (aktiver Landwirt, Pufferflächen, Grünlandstatus, Freischuss bei CC, Anhebung der Kleinerzeugerregelung). Gerade S e i t e 7

9 jetzt, wo es so auf die Liquidität in den Betrieben ankommt, sage ich ganz deutlich: Hände weg von den Direktzahlungen! III. Bürokratie Und es muss endlich Schluss sein mit neuen Auflagen. Dies gilt z. B. auch für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszertifikaten immer neue Auflagen und Dokumentationen fordert (Lidl, Mc Donald`s etc.). Mit einer Filterstelle, die die neuen Regelungen durch Bund und EU einer Kosten- Nutzen-Analyse unterziehen und auf Sinnhaftigkeit prüfen soll, will ich zu einem neuen Denken beitragen. Es muss nicht alles bis ins Detail geregelt werden, und Vorschriften, die an Bedeutung verloren haben, müssen zurückgenommen werden (z.b. Streichung der Kennzeichnung und Registrierung der Rinder aus der CC-Kontrolle). Wir kämpfen weiter an allen Fronten gegen die Auswirkungen des CC-Frühwarnsystems. Bei der Anla- S e i t e 8

10 genverordnung zeichnet sich ein Bestandschutz ab (1500 m³), der 80 Prozent unserer Betriebe zugutekommt. Bei der Düngeverordnung haben wir alles getan, um zu einer praktikablen Lösung zu kommen, die hoffentlich von der EU-Kommission akzeptiert wird. Bei der sogenannten NEC-Richtlinie, der Verschärfung der EU-Luftreinhaltungsvorschriften in der Tierhaltung, darf es nicht einer Überforderungen der Landwirte oder gar einem erzwungenen Bestandsabbau kommen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die enormen Anstrengungen der Landwirte für mehr Tierwohl (Laufhöfe etc.) nun durch überzogene Anforderungen konterkariert werden. Das gilt auch mit Blick auf die Anbindehaltung: Hier werden wir uns weiter mit ganzer Kraft gegen ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung stemmen und die Betriebe, die auf Laufstallhaltung umstellen wollen, mit attraktiven Investitionsprogrammen unterstützen. S e i t e 9

11 IV. Schluss Mittel- bis langfristig hat die Bayerische Landwirtschaft und auch die Milchviehhaltung gute Perspektiven. Bayern punktet mit guten Erzeugungsbedingungen, guter Infrastruktur, hervorragend ausgebildeten Landwirten und hoher Kaufkraft vor Ort. Wenn wir jetzt zusammen stehen, die richtigen Schlüsse ziehen und geeignete Maßnahmen ergreifen, werden wir auch diese Krise bewältigen. Bäuerliche Familien haben durch ihre Flexibilität, Kreativität und ihr Beharrungsvermögen in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage sind, Schwierigkeiten zu überwinden. Die Bayerische Staatsregierung steht gerade jetzt fest an der Seite der bayerischen Landwirtschaft. S e i t e 10