Arztrecht und Medizintourismus
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- Walter Kurzmann
- vor 7 Jahren
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1 Prof. Dr. Andreas Spickhoff Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Medizinrecht Institut für Internationales Recht Juristische Fakultät LMU München Arztrecht und Medizintourismus Universität Wien März 2016
2 A. Einleitung: Befund und Rechtsquellen - Befund: Medizintourismus - Regelungen im Europäischen Sozialrecht zur grenzüberschreitenden Erbringung von Gesundheitsleistungen - Regelungen im Internationalen Privat- und Prozessrecht - Regelung im Patientenrechtegesetz: 1. Ziel: Möglichkeit des Nachlesens von Patientenrechten 2. Signalwirkung: Steigerung der Nachfrage nach Haftungsansprüchen c Abs. 2 S. 1 BGB: Information des Patienten in verständlicher Weise e Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB: für den Patienten verständliche Selbstbestimmungsaufklärung
3 B. Materiellrechtliche Grundlagen des Arztrechts I. Der Behandlungsvertrag Neuer Typus geregelt in 630 a ff. BGB ( Titel 8 Dienstvertrag und ähnliche Verträge ) Behandlungsvertrag prinzipiell persönlicher Dienstvertrag ohne Gesundheitsgarantie Angrenzung zum Werkvertrag (zweifelhaft: Diagnosevertrag, Laboruntersuchungen, Röntgendiagnostik, Zahntechnik, Herstellung von [Zahn-] Prothesen; Sterilisation, kosmetische Operation) medizinische Behandlung eines Patienten
4 allgemein maßgeblich: Funktionszusammenhänge und die Rechtsfolgen der jeweiligen Vertragstypen denkbar, neben werkvertraglichen Gewährleistungsregeln die Regeln über Einwilligung und Aufklärung sowie sonstige Informationen aus dem Recht des Behandlungsvertrages analog anzuwenden Verträge mit Veterinärmedizinern von den 630a ff. BGB nicht erfasst, ebenso wenig Verträge mit Apothekern, reine Pflege- oder Betreuungsleistungen bzw. Heimverträge Erfasst aber: medizinische Behandlungen auch durch andere Angehörige der Heil(hilfs-)berufe (Psychotherapeuten, Hebammen und Entbindungspfleger, Masseure, Medizinische Bademeister, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten und Heilpraktiker im Sinne des HeilpraktikerG, auch Diätassistenten, nicht aber Altenpfleger) nicht erfasst: Piercings, Tattoos
5 630b BGB: die Vorschriften über das Dienstverhältnis sind i. ü. anzuwenden, insbesondere 613 S. 1 BGB, wonach der zur Dienstleistung Verpflichtete die Leistung im Zweifel in Person zu erbringen hat (Problem: klauselmäßige Vertretungsregeln in Bezug auf Wahlärzte) Krankenhausverträge nicht kodifiziert (Passivlegitimation oft undeutlich!)
6 II. Pflichten der Patienten 1. Vergütungspflicht ( 630a Abs. 1 BGB). a) Privatpatienten GOÄ bzw. GOZ, auf 11 BÄO bzw. auf 15 ZHG beruhend (Taxen im Sinne von 612 Abs. 2 BGB, der über 630b BGB auch für den medizinischen Behandlungsvertrag greift ). Zahlungspflicht trifft auch Kassenpatienten bei individuellen Gesundheitsleistungen (IGel). Allerdings Hinweispflicht ( 630c Abs. 3 BGB)
7 b) Gesetzlich versicherte Patienten - soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist - beschränkt geschäftsfähige Minderjährige (Frage: rechtlicher Nachteil, 107 BGB) - Minderjährige können als gesetzlich versicherte gemäß 36 Abs. 1, 11 SGB I ab Vollendung des 15. Lebensjahres selbst Anträge stellen - Risiko des Misserfolgs ist kein rechtlicher Nachteil - Sonderfrage: Bestelltermin c) Krankenhausverträge nicht kodifiziert (Passivlegitimation oft undeutlich!)
8 2. Mitwirkung an der Durchführung der Behandlung - 630c Abs. 1 BGB - allgemeine Obliegenheiten des Patienten (und des Behandelnden) - Die Obliegenheitswidrigkeit und Mitverschulden ( 254 BGB)
9 III. Pflichten der Behandlungsseite 1. Der allgemein anerkannte fachliche Standard - ungenaue Formulierung in 630a Abs. 2 BGB - Konkretisierung von 276 Abs. 2 BGB - Möglichkeit eines abweichend vereinbarten Standards
10 2. Informations- und Offenbarungspflichten ( 630c Abs. 2-4 BGB) a) Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung b) Pflicht zur Offenbarung von eigenem und fremdem Fehlverhalten c) Wirtschaftliche Aufklärung d) Qualitätsaufklärung? e) Verhältnis zur Selbstbestimmungsaufklärung f) Enbehrlichkeit der Information
11 3. Pflicht zur Einholung der Einwilligung und Einwilligungsfähigkeit - vertragliche Pflicht - Problem der fehlenden Einwilligungsfähigkeit ungeregelt - 630e Abs. 5 BGB: Sonderregelung in Bezug auf die Aufklärung - 630d Abs. 2 BGB: vorausgesetzt nur, dass nach Maßgabe des 630e Absatz 1 bis 4 BGB aufgeklärt worden ist, nicht nach Maßgabe des 630e Abs. 5 BGB - natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit (Strafrecht v. Haftungsrecht?)
12 4. Pflicht zur Aufklärung im engeren Sinn e BGB - Aufzählung in S. 2 nur beispielhaft ( insbesondere ) - Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden - Aufklärung ausnahmslos mündlich - (nur) ergänzend: Schriftstücke ( 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB) - Befähigung des Aufklärenden durch die erforderliche Ausbildung
13 - Aufklärung für den Patienten verständlich ( 630e Abs. 2 Nr. 3 BGB) - ausländische Patienten und Dolmetscherkosten - Verzicht auf die Aufklärung ( 630e Abs. 3 BGB)? - Aushändigung der Abschriften von Unterlagen ( 630e Abs. 2 S. 2 BGB)
14 5. Pflicht zur Dokumentation der Behandlung - 630f BGB und 630h Abs. 3 BGB - unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang der Dokumentation - Patientenakte in Papierform oder elektronisch geführt - Ausschluss nachträglicher Manipulationen - Aufbewahrungspflicht: 630f Abs. 1 BGB (mindestens zehn Jahre oder länger)
15 6. Pflicht auf Gewährung der Einsichtnahme in die Patientenakte - Recht auf Einsichtnahme in die vollständige Akte - Begrenzung durch erhebliche therapeutische Gründe (z. B. Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung) oder erhebliche Rechte Dritter - Ablehnung der Gewährung vollständiger oder partieller Einsichtnahme ist zu begründen ( 630g Abs. 1 S. 2 BGB) aber wie? - Abschriften von der Patientenakte ( 630g Abs. 2 BGB) - Kosten für entsprechende Kopien: 630g Abs. 2 BGB - Einsichtsrecht nach dem Tode des Patienten
16 7. Beweiserleichterungen zu Gunsten der Patienten a) Grundsatz und Enumeration der Beweislast-umkehrungen in der Arzthaftung - Grundsatz: sog. Rosenberg sche Normentheorie - keine Proportionalhaftung - kein Entschädigungsfonds - Zudem: Verschuldensvermutung nach 280 Abs. 1 S. 2 BGB (Relevanz eher gering)
17 b) Voll beherrschbares Behandlungsrisiko Vermutung des Fehlers des Behandelnden, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war ( 630h Abs. 1 BGB)
18 c) Einwilligung und Aufklärung - 630h Abs. 2 BGB: Einwilligung und Aufklärung ( 630d, 630e BGB) sind von der Behandlungsseite zu beweisen - keine Umkehr der Beweislast bei Informationspflichten nach 630c BGB 8z. B. Sicherungsaufklärung, wirtschaftliche Aufklärung) - 630h Abs. 2 S. 2 BGB: hypothetische Einwilligung
19 d) Unzureichende Dokumentation ( 630h Abs. 3, Abs. 5 S. 2 BGB) e) Unzureichende Befähigung, insbesondere die Anfängeroperation ( 630h Abs. 4 BGB)
20 f) Grober Behandlungsfehler und einfacher Befunderhebungsfehler ( 630h Abs. 5 BGB) - Grund: wohl nur Billigkeit (Möglichkeit der Analogie, z. B. bei Tierärzten?) - keine Beweislastumkehr bei einfachen Behandlungsfehlern - Umkehr der Beweislast in Bezug auf die haftungsbegründende Kausalität ( Primärschäden ) - Gegenbeweis nur bei voller richterlicher Überzeugung (falls Kausalität äußerst unwahrscheinlich )
21 - 630h Abs. 5 S. 2 BGB: Rechtsprechung des BGH zum (einfachen) Befunderhebungsfehler - einfacher Befunderhebungsfehler, kombiniert mit einem hypothetischen groben Behandlungsfehler, führt zur Beweislastumkehr - hinreichende Wahrscheinlichkeit
22 II. Vorsorgeverfügungen 1. Patientenverfügungen i. e. S. a) Begriff, Arten und Bedeutung: 1901a ff BGB b) Betreuungsrichterliche Genehmigung beim Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen: 1904 BGB 2. Vorsorgevollmacht 3. Betreuungsverfügung
23 C. Arztrecht und Auslandsbezug I. Internationales Privat- und Prozessrecht 1. Ausgangsbeispiele a) BGH NJW 2008, 2344 und MedR 2012, 316 m. Anm. Spickhoff b) OLG Oldenburg NJW-RR 2008, Internationale Zuständigkeit a) EuGVVO (Art. 5, 7 Nrn. 1 und 3) b) LugÜ (Art. 2, 5 Nrn. 1 und 3) c) 12, 13, 29, 32 ZPO analog 3. Internationales Privatrecht (Rom I/II-VO) a) Internationales Vertragsrecht b) Internationales Deliktsrecht 4. Verhältnis zum Internationalen Strafrecht
24 III. Das Sonderproblem der Einwilligungsfähigkeit 1. Ausgangsbeispiel 14-jähriger Österreicher lässt sich (gefälligkeitshalber) von österreichischem Arzt in Passau operieren. Einwilligung nach Aufklärung ohne Zustimmung der Eltern wirksam? 2. Rechtsvergleichender Befund: nationale Divergenzen! 3. Internationales Strafecht: 3 StGB 4. Internationales Privatrecht: (Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO, aber Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom I-VO selbst bei Vertragsschluss) Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO: (gemeinsamer) gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich 5. Innerer Entscheidungseinklang und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung - Akzeptanz der IPR-Rechtfertigung auch im Strafrecht
25 IV. Sonderproblem: Die Beschneidung ( 1631d BGB) 1. Ausgangsfall: LG Köln FamRZ 2012,1421 m. Anm. Spickhoff; zuvor z. B. OVG Lüneburg NJW 2003, 3290 (Anspruch auf Kostenübernahme der Familienfeier wegen Beschneidung eines Jungen muslimischen Glaubens durch den Sozialhilfeträger) 2. Anwendbares Recht: Art. 15 ff. KSÜ (Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Minderjährigen) 3. Grundsatz (Abs. 1 S. 1) und Ausnahme (Abs. 1 S. 2) 4. Motive der Eltern und Grundrechtsschutz (körperliche Integrität, Persönlichkeit, Religionsfreiheit) 5. Bedeutung der Einwilligungs- und Äußerungsfähigkeit (siehe aber auch 630e Abs. 5, 630d Abs. 2 BGB!) 6. Ärztliche Kunst und fachlicher Standard ( 630a Abs. 2 BGB), auch in Fällen des Abs. 2 einschl. Anästhesie! 7. (Auswahl-)Verschulden der Eltern 1664 Abs. 1, 277 BGB
26 V. Die Rechtsentwicklung zur Aufklärung fremdsprachiger Patienten bis zum PatientenrechteG 1. Arzthaftungsrechtlicher Ausgangspunkt: Ärztliche Pflicht zur für die konkreten Patienten verständlichen Aufklärung, ggfs. durch Beiziehung eines Dolmetschers 2. Behandlungsseite (der behandelnde Arzt) muss über zureichende Deutschkenntnisse verfügen. 3. Bloße Übergabe einer schriftlichen Informationsbroschüre reicht nicht ( 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB; zuvor schon AG Leipzig, MedR 2003, 582 mit Anm. Mangelsdorf; Ausnahme: Eilfälle) 4. Ausnahme: Arzt und Patient sprechen dieselbe Fremdsprache 5. Beweislast liegt bei Behandlungsseite ( 630h Abs. 2 S. 1 BGB)
27 6. Einzelheiten aus der Judikatur - Grundsätzlich volle Aufklärung auch bei fremdsprachigen Patienten - Übersetzung durch geeignete Hilfspersonen genügt (OLG München, VersR 1993, 1488: Krankenschwester bei Gebärmutterentfernung; OLG Oldenburg, MedR 2012, 332) - Aber: sprachkundige Person ist hinzuzuziehen, wenn nicht sicher ist, dass der Patient die deutschsprachigen Erklärungen versteht (OLG Stuttgart, AHRS 1050/100; KG, MedR 2009, 47 gegen KG, MedR 1999, 226; ) - Je nach Sachlage kann (wenn ein entsprechend falscher Eindruck vermittelt wird) es Sache des ausländischen Patienten sein, dem Arzt mitzuteilen, wenn er etwas nicht verstanden hat (OLG Karlsruhe, MedR 2003, 104; OLG Frankfurt a. M., VersR 1994, 986; treuwidriges Verhalten hält möglich KG, GesR 2004, 409)
28 - Sonderfrage: irreversible gynäkologische Maßnahmen - OLG München, VersR 2002, 717 ( nix Baby mehr ); ähnlich OLG Düsseldorf, NJW 1990, OLG Nürnberg, VersR 1996, 372: 91 Seiten lange Schrift über Operationen in der Frauenheilkunde anstelle verständlicher Aufklärung übergeben
29 7. Verteidigungsmöglichkeiten - mutmaßliche Einwilligung Bspl: unaufgeklärte, medizinisch indizierte Schnittentbindung im Eilfall (OLG Braunschweig, ZfSch 2003, 114 mit Anm. Diehl) - kein Verschulden Im Einzelfall kann es am Verschulden (Erkennbarkeit) der Behandlungsseite fehlen (OLG Düsseldorf, ArztR 2001, 108) 8. Haftungsfreizeichnung bei Aufklärung durch Personal a) AGB: 309 Nr. 7a BGB! b) Individualvereinbarung (wie in BGH JZ 2008, 685, 687 m. Anm. Spickhoff toleriert)
30 VI. Dolmetschkosten 1. Gesetzlich versicherte Patienten - BSG, NJW 1996, 806 zu Gebärdendolmetscher: keine Leistungspflicht - ganz h. M.: das gilt auch für fremdsprachige Patienten - z. B.: SG Hamburg, Urteil vom , Az. S 27 KA 251/01: türkischsprachige Migranten haben keinen Anspruch auf muttersprachliche Psychotherapie. Damit fällt jede Form der Gesprächstherapie von gesetzlich Versicherten in Deutschland, die nicht zureichend Deutsch können, praktisch weg.
31 - interessant: Korrektur des BSG durch 17 Abs. 2 SGB I: hörbehinderte Menschen haben nun das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Maßnahmen, die Gebärdensprache zu verwenden (ggf. Kostentragung durch GKV) - LSG NRW, Urt. v (Az. L 7 VG 9/05): keine analoge Anwendung dieser Norm bei fehlender Sprachkenntnis des Patienten - 27, 28 SGB V: ärztliche Behandlung bzw. Tätigkeiten eines Arztes, nicht aber so BSG - Tätigkeit von Hilfspersonen, solange die Fremdleistung nicht vom Arzt angeordnet oder von ihm zu verantworten und diese Tätigkeit nicht der ärztlichen Berufsausübung zuzurechnen ist. Daran fehle es bei Übersetzungsleistungen.
32 2. Privat versicherte Patienten einschließlich Beamte a) PKV: Ersatzfähigkeit nur, wenn entsprechender Versicherungsschutz konkret vereinbart worden ist. Regelmäßig (-) b) Beihilfe: (-), nicht einmal (entspr. 17 Abs. 2 SGB I) Kosten für Gebärdendolmetscher (so OVG Münster, NVwZ-RR 2008, 271)
33 3. Sozialhilfeempfänger - BVerwG, C 20/95: Krankenhilfe nach 37 BSHG umfasst Dolmetscherkosten, wenn und soweit der Anspruch auf Krankenhilfe ohne sprachliche Hilfestellung nicht erfüllt werden kann. - Ebenso LSG Nds. (NdsRpfl 2002, 246), gleichfalls noch zum BSHG, bei Psychotherapie - Ebenso für SGB XII SG Hildesheim zum SGB XII (Sozialhilfe), ZFSH/SGB 2012, 417 (Urt. v , Az. S 34 SO 217/10); trotz 48 SGB XII (Hilfe bei Krankheit): Um eine Krankheit zu [behandeln], werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht.
34 VII. Das Sonderproblem von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung 1. Ausgangsbeispiel Patient/in ohne (oder: eindeutige) Deutschkenntnisse soll/will (nicht?) (weiter-) behandelt werden. a) Er/sie ist noch (?) einwilligungsfähig b) Er/sie ist nicht mehr einwilligungsfähig (aber evtl. noch äußerungsfähig), aber es tritt eine Person auf, die sich als (gesundheits-) bevollmächtigt geriert. 2. Internationales Privatrecht: Wessen Staates Recht gilt? a) Internationales Vertragsrecht b) Internationales Deliktsrecht c) Haager Erwachsenenschutzübereinkommen (ESÜ) 3. Internationales Strafrecht
35 4. Internationales Privatrecht der Vorsorgevollmacht a) Ausgangspunkt des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens (ESÜ) Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Patienten gilt für die Vollmacht; begrenzt Rechtswahl durch den Vollmachtgeber möglich (Art. 15 ESÜ)
36 b) Ausnahmen: - Ausübung der Vollmacht stellt Schutz des Patienten nicht ausreichend sicher ; dann Maßnahmen der zuständigen Behörde (Betreuungsgericht) nach eigenem Recht (Art. 16 ESÜ) - Verkehrsschutz (= deutsches Recht), aber nur, wenn die Anwendbarkeit fremden Rechts nicht erkennbar ist (Art. 17 ESÜ; Achtung: der Inhalt des fremden Rechts muss nicht erkennbar sein) - offensichtlicher Widerspruch der Anwendung fremden Rechts mit der eigenen öffentlichen Ordnung und international zwingende Eingriffsnormen (Art. 20, 21 ESÜ)
37 5. Eigenes bzw. Europäisches Internationales Privatrecht (1.) Vollmacht: einschlägig bei Minderjährigen (Art. 2 Abs. 1 ESÜ) dann gilt (str.) das Recht am Gebrauchsort (a. M.: Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Vollmachtgebers; Sorgerecht: KSÜ, s. o.) (2.) Einschlägig auch bei (isolierten) Patientenverfügungen (zweifelhaft bei Kombination von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht; zweifelhaft auch bei unbedingt erteilter Vollmacht) Lit.: Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Patienten m. E.: Rom I/II-VO (beachte aber Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom I-VO; dieser Ausschluss fehlt in der Rom II-VO) Grund: Patientenverfügung ist m. E. Sonderform der vorweggenommenen Einwilligung (ggf. Versagung der Einwilligung)
38 VIII. Ausblick - Ausgangspunkt des Patientenrechtegesetzes: Pflicht zur verständlichen Information und Aufklärung ( 630c Abs. 2 S. 1, 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) - Das inkludiert, dass der Arzt für eine ordnungsgemäße Aufklärung zu sorgen hat, notfalls dadurch, dass er für eine Sprachmittlung sorgt (KG MedR 2009, 48, 49; Alternative: Ablehnung der Behandlung) - Grundrechtsrelevanz dieser Pflichten: Selbstbestimmungsrecht des Patienten - Patientenrechtegesetz sieht in Kenntnis des Diskussionsstandes keine Erstattungspflicht im GKV-System vor, obwohl:
39 - Richtlinie 2010/64/EU: Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren auf Kosten der Mitgliedstaaten - Richtlinie 2011/24/EU zur Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung: Behandlungsmitgliedstaat hat für Patienten aus anderen Mitgliedstaaten Informationen bereitzustellen, die eine sachkundige Entscheidung ermöglichen, insbesondere in Bezug auf Behandlungsoptionen. - rechtspolitisches Petitum: Erstattungsfähigkeit von Dolmetschkosten, aber (nur) in den maßvollen Grenzen der Judikatur (Gefahr: Überlastung der GKV) - ESÜ vernachlässigt Verkehrsschutz - Anwendbares Recht i. ü. (auch bei Patientenverfügung) str.; im Zweifel: Vornahmeortsrecht/Tatortrecht
40 Prof. Dr. Andreas Spickhoff Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Medizinrecht Institut für Internationales Recht Juristische Fakultät LMU München Arztrecht und Medizintourismus Universität Wien März 2016
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