Seite 1. Rede. des Herrn Abteilungsleiters Dieter Hackler in Vertretung des Parl. Staatssekretär Dr. Kues
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1 Seite 1 Rede des Herrn Abteilungsleiters Dieter Hackler in Vertretung des Parl. Staatssekretär Dr. Kues Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Bundesrepublik Deutschland Eine Gesellschaft für alle Lebensalter: Lebensqualität und aktives Altern fördern Lebensqualität im Alter fördern und ein Umfeld für Altern in Gesundheit, Unabhängigkeit und Würde schaffen. Sehr geehrte Frau Vorsitzende, Sehr geehrte Minister und Ministerinnen, Sehr geehrte Damen und Herren Anwesende, ich möchte Ihnen meine große Freude ausdrücken über die Durchführung dieser internationalen Konferenz anlässlich der 10-jährigen Verabschiedung des Zweiten UN-Weltaltenplans und der UNECE-Regionalen Implementierungsstrategie. Sie ist ein idealer Ort des Austauschs über die Altenpolitik unserer Staaten. Das gesellschaftliche Thema des demographischen Wandels betrifft uns alle und wird in der Bundesrepublik Deutschland sehr ernst genommen. So möchte ich Ihnen einen Einblick geben in einige Strategien und Maßnahmen, die wir uns in Deutschland überlegt haben und sehe Ihren Ausführungen entgegen. Grundlegend für die Altenpolitik der Bundesregierung ist, die Gestaltung des demographischen Wandels unter Einbeziehung aller Beteiligten, d.h. der
2 Seite 2 verschiedenen staatlichen Ebenen, der gesellschaftlichen Akteure sowie der Bürgerinnen und Bürger selbst zu ermöglichen. Wir haben daher eine Demographiestrategie entwickelt, mit der wir drei große Ziele verfolgen: 1. jedem einzelnen Menschen entsprechend seiner Lebenssituation und seinem Alter die Chance geben, seine Fähigkeiten zu entwickeln 2. Wachstumsdynamik, Innovationskraft und Wohlstand erhalten 3. den Zusammenhalt in unserem Land bewahren zwischen Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, Einheimischen und Zugewanderten, aber auch zwischen Regionen, Städten und Dörfern. Im Mittelpunkt stehen dabei die Lebensbereiche, in denen die Menschen die Auswirkungen des demographischen Wandels ganz unmittelbar und am stärksten erfahren: z.b. in der Familie, im Arbeitsleben, im Alter sowie in den Kontexten ihrer ländlichen oder städtischen Umgebungen. So wollen wir: - die Gesundheit am Arbeitsplatz erhalten und fördern - die Weiterbildung im gesamten Lebensverlauf ermöglichen - Rahmenbedingungen und Kultur des längeren Arbeitens schaffen - die Lebensleistungen in der Rente anerkennen. Unsere Demographiestrategie hat einen gemeinsamen Zielkatalog, der sich auf einen Dreiklang reduzieren lässt: Chancen schaffen, Teilhabe sichern, Zusammenhalt stärken. Chancen sind die Voraussetzung für Teilhabe und Teilhabe ist die Voraussetzung für Zusammenhalt. Deshalb muss politisches Handeln im demographischen Wandel bei den Chancen beginnen. Faire Chancen, zum eigenen Wohl und zum Wohl der Gesellschaft etwas zu bewegen, halten eine Gesellschaft zusammen.
3 Seite 3 In diesen Kontext gehört zum einen die Möglichkeit für jeden einzelnen Menschen, eigene Vorstellungen und Lebensentwürfe zu verwirklichen, dazu gehört zum anderen die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Daher sieht die Bundesregierung das Aktive Altern als eine zentrale politische Aufgabe. Neben seit Jahren bestehenden verschiedenen Förderungen und Modellprogrammen unterstützt mein Ministerium im Rahmen des laufenden Europäischen Jahres für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen 45 Projekte bundesweit. Sie haben die Schwerpunkte Arbeitswelt und Arbeitsbedingungen, gesellschaftliches Engagement und Teilhabe Älterer, Altersbilder und Altersgrenzen, eigenständiges Leben älterer Menschen durch Anpassungen in den Bereichen Wohnumfeld und Infrastruktur, Solidarität zwischen den Generationen sowie Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Zum Aktiven Altern gehört auch bürgerschaftliches Engagement. Es stiftet nicht nur einen Mehrwert für die Gesellschaft, sondern hält auch die Akteure jung und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe bis ins höchste Alter. Bürgerschaftliches Engagement erzeugt soziale Inklusion, schafft neue Kompetenzen, beugt Benachteiligungen vor, erweitert persönliche Handlungsspielräume und stärkt das Gemeinschaftsleben. Im Rahmen unserer Engagementpolitik wird zukünftig dem Parlament in jeder Legislaturperiode ein Engagementbericht zur Lage des bürgerschaftlichen Engagements vorgelegt. Er wird von einer unabhängigen Sachverständigenkommission erstellt, und durch eine ausführliche Stellungnahme die Bundesregierung ergänzt. Der Bericht soll dazu beitragen, in der Gesellschaft vorhandene Potenziale für das freiwillige Engagement zu entfalten.
4 Seite 4 Der Erste Engagementbericht mit dem Titel Für eine Kultur der Mitverantwortung wurde mit der Stellungnahme der Bundesregierung dem Parlament zugeleitet. Er legte dar, dass 64% der deutschen Unternehmen bürgerschaftliches Engagement mit Geld oder Sachspenden unterstützen dies mit einem finanziellen Gegenwert von jährlich mindestens 11 Milliarden Euro. Praktische Beispiele für Engagament sind auch der Bundesfreiwilligendienst, die Mehrgenerationenhäuser als Anlaufstellen für Menschen aller Altersstufen vor Ort und die Freiwilligendienste aller Generationen. Der Bundesfreiwilligendienst steht Menschen allen Altersgruppen offen. Er bietet Frauen und Männern sowie Jung und Alt, eine Möglichkeit zum gemeinwohlorientierten Einsatz und zwar freiwillig. Seine generationenübergreifende Ansätze stärken die Solidarität der Generationen und unterstützen den Erhalt gemeinsamer Werte. Viele Ältere nutzen den Bundesfreiwilligendienst als Rahmen für ihr Engagement. Die Einsatzfelder reichen von der Kinder- und Jugendbetreuung über Pflege von Senioren und Seniorinnen oder Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zu Sport, Integration, Kultur, Bildung sowie Zivil und Katastrophenschutz. Fast 20% derjenigen, die sich im Bundesfreiwilligendienst engagieren, sind über 50 Jahre. Die Mehrgenerationenhäuser übertragen in bundesweit rund 500 Einrichtungen das Prinzip der früheren Großfamilie in die moderne Gesellschaft: Das selbstverständliche Geben und Nehmen zwischen Menschen verschiedenen Alters wird aktiviert. Jung und Alt begegnen sich in einem öffentlichen Raum in ihrer Nachbarschaft. Über Familiengrenzen hinweg werden Kontakte geknüpft, die sich oft über die Angebotserbringung festigen wie Leihgroßeltern, Einkaufshilfen, Mentorenprogramme etc. Die Freiwilligendienste aller Generationen wurden von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erheblich unterstützt. Sie umfassen rund
5 Seite Freiwillige aller Altersgruppen mit unterschiedlichem kulturellem und sozialem Hintergrund. Auffallend große Resonanz bestand bei Menschen zwischen 45 und 69 Jahren, darunter 64% Freiwillige älter als 50 Jahre. Die Dienste wollen - Kinder und Jugendliche an bürgerschaftliches Engagement heranführen, - das Erfahrungswissen älterer Menschen einbinden, - Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen. Träger sind Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger oder kirchlicher Zwecke. Neben ihrem zivilgesellschaftlichen und familiären Engagement möchten viele ältere Menschen aber auch arbeiten. In Deutschland liegt die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen bei rund 60%. Damit hat die Bundesregierung die Lissabon- Strategie, bis zum Jahr 2010 die Erwerbstätigenquote auf 50% zu steigern, mehr als erfüllt, aber wir werden noch besser werden müssen. Zwei Fünftel aller 60- bis 64-Jährigen in Deutschland gehen heute einer Erwerbstätigkeit nach. Über die Hälfte der Ruheständler und Ruheständlerinnen zwischen 65 und 75 Jahren hätte sich vorstellen können, länger zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund und dem der weitersteigenden Lebenserwartung bei sinkenden Geburtenzahlen wird ab 2012 die Regelaltersgrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Diese Anhebung ist im Jahr 2029 abgeschlossen. Das dient der langfristigen Stabilisierung und Einhaltung der Beitrags- und Niveausicherungsziele. Vor allem aber wird sichtbar, dass wir die Kompetenzen der älteren Menschen brauchen. Bei ihrer längeren Erwerbstätigkeit gilt es, die Stärken der Älteren als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu erkennen und zu nutzen. Professor Kruse, ein renommierter deutscher Gerontologe, hat diese Stärken zusammengefasst:
6 Seite 6 Alte sind hervorragende Planer. Sie entwickeln realistische Konzepte. Sie finden schnell die relevanten Informationen. Sie können gut kontrollieren. Sie motivieren Mitarbeiter durch konstruktive Anregungen. Sie integrieren sich gut in Gruppenprozesse. Wir sind der Auffassung, dass altersgemischte Teams davon profitieren, dass die Jüngeren schneller sind und die Älteren die Abkürzungen kennen. Dazu möchte ich Ihnen ein Projekt unter vielen erläutern. Die Initiative Wirtschaftsfaktor Alter verknüpft Elemente der Senioren-, Wirtschafts- und Verbraucherpolitik. Sie fokussiert auf - die Kompetenzen älterer Beschäftigter - Produkte und Dienstleistungen für Ältere - die Kaufkraft der Älteren. Zugleich macht das Programm die Potenziale älterer Arbeitskräfte deutlich. Die Älteren werden als qualitätsbewusste Kundschaft identifiziert. Mit dem im Rahmen der Initiative entwickelten Qualitätszeichen Generationenfreundliches Einkaufen wurden 4000 Geschäfte ausgezeichnet, die ihre Serviceleistungen und Geschäftslokale besonders kundenfreundlich gestalten und damit ihre Marktchancen verbessern. Mit dem Handwerk wird ein weiteres Siegel für das Generationenfreundliches Handwerk erarbeitet. Aber nicht alle ältere Menschen bleiben bis an ihr Lebensende gesund und aktiv. Die Zahl an Älteren, die hilfe- und pflegebedürftig sind, steigt. Im Jahr 2030 werden es über 3,3 Millionen Menschen in Deutschland sein. Viele von ihnen werden Betreuung und professionelle Pflege benötigen.
7 Seite 7 Deutschland hat daher die Familienpflegezeit eingeführt. Sie ermöglicht Beschäftigten, die nahe Angehörige zu Hause betreuen, Pflege und Beruf besser zu vereinbaren. Sie können ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal 2 Jahren auf bis zu 15 Stunden reduzieren. So können z. B. Vollzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit halbieren und das bei einem Gehalt von 75 % des bisherigen regelmäßigen Bruttoeinkommens. Zum Ausgleich müssen sie im Anschluss an die Pflegephase wieder voll arbeiten, bekommen aber weiterhin nur 75 % des Gehaltes, bis der Vorschuss nachgearbeitet ist. Nicht jeder Pflegebedürftige wird jedoch von Angehörigen gepflegt aus unterschiedlichen Gründen. Gerade die Pflegefachkräfte sind in der Altenpflege ein ganz entscheidender Faktor für die Qualität der pflegerischen Versorgung. Der Bedarf an Pflegekräften wird in der Zukunft deutlich zunehmen. Aber es wird auch immer weniger junge Menschen geben, die dem Markt zur Bewältigung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen. Daher muss das Berufsfeld der Altenpflege in Zukunft noch attraktiver gestaltet werden, damit möglichst viele junge Leute für diesen wichtigen Beruf gewonnen werden können. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine moderne und attraktive Pflegeausbildung. Deswegen will die Bundesregierung die Pflegeberufe der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege in einem neuen Berufegesetz zusammenführen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe einige Aspekte der deutschen Politik zu unserem Thema vorgetragen und stehe Ihnen gern für weitere Ausführungen zur Verfügung. Ich möchte an dieser Stelle der UNECE und der österreichischen Regierung im Namen der Bundesregierung meinen Dank und meine Wertschätzung für diese
8 Seite 8 großartige Konferenz ausdrücken. Sie zeigt, dass Altenpolitik immer wichtiger wird und dass der inhaltliche Austausch innerhalb der Staaten für alle von Vorteil ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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