Welche Arzneimittel braucht der Mensch?
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- Petra Haupt
- vor 6 Jahren
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1 Welche Arzneimittel braucht der Mensch? In Deutschland werden ca Produkte angeboten. Doch wie viele davon sind wirklich wichtig, um kranke Menschen gesund oder zumindest gesünder zu machen? Solche Mittel bezeichnet man als rationale Arzneimittel: Ihre Wirksamkeit ist für die angegebenen Indikationen (Behandlungsgebiete) wissenschaftlich erwiesen und ihre Verträglichkeit steht in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem therapeutischen Nutzen. Wenn bei Medikamenten kein wissenschaftlicher Beweis für ihre Wirksamkeit und/oder Sicherheit vorhanden ist oder sie deutlich schlechter wirken als vergleichbare Medikamente, nennt man sie irrational. Sie schaden der Gesundheit und sollten vom Markt verschwinden. Ein Beispiel für ein solches irrationales Medikament ist eines der meistverkauften rezeptfreien Schmerzmittel: Thomapyrin der Firma Boehringer Ingelheim. Es enthält Paracetamol, Acetylsalicylsäure und Koffein. Paracetamol und Acetylsalicylsäure sind zwar jedes für sich rationale Schmerzmittel, jedoch sollte man sie nicht kombinieren, schon gar nicht mit Koffein. Jedes Jahr führt diese irrationale Kombination bei einigen hundert Menschen zu Nierenversagen. Es gibt keine Rechtfertigung, dieses irrationale Medikament weiter zu produzieren. In armen Ländern haben irrationale Medikamente noch fatalere Auswirkungen als bei uns. Die Firma Bayer verkauft in Indien Bayer s Tonic, einen unwirksamen Stärkungssaft. Er enthält Leberextrakt, Hefe und viel Alkohol. Das Mittel wird in Indien gegen Appetitverlust und allgemeine Schwäche vermarktet jahrelang auch für Kinder. Der Saft soll dreimal täglich verabreicht werden, die Alkoholmenge entspricht dabei in etwa anderthalb Schnapsgläsern Wein (30 ml). Bei unterernährten Kindern kann diese Alkoholmenge über längere Zeit konsumiert leicht eine tödliche Leberzirrhose hervorrufen. Foto: T. Jayashree, Bangalore Das überflüssige Produkt kostet einen durchschnittlichen Tageslohn. Auf dem Bild sehen Sie, wie viele Lebensmittel man von dem Geld kaufen kann, das eine Flasche Bayer s Tonic kostet. 1 Unter den rationalen Azneimitteln gibt es eine ganze Reihe unverzichtbarer Mittel. Sie sind nötig, um viele Krankheiten zu heilen oder Leben zu verlängern. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat eine Modellliste mit ca. 300 Medikamenten entwickelt, die immer und überall in ausreichender Menge zur Verfügung stehen sollten. Jedes Land passt diese Liste auf seine nationalen Bedürfnisse an. Mit unentbehrlichen Medikamenten können 95 % aller medikamentös behandelbaren Krankheiten geheilt oder therapeutisch verbessert werden. Die Modellliste der WHO können Sie unter: downloaden.
2 Unentbehrliche Medikamente müssen jedem Menschen zu jeder Zeit zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stehen. Der Zugang zu ihnen ist ein Menschenrecht. Doch die Realität sieht anders aus. In vielen Teilen der Erde haben nicht einmal die Hälfte der Menschen Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten. Die lebensrettenden Mittel sind entweder nicht vorhanden oder zu teuer. Außerdem werden kaum Medikamente für Krankheiten erforscht, die hauptsächlich Arme betreffen. Zwischen 1975 und 1999 kamen knapp 1400 neue chemische Stoffe als Medikamente auf den Markt. Weniger als 1 %, nur 13 Arzneimittel, insgesamt waren zur Behandlung von Tropenkrankheiten geeignet. Diese Krankheiten machen aber ca. 10 % der globalen Krankheitslast aus. An ihnen leiden vor allem Menschen, die arm sind und sich teure Medikamente nicht leisten können. Literatur: Sprudelnde Geschäfte: Deutsche Arzneimittel in der 3. Welt,, Bielefeld Daten und Fakten 2004: Deutsche Medikamente in der 3. Welt,, Bielefeld Faltblätter zu Malaria, Schlafkrankheit, Forschung, vernachlässigten Krankheiten, BUKO Pharma-Kampagne, Bielefeld Schreiben Sie Pharmaunternehmen in Ihrer Region an und fragen Sie, welche Forschungsanstrengungen sie für Medikamente gegen Malaria, Schlafkrankheit und Tuberkulose unternehmen. Fragen Sie nach dem Preis der Medikamente. Fragen Sie gezielt nach irrationalen Medikamenten und warum diese weiter verkauft werden. Werten Sie die Antworten aus. Bayer s Tonic: Bayer AG Kommunikation, Leverkusen Thompayrin: Boehringer Ingelheim Kommunikation, Binger Str. 173, Ingelheim Arzneimittel gegen Schlafkrankheit: Sanofi -Aventis Kommunikation, Gebäude F821, Industriepark Höchst, Frankfurt 2
3 Medikamenten-Verteilungsspiel In einem großen Klassenzimmer werden einfach bestimmte Tisch-Gruppen zu Kontinenten erklärt. So werden die Mitspielerinnen und Mitspieler auf die Kontinente verteilt. Dabei sollte die Anzahl der Kinder pro Kontinent in etwa dem realen prozentualen Anteil der Weltbevölkerung entsprechen: Die Anzahl der Erdenbewohner liegt bei über 6,5 Milliarden. Wenn die Welt ein Dorf mit nur 100 Einwohnern wäre, wären davon: 61 Einwohner aus Asien 14 Einwohner aus Afrika 11 Einwohner aus Europa 9 Einwohner aus Lateinamerika 5 Einwohner aus Nordamerika Wenn unser Kurs Schülerinnen und Schüler hat, sind also: in Asien Personen in Afrika Personen in Europa Personen in Lateinamerika Personen in Nordamerika Personen Nun wird in jedem Kontinent eine Person ausgewählt, die Ärztin oder Arzt sielen darf und erhält ein Döschen mit Pillen (Bonbons oder Smarties). Spielleiterin oder Spielleiter sollten an dieser Stelle erwähnen, dass es sich bei diesen Spiel-Pillen um Süßigkeiten und nicht um echte Medikamente handelt. Die im Döschen enthaltenen Spiel-Pillen reichen in manchem Kontinent aber nicht für alle Kinder. (Zahlen errechnet auf der Grundlage des World Medicines Situation Report der WHO: Im 100-Einwohner-Welt-Dorf gäbe es: für Asien 20 Pillen für Afrika 8 Pillen für Europa 12 Pillen für Amerika 8 Pillen In unserem Kurs gibt es also: für Asien Pillen für Afrika Pillen für Europa Pillen für Amerika Pillen Alle, die kein Medikament bekommen haben, sollen sich nun hinlegen oder -setzen. 3
4 Tödliches Ungleichgewicht In Ländern des Südens herrscht oft ein Mangel an unverzichtbaren Arzneimitteln. Die Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu Medikamenten, die notwendig sind, um die wichtigsten Erkrankungen zu behandeln. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat diese so genannten unentbehrlichen Arzneimittel in einer Liste zusammengestellt. (s. WHO-Liste: Ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu unentbehrlichen Mitteln, das sind rund zwei Milliarden Menschen. Wichtige Arzneimittel (Antibiotika, Schmerzmittel oder Mittel gegen Malaria und andere Tropenkrankheiten, Tuberkulose oder Aids) stehen in vielen Regionen, vor allem in Afrika und Indien, nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Überlegen Sie im Anschluss an das Spiel: Was würde ich in dieser Situation tun? Wie würde ich als Arzt/Ärztin handeln? Ist die Verteilung der Medikamente gerecht? Was kann passieren, wenn jemand keine Medikamente bekommt? Wie kann man das Problem lösen? Welche globalen/internationalen Strategien und Lösungsansätze gibt es? Im Anschluss an dieses Gespräch könnte das Medikamentenverteilungsspiel ein zweites Mal gespielt werden diesmal vielleicht mit zusätzlichen Akteuren oder mit anderem Ausgang. Lösungsansätze können sich auch während des Spiels entwickeln. Abbildung 1 zeigt den Anteil der Industrieländer am weltweiten Arzneimittelabsatz. Abbildung 2 verdeutlicht, welchen Anteil an der Weltbevölkerung diese reichen Nationen stellen. Abb. 1 Welt-Pharma-Markt Abb. 2 Weltbevölkerung 4
5 Wo werden die Arzneimittel hergestellt? Baustein 3 In welchen Teilen der Erde werden Medikamente produziert, in welchen nicht oder kaum? Überlegt, welche Auswirkungen das auf den Zugang armer Menschen zu unentbehrlichen Medikamenten haben kann. Quelle: WHO und WTO, Report of the workshop on differential pricing and fi nancing of essential drugs, Genf 2001 Wer hat? Die Tabelle zeigt, wie viele Länder unterschiedlicher Regionen jeweils einen guten bzw. schlechten Zugang zu Medikamenten haben. Welche Staaten könnten in Amerika oder Europa schlechten Zugang haben? Region Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten Gesamtzahl Länder < 50 % 50 % - 80 % 80 % - 95 % > 95 % Afrika Amerika Europa Südostasien Pazifik Westasien Quelle: The World Medicines Situation, WHO, Genf
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