Diskussion hohe Anteil von Snowboardfahrern Funpark
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- Albert Hertz
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1 114 7 Diskussion Das Unfall- und Verletzungsgeschehen beim Indoor -Wintersport weist - auch aufgrund des vom alpinen Wintersport unterschiedlichen Klientels der Sporttreibenden (75) - Besonderheiten auf. So ist beispielsweise der im Vergleich zum alpinen Wintersport (etwa 10%, s. 6, 18, 53) hohe Anteil von Snowboardfahrern in der Skihalle (43,6%) bemerkenswert (75). Eine mögliche Erklärung dafür liegt in der Altersstruktur der Snowboardfahrer, die durchschnittlich jünger sind als Skifahrer (s. Kap , 3.4.1, , 4.7) und nicht zuletzt aufgrund der Altersstruktur vermutlich andere Verhaltensmuster bezüglich ihrer Freizeitaktivitäten zeigen. Möglicherweise stellt jedoch die Skihalle nicht zuletzt aufgrund des Funparks (s. u.) - gerade für Snowboardfahrer eine größere Attraktion dar. Der Funpark wird in unregelmäßigen Abständen in seinem Aufbau verändert, so dass immer wieder neue Anreize geschaffen werden. Vergleichbares gibt es für Skifahrer nicht, so dass die im Vergleich zum alpinen Wintersport eher kurze und flache Piste für Skifahrer möglicherweise nach relativ kurzer Zeit keine Herausforderung mehr darstellt. Der Funpark ist ein mehrheitlich von Snowboardfahrern genutzter Pistenabschnitt. So zeigte eine Befragung von Skihallenbesuchern von Jendrusch et al. (2003), dass 48% der Snowboardfahrer und nur 16% der Skifahrer den Funpark nutzten (75). Aus der vorliegenden Arbeit geht hervor, dass sich 26,3% der Snowboarderunfälle im Funpark ereigneten, hingegen nur 3,4% der Skifahrerunfälle. Hieraus lässt sich die Hypothese ableiten, dass das Fahren im Funpark für Snowboarder ein höheres Risiko darstellt als für Skifahrer. Dies müsste allerdings in einer spezifischen Studie untersucht werden, in der die im Funpark verunfallten Snowboarder/Skifahrer zu den unfallfreien Nutzern des Funparks in Relation gesetzt werden. Aufgrund des unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads der Einzelgeräte des Funparks sollte der Einfluss durch die Nutzung der verschiedenen Geräte des Funparks ( Kicker, Railslide, Quarterpipe, Rampen, Schanzen) durch Snowboarder/Skifahrer untersucht werden. Hierbei geht es um die Feststellung, ob die einzelnen Geräte unterschiedliche Unfallrisiken bergen. Nach der oben zitierten Befragung sind 60% der Skihallenbesucher Skifahrer und 43,6% Snowboardfahrer. Nur 2,7% der Besucher nutzen die Tubingbahn oder
2 115 sonstige Sportgeräte in der Halle (75). Obwohl die Mehrheit der Skihallenbesucher die Skihalle zum Skifahren nutzt, verunfallen jedoch deutlich mehr Snowboardfahrer (55,8%) als Skifahrer (33,2%). Somit scheint das Verletzungsrisiko für Snowboardfahrer höher zu sein als für Skifahrer. Möglicherweise ist das im Zusammenhang mit der oft höheren Risikobereitschaft der - meist jüngeren - Snowboardfahrer zu sehen. Unfälle mit einem Reifen in der Tubingbahn (3,8%) und Unfälle mit anderen Sportgeräten (1,1%) sind untergeordnet. In 6,2% der Fälle ist das zum Unfallzeitpunkt verwendete Sportgerät nicht bekannt. Der Anteil an Kollisionsunfällen im alpinen Bereich stellt sich sehr uneinheitlich dar. Aufgrund unterschiedlicher Untersuchungsdesigns und Kollektive variieren die Werte zwischen 3% und über 60% (s. Kap. 4.5). Bei den Studien mit sehr hohen Anteilen von kollisionsbedingten Unfällen/Verletzungen (deutlich im zweistelligen Bereich) handelt es sich um Studien mit selektierten Kollektiven (Schwerverletzte, ausschließlich Kopf- oder Wirbelsäulenverletzungen). Der in der Skihalle ermittelte Anteil an Kollisionsunfällen von 18,6% erscheint im Vergleich zu den alpinen Daten eher hoch, so dass den möglichen Ursachen nachgegangen werden sollte: Einerseits mögen die Kollisionen im Zusammenhang mit dem auch in der Skihalle zu verzeichnendem hohen Anfängeranteil zu sehen sein, da deren Fähigkeiten der Gefahrenerkennung und Reaktionsfähigkeit limitiert sind. Ein anderer Grund könnte in der spezifischen Pistenstruktur dieser Skihalle liegen, die tendenziell Sanduhrcharakter hat: Durch den in der Pistenmitte randständig errichteten Funpark sowie die Tubingbahn entsteht eine gewisse Engstelle, die möglicherweise eine besondere Gefahrenquelle hinsichtlich der Kollisionsunfälle darstellt. Ob es einen Zusammenhang der Kollisionsunfälle mit der Pistenfrequentierung gibt, ist derzeit nicht zu klären: Nach Aussagen der Skihallenbetreiber dürfen maximal 550 Wintersportler gleichzeitig die Piste nutzen. Die Befragung der Skihallenbesucher ergab, dass die Frequentierung der Piste im Mittel als angemessen eingestuft wurde (75). Die telefonisch befragten verunfallten Sportler (Ski- und Snowboardfahrer) stufen die Pistenfrequentierung im Mittel zwar auch als angemessen ein, immerhin schätzen jedoch etwa ein Viertel (24,5%) die Pistenfrequentierung zum Zeitpunkt des Unfalls subjektiv als hoch oder zu hoch ein. Um zu entscheiden, ob die derzeitige Limitierung (550 aktive Sportler auf der Piste) beibehalten werden kann
3 116 oder - im Sinne einer Unfallprophylaxe - anzupassen ist, erscheinen weitere Untersuchungen sinnvoll und erforderlich. Dazu bedarf es vor allem der Information, wie viele Wintersportler sich zum jeweiligen Unfallzeitpunkt auf der Piste befanden. Aus geschäftspolitischen Gründen werden diese Informationen von den Betreibern der Skihalle zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht herausgegeben. Es sollte jedoch eine weitere Zusammenarbeit in diese Richtung angestrebt werden. Die Schneeoberfläche besteht aus echtem Pulverschnee, der von zehn - in die Hallendecke integrierten Schneemaschinen produziert wird. Zur Schneeproduktion werden ausschließlich kalte Luft und reines Wasser verwendet. Mit Hilfe einer kombinierten Boden- und Luftkühlung bleibt die Temperatur in der Halle konstant bei -5 C. Im Rahmen der Befragung der Skihallenbesucher wurde die Schneequalität auf einer Skala von Note 1 (sehr gut) bis Note 5 (sehr schlecht) im Mittel als gut bewertet (75). Eine identische Beurteilung wurde auch von den Verunfallten - ohne Unterschied zwischen Ski- und Snowboardfahrern - mit retrospektiver telefonischer Befragung gegeben. Im Detail beurteilten etwa die Hälfte (52,7%) die Schneequalität als gut oder sehr gut, etwa ein Drittel (30,5%) als befriedigend, jedoch immerhin 16,8% als schlecht oder sehr schlecht. Da der Schnee von diesen Sportlern meist als hart oder vereist beschrieben wurde, bleibt zu klären, ob es einen Zusammenhang zwischen Schneequalität - möglicherweise auch lokale Unterschiede in Form von Eisplatten - und Unfallereignissen gibt. Entsprechend durchzuführende gezielte Befragungen von Verunfallten sollten angestrebt werden. Bei der Befragung der Skihallenbesucher stuften sich 22,8% der Snowboardfahrer auf einer Skala von 1 (Anfänger) bis 11 (Rennläufer) selbst als Anfänger (ohne oder mit nur sehr geringer Vorerfahrung) ein, während sich nur 10,6% der Skifahrer als Anfänger einschätzten (75). Unter den verunfallten Wintersportlern gab es hinsichtlich der Einschätzung des eigenen Könnensstandes auf der Anfängerstufe nur einen geringfügigen Unterschied zwischen Skifahrern (28,3% Anfänger) und Snowboardfahrern (26,2% Anfänger). Das legt die Vermutung nahe, dass die skifahrenden Anfänger ein höheres Gefahrenpotential haben als die snowboardfahrenden Anfänger. Um diese Vermutung stützen zu können, müssten Daten zur Anzahl der nicht verunfallten Ski-/Snowboardfahrer
4 117 ausgewertet werden. Auch diesbezüglich ist eine weitere Zusammenarbeit mit den Skihallenbetreibern anzustreben. Aufgrund des - unabhängig vom verwendeten Sportgerät - insgesamt hohen Anfängeranteils unter den Verunfallten (knapp 30% Anfänger, etwa 40% Verunfallte im erweiterten Anfängerbereich) sollte diesem Klientel besondere Aufmerksamkeit gelten. Ob man Unfälle bei Anfängern beispielsweise mit entsprechenden Mindestanforderungen an das Können (um ohne Ski-/Snowboardlehrer in der Halle fahren zu dürfen) reduzieren kann, bleibt in weiteren Studien zu klären. Ein weiterer Ansatz zur Unfallreduktion bei Anfängern könnte die Einrichtung von speziellen Anfängerzeiten in der Skihalle sein. Während dieser Zeiten wäre die Halle oder zumindest bestimmte Pistenabschnitte Anfängern vorbehalten. In diesem Zusammenhang wäre auch denkbar, auf die sog. Anfängerzeiten auf eine Rücksichtnahme in Form von Hinweisschildern hinzuwirken. Laut Besucherbefragung trugen von den 28% im Alltagsleben mit Hilfe einer Sehhilfe für den Fernbereich (Fernbrille, Kontaktlinsen) optisch-korrigierten Wintersportlern 74% auch auf der Piste eine Sehhilfe. Etwa ein Viertel (26%) der Fehlsichtigen verzichtete bei der Sportausübung auf die - eigentlich notwendige - Sehhilfe (75). Von den verunfallten Wintersportlern mit telefonischer Befragung trugen 20,4% im alltäglichen Leben eine Sehhilfe für den Fernbereich; 76,5% davon verwendeten diese Sehhilfe auch in der Skihalle. Weitere Untersuchungen mit größeren Kollektiven sollten klären, ob die Sportler, die zwar im Alltag, nicht jedoch in der Skihalle eine Sehhilfe (für die Ferne) tragen, häufiger oder schwerer verunfallen oder andere Unfallmechanismen zeigen. Zusätzlich sollte die für das Sehen vorzufindende Hallenspezifik (Stärke, Konstanz der Beleuchtung, Verteilung der Beleuchtungsquellen etc.) in der Verbindung mit Unfällen/Verletzungen Grundlage weiterer Untersuchungen sein. Die im alpinen Wintersport bereits bestehende Forderung nach entsprechender Aufklärungsarbeit seitens der Skiverbände, der Sport- bzw. Unfallversicherer aber auch der Augenärzte und Augenoptiker zur Schaffung eines größeren Problembewusstsein zur Notwendigkeit guten Sehens beim Ski- und Snowboardfahren (73, 78, 151) kann sicherlich auf den Wintersport in der Halle übertragen werden. Hinsichtlich der Verletzungslokalisationen sind nach Angaben der Studien zum alpinen Snowboardfahren in den letzten Jahren zunehmend die oberen Extremitäten betroffen (113, 120, 79, 100, 29, 39, 23). Aus den für Snowboardfahrer
5 118 typischen Dreh-/Frontalstürzen und Stürzen nach hinten resultieren häufige Abstützvorgänge mit beiden Händen, so dass eine hohe Anzahl an Handgelenkverletzungen erklärbar ist. Obwohl auch durch zahlreiche Studien zur Schutzwirkung durch Handgelenkprotektoren der Nutzen noch nicht endgültig gesichert ist, sprechen die meisten Studien für eine protektive Wirkung (137, 72, 100, 99, 12, 15, 28, 90, 96, 112, 118, 161). In der Literatur zum alpinen Snowboardfahren werden Tragequoten von Handgelenkprotektoren zwischen einstelligen Werten und 40% genannt. Auch in der vorliegenden Arbeit stehen Verletzungen der oberen Extremitäten bei Snowboardfahrern im Vordergrund. In diesem Zusammenhang ist der hohe Anteil an distalen Radiusfrakturen bei den Snowboardfahrern (59,5% aller Frakturen der Snowboardfahrer) besonders hervorzuheben. Mit einer Tragequote der Handgelenkprotektoren von 23,3% unterscheiden sich die in der Skihalle befragten verunfallten Snowboardfahrer nicht grundsätzlich von den alpinen Snowboardfahrern. Diese Datenlage erfordert weitere Erhebungen zum Tragen und zur Effektivität von Handgelenkprotektoren bei Snowboardfahrern sowohl im alpinen Bereich als auch innerhalb der Skihalle. Weiterhin scheinen in diesem Bereich besondere prophylaktische Ansatzpunkte (Aufklärungskampagnen zur Verletzungsvermeidung) zu liegen. Darüber hinaus scheint die Ausweitung der Datenerhebung auf Protektoren anderer Körperregionen (Helme, Knie-, Ellbogen-, Wirbelsäulenprotektoren) innerhalb der Skihalle sinnvoll, um sie mit dem vorliegenden Datenmaterial aus dem alpinen Wintersport vergleichen zu können. Hinsichtlich der Verletzungslokalisation ist festzustellen, dass in der vorliegenden Arbeit bei Männern das Verhältnis zwischen Verletzungen der oberen Extremitäten zu den der unteren Extremitäten deutlich größer ist als bei Frauen (Männer: 48,0/30,9, Frauen: 44,0/37,3). Dieses ist im Zusammenhang mit dem höheren Anteil der Männer unter den Snowboardfahrern zu sehen. Auch in der alpinen Literatur wird der typische Snowboardfahrer als jung und männlich beschrieben (14, 163). Altersspezifisch sei darauf hingewiesen, dass die Kopfverletzungen in der Altersgruppe der unter 15-Jährigen deutlicher häufiger waren als in allen anderen Altersgruppen. Hier scheint hinsichtlich prophylaktischer Ansatzpunkte ein besonderer Bedarf zu liegen.
6 119 Zusammenfassend sei festgehalten, dass es aufgrund der derzeitigen Datenlage kein endgültiges Indiz dafür gibt, dass von besonderen Gefahrenquellen innerhalb der Skihalle auszugehen ist. Auch wenn sich insbesondere im Vergleich zum alpinen Wintersport keine erheblichen Unterschiede hinsichtlich des Unfall- und Verletzungsgeschehens ergeben haben, sollten weitere Studien mit größeren Kollektiven sowie vergleichende Studien zwischen baulich unterschiedlichen Skihallen folgen, um die in der vorliegenden Arbeit dokumentierten Ergebnisse zu ergänzen. Trotz der Einschränkungen durch Risiken beim Wintersport in der Skihalle ist die Möglichkeit einer aktiven Vorbereitung auf einen bevorstehenden Outdoor - Winterurlaub ( Einfahren, Technikverbesserung) sowie die Möglichkeit, neues Sportmaterial (Ski/Snowboard, Schuhe) zu erproben oder eine neue Wintersport- Disziplin in der Skihalle zu erlernen, positiv zu bewerten. Skihallen haben im Gegensatz zum alpinen Wintersport aufgrund der konstanten Bedingungen (Temperatur, Schnee, Sicht, Gelände/Pistenstruktur) günstigere Voraussetzungen für die Durchführung unfall- und verletzungsprophylaktischer Maßnahmen. Und diese Chancen zur Unfall- und Verletzungsminimierung sollten genutzt werden.
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