Dr. Christopher Lieb / Jörg Steinheimer. Herausforderung und Chance. Compliance im mittelständischen
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- Ulrich Keller
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1 Dr. Christopher Lieb / Jörg Steinheimer Compliance im mittelständischen Unternehmen Herausforderung und Chance TeleLex, ein Gemeinschaftsunternehmen von DATEV eg und Verlag Dr. Otto Schmidt KG
2 Dr. Christopher Lieb / Jörg Steinheimer Compliance im mittelständischen Unternehmen Herausforderung und Chance
3 TeleLex GmbH Virnsberger Str Nürnberg 2014 Alle Rechte, insbesondere das Verlagsrecht, allein beim Herausgeber. Dieses Buch und alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung der TeleLex GmbH unzulässig. Im Übrigen gelten die Geschäftsbedingungen der TeleLex GmbH. Printed in Germany Mandelkow GmbH, Herzogenaurach (Druck) Joh. Leupold GmbH & Co.KG, Schwabach (Umschlagdruck) Angaben ohne Gewähr Stand: Juni 2014 Artikelnummer: 15605/
4 Der Inhalt im Überblick 1 Einführung Was ist Compliance? Warum Compliance? 7 2 Haftungsrisiken für Unternehmen und deren Leitung Haftung der Unternehmensleitung Strafrechtliche Haftungsrisiken für die Unternehmensleitung Ordnungsrechtliche Haftungsrisiken für die Leitungsebene Exkurs: Pflichtendelegation Zivilrechtliche Haftungsrisiken für die Unternehmensleitung Haftung des Unternehmens Derzeit: Nur ordnungsrechtliche Haftung Geplant: Verbandsstrafgesetzbuch Zivilrechtliche Haftung Immaterieller Schaden Rufschaden 23 3 Risikobestimmung Compliance-relevante Materien Beispiel: Kartellrechts-Compliance Das Kartellverbot Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Sanktionen bei Kartellverstößen Risiken für die Geschäftsführung Beispiel: Compliance bei Pharma- und Medizinprodukten Beispiel: Compliance im gewerblichen Rechtsschutz 30 3
5 4 Implementierung einer Compliance-Organisation Haltung der Geschäftsleitung Compliance-Organisation Installierung angemessener Prozesse (Proportionality) Kommunikation Dokumentation und Überwachung Der Compliance-Officer Qualifikationen Qualifikationsmöglichkeiten Haftungsrisiken für den Compliance-Officer Compliance-Regelwerk Arbeitsrechtliche Implementierung der Compliance- Struktur einschließlich Mitbestimmung Implementierung durch das Direktions-/Weisungsrecht Implementierung durch den Arbeitsvertrag Implementierung durch Betriebsvereinbarung 44 5 Feststellung von und Umgang mit Compliance- Verstößen Whistle Blowing / Hotline / Ombudsmann-Modell internal investigations Auswertung von Akten und Dateien Interviews Mitbestimmung Sanktionen Abmahnung 53 4
6 5.4.2 Ordentliche Kündigung Fristlose Kündigung (Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund) Sonderfall: Verdachtskündigung Aufhebungsvertrag Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Compliance-Remediation 66 6 Ausblick 67 7 Auswahl allgemeiner Literatur 68 5
7 1 Einführung Was ist Compliance? Warum Compliance? Der Begriff Compliance stammt aus dem angloamerikanischen Rechtskreis. Gemeint ist die Einhaltung der Gesetze durch das Unternehmen sowie die im Unternehmen implementierte Struktur nebst Ausführungsregelungen hierzu. Compliance bezieht sich nicht nur auf strafund bußgeldbewehrte Normen, sondern ganz global auf die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen. Denn auch, wenn ein Fehlverhalten keine straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktionen zur Folge hat, kann es zu einer zivilrechtlichen Haftung führen. Compliance ist eine Leitungsaufgabe. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) der von einer Regierungskommission erarbeitet wurde richtet sich vornehmlich an börsennotierte Unternehmen. Er definiert in seiner Ziff Compliance so: Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance). Der DCGK ist zwar kein geltendes Recht. Vorstand und Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften müssen nach 161 Aktiengesetz (AktG) allerdings jährlich eine Erklärung abgeben, ob den Empfehlungen des DCGK entsprochen wurde oder nicht und wenn nicht, warum nicht. Das Gebot, eine Compliance-Struktur einzurichten, ergibt sich allerdings bereits aus Zentralnormen geltenden Rechts: Die Vorschrift des 43 GmbH-Gesetz (GmbHG) regelt die Haftung des GmbH-Geschäftsführers im Innenverhältnis. Inzident folgt hieraus, dass das Handeln des Geschäftsführers geltenden rechtlichen Normen entsprechen muss (sog. Legalitätspflicht). 7
8 1 Einführung Was ist Compliance? Warum Compliance? Die Vorschrift des 91 Abs. 2 AktG besagt: Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Es ist also Aufgabe der Geschäftsleitung, die von ihr zu verantwortenden geschäftlichen Aktivitäten dergestalt zu organisieren und mittels eines geeigneten Frühwarnsystems zu kontrollieren, dass diese mit den jeweils anwendbaren Gesetzen im Einklang stehen. Compliance ist kein lästiger Formalkram. Auch wenn die Einführung einer Compliance-Struktur mit einigem, neben dem täglichen Geschäft zu stemmendem Zeit- und finanziellem Aufwand einhergeht langfristig führt sie zu einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes. Denn das Risiko, aufgrund von Gesetzesverstößen ins Strudeln zu geraten, ist durch eine richtig verstandene Compliance-Struktur deutlich verringert. 8
9 2 Haftungsrisiken für Unternehmen und deren Leitung Haftung für unternehmerische Tätigkeit hat grundsätzlich zwei Aspekte: Zum einen kann das Unternehmen haften (derzeit zivil- und ordnungsrechtlich), zum anderen das Leitungspersonal Vorstand, Geschäftsführer und Führungskräfte (insoweit Haftung in allen drei maßgeblichen Bereichen denkbar: strafrechtlich, ordnungsrechtlich und zivilrechtlich). 2.1 Haftung der Unternehmensleitung Die Haftung der Unternehmensleitung gewinnt in der Praxis an Bedeutung. Zugriffe auf die Unternehmensleitung (natürliche Personen) erfolgen auf allen drei Ebenen: strafrechtlich, ordnungsrechtlich (Bußgeld) und schließlich zivilrechtlich Strafrechtliche Haftungsrisiken für die Unternehmensleitung Keine horizontale Enthaftung und Top-Down-Prinzip über die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft Zwei Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) haben zur Verschärfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung in den 90er Jahren maßgeblich beigetragen: Die Lederspray -Entscheidung 1 und auf den ersten Blick vielleicht irreführend die Mauerschützen - Entscheidung. 2 1 BGH, Urteil vom , 2 StR 559/89, NJW 1990, BGH, Urteil vom , 5 StR 98/94, NJW 1994,
10 2 Haftungsrisiken für Unternehmen und deren Leitung In der ersten Entscheidung statuierte der BGH nach einer vom Kollegialorgan Geschäftsführung unterlassenen Rückrufaktion die (horizontale) Allzuständigkeit der Geschäftsführung. Die bahnbrechende Mauerschützen-Entscheidung führte zu einem vertikalen Durchgriff bei der strafrechtlichen Verantwortung. In dieser Entscheidung bejahte der BGH die mittelbare Täterschaft der für den an der DDR-Grenze geltenden Schießbefehl Verantwortlichen, und zwar anhand einiger exemplarischer Todesfälle an der Grenze aus den 70er und 80er Jahren. Damit wurde die rechtliche Grundlage für die Verurteilung der hierfür verantwortlichen Minister bzw. Generäle geschaffen. Trotz strafrechtlich voll verantwortlichen Tatmittlers (= des jeweiligen Schützens) wurden die dahinterstehenden Verantwortlichen strafrechtlich als mittelbare Täter eingestuft, und zwar Kraft Herrschaft über die staatlichen, unternehmerischen oder geschäftlichen Organisationsstrukturen und bei Befehlshierarchien. Die Verantwortlichen hätten die regelhaften Abläufe geschaffen, anhand derer es zu den Todesfällen gekommen sei und seien daher als mittelbare Täter zu verurteilen. Nebenbei bemerkte der BGH in dieser Entscheidung und deshalb besitzt sie wirtschaftsstrafrechtliche Relevanz in einem sog. Obiter Dictum: Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen. In der Folge wurde dieses Obiter Dictum in der Rechtsprechung voll rezipiert, d. h. aufgegriffen und zur dogmatischen Grundlage der Verurteilung von Verantwortlichen in der Leitungsebene als mittelbare Täter gemacht. Diese Rechtsprechung hat eine erhebliche Verfolgungserleichterung für die Staatsanwaltschaften zur Folge: Diese braucht sich nach dem Top- Down-Prinzip nur an die Leitungsebene zu halten. Zwar mögen sich Mitarbeiter regelmäßig mindestens der Beihilfe ( 27 Strafgesetzbuch StGB) schuldig gemacht haben, oft werden diese aber gar nicht verfolgt oder die Staatsanwaltschaft stellt aus Opportunitätsgründen ein. 10
11 2 Haftungsrisiken für Unternehmen und deren Leitung Vor allem müssen Mitarbeiter als Zeugen gegen die Leitung grundsätzlich aussagen. Nur eingeschränkt haben sie ein Auskunftsverweigerungsrecht nach 55 Strafprozessordnung (StPO), nämlich wenn sie sich durch ihre Angaben selbst belasten würden. Ï Praxistipp Kommt es in einem Betrieb zu einer Durchsuchung, sollte der Unternehmer in jedem Fall den Vernehmungen der Mitarbeiter vor Ort zu widersprechen. Das Hausrecht ist nur mit Blick auf die Duldung der Durchsuchung suspendiert. Vernehmungen der Mitarbeiter vor Ort können untersagt werden. Dies führt dann zwar dazu, dass die Mitarbeiter postwendend einen Termin bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bekommen. Bis dahin können aber, koordiniert vom Berater/Verteidiger des Unternehmens, Zeugenbeistände für die Mitarbeiter organisiert werden Berufsverbote Der Geschäftsführer einer GmbH sowie der Vorstand einer AG dürfen sich wirtschaftsstrafrechtlich nicht allzu viel zuschulden kommen lassen. Ansonsten können sie ihr Amt nicht mehr ausüben. Dies ergibt sich für den Geschäftsführer aus der Vorschrift des 6 GmbHG bzw. für den Vorstand einer Aktiengesellschaft aus 76 Abs. 3 Ziff. 3 AktG. Bei den Vermögensdelikten 263 (Betrug), 263a (Computerbetrug), 264 (Subventionsbetrug) und 264a (Kapitalanlagebetrug), 265b (Kreditbetrug), 266 (Untreue) sowie 266a (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) könnte man sich eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr gerade noch erlauben. Beträgt die Freiheitsstrafe ein Jahr oder mehr, ist der Geschäftsführer/Vorstand für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils gesperrt. 11
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