IV. Strömungen eines idealen Fluids
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- Jakob Kuntz
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1 IV. Strömungen eines idealen Fluids Dieses Kapitel befasst sich mit einigen Lösungen des Systems von Gleichungen (III.8), (III.18) und (III.4) für die Bewegung eines idealen Fluids. Dabei wird angenommen, dass die Dichte der äußeren Volumenkräfte sich als f V (t, r) = ρ(t, r) Φ( r) schreiben läßt, wobei Φ insbesondere das Gravitationspotential sein kann. Im ganzen Kapitel werden kartesische Koordinaten in einem gegebenen Bezugssystem benutzt. IV.1 Hydrostatik Der einfachste Fall ist jener der statischen Lösungen: / t = 0, v( r) = 0, d.h. es gibt keine Strömung. Dann geht es um die Hydrostatik, dessen einzige nicht-triviale Grundgleichung ist [vgl. Gl. (III.18)] 1 P ρ( r) ( r) = Φ( r). (IV.1) In den folgenden Beispielen wird der Fall eines homogenen Schwerefeldes Φ( r) = gz angenommen, mit g = 9, 8 m s. IV.1.1 Inkompressibles Fluid Sei zunächst ein inkompressibles Fluid 6 mit der konstanten, gleichförmigen Massendichte ρ. Dann lautet Gl. (IV.1) P ( r) P ( r) P ( r) = = 0, = ρg, x y z d.h. mit P 0 dem Druck des Referenzpunkts z = 0. P ( r) = P (z) = P 0 ρgz, Bekannterweise gilt z.b. in der Tiefe von 10 m unter Wasser (ρ = 10 3 kg m 3 ) P ( 10 m) = P (0) g Pa. (IV.) IV.1. Fluid in thermischem Gleichgewicht Es sei jetzt ein Fluid im thermischen Gleichgewicht, d.h. mit gleichförmiger Temperatur T, beispielsweise ein ideales Gas, mit der (thermischen) Zustandsgleichung PV = Nk B T. Bezeichnet m die Masse eines Moleküls des Gases, so gilt ρ = mp /k B T, so dass Gl. (IV.1) gibt d.h. P ( r) x P ( r) = = 0, y P ( r) z = mg k B T p( r), ( P ( r) = P (z) = P 0 exp mgz ), k B T und eine ähnliche Exponentialbeziehung für die Teilchendichte n( r): für die letztere erkennt man also die statistische Maxwell-Verteilung. Beispielsweise gilt für Luft (fiktives ideales Gas mit der molaren Masse N A m Luft = 9 g mol 1 ) k B T/m Luft g = 8, m für T = 300 K. Auf einer solchen Skala bleibt die Temperatur der Atmosphäre aber nicht konstant, s. nächsten Paragraf! 6 Genauer gesagt, ein Fluid, das als inkompressibel betrachtet werden kann. IV. Strömungen eines idealen Fluids 3
2 IV.1.3 Isentropische Verteilung Die Entropie pro Teilchen s/n eines strömenden idealen Fluids ist erhalten. Hier wird angenommen, dass s/n auch in einem ruhenden idealen Fluid konstant ist. Für die Enthalpie H = U + PV des Fluids folgt aus der üblichen thermodynamischen Relation du = T ds P dv + µ dn das Differenzial dh = T ds + V dp + µ dn. Bei konstanter Teilchenzahl N ergibt sich also ( ) ( ) H S d = T d + V N N N dp, d.h. nach Division durch die Masse eines Moleküls des Fluids ( ) w d = 1 dp, (IV.3) ρ ρ mit w der Enthalpiedichte. Zusammen mit Gl. (IV.1) gibt diese Beziehung [ ] w( r) ρ( r) + Φ( r) = 0 (IV.4) d.h. w(z) ρ(z) + gz = Konstante. Für ein ideales diatomares Gas gilt U = 5 Nk BT, so dass die Enthalpiedichte durch w = e + P = 5 nk BT + nk B T = 7 nk BT gegeben ist. Dann ist w ρ = 7 k B T, mit m der Masse eines Gasmoleküls. Mit Gl. (IV.4) ergibt sich m dt (z) = mg dz 7 k. B Im Beispiel der Luft beträgt der Term in der rechten Seite 9, K m 1 = 9, 77 K km 1. Bemerkung: Im Modell der International Standard Atmosphere (ISA) wird ebenfalls eine lineare Abnahme der Temperatur mit der Höhe angenommen, aber mit einem niedrigeren Temperaturgradienten von 6, 5 K km 1 in der Troposphäre, um die mögliche Kondensation von Wasserdampf zu berücksichtigen. IV.1.4 Archimedisches Prinzip Sei ein ruhendes Fluid bzw. System mehrerer Fluide F und eine Kontrollfläche S innerhalb F, wie in Abb. IV.1 dargestellt wird. Das System von Fluiden innerhalb bzw. außerhalb S sei als Σ bzw. F Fluid S Fluid Festkörper G Fluid 1 Fluid 1 Abbildung IV.1: Gedankenexperiment zur Berechnung des Archimedischen Prinzips. IV. Strömungen eines idealen Fluids 4
3 F bezeichnet. Σ befindet sich im mechanischen Gleichgewicht, d.h. die volumischen Schwerkräften auf jedes infinitesimal kleine Element von Σ und die Druckkräften, die durch die Fluide von F geübt werden, gleichen sich aus: Die volumischen Schwerkräfte resultieren in eine einzige Kraft F G, die auf den Gravitationsschwerpunkt G von Σ angewandt wird, und deren Richtung und Stärke gleich denen der Gewichtskraft des Systems Σ sind. Laut der Gleichgewichtsbedingung ist die Resultante der Druckkräfte gleich F G : P ( r) ds = F G. S Wird das System Σ durch einen Festkörper ersetzt, während die Fluide F außerhalb S unverändert im selben Gleichgewichtszustand bleiben, so ändern sich die Druckkräfte in F nicht. Die Resultante der durch F auf den Festkörper geübten Kräfte ist dann immer noch F = F G und wird auf den Gravitationsschwerpunkt G des Systems Σ von Fluiden angewendet auch wenn G nicht mit dem Schwerpunkt des Festkörpers übereinstimmt. Dies bildet das Archimedische Prinzip. IV. Stationäre Lösungen In diesem Abschnitt werden stationäre Lösungen der Bewegungsgleichungen für ein ideales Fluid untersucht: alle partiellen Zeitableitungen verschwinden, die Strömungsgeschwindigkeit v( r) kann aber nicht Null sein. IV..1 Bernoulli-Gleichung Sei zunächst eine inkompressible Strömung, d.h. mit konstanter ρ. Die Euler-Gleichung (III.1) lässt sich dann umschreiben als [ v( r) + P ( r) ] + Φ( r) = v( r) Ω( r). ρ (IV.5) Sei jetzt d l( r) ein Vektor tangential zur Stromlinie im Punkt r. Bildet man das Skalarprodukt von d l( r) mit Gl. (IV.5), so verschwindet die rechte Seite d l( r) [ v( r) Ω( r)], denn d l( r) ist definitionsgemäß kollinear zur Strömungsgeschwindigkeit v( r). Dazu stellt d l( r) die Ableitung entlang der Richtung von d l dar. Folglich ist die Ableitung des Terms in eckigen Klammern in Gl. (IV.5) entlang der Richtung einer Stromlinie null, d.h. dieser Term bleibt konstant entlang einer Stromlinie v( r) + P ( r) ρ + Φ( r) = Konstante entlang einer Stromlinie, (IV.6) wobei die Konstante von der Stromlinie abhängt. Gleichung (IV.6) wird als Bernoulli-Gleichung bezeichnet. Physikalisch kann man die Bernoulli-Gleichung als eine Formulierung der Erhaltung der Energie des Fluids entlang einer Stromlinie betrachten: v( r) / ist die spezifische (d.h. pro Masseneinheit) kinetische Energie des Fluids, Φ( r) dessen spezifische potentielle Energie, während P ( r)/ρ der spezifischen Arbeit der Druckkräfte in der Bewegung entspricht. Vgl. auch die letzte Bemerkung unten. Bemerkungen: In einer wirbelfreien Strömung Ω( r) = 0 ist die Konstante die gleiche für alle Stromlinien. Im Fall v( r) = 0 gibt Gl. (IV.5) [ P ( r)/ρ + Φ( r) ] = 0, d.h. gerade die Grundgleichung (IV.1) der Hydrostatik eines inkompressiblen Fluids. IV. Strömungen eines idealen Fluids 5
4 Für ein viskoses Fluid nimmt v( r) / + P ( r)/ρ + Φ( r) entlang einer Stromlinie ab, entsprechend der von der Reibung verursachten Umwandlung von kinetischer Energie in Wärme. Falls die Strömung kompressibel ist, das Fluid aber noch ideal, kann in der obigen Herleitung Gl. (IV.3) benutzt werden, um [ P ( r) ] /ρ( r) als einen Gradienten umzuschreiben. Damit findet man die alternative Form der Bernoulli-Gleichung v( r) + w( r) ρ( r) mit w( r) der Enthalpiedichte. + Φ( r) = Konstante entlang einer Stromlinie, (IV.7) Diese Form der Bernoulli-Gleichung folt auch aus dem Skalarprodukt des oben eingeführten Vektors d l( r) mit der Energieerhaltung (III.4), wenn man im Energieterm die potentielle Energiedichte im Gravitationsfeld ρ( r)φ( r) berücksichtigt. Folglich bringt die Energieerhaltung nichts Neues. IV.. Anwendungen der Bernoulli-Gleichung IV.. a Ausflussgeschwindigkeit aus einem Gefäß. Torricelllis Theorem Eine Flüssigkeit sei in einem Gefäß mit einem kleinen Loch an dessen unteren Ende, durch welches die Flüssigkeit ausströmen kann. In den Punkten A und B, die auf der gleichen Stromlinie liegen, ist A der Druck gleich dem atmosphärischen Druck 6 P A = P B = P 0. Dann gibt die Bernoulli-Gleichung (bei konstantem Druck) B h v A + gz A = v B + gz B, mit z A bzw. z B der Höhe des Punkts A bzw. B, d.h. v B = v A + gh. Wenn die Geschwindigkeit zum Punkt A verschwindet, ergibt sich Torricellis Theorem v B = gh, was genau gleich der Geschwindigkeit eines Körpers ist, der von einer Höhe h im Gravitationsfeld frei fällt. Bemerkung: Um die Bernoulli-Gleichung anwenden zu dürfen muss man zeigen, dass die Strömung stationär ist. Tatsächlich ist das in guter Näherung der Fall. IV.. b Venturi-Effekt Es sei die folgende Anordnung für die eindimensionale Strömung eines inkompressiblen Fluids: v 1 S s v Die Erhaltung des Massenstroms durch den Rohr, gegeben durch die integrale Formulierung der Kontinuitätsgleichung (III.7), gibt ρsv 1 = ρs v, d.h. v = (S/s)v 1 > v 1. Andererseits gibt die Bernoulli-Gleichung bei konstanter Höhe v 1 + P 1 ρ = v + P ρ. [ Insgesamt ist P 1 > P und der Massenstrom lautet ρs P /( )] 1 P S 1/ ρ s 1. 6 Man kann zeigen, dass der Druck im Fluid im Punkt B gleich dem atmosphärischen Druck ist, wenn die Stromlinien lokal parallel zueinander sind (laminare Strömung). IV. Strömungen eines idealen Fluids 6
5 IV.. c Pitot-Rohr Abbildung IV. stellt schematisch die Strömung um einen Pitot-Rohr dar, der zur Messung einer Strömungsgeschwindigkeit über eine Druckmessung dient. Dabei werden drei Stromlinien der Strömung gezeigt: weit vom Pitot-Rohr ist die Strömung gleichförmig mit der zu messenden Geschwindigkeit v. Dazu wird angenommen, dass die Strömung inkompressibel ist. Manometer { A O A B O I v Abbildung IV.: Strömung um einen Pitot-Rohr. Der Pitot-Rohr besteht aus zwei langen dünnen konzentrischen Rohren: trotz dem Loch im Endpunkt I dringt die Strömung nicht in den inneren Rohr ein, v I = 0; im äußeren Rohr gibt es ein anderes Loch in einem Punkt A, der entfernt genug vom Endpunkt I ist, damit die Strömung in der Nähe von A nicht mehr durch den Endpunkt beeinflusst ist: v A = v A v, wobei die zweite Gleichung aus der Dünnheit des Rohrs der damit die Eigenschaften der Strömung fast nicht stört folgt. Dazu ist der Druck im äußeren Rohr gleichförmig, so dass P A = P B. Unter Vernachlässigung der Höhenunterschiede liefert die Bernoulli-Gleichung erstens entlang der Stromlinie OI, sowie P O + ρ v = P I P O + ρ v = P A + ρ v A entlang der Stromlinie O A. Unter Verwendung von P O P O, P A P A und v A v liefert die letztere Gleichung P O P A = P B. Somit gilt P I P B = ρ v, so dass die Messung von P I P B eine Messung von v liefert. Bemerkung: Eine Strömung mit der Geschwindigkeit v um einen ruhenden Pitot-Rohr ist äquivalent zur Bewegung eines mit der Geschwindigkeit v bewegten Pitot-Rohrs in einem ruhenden Fluid. Somit werden Pitot-Rohre zur Messung der Geschwindigkeit von Flugzeugen benutzt. IV.. d Magnus-Effekt In eine anfangs gleichförmige stationäre Strömung mit der Geschwindigkeit v 0 wird ein Zylinder eingeführt, der sich um seine Achse mit der Winkelgeschwindigkeit ω dreht (Abb. IV.3). Intuitiv kann man erwarten, dass der Zylinder in seiner Rotation die benachbarten Schichten des Fluids mitreißt. 7 Unter diesem Ansatz wird die durch die Rotation bedingte Geschwindigkeit zu der anfänglichen Strömungsgeschwindigkeit im unteren bzw. oberen Bereich der in Abb. IV.3 dargestellten Strömung addiert bzw. abgezogen. 7 Dies gilt streng genommen für ein ideales Fluid nicht, sondern nur für ein viskoses Fluid! Hier wird also angenommen, dass die durch die Viskosität ermöglichten Tangentialspannungen schwach genug sind, damit die Bernoulli- Gleichung legitim verwendet werden kann. IV. Strömungen eines idealen Fluids 7
6 v 0 ω Abbildung IV.3: Strömung um einen sich drehenden Zylinder. Dann ist laut der Bernoulli-Gleichung der Druck höher im oberen Bereich als unter dem Zylinder, so dass der Zylinder einer nach unten gerichteten resultierenden Kraft unterliegt, entsprechend dem Magnus-Effekt. (Genauer ist diese Kraft proportional zu v 0 ω). IV. Strömungen eines idealen Fluids 8
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