Lösung. Frage 1: Ansprüche D gegen J
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- Timo Geiger
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1 Fallbesprechung Grundkurs BGB II Sommersemester 2012 Roßmanith/Koller Vogelsang/Drexler/Fröhlich/Maack/Schellhase/Huber/Lepiarczyk Surena Koller, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Martin Maties, Professur für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Arbeitsrecht Juristische Fakultät Augsburg Universitätsstraße Augsburg Zimmer 1050 Tel AG 4: Ein Unglück kommt selten allein Lösung Frage 1: Ansprüche D gegen J Anmerkung zum Auffinden der Anspruchsgrundlagen Erste Überlegung: Vor Gefahrübergang, d.h. in der Regel vor der Übergabe der Sache ( 446 BGB), ist der Erfüllungsanspruch anwendbar. Es wird also ein Anspruch aus 433 I 1 BGB auf Erfüllung geprüft. Bei Leistungsstörungen greifen Sie unmittelbar auf die 280 ff. und die 323 ff. BGB zu. Mit Gefahrübergang tritt zwar wegen der Mangelhaftigkeit (vgl. 433 I 2 BGB) keine Erfüllung i.s.v. 362 I BGB ein, jedoch wandelt sich der Erfüllungsanspruch in einen Nacherfüllungsanspruch um und unterliegt verschiedenen Modifikationen. Zudem werden die Normen des Leistungsstörungsrechts nur noch über den 437 BGB angewendet. Zweite Überlegung: Obwohl D Rückzahlung der 1500,- von J wünscht ist mit der Prüfung des Nacherfüllungsanspruchs zu beginnen, da dieser vorrangig ist. Merke: Ist ein Mangel im Wege der Nacherfüllung durch Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung behebbar, muss der Käufer dem Verkäufer zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er weitere Ansprüche geltend machen kann. Der Verkäufer erhält somit ein Recht zur zweiten Andienung : Er erhält die Chance auf einen zweiten Erfüllungsversuch innerhalb der Frist. Der Vorrang der Nacherfüllung ist damit Ausdruck des Grundsatzes der Vertragserhaltung. 1 1 Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Besonderer Teil, 15. Aufl., Rn. 123 f. 1
2 A) Anspruch aus 437 Nr. 1, 439 BGB D könnte gegen J einen Anspruch auf Nacherfüllung aus 439, 437 Nr. 1 BGB haben, der sich wahlweise auf Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache richtet. I. Wirksamer Kaufvertrag Voraussetzung für den Nacherfüllungsanspruch ist zunächst ein wirksamer Kaufvertrag. 1. Vertragsschluss D und J haben einen wirksamen Kaufvertrag über die von D im Geschäft des J ausgesuchte Brosche geschlossen, so dass D zunächst Anspruch auf Übergabe und Übereignung der gekauften Sache in mangelfreiem Zustand aus 433 I BGB hatte. Da J dem D die Brosche übergeben hat, ist allerdings der Gefahrübergang gem. 446 BGB erfolgt, so dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch aus 433 I BGB nunmehr in der modifizierten Form des Nacherfüllungsanspruchs geltend zu machen ist. 2. Nichtig gem. 142 I BGB? Der Vertrag könnte aber wegen Anfechtung des J gem. 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. a) Anfechtungserklärung des J gem. 143 I, II BGB Eine wirksame Anfechtungserklärung des J gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner gem. 143 I, II BGB liegt laut Sachverhalt vor. b) Anfechtungsgrund: Eigenschaftsirrtum gem. 119 II BGB? Als Anfechtungsgrund kommt ein Eigenschaftsirrtum gem. 119 II BGB in Betracht. Eigenschaften einer Sache sind solche tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse der Sache, die in ihren Beziehungen zu anderen Personen oder Sachen wurzeln und zufolge ihrer Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach den Anschauungen des Verkehrs einen Einfluss auf die Brauchbarkeit oder Wertschätzung der Sache in allen oder doch gewissen Rechtsverhältnissen auszuüben pflegen. Der Irrtum des J über die eigentliche Funktion (Pferde-schmuck) sowie Materialbeschaffenheit stellt einen Irrtum über die tatsächlichen Verhältnisse des verkauften Schmuckstücks dar, die nach den Anschauungen des Verkehrs Einfluss auf dessen Brauchbarkeit wie Wert haben. Folglich liegt ein Eigenschaftsirrtum des J vor. 2
3 c) Frist: Unverzüglich gem. 121 I BGB J hat die Anfechtung sofort nach dem Bemerken seines Irrtums und somit gem. 121 I BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erklärt. Die Anfechtungsfrist des 121 I BGB ist daher gewahrt. d) Ausschluss der Anfechtung nach 242 BGB i.v.m 437, 434 BGB wegen Vorrang der Gewährleistungsrechte? Das Anfechtungsrecht des J könnte jedoch durch die 437, 434 BGB ausgeschlossen sein. Zwar kann von einer echten Konkurrenz zwischen den Gewährleistungsrechten und einem Anfechtungsrecht des Verkäufers gem. 119 II BGB keine Rede sein, weil dem Verkäufer Gewährleistungsrechte nie zustehen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Verkäufer stets von einem Anfechtungsrecht nach 119 II BGB Gebrauch machen kann. Wäre dem so, dann könnte sich der Verkäufer, der irrig Mangelfreiheit der verkauften Sache annimmt, durch Irrtumsanfechtung unter Inkaufnahme der auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzpflicht nach 122 BGB von seiner Gewährleistungspflicht befreien. Daher ist es dem Verkäufer nach dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs verwehrt, von dem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen, wenn die Folge wäre, dass er sich der gesetzlich angeordneten Zurechnungen, nämlich seiner Gewährleistungspflicht, entzöge. Aus diesem Grund kann die von J erklärte Anfechtung nicht zum Scheitern des Nacherfüllungsanspruchs führen. Für die weitere Prüfung ist daher anzunehmen, dass sie dem J nach den o. g. Grundsätzen wegen Vorliegen eines Sachmangels verwehrt wäre. 3. Zwischenergebnis: Wirksamer Kaufvertrag liegt vor. II. Mangel bei Gefahrübergang, 434 BGB? Voraussetzung für das Bestehen des Nacherfüllungsanspruchs ist weiter das Vorliegen eines Mangels nach 434 BGB zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs. 1. Mangel i.s.d. 434 I 1 BGB? Zu prüfen ist damit, ob das von J als Brosche verkaufte Stück mit einem Mangel i.s.v. 434 I S. 1 BGB behaftet war. Mangel bedeutet das für den Käufer nachteilige Abweichen der Ist-Beschaffenheit von der maßgeblichen Soll- Beschaffenheit. 3
4 Die Soll-Beschaffenheit ergibt sich in erster Linie aus der von den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung gem. 434 I S. 1 BGB, in zweiter Linie aus der Eignung der Sache zu der vertraglich vorausgesetzten Verwendung ( 434 I S. 2 Nr. 1 BGB). Sofern der Vertrag für beides keine Anhaltspunkte enthält, richtet sich die Sollbeschaffenheit nach den objektiven Kriterien des 434 I S. 2 Nr. 2 BGB.5. J und D haben sich über den Verkauf einer goldenen Brosche geeinigt. Es liegt daher eine ausdrückliche Vereinbarung nach 434 I S. 1 BGB über die Soll- Beschaffenheit des Kaufgegenstandes vor: Brosche und golden. Die Ist-Beschaffenheit ist jedoch Pferdeschmuck und vergoldet. Von einem Mangel nach 434 I S.1 BGB ist auszugehen. Nachdem die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit negativ abweicht, ist das dem D verkaufte Schmuck-stück gem. 434 I S. 1 BGB mangelhaft. 2. Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs i.s.d. 446, 447 BGB Da es sich um unveränderliche Eigenschaften der Kaufsache handelt ( statischer Mangel ), lag der Mangel auch bereits bei Gefahrübergang vor. 3. Kein Ausschluss der Mängelrechte nach 442 I 1 BGB oder 444 BGB Die Mängelrechte des D sind auch nicht wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis vom Mangel bei Vertragsschluss nach 442 I S. 1 BGB oder wegen eines Haftungsausschlusses nach 444 BGB ausgeschlossen. III. Ausschluss des Anspruchs auf Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit, 275 I BGB Damit sind die Voraussetzungen eines Nacherfüllungsanspruchs eigentlich gegeben. Doch könnte der Anspruch auf Nacherfüllung gem. 275 I Alt. 2 BGB wegen objektiver Unmöglichkeit ausgeschlossen sein. Zu prüfen ist zunächst, worin der Inhalt der geschuldeten Leistung liegt. Der kaufrechtliche Nacherfüllungsanspruch richtet sich gem. 439 I BGB entweder auf Beseitigung des Mangels (Alt. 1) oder auf Lieferung einer neuen mangelfreien Sache (Alt. 2). Zwischen beidem hat der Käufer die Wahl. Der Nacherfüllungsanspruch ist nur dann insgesamt unmöglich, wenn beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind. 4
5 1. Mangelbeseitigung Nacherfüllung in Form der Mangelbeseitigung setzt voraus, dass es sich um einen behebbaren Mangel handelt. Da der vergoldete Pferdeschmuck sich nicht mehr in eine massiv goldene Brosche umgestalten lässt, liegt hier jedoch ein unbehebbarer Sachmangel vor. Die Mangelbeseitigung ist damit i.s.v. 275 I BGB unmöglich ( qualitative Unmöglichkeit ). 2. Ersatzlieferung Zu prüfen ist weiter, ob auch bezüglich der Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung Unmöglichkeit vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Kaufvertrages gerade die von D ausgesuchte Brosche ist, also eine Stückschuld. Da nach dem Vertrag somit nur ein bestimmter Gegenstand erfüllungstauglich ist, könnte man daraus schließen, dass bei einem Stückkauf eine Nacherfüllung durch Nachlieferung, nicht möglich ist. Danach wäre auch insoweit Unmöglichkeit gegeben. Ein Teil der Literatur hält diesen Aspekt für entscheidend. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur gehen aber davon aus, dass auch bei einem Stückkauf unter bestimmten Voraussetzungen Nacherfüllung durch Nachlieferung möglich ist. Dafür spreche, dass der Wortlaut des 439 I BGB keine Beschränkung der Ersatzlieferung auf Gattungsschulden enthalte, der Gesetzgeber bezüglich des Nacherfüllungsanspruchs die Unterscheidung von Stück- und Gattungsschulden habe aufgeben wollen und dass anderenfalls der Vorrang der Nacherfüllung relativiert werde. Die Ansicht der Rechtsprechung erscheint hier vorzugswürdig. Ein Ausschluss der Ersatzlieferung in allen Fällen des Stückkaufs würde zu einer nicht vertretbaren Abwertung des Nacherfüllungsanspruchs führen. Demnach ist die Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache beim Stückkauf nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch bedeutet dies nicht, dass die Ersatzlieferung beim Stückkauf stets möglich ist. Insbesondere beim Kauf gebrauchter Sachen entspricht es häufig nicht den Interessen des Käufers, statt der gekauften eine andere gebrauchte Sache als Ersatzlieferung entgegennehmen zu müssen. Abzugrenzen ist danach, ob die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgingen, dass die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine andere gleichartige und gleichwertige ersetzt werden könne. Bei der zur Ermittlung des Parteiwillens vorzunehmenden Auslegung gem. 133, 157 BGB ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich der Käufer aufgrund des bei einer persönlichen Besichtigung gewonnenen Gesamteindrucks von der Sache für den Kauf entschieden hat. Zu prüfen ist also, ob D und J im vorliegenden Fall bei Vertragsschluss davon ausgingen, dass für den Fall der Mangelhaftigkeit die verkaufte Brosche gegen eine andere, ähnliche Brosche ausgetauscht werden konnte. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Brosche um ein künstlerisch gefertigtes Einzelstück handelt, welches D persönlich ausgesucht hatte. Dem ist zu entnehmen, dass der Parteiwille nicht auf Austausch-barkeit gerichtet war. Eine Nachlieferung scheidet damit aus. 5
6 IV. Ergebnis: Demzufolge liegt bezüglich des Nacherfüllungsanspruchs insgesamt Unmöglichkeit vor; der Anspruch ist gem. 275 I BGB ausgeschlossen. D hat keinen Anspruch gegen J auf Nacherfüllung aus 439, 437 Nr. 1 BGB. B) Anspruch gem. 441 IV, 437 Nr. 2 Fall 4 BGB auf teilweise Rückzahlung infolge Minderung i.h.v. 1500,- D könnte gegen J einen Anspruch auf Rückzahlung von 1.500,- aus 441 IV S. 1, 437 Nr. 2 Var. 4 BGB haben. I. Wirksamer Kaufvertrag Dies setzt zunächst einen wirksamen Kaufvertrag voraus. Dieser ist, wie oben schon festgestellt, gegeben. II. Mangel isd gem. 434 I S. 1 BGB Es ist weiter zu prüfen, ob ein Mangel isd 437 HS 1 BGB vorliegt. Dies ist der Fall (s.o.). III. Kein Gewährleistungsausschluss gem. 442 oder 444 BGB Ein Ausschluss der Mängelrechte nach 442 I BGB oder nach 444 BGB liegt, wie bereits geprüft, nicht vor. IV. Voraussetzungen des 441 I S. 1 BGB Außerdem müssten die Voraussetzungen des 441 I 1 BGB vorliegen. 1. Minderungserklärung Die Minderung ist nach der gesetzlichen Konzeption ein Gestaltungsrecht und muss daher erklärt werden. Es handelt sich dabei um eine empfangsbedürftige Willens-erklärung. D hat J gegenüber erklärt, dass er zwar den Schmuck behalten, aber 1.500,- des Kaufpreises zurückerstattet haben will. Diese Erklärung beinhaltet konkludent eine Minderung. 6
7 2. Vss. des Rücktritts Aus der Formulierung des 441 I BGB ( Statt zurückzutreten ) ergibt sich, dass die Voraussetzungen des Rück-tritts gegeben sein müssen. Dies setzt ein Rücktrittsrecht des D voraus. Ein solches könnte sich aus 437 Nr. 2 Var. 3, 326 V, 323 BGB wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung ergeben. Die Rücktrittsvoraussetzung, dass der Schuldner nach 275 I BGB nicht zu leisten braucht ( 326 V BGB), wurde bereits oben bejaht: Der Schuldner J braucht nach 275 I keine Nacherfüllung zu leisten. Somit kann der D gem. 326 V, 323 BGB ohne Fristsetzung unmittelbar zurücktreten. Die weiteren Voraussetzungen des 323 BGB liegen vor. Dabei ist zu beachten, dass die Erheblichkeit des Mangels im Sinne von 323 V S. 2 BGB gem. 441 I S. 2 BGB für die Minderung nicht erforderlich ist. V. Zwischenergebnis: D kann den Kaufpreis wirksam mindern VI. Berechnung des neuen Kaufpreises gem. 441 III 1 BGB D konnte den Kaufpreis wirksam mindern. Fraglich ist schließlich, in welcher Höhe der Rückzahlungsanspruch besteht. Der Kaufpreis kann nur dann gemindert bzw. zu viel gezahlter Kaufpreis zurückgefordert werden, wenn der nach der Formel des 441 III BGB zu berechnende ( neue ) Kaufpreis (p) kleiner als der ursprünglich vereinbarte ist. Gem. 441 III S. 1 BGB ist der vereinbarte ( alte ) Kaufpreis (P) in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Kauf-sache in mangelfreiem Zustand (W) zu dem Wert im mangelhaften Zustand (w) gestanden hätte. Es soll sich also der neue Kaufpreis (p) zu dem alten Kaufpreis so verhalten, wie der wirkliche Wert der Kaufsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum (hypothetische) Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand: p/p = w/w und daraus folgt: p = w P / W Der wirkliche Wert des verkauften Schmuckstücks (w) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug 600. Der hypothetische Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand (W) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug Als Kaufpreis (P) wurde vereinbart. Der geminderte Kaufpreis (p) beträgt also: / = 700 7
8 Die Differenz zwischen ursprünglich vereinbartem und dem gem. 441 III S. 1 BGB berechneten neuen Kaufpreis beträgt folglich (= P - p). D kann daher im Rahmen der Minderung diesen Betrag, da er den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis schon bezahlt hat, nach 441 IV S. 1 BGB zurückfordern. VII. Ergebnis: D hat folglich gegen J einen Anspruch aus 441 IV 1, 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB auf Rückerstattung von C) Anspruch gem. 437 Nr. 3 Alt. 5, 311a II BGB auf SE statt der Leistung i.h.v. 1500,- D könnte gegen J einen Anspruch auf Rückzahlung von 1.500,- aus 437 Nr. 3 Alt. 5, 311a II S. 1 Alt. 1 BGB (kleiner Schadensersatz) haben. I. Wirksamer Kaufvertrag und Mangel Ein wirksamer Kaufvertrag sowie ein Mangel sind gegeben. Die Voraussetzungen des 437 BGB liegen vor (s.o.). II. Anfängliche Unmöglichkeit nach 275 I Alt. 2 BGB Ferner müsste Unmöglichkeit der Leistung nach 275 I Alt. 2 BGB vorliegen. Da J nicht mangelfrei liefern kann (s.o.), ist dies der Fall. Diese muss bereits bei Vertragsschluss vorliegen. Die negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit liegt bereits bei Vertragsschluss vor. Anmerkung: Bitte merken Sie sich schon einmal die Systematik: 311a II BGB ist anwendbar bei anfänglich unbehebbaren Mängeln, 280 I, III, 283 BGB bei nachträglich unbehebbaren Mängeln und 280 I, III, 281 BGB bei behebbaren Mängeln. III. Vertretenmüssen nach 311a II 2 BGB Ferner müsste J den Mangel nach 311a II S. 2 BGB gekannt bzw. seine Unkenntnis zu vertreten gehabt haben. Denkbar ist, dass J als Juwelier gem. 276 I S. 1, II BGB fahrlässig handelte, indem er die Beschaffenheitsangabe ohne weitere Überprüfung oder Einschränkung gemacht hat. Da J seine Schmuckstücke selber anfertigt, hätte er wissen müssen, was er D verkauft. Im Übrigen wird in 311a II S. 2 BGB das Vertretenmüssen vermutet. Entlastungstatsachen sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Mithin hat J seine Unkenntnis zu vertreten. 8
9 IV. Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung Fraglich ist schließlich, in welchem Umfang D Schadens-ersatz zusteht. Grundsätzlich muss D vermögensmäßig so gestellt werden, wie wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Wäre ordnungsgemäß erfüllt worden, hätte D ein Schmuckstück im Wert von erhalten. Naturalrestitution nach 249 I BGB kommt wegen des Erlöschens des (Nach-)Erfüllungsanspruchs gem. 275 I BGB nicht in Betracht. Gem. 251 I BGB ist daher der Schadensersatz in Geld zu gewähren. Da die übereignete mangelhafte Sache nur einen Wert von 600 hat, ist die verbleibende Differenz von durch Zahlung eines entsprechenden Betrages auszugleichen. V. Ergebnis: D hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen J aus 437 Nr. 3 Alt. 5, 311a II S. 1 Alt. 1 BGB auf Zahlung von nur 1.200, nicht 1500,-. D) Ergebnis zu Frage 1: D hat gegen J gem. 441 IV 1, 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB infolge Minderung einen Rückzahlungsanspruch i.h.v. 1400,- oder gem. 311 a II 1 Alt. 1, 437 Nr. 3 Alt. 5 einen Anspruch auf Schadensersatz i.h.v. 1200,- - ein Anspruch i.h.v. 1500,- ergibt sich dagegen nicht. Frage 2: Ansprüche D gegen G Anmerkung zum Auffinden der Anspruchsgrundlagen: 1. Überlegung: Grds. würde auch ein Anspruch aus 280 I, 241 II BGB in Betracht kommen, vorliegend hat eine Übergabe jedoch schon stattgefunden, so dass die Mängelrechte aus 437 BGB vorrangig sind. 2. Überlegung: In Betracht kommt Schadensersatz, hierbei müssen Sie sich entscheiden, ob es sich um SE statt oder neben der Leistung handelt, also ob 437 Nr. 3, 280 I BGB einschlägig ist oder auch die Voraussetzungen des 280 III BGB vorliegen müssen. Hier ist das Integritätsinteresse also das Interesse an der Unversehrtheit der Rechtsgüter außerhalb der vertraglichen Beziehung (Gesundheit des D) betroffen (WH, siehe Übersicht AG 2), somit liegt kein Mangelschaden (es geht hier nicht um die verdorbenen Würstchen an sich), sondern ein MangelFOLGEschaden (Lebensmittelvergiftung als Folge der mangelhaften Würstchen) vor. Der Schadensersatz tritt also nicht an die Stelle der mangelfreien Leistung sondern daneben, also NEBEN DIE LEISTUNG. 437 Nr. 3, 280 I BGB ist hier somit ausreichend, da es sich nicht um einen SE statt der Lstg. handelt, sondern NEBEN DER LEISTUNG! 9
10 A) Anspruch aus 437 Nr. 3, 280 I BGB auf Ersatz der Behandlungskosten und auf Schmerzensgeld D könnte gegen G einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten und auf Schmerzensgeld aus 437 Nr. 3, 280 I BGB haben. I. Wirksamer Kaufvertrag, 433 BGB Dazu müsste zunächst ein wirksamer Kaufvertrag zwischen D und G bestehen. D und G haben einen wirksamen Kaufvertrag über eine Bratwurst geschlossen, 433 BGB. II. Sachmangel i.s.v. 437, 434 BGB bei Gefahrenübergang Ferner müsste ein Sachmangel isd 434 BGB vorliegen. Mangel in diesem Sinn bedeutet das für den Käufer nachteilige Abweichen der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit. Die Soll-Beschaffenheit bestimmt sich nach 434 BGB. Eine Beschaffenheitsvereinbarung isd 434 I 1 BGB haben die Parteien nicht getroffen. Auch fehlt es an der Voraussetzung einer besonderen Verwendung der Bratwurst isd 434 I S. 2 Nr. 1 BGB. In Betracht kommt aber 434 I S. 2 Nr. 2 BGB, da die gewöhnliche Verwendung einer Bratwurst im Verzehr besteht und daher auch ohne besondere Vereinbarungen erwartet werden kann, dass die Wurst nicht verdorben ist. Damit liegt ein Sachmangel gemäß 434 I S. 2 Nr. 2 BGB vor. Dieser müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben, 434 I S. 1 BGB. Die Wurst war laut Sachverhalt bereits bei Übergabe isd 446 BGB verdorben. III. Vertretenmüssen, 280 I S. 2 BGB Zusätzlich müssen noch die Voraussetzungen des 280 I BGB vorliegen. Das Schuldverhältnis wurde mit dem Kaufvertrag bereits bejaht. Zudem liegt in der Lieferung der mangelhaften Bratwurst zugleich die für den Schadensersatzanspruch aus 280 I BGB erforderliche Pflichtverletzung aus dem Schuldverhältnis, denn nach 433 I 2 BGB war G zur Lieferung einer mangelfreien Wurst verpflichtet. Als zusätzliche Voraussetzung verlangt 280 I aber noch, dass G diese Pflichtverletzung zu vertreten hat: 280 I S. 2 BGB. G müsste sich also Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorwerfen lassen müssen, wobei das Vertretenmüssen nach dem Wortlaut des 280 I 2 BGB zunächst vermutet wird und der G sich entlasten muss. Vom Vorwurf des Vorsatzes wird sich G auf Grundlage des Sachverhalts wohl entlasten können. Gleiches gilt aber nicht für den Fahrlässigkeitsvorwurf. G wusste, dass er die Würstchen in der prallen Sonne hatte liegen lassen. Er war aus diesem Grund verpflichtet, die Verzehrfähigkeit des verkauften Würstchens zu überprüfen. Dies hat er unterlassen. Somit liegt zumindest fahr-lässiges Handeln des G isd 276 II BGB vor. 10
11 IV. Schadensersatz neben der Leistung Schließlich müsste ein Schaden des D gegeben sein. D wurde durch die aufgrund der verdorbenen Wurst erlittene Lebensmittelvergiftung in seiner Gesundheit geschädigt. Die Pflichtverletzung des G war für den Schaden des D ursächlich. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach 249 ff. BGB. Grundsätzlich ist ein Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution gerichtet: 249 I BGB. Hier kann D aber gem. 249 II BGB den zur Wiederherstellung seiner Gesundheit erforderlichen Geldbetrag verlangen. Auch für Verletzung vertraglicher Pflichten sieht 253 II BGB Schmerzensgeldansprüche vor. D hat daher auch Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld. V. Ergebnis: D hat einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten in Höhe von 250,- Euro und ein angemessenes Schmerzensgeld gemäß 280 I, 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB. B) Anspruch aus 823 I BGB auf Ersatz der Behandlungskosten und auf Schmerzensgeld D könnte gegen G einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten und auf Schmerzensgeld aus 823 I BGB haben. Anmerkung: 823 ff. BGB sind neben den 434 BGB anwendbar. Da die Schutzrichtung der 823 ff. BGB eine ganz andere ist als das vertragliche Gewährleistungsrecht, werden die 823 ff. BGB nicht von den 434 ff. BGB verdrängt. Zwischen Sachmängel- und Deliktsrecht besteht nach einhelliger Auffassung echte Anspruchskonkurrenz. I. Rechtsgutsverletzung D müsste in einem von 823 I BGB geschützten Rechtsgut verletzt sein. D wurde in seiner Gesundheit. II. Verhalten des G Es lag auch eine Handlung des G vor: er hat die verdorbene Bratwurst an D verkauft. 11
12 III. Haftungsbegründende Kausalität Für die Verletzung war das Handeln des G weiterhin auch ursächlich. IV. Rechtswidrigkeit (+) Diese Verletzung müsste auch widerrechtlich erfolgt, das heißt rechtwidrig gewesen sein. Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit. Jede Handlung ist rechtswidrig, die eine Verletzung eines von 823 I BGB geschützten Rechts bzw. Rechtsguts zur Folge hat, es sei denn der Schädiger könnte sich auf Rechtfertigungsgründe berufen. Hier sind keine Rechtfertigungsgründe gegeben. G handelte rechtswidrig. V. Verschulden G müsste auch schuldhaft gehandelt haben. Die Beweislastumkehr des 280 I 2 BGB greift hier nicht. Doch steht auf Grundlage des Sachverhalts fest, dass G fahrlässig gehandelt hat. VI. Ersatz des kausalen Schadens Als Schaden macht G die Arztkosten und Schmerzensgeld geltend. Schließlich müsste zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schaden ein Kausalzusammenhang bestehen. Auch diese Voraussetzung liegt hier unproblematisch vor. Der Umfang richtet sich auch bei deliktischen Ansprüchen nach 249 ff. BGB. D kann daher gem. 249 II 1 BGB Geldersatz in Höhe der ihm entstandenen Behandlungskosten und gem. 253 II BGB ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen. VII. Ergebnis: Anspruch D gegen G auch aus 823 I BGB. 12
13 C) Anspruch aus 823 II BGB i.v.m. 229 StGB auf Behandlungskosten i.h.v. 250,- und auf Schmerzensgeld D könnte gegen G einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten und auf Schmerzensgeld auch aus 823 II BGB i.v.m. 229 StGB haben. I. Schutzgesetzverletzung Dies setzt zunächst eine Schutzgesetzverletzung voraus. Als Schutzgesetz käme hier 229 StGB in Betracht. Da die Vorschrift den Schutz des Einzelnen bezweckt, ist 229 StGB als Schutzgesetz i.s.d. 823 II BGB anzusehen. Ferner müsste der Tatbestand des 229 StGB gegeben sein. Hier ist der Tatbestand des 229 StGB aus denselben Gründen wie der Anspruch aus 823 I BGB erfüllt. Außerdem sind Rechtswidrigkeit und Schuld gegeben. II. Kausaler Schaden Schließlich müsste ein von G kausal herbeigeführter und vom Schutzzweck der Norm umfasster Schaden herbeigeführt worden sein. Sowohl die Behandlungskosten einer Gesundheitsbeschädigung als auch das Schmerzensgeld wegen einer Körperverletzung fallen in den Schutzbereich des 229 StGB. Im Übrigen gilt das gleiche wie bei 823 I BGB. III. Ergebnis: K kann daher von G 250,- Euro Behandlungskosten und ein angemessenes Schmerzensgeld aus 823 II BGB i.v.m. 229 StGB verlangen. 13
Roßmanith Fallbesprechung BGB II SS Lösungsskizze FB 4. über die von D im Geschäft des J ausgesuchte Brosche
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