Grundlagen der Informationspädagogik

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1 Werner Sesink Grundlagen der Informationspädagogik Skript zur Vorlesung im WS TU Darmstadt 1

2 Inhaltsverzeichnis 1. Informationspädagogik 1.1 Vorläufige Definition 1.2 Ziel der Vorlesung 1.3 Wortklauberei? Sinn und Aufgabe begrifflicher Klärungen 2. Daten und Information 2.1 Daten und Fakten 2.2 Zeichen und Symbole 2.3 Codierte Daten 2.4 Information Daten und Information Information: Der Unterschied, der einen Unterschied macht (Bateson) 2.5 Instruktion 3. Wissen und Bildung 3.1 Objektives und subjektives Wissen 3.2 Bildung 3.3 Wissensmanagement und Bildung 4. Lernen und Selbstregulation 4.1 Lernen 4.2 Das Regelkreismodell 4.3 Von der Technologie zur Selbsttechnologie Zum Wissenschaftsverständnis kybernetischer Pädagogik Zum Lernverständnis kybernetischer Pädagogik Selbsttechnologie 4.4 Selbstregulation und Selbstbestimmung Zur internen Organisation des Lernprozesses Zur sozialen Dimension des Lernprozesses 5. Personale und technische Kommunikation 5.1 Personale Kommunikation 5.2 Technische Kommunikation 5.3 Technisch vermittelte Kommunikation Technische Kommunikationsmedien Digitalisierung Vernetzung 6. Formalisierung, Modellierung und Gestaltung 6.1 Symbolisierung und Verallgemeinerung Verallgemeinerbarkeit von Daten 2

3 6.1.2 Worin besteht Verallgemeinerung? 6.2 Formalisierung 6.3 Modellierung und Gestaltung Modellierung als Abbildung Modellierung als Steuerung Modellierende Abstraktion (Modellbildung) Konkretisierende Anwendung (Weltmodellierung) Exkurs: Ein Beispiel für Konkretisierungsleistung: Implementierung von Informationstechnik in pädagogischer Praxis 7. Algorithmen, Programme und Maschinen 7.1 Algorithmen Routinen, Rezepte, Algorithmen Aufbau eines Algorithmus 7.2 Maschinen Klassische Maschinen Symbolverarbeitende, transklassische Maschinen Virtuelle Maschinen 8. Vom Instrument zum Automaten 8.1 Werkzeug 8.2 Maschine 8.3 Automat 8.4 Automatik und Pädagogik 9. Wirklichkeit und Virtualität 9.1 Virtuelle und reale Maschine 9.2 Simulation: Nachbildung, Entwurf und Erfindung von Realität Simulation als Re-Konstruktion Simulation als projektive Konstruktion Simulation als freie Konstruktion 9.3 Simulationen in der Realität 9.4 Was ist Realität? 10. Arbeit und Konstruktion 10.1 Arbeit Arbeit als notwendige Tätigkeit (anthropologische Bestimmung) Erweiterungen und Verschiebungen des Arbeitsbegriffs Pädagogische Bedeutung der Arbeit 10.2 Konstruktion Werkzeug Computergesteuerte maschinelle Produktion Informationsarbeit 3

4 Arbeit Produktion Konstruktion Pädagogische Implikationen 11. Medium und Vermittlung 11.1 Medien im Kontext sozialer Vermittlungsprozesse 11.2 Dimensionen der Medialität Instrumentalität Repräsentativität Speicher Ort und Ordnung Kommunikation, Kooperation, Interaktion Reflexion Einräumung 11.3 Multimedia 12. Kultur und Technik 12.1 Technik und Technologie Technik Technologie 12.2 Kulturtechnik und Technikkultur Zum Verhältnis von subjektiver und gegenständlicher Technik Zu welcher Kultur gehört die neue Kulturtechnik? 13. Freiheit und Determination 13.1 Mensch und Maschine 13.2 Innere Organisation und äußere Wirkung von Maschinen 13.3 Deterministische und nicht-deterministische Maschinen 13.4 Bestimmtheit, Unbestimmtheit und Bestimmbarkeit 13.5 Subjekt und Freiheit 13.6 Raum und Grenze 13.7 Empirisches und intelligibles Ich 13.8 Pädagogische Konsequenzen Literaturnachweise Weiterführende Literaturhinweise 4

5 1. Informationspädagogik 1.1 Vorläufige Definition Eine Vorlesung mit dem Titel Informationspädagogik kann nicht auf ein verbreitetes Vorverständnis rechnen, um welche Themen, Inhalte und Fragestellungen es in ihr gehen wird. Gibt man den Begriff Informationspädagogik in eine gängige Suchmaschine ein, erhält man deutlich weniger Treffer als etwa beim Begriff Medienpädagogik. (Im Falle der Suchmaschine Google beträgt die Relation 524: = 1:229! Stand: ) Dabei zeigt sich, dass mit dem Begriff trotz der geringen Verbreitung sehr unterschiedliche Gegenstandsbereiche und Aufgabenfelder bezeichnet werden. Der Begriff Informationspädagogik wurde für diese Vorlesung gewählt, gerade weil er noch nicht fest besetzt ist und weil mit ihm ein Gegenstandsfeld benannt werden kann, für das sich noch keine konkurrierende Bezeichnung wirklich durchgesetzt hat. Eine vorläufige Definition lautet: In der Informationspädagogik geht es um die theoretische Bearbeitung der Probleme, die sich für die Pädagogik infolge des Vordringens der neuen computer- und netzwerkgestützten Technologien stellen. Damit sind beide Begriffsbestandteile aufgenommen: Information und Pädagogik. Information zielt dabei ebenso wie im Begriff Informationsgesellschaft auf die Neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Es ist jedoch die Pädagogik, die hierbei begrifflich im Zentrum steht; auf sie bezieht sich Information adjektivisch. Die Technologien interessieren nur, soweit sie pädagogisch bedeutsam werden. Deshalb kann man die Informationspädagogik auch als die Pädagogik der und für die Informationsgesellschaft begreifen. Selbstverständlich wird dieses Feld von einer Vielzahl von Autoren und (Teil- )Disziplinen nicht nur der Pädagogik behandelt, die dafür andere Bezeichnungen verwenden: von der Kybernetischen Pädagogik und dem Programmierten Unterricht über die Bildungstechnologie, den Computerunterstützten Unterricht und das E-Learning, über die schon genannte Medienpädagogik und die Informationstechnische Bildung bis hin zum Informations- und Wissensmanagement. Zu all diesen Disziplinen und Ansätzen gibt es daher Überschneidungen. 5

6 1.2 Ziel der Vorlesung In dieser Vorlesung sollen begriffliche und theoretische Grundlagen geschaffen werden, sich mit informationspädagogischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Da die Informationspädagogik Themen im Schnittfeld von Pädagogik und Informatik/Informationstechnik behandelt, muss sie sich gleichsam in zwei Begriffswelten bewegen. Indem sie sich mit den Problemen befasst, welche das Vordringen der Informationstechnik für Pädagogik in Theorie und Praxis aufwirft, steht sie in der Schwierigkeit, ihr Gegenstandsfeld mit Begriffen beschrieben und besetzt vorzufinden, die sowohl eine geistes- und sozialwissenschaftliche als auch eine technische Bedeutung haben, in den jeweiligen disziplinären Kontexten aber keineswegs das Gleiche aussagen. Wenn Informatiker etwa von Informationen sprechen, die in informationstechnischen Systemen zur Verfügung gestellt werden, und von der Verarbeitung dieser Informationen, dann meinen sie nicht das Gleiche wie Pädagogen, die davon sprechen, wie Schüler und Schülerinnen die Informationen aufnehmen und verarbeiten, die sie ihnen im Unterricht vermitteln. Dasselbe gilt für andere Begriffe wie Kommunikation, Form, Modell, Konstruktion usw. Dieses Problem wiegt umso schwerer, als es sich dabei nicht um nebensächliche Begrifflichkeiten handelt, sondern um solche von fundamentaler Bedeutung. In dieser Vorlesung soll daher versucht werden, einige dieser Fundamentalbegriffe jeweils sowohl aus dem Verständnishorizont der geistesund sozialwissenschaftlichen als auch der informationstechnischen Disziplinen darzustellen und das ist von großer Wichtigkeit diese unterschiedlichen, ja teilweise gegensätzlich erscheinenden Begriffsbedeutungen im Kontext des informationspädagogischen Gegenstandsfelds aufeinander zu beziehen. Das wäre nicht nötig, wenn beide Begriffssysteme streng voneinander geschiedene Gegenstandsbereiche beträfen, sie sich also sozusagen nicht ins Gehege kämen. Sobald aber informationstechnische Geräte- und Software- Systeme in pädagogische Zusammenhänge eingebracht werden, wird das, was sie leisten und wofür sie gut sind, auch in den Begriffen erfasst und beschrieben, die in der Pädagogik gebräuchlich sind und dort ihre je eigene Geschichte hatten. Damit vermengen sich die Begriffssysteme, und nur zu leicht entsteht ein terminologisches Durcheinander, in dem Vertreter der unterschiedlichen Begriffstraditionen aneinander vorbeireden und einander missverstehen, weil gleichlautende Begriffe nur scheinbar das Gleiche bezeichnen. Doch terminologische Klarheit ist nicht der einzige Grund. Ein sachlicher kommt hinzu: Mit der Implementierung von Informationstechnik in pädagogische 6

7 Zusammenhänge wird auch deren Funktionalität implementiert, welche ja in technischen Begriffen beschrieben wird. Die Pädagogik muss diesen neuen Begriffsgehalt in ihren Sprachgebrauch ebenso aufnehmen und integrieren, wie sie in ihrer Praxis die Technik selbst in ihrer apparativen Gegenständlichkeit aufnimmt und integriert. Deshalb kann sie nicht einfach bei ihrem überkommenen Sprachgebrauch bleiben. Und ebenso müssen die Techniker, welche die von ihnen entwickelten Systeme anbieten, deren Funktionalität so ausdrücken, dass ihr Nutzen und ihre Wirkungsweise im pädagogischen Kontext erfassbar, damit aber auch aus der Sicht pädagogischer Kategorien eingrenzbar und beurteilbar wird. Mit der Informatikern vertrauten kontextfreien Begrifflichkeit allein ist dies nicht möglich. Ziel der Vorlesung ist also, ein Verständnis für die grundlegenden Begrifflichkeiten zu fördern, in denen über die Gegenstände, Aufgaben und Probleme gesprochen wird, um die es im informationspädagogischen Feld gehen soll. Dies schließt ein, die unterschiedlichen Perspektiven und Herangehensweisen der Pädagogik auf der einen, der Informatik/Informationstechnik auf der anderen Seite zu verstehen, ihre jeweilige Berechtigung einzusehen und beurteilen zu können, wie sie miteinander zusammenhängen und praktisch zusammenwirken. Ein solches differenziertes Begriffsverständnis ermöglicht es erst, wirklich mitreden und daher auch mitdenken zu können; denn ohne die sprachlichen Mittel fehlen auch die nötigen Denkmittel. Und dass das Mitdenken eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, mitgestalten zu können und den Entwicklungen auf diesem Felde nicht rat- und hilflos ausgesetzt zu sein, versteht sich wohl von selbst. 1.3 Wortklauberei? Sinn und Aufgabe begrifflicher Klärungen Das allgegenwärtige Vordringen der sog. Neuen Technologien erfasst längst auch die pädagogischen Aufgaben- und Praxisfelder. Sowohl die Europäische Union [EU 2002] als auch die deutsche Bundesregierung [BMWT&BMBF 2002] sehen in der Vorbereitung der nachwachsenden Generationen auf die sog. Informationsoder Wissensgesellschaft eine der wichtigsten Aufgaben gesellschaftlicher Zukunftssicherung. In der öffentlichen wie in der wissenschaftlichen Diskussion über die anstehenden Aufgaben und Probleme werden immer wieder bestimmte Schlüsselbegriffe verwandt, die sich nur scheinbar von selbst verstehen. Was genau Information bzw. Wissen im Kontext der vielbeschworenen Informations- 7

8 bzw. Wissensgesellschaft meinen, wie Kommunikation geformt wird, wenn sie über technische Vermittlungsinstanzen verläuft, ob Geräte schon Medien sind, ob die Beherrschung des Umgangs mit Neuen Technologien tatsächlich eine neue vierte und unverzichtbare Kulturtechnik ist diese und andere Fragen lassen sich nur beantworten, wenn verstanden ist, wovon man spricht, wenn man diese Begriffe gebraucht. Pädagoginnen und Pädagogen werden immer dringlicher mit der Anforderung konfrontiert, Neue Medien in ihrer Praxis einzusetzen bzw. auf den Umgang mit ihnen vorzubereiten. Es ist herrschende Meinung, dass dies zu einer Qualitätssteigerung pädagogischer Arbeit führen werde. Um sich diesem Ansinnen stellen und sich mit ihm auseinandersetzen zu können, müssen Pädagoginnen und Pädagogen in der Lage sein, sich kompetent in diese Diskussion um Neue Medien in der Bildung einzuschalten. Der herrschenden Sprachverwirrung müssen sie ein differenziertes Begriffsverständnis entgegensetzen können, um richtig zu stellen, dass etwa das Lernen von Kindern unvergleichlich ist dem technischen Prozess der Datenverarbeitung und Datenspeicherung; dass die Kommunikation zwischen Menschen niemals durch technische Verfahren der Datenübermittlung ersetzt werden kann; dass Medien nicht neutrale Übertragungsinstanzen sind; dass menschliche Freiheit nicht durch Zufallsgeneratoren simuliert werden kann usw. Aber auch um angeben zu können, welche neuen Möglichkeiten des Lernens sich durch die Informationstechnik eröffnen; oder wie die Kommunikation zwischen Menschen durch technische Mittler unterstützt werden kann; dass menschliches Leben ohne mediale Vermittlung undenkbar ist; und dass gerade die Weiterentwicklung der Technik nicht automatisch geschieht, sondern der Kreativität menschlicher Subjekte bedarf. Bei begrifflichen Klärungen geht es also nicht um einen Streit um (austauschbare) Worte, sondern um Klärung in der Sache. Die braucht man wie gesagt nicht nur, um mitreden, sondern auch, um mitgestalten zu können. Pädagoginnen und Pädagogen sind dort, wo informationstechnische Systeme für den Einsatz in Bildungseinrichtungen entwickelt werden, eher selten beteiligt. Dort haben überwiegend Informatiker und Psychologen das Sagen; ihre 8

9 Begriffssysteme dominieren daher auch die Fachdiskussion um E-Learning, Didaktik der Neuen Medien usw. Damit wird die Entwicklungsarbeit aber auch durch die in informatischen und psychologischen Begriffen fixierten Perspektiven gelenkt, die naturgemäß nicht gerade durch genaue Kenntnis der in pädagogischer Praxis zu lösenden Probleme geprägt sind und andere Maßstäbe für Qualität transportieren, als aus pädagogischer Sicht anzulegen wären. Denn effektives Lernen meint nicht schon dasselbe wie sinnvolles Lernen. Auch zeigt die Berücksichtigung wahrnehmungspsychologischer Erkenntnisse bei der Gestaltung von Lernsystemen nicht unbedingt an, dass der lernende Mensch im Mittelpunkt steht. Und der Einsatz von High-Tech in Lehr-Lernprozessen verträgt sich durchaus mit einer Pädagogik auf Stammtischniveau. Dass der Einsatz Neuer Medien in der Bildung bisher nicht gerade eine Erfolgsgeschichte ist, ist ganz sicher auch darauf zurückzuführen, dass pädagogische Kriterien für Qualität bisher zu wenig zur Geltung gebracht wurden. Um diese Kriterien aber geht es, wenn wir beispielsweise darüber Rechenschaft ablegen, inwiefern der kompetente Umgang mit Wissenssystemen zur immer wichtigeren Qualifikationsanforderung wird, es eben deshalb aber beim Lernen um Bildung gehen muss und nicht nur um die Übertragung von Wissen auf die nachwachsende Generation; unter Bedingungen permanenten gesellschaftlichen Wandels gesellschaftliche Institutionen wie die Schule zunehmend auf die Eigenverantwortung der Individuen setzen müssen, Mündigkeit aber über jene Art von Selbstregulationsfähigkeit hinausgeht, zu welcher auch Automaten befähigt werden können; auch technisch vermittelte Kommunikation zwischen Menschen Verständigung über gemeinsame Sinnhorizonte humanen Zusammenlebens verlangt; gelingende Vermittlung daher mehr voraussetzt als störungsfreie Datenübertragung; Technik Kultur ist, aber nicht alle Kultur Technik. Umso wichtiger wäre es, dass Pädagoginnen und Pädagogen sich verstärkt in der Entwicklungsarbeit engagieren. Das verlangt die Fähigkeit zu interdisziplinärer Kooperation. Die wiederum stellt hohe Anforderungen an die Fähigkeit, sich trotz unterschiedlicher Fachsprachen über gemeinsame Aufgaben, Ziele und Qualitätsmaßstäbe zu verständigen, also zu verstehen, was die oder der andere meint, wenn sie oder er einen Begriff wie zum Beispiel Wissen verwendet, das eigene Verständnis davon den anderen zu vermitteln und vor allem beide 9

10 Perspektiven miteinander so zu vermitteln, dass das gemeinsame Projekt erfolgreich vorangebracht wird. Zur Ausbildung dieser Fähigkeit soll diese Vorlesung einen Beitrag leisten. Nicht nur Pädagoginnen und Pädagogen stehen vor dieser schwierigen Aufgabe interdisziplinärer Verständigung um der Sache willen, sondern ebenso die beteiligten Informatiker und Techniker. Wie den Pädagoginnen und Pädagogen die technische Perspektive, so soll hier den Informatikerinnen und Informatikern die pädagogische Perspektive nahegebracht, in ihrer eigenen Dignität deutlich gemacht und sollen beide hinsichtlich ihres denkbaren (und machbaren) Zusammenwirkens geklärt werden. 10

11 2. Daten und Information Der Begriff Information ist heute schon so stark mit der Informationstechnik assoziiert, dass als Information oft das gilt, was diese Technik in Form von Daten speichert und zur Verfügung stellt. Doch ist der Begriff ja wesentlich älter als die Informationstechnik. Wie etliche andere Begriffe ist er seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts für die Beschreibung von Funktionen und Leistungen dieser Technik in Anspruch genommen worden und hat dabei eine Bedeutungsveränderung erfahren, welche inzwischen normativ rückwirkt auf den alltäglichen Sprachgebrauch und frühere Bedeutungsgehalte des Worts und seine Verwendungsgeschichte in Vergessenheit geraten lässt. So wiederholt sich stets aufs neue eine charakteristische Verkehrung: Die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes (wie Information ) diente zunächst dazu, Leistungen der Technik zu beschreiben; hat sich diese Verknüpfung des Wortes mit der Leistung von Technik soweit verbreitet, dass sie als selbstverständlich gelten kann, kommt es immer mehr dazu, dass man nun umgekehrt mit den Leistungen der Technik die Bedeutung des Wortes erklärt. Wie Rafael Capurro in seiner begriffsgeschichtlichen Untersuchung zum Informationsbegriff gezeigt hat [Capurro 1978], war mit Information lange Zeit ein starker pädagogischer Akzent verbunden, der heute jedoch gegenüber dem technischen Akzent sekundär geworden ist. Statt von Menschen, die als Prediger, Heilsverkünder oder Lehrer ihre Botschaften verbreiteten, werden Informationen jetzt vor allem von der Technik übermittelt. Wie zu zeigen sein wird, lässt diese technische Okkupation aber einen Begriffsrest zurück, der in der neuen Wortverwendung nicht mehr enthalten ist, ohne dass aber das, worauf er einmal verwies, deshalb verschwunden wäre. Statt also schlicht und einfach den neuen Informationsbegriff zu übernehmen und damit das in ihm Vergessene, aber eben nicht Verschwundene auszublenden, soll in dieser Vorlesung dem Prozess nachgespürt werden, in dem sich die angesprochene Begriffsskelettierung vollzogen hat, und so ein reicherer und den pädagogischen Vermittlungsaufgaben und -problemen besser angemessener Informationsbegriff zurückgewonnen werden. 11

12 2.1 Daten und Fakten Wohl fast alle Menschen gehen davon aus, dass es sie gibt und dass es die Welt um sie herum gibt. Es gibt (mich, die Welt) ist ein Satz, dessen grammatische Struktur zwar ein Subjekt aufweist, das Es, dem aber semantisch, das heißt vom Aussagegehalt her keine Subjektvorstellung entspricht. Die passivische Formulierung ist gegeben scheint daher angemessener. Lateinisch lautet sie datum est. Das Datum schlechthin ist die Welt, in der wir uns vorfinden. So gesehen bezeichnet Datum zunächst einmal eine Grundvoraussetzung unserer materiellen Existenz: die Zugehörigkeit zu einer Welt, die uns gegeben (und nicht von uns gemacht) ist. Datum ist, dass die Welt existiert und wir in ihr. Aber wie diese Welt aussieht, dies ist immer weniger uns nur gegeben, immer weniger nur Datum und immer mehr von uns gemacht, demnach Faktum (vom lat. facere = machen). Datum und Faktum tragen ursprünglich also nahezu entgegengesetzte Bedeutungen. Zwar ist auch ein Faktum anschließend ein Datum, aber ein Datum anderer Art. Es ist Datum dadurch, dass es Faktum ist; es ist ein Datum, das im Faktum-sein gründet; es ist gegeben, weil es gemacht wurde. Und doch sind Fakten keine Schöpfungen aus dem Nichts. Etwas, das es gab, war Voraussetzung dafür, dass etwas daraus gemacht werden konnte, dass es neue Form erhalten konnte. Was daher immer Datum im ursprünglichen Sinne bleibt, ist das in allem Machen übernommene materiale Substrat, das den Fakten weiterhin anhaftet; genauer eigentlich: an dem die Formen haften, die wir ihnen geben; als Spur dessen, was uns zur Bearbeitung als Material gegeben ist. 2.2 Zeichen und Symbole Die Aussage, dass uns die Welt schlicht gegeben sei und mit ihr alles Seiende um uns und darin auch wir selbst, verleitet allerdings zu einer allzu naiven Auffassung: als ob es so etwas wie eine ursprüngliche, durch nichts, insbesondere durch kein menschliches Zutun geprägte, ein ungeformte, unverfälschte Präsenz dieser Welt für uns gäbe, die dann erst im zweiten Schritt sozusagen in Vorstellungen, Bildern, Gedanken und dergleichen re-präsentiert würde. Eine solche Ursprünglichkeit gibt es für uns nicht. Im Wort datum=gegeben ist ja schon so etwas wie ein Adressat mitgedacht, dem es gegeben ist. Insofern meint es kein bezugsloses Sein, sondern ein Sein für uns und schließt daher auch die Rezeption durch den Adressaten mit ein, ohne die es keine Gegebenheit gibt. 12

13 Gegeben ist uns nur, was wir als solches auch aufnehmen oder wahrnehmen. Und damit ist es uns auch nur so gegeben, wie wir es auf- und wahrnehmen können. Wenn ein Mensch also beispielsweise in die Ursprünglichkeit oder Unberührtheit eines Urwaldes sozusagen zurückkehren wollte, so könnte sein Aufenthalt für einen neutralen außenstehenden Beobachter zwar betrachtet werden wie der Aufenthalt eines Steins im Urwald: Im Urwald befinden sich ein Stein und ein Mensch. Aber er würde nicht behaupten können, dass der Urwald für den Stein so gegeben, also ein Datum ist wie für den Menschen. Für den Menschen ist der Urwald als Urwald gegeben; und darin schwingen Abgrenzungen mit, die den Urwald von anderen Wäldern unterscheiden; spielt vielleicht Wissen hinein, dass Urwälder wichtig sind für unser Klima, aber auch gefährdet sind; gibt es so etwas wie Neugier auf das Unbekannte, Abenteuerlust oder Angst vor den wilden Tieren; Sehnsucht nach dem Ursprünglichen usw. Lauter Beziehungen, die es für den Stein nicht gibt, weil ein Stein kein inneres Verhältnis hat zu dem Urwald, in dem er sich befindet. Diese Behauptung gründet sich darauf, dass zu einem inneren Verhältnis auch eine innere Repräsentanz dessen gehört, wozu ein Verhältnis eingegangen wird. Das uns Gegebene ist uns also immer schon in einer vermittelten Weise gegeben; vermittelt nämlich durch unsere Verarbeitung der Sinneseindrücke, in denen sich uns die Gegebenheit des Objekts (des Urwalds) erweist, zu dessen innerer Repräsentanz (seiner Vorstellung). Diese Bilder, Vorstellungen und Begriffe sind daher sowohl Ergebnis als auch Mittel unserer Rezeption des Gegebenen. Sie sind von uns gemacht, also Fakten. Wir nennen sie Symbole oder Zeichen. Sie stehen für bzw. verweisen auf andere Daten bzw. Fakten. Was Computer verarbeiten, etwa wenn sie die Daten verarbeiten, die eine Messstation liefert, sind solche Zeichen. Charles Peirce ( ) gilt als Begründer der wissenschaftlichen Untersuchung der Zeichen, der Semiotik. Für ihn sind Zeichen durch eine triadische Relation, das meint eine Dreiecks-Beziehung charakterisiert: 13

14 Abb. 1: Die triadische Relation im Zeichenprozess nach C. Peirce (nach [Herzig 2001, 132]) Das von einem Zeichen gemeinte Objekt ist ein Gegebenes (Datum), das auch ein Gemachtes oder Gedachtes (Faktum) sein kann. Das Zeichen bedeutet das Objekt. Das materielle Zeichen selbst (Repräsentamen), zum Beispiel eine Abbildung, eine Figur oder ein Wort, enthält an ihm selbst allerdings noch keine derartige Bedeutung. Es erhält sie erst, indem ihm diese Bedeutung durch eine Instanz, die Peirce Interpretant nennt, zugeschrieben wird. Wer diese Zuschreibung nicht kennt, weiß auch nicht, was das Zeichen bedeutet. So geht es uns zum Beispiel, wenn wir Mitteilungen in fremden Schriften oder fremden Sprachen erhalten. Es gibt Peirce zufolge drei fundamentale Zeichenklassen, die sich nach der Art der Beziehung zwischen materiellem Zeichen (Repräsentamen) und Objekt unterscheiden: 14

15 Abb. 2: Unterschiedliche Formen der Repräsentation im Zeichenprozess Ein Ikon kann aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem repräsentierten Objekt als dessen Zeichen fungieren. Der Papierkorb auf dem Desktop eines PCs sieht aus wie ein echter Papierkorb. Nun können echte Papierkörbe sehr unterschiedlich aussehen; und die Ähnlichkeit kann entsprechend deutlicher oder weniger deutlich ausgeprägt sein. Die Ähnlichkeit muss also gesehen werden, auch wenn sie eben gerade nicht wirklich sichtbar ist (der Papierkorb auf dem Desktop sieht in Wirklkichkeit überhaupt nicht aus wie der echte Papierkorb unter meinem Schreibtisch). Herangezogen werden etwa typische Merkmale von Papierkörben oder eine Art Urform eines Papierkorbs oder ein besonders prominentes Exemplar eines Papierkorbs, wodurch ermöglicht wird, die Ähnlichkeit des Ikons mit dem Objekt zu sehen. Insofern beruht auch das Sehen der Ähnlichkeit auf einer Interpretation, der wiederum Konventionen darüber zugrundeliegen, wie denn ein Papierkorb-Ikon auszusehen hat, damit man es als solches erkennt. Ein Symbol dagegen kann auf Ähnlichkeit verzichten. Das Wort Papierkorb sieht nicht im entferntesten aus wie ein Papierkorb. Und doch lässt es, gelesen oder gehört, eine Vorstellung von diesem realen Objekt entstehen, weil wir eben diese Bedeutung des Wortes mit dem Erwerb unserer Muttersprache gelernt haben. Dass es dieses Wort ist, beruht auf Konvention. Jede andere Buchstabenverbindung könnte, wenn wir uns darauf einigen, an seine Stelle treten. 15

16 Der Index schließlich zeigt etwas an ( indiziert ), mit dem er in einer physischsachlichen Beziehung steht. So lässt sich am Thermometer die Temperatur ablesen. Fieber zeigt eine Entzündung an. Rauch deutet auf Feuer. Auch hier aber spricht das Zeichen nicht für sich; es muss interpretiert werden vor dem Hintergrund eines überlieferten und gelernten Wissens über die Zusammenhänge zwischen Objekt und Index. Wie man sieht, sind die Beziehungen zwischen Objekt und Repräsentamen nicht etwas Festes; sie enstehen bzw. werden gebildet in einem Prozess der Zuordnung von materiellen Zeichen und Objekten, vermittelt über eine Interpretationsinstanz. Die triadische Relation ist also selbst Zeichen für einen Prozess, die Semiose (oder den Zeichenprozess ). Terminologische Anmerkung: Bei Peirce ist das Symbol eine Unterart des Zeichens. Das entspricht nicht einem durchweg praktizierten Sprachgebrauch. Oft wird der Symbolbegriff so gebraucht, wie Peirce den Zeichenbegriff gebraucht. Und der Zeichenbegriff steht dann für das, was bei Peircee Repräsentamen heißt. Es gilt also den terminologischen Kontext zu beachten, wenn man mit diesen Begriffen konfrontiert ist. 2.3 Codierte Daten Es sollen nun jene Zeichen zur Sprache kommen, die von Computern verarbeitet werden und die wir (abweichend vom ursprünglichen Wortsinn des datum ) heute als Daten zu bezeichnen pflegen. Informationstechnische Daten sind Fakten, die von materialen Resten gänzlich gereinigt sind. Ich bezeichne sie daher als reine Fakten: Sie enthalten keine Gegebenheit im Sinne des Nicht- Gemachtseins mehr. Der Begriff des Datums hat sich damit nahezu in sein Gegenteil verkehrt. Nehmen wir die Definition des Begriffs Datum in der DIN 44300: Informationsverarbeitung : Daten (data): Gebilde aus Zeichen oder kontinuierlichen Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Information darstellen, vorrangig zum Zwecke der Verarbeitung und als deren Ergebnis. Auf den ersten Blick entspricht diese Definition derjenigen, die Peirce für den Zeichenbegriff gegeben hat: 16

17 Abb. 3: Codierte Daten im Zeichenprozess Daten bedeuten oder bezeichnen demnach aufgrund einer Konvention ein Objekt; sie informieren damit über dieses Objekt oder transportieren eine Information über es. Man muss die Abmachung kennen, um den Daten ihre Information entnehmen zu können. Aber in der DIN-Definition kommt etwas hinzu; nur im Nachsatz angehängt, aber darin doch die hauptsächliche Stoßrichtung angebend: vorrangig zum Zwecke der Verarbeitung und als deren Ergebnis. Und hier ist zu ergänzen: der maschinellen oder automatischen Verarbeitung. Dazu aber muss die Verarbeitung der Daten vollständig unabhängig sein von ihrer Interpretation durch einen Menschen. Die Verarbeitbarkeit von Daten im Sinne der DIN verlangt also, dass in ihnen nichts Gegebenes mehr ist, das dem Gemachtsein vorausgeht. Mathematische Objekte erfüllen diese Bedingungen. Sie sind reine Fakten. Sie sind in der kontextfreien, künstlichen Maschinensprache darstellbar. Diese Art von Zeichen (Daten gemäß DIN 44300) transportiert daher nur mathematische Information. Ich möchte dies am Beispiel des Datums der Geburt verdeutlichen. Im alltäglichen nicht-wissenschaftlichen und nicht-technischen Sprachgebrauch taucht das Wort Datum ja hauptsächlich in der Bedeutung der Angabe eines Zeitpunkts ( Datum von heute ) auf. Das Geburtsdatum meint die eindeutige Angabe des Tages, an dem jemand geboren wurde. 17

18 Gehen wir auf den ursprünglichen Wortsinn von Datum zurück, so meint das Datum der Geburt die Gegebenheit dieses Ereignisses. Das Datum der Geburt ist nicht von der Art wie die Daten einer Ausstellungseröffnung, eines Richtfestes oder des ersten Spatenstichs für eine Baumaßnahme. Letztere gehen zurück auf menschliche Planung; es ist subjektiver Entschluss und technisch so eingerichtet, dass diese Ereignisse stattfinden; sie geschehen nicht. Auch wenn sich dies in Folge der medizin- und gentechnischen Entwicklungen verändert, so ist doch die Geburt eines Menschen immer noch ein Geschehen, dessen Ablauf, Dauer, Umstände von uns nicht frei entworfen und durchgeplant werden können, dessen Bedeutung nicht allein davon abhängig ist, welche Bedeutung wir ihm geben; ein Ereignis, das überwältigt. Jede einzelne Geburt bedeutet etwas Einzigartiges; eine Geburt in einem westlichen Industrieland bedeutet etwas anderes als eine Geburt in einem Dorf in einem südamerikanischen Regenwald, und Geburt heute bedeutet wieder etwas ganz anderes als vor tausend Jahren. Die Bedeutung des Datums der Geburt ist ohne eine Einbeziehung und Berücksichtigung dieser Kontexte gar nicht verstehbar; und das überhaupt mögliche Verstehen des Datums der Geburt ist immer begrenztes Verstehen. (Besonders deutlich wird dies etwa an der ungeheuren kulturellen Bedeutung des Datums der Geburt Jesu Christi.) Dies alles ist verschwunden in den informationstechnischen Daten der Geburt. Die mit dem Datum der Geburt für die Beteiligten verbundenen Hoffnungen und Ängste, Aufregungen und Sorgen lassen sich datentechnisch nicht weiterverarbeiten; sie gehören zu der Materialität des Ereignisses der Geburt, von der abstrahiert werden muss, um Daten nach der DIN zu erhalten. Das Datum der Geburt wird zu einem numerischen Wert, mit dem sich rechnen lässt, etwa um festzustellen, wieviele Personen an einem bestimmten Tag geboren sind; um das Durchschnittsalter einer Menge von Personen zu bestimmen; um den zeitlichen Abstand zwischen zwei Ereigniossen zu messen, und dergleichen. Das Selbe gilt für andere personenbezogene Daten wie Körpergröße, Wohnort, Augenfarbe usw., all die Angaben, die als Datenabbilder der Menschen in den Speichern der informationstechnischen Systeme gesammelt werden. Diese Gebilde aus Zeichen (DIN 44300) symbolisieren jeweils ein bestimmtes Individuum, informieren über es. Aber eben das, was das lebensweltliche Ereignis seiner Geburt ausmachte, sein Hineingeborenwerden in einen lebensweltlichen Kontext, in dem Freundschaft und Eifersucht, Zuneigung und Hass, Bewunderung und Verachtung, Zuverlässigkeit und Unberechenbarkeit ihre Rolle spielen, all das, was die wirklichen Beziehungen der Menschen zueinander und zu ihrer Welt färbt und ihnen erst Sinn gibt, ist ausgeschlossen. Um das Datum der Geburt dieses Menschen informationstechnisch abbilden und weiterverarbeiten zu können, muss es zuvor zu einem mathematischen Objekt modelliert worden sein. 18

19 Die triadische Relation ist also, wenn es um die Codierung von maschinell verarbeitbaren Daten geht, zu erweitern. In die Relation zwischen dem Datum der Geburt (als dem wirklichen lebensweltlichen Ereignis der Geburt) und dem informationstechnischen Datum ist ein Zwischenschritt geschaltet, dessen Funktion und Bedeutung zu leicht übergangen wird: die Modellierung des ursprünglichen Objekts zu einem mathematischen Objekt (eine Operation, die wir auch als Formalisierung bezeichnen können). Die Funktion dieses Schrittes ist, das Objekt codierbar, also in Maschinensprache darstellbar zu machen. Sein Bedeutung ist, dass von der Materialität des Datums abgesehen und dieses in ein reines Faktum verwandelt wird, an dem sich nichts Undurchschaubares und Unergründliches oder vor der Weiterverarbeitung der Interpretation Bedürftiges mehr findet. Dadurch ist das Objekt Geburtsdatum eine vollständig bekannte Größe; es hat uns weiter nichts zu sagen, als gesagt ist. Abb. 4: Verdopplung des Zeichenprozesses bei der Codierung von Daten Die von Peirce gemeinte Zeichenbeziehung ist jetzt nach rechts gerutscht: in einem mathematischen Objekt wird nun das Datum der Geburt symbolisiert. Das mathematische Objekt nimmt eine Doppelrolle ein: Es ist Repräsentamen eines Objekts und zugleich selbst ein zu repräsentierendes Objekt. Was etwa die Zeichenfolge bedeutet, erschließt sich demjenigen, der zu interpretieren weiß, was ein Monat ist, wieviele Tage ein Monat hat, welche historischen Ereignisse sich mit dem Juni 1945 (wenige Wochen nach dem Ende des 2. Weltkriegs) verbinden, nach welchen Konventionen überhaupt unsere Zeitrechnung erfolgt usw. Für die Eltern eines gewissen Werner Sesink wie für diesen selbst bedeutet die Zeichenfolge darüber hinaus etwas ganz Persönliches. 19

20 Ist diese Symbolisierung durch ein mathematisches Objekt erst einmal erfolgt, bedarf die datentechnische Codierung im zweiten Schritt keineswegs mehr einer Interpretation wie im ersten Schritt. Ist die Codierregel bekannt, ist die Umsetzung des mathematischen Objekts in sein Repräsentamen, eine Folge von Nullen und Einsen oder ein Bitmuster, eindeutig und eine rein mechanische Operation. Deshalb ist auch die Information in beiden Fällen von ganz unterschiedlicher Art. Information I ist in höchstem Maße von kontextgebundenen Interpretationen abhängig. Was die Zeichenfolge jemandem sagt, ist davon bedingt, auf welche ihm bekannten Zusammenhänge er sie zu beziehen vermag. Sie ist uneindeutig. Information II hingegen ist eindeutig: Dieses informationstechnische Datum repräsentiert das mathematische Objekt und sonst nichts. Der Interpretant der Information II ist ein mechanisches Regelwerk, also auch von einer Maschine zu realisieren. Der Interpretant der Information I muss der Interpretationshorizont eines Menschen sein, der versteht, was Zeit und Geschichte sind. Nur eine unzulässige Zusammenschließung beider Informationsbeziehungen kann zu dem Trugschluss verleiten, dass informationstechnische Daten eindeutig nicht-mathematische Objekte darzustellen vermöchten. Die triadische Relation von Information II schließt an die triadische Relation von Information I an; deshalb enthält sie in sich keinen Bezug mehr zu einem materialen Datum im ursprünglichen Sinne. Dieser Bezug ist in der triadischen Relation von Information I in der Operation der mathematischen Modellierung (Formalisierung) weggearbeitet worden. Informationstechnisch codierte Daten sind also Fakten, die eine spezifische Art von anderen Fakten, nämlich mathematische Objekte, so darstellen, dass sie maschinell verarbeitbar sind. Genau für diese Art von Fakten reservieren wir heute interessanterweise immer exklusiver den Begriff des Datums. 2.4 Information Daten und Information Wenn davon gesprochen wird, was Computer bzw. Computerprogramme tun, dann ist von Datenverarbeitung, aber auch von Informationsverarbeitung die Rede; von Datenübermittlung, Datenspeicherung; aber auch von 20

21 Informationsübermittlung und Informationsspeicherung. Sind die Begriffe also wie es danach scheinen könnte synonym, austauschbar? Der Begriff der Information spielte schon in den bisherigen Überlegungen eine Rolle. Daten (data): Gebilde aus Zeichen oder kontinuierlichen Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Information darstellen, vorrangig zum Zwecke der Verarbeitung und als deren Ergebnis. (DIN 44300) Information bezeichnete demnach das Verweisen eines Zeichengebildes (Repräsentamens) auf ein Objekt, wobei dieser Verweis über einen Interpretanten vermittelt ist, der die Bedeutung des Zeichens erschließt. Durch diesen Bezug transportiert oder enthält das Zeichen Information. Unsere Auseinandersetzung mit den Begriffsbestimmungen der DIN zeigte aber auch schon, wie es zu der Gleichsetzung von Daten und Information kommen kann: Maschinell verarbeitbare (informationstechnische) Daten bedürfen keiner Interpretation durch einen Menschen mehr. Sie stellen ihre Information eindeutig dar. Habe ich das Datum, habe ich die Information. Aber wir haben auch gesehen: Was ich habe, ist die Information II. Diese wiederum aber schließt an eine andere Information an, die Information I. Und hier liegen die Dinge anders, gibt es eine Differenz zwischen Repräsentamen und Objekt, die interpretatorisch zu überbrücken ist. Um dem Kurzschluss Daten=Information nicht zu erliegen, müssen wir den Informationsbegriff also doch noch genauer betrachten. Obwohl er heute zunehmend zur Bezeichnung technischer Sachverhalte gebraucht wird, hat der Begriff Information wie der Begriff des Datums eine ursprünglichere Bedeutung (und auch eine interessante Geschichte des Wandels seiner Bedeutung, auf die hier nicht eingegangen werden kann; vgl. [Capurro 1978]), die in unserem alltagssprachlichen Verständnis meist noch enthalten ist. Wenn wir im alltäglichen Leben von Information sprechen, dann ist darin meist folgendes enthalten: Ich verstehe sie (wenn mir zum Beispiel in einer unverständlichen Sprache etwas mitgeteilt wird, enthält es für mich keine Information); sie ist mir neu (ich habe das vorher nicht gewusst; eine Mitteilung über etwas, was ich schon wusste, empfinde ich nicht als informativ); sie enthält einen Objektivitätsanspruch (sie sagt etwas aus darüber, was tatsächlich der Fall ist; eine bloße Vermutung ist keine Information; ebenso eine ausgedachte Geschichte, ein Märchen); 21

22 sie ist von einer gewissen Dauer (sie kann festgehalten werden; was zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder herausgeht, informiert nicht); sie soll richtig oder wahr sein (ich eigne mir ihre Aussage an als Kenntnis; hielte ich die Aussage für falsch, enthielte sie für mich keine Information; nicht jede Quelle, aus der ich Mitteilungen erhalte, akzeptiere ich als Informationsquelle); sie ist von gewissem Belang (ich kann sie nicht ganz ignorieren; eine Mitteilung, die völlig belanglos ist, empfinde ich nicht als informativ); sie verändert mich (ohne diese Information wäre ich irgendwie ärmer; das verweist schon auf einen Zusammenhang zu Lernen und Bildung). Betrachten wir den Informationsbegriff ebenso wie den Begriffs des Datums von seiner ursprünglichen Wortbedeutung her, wonach er soviel sagt wie: Ein- Prägung, Ein-Bildung, dann sehen wir, dass der alltagssprachliche Wortgebrauch dieser ursprünglichen Wortbedeutung ziemlich nahe kommt: Daten informieren mich (enthalten Information), wenn sie eine Wirkung auf mich haben: mich prägen, mich verändern. Information ist ein Datum, das mich angeht Information: Der Unterschied, der einen Unterschied macht (Bateson) Wenn Gregory Bateson sagt, Information sei ein Unterschied, der einen Unterschied macht, nämlich eine elementare Idee [Bateson 1981, 408], so ist darin eine sehr einfache, formale Definition von Information, nämlich das Auftreten eines Unterschieds, in eine Beziehung gesetzt zur sozialen oder humanen Bedeutung dieses Unterschieds. Der einfachste formale Unterschied, den ich machen kann, ist der, dass etwas ist oder nicht ist, also der Unterschied zwischen dem Sein eines Seienden und seinem Nichtsein. Ihn kann ich ausdrücken, indem ich irgendein Zeichen für das Sein des Seienden verwende, etwa einen Punkt oder einen Strich oder ein Kreuz oder sonstwas. (Damit operieren wir zum Beispiel, wenn wir Anwesenheitslisten als Strichlisten führen.) Um aber mit beiden Zuständen operieren zu können, brauche ich mindestens zwei Zeichen. Und nicht allein das Nichtsein, sondern auch das Anderssein (nicht-so-sein) lässt sich damit ausdrücken der zweite einfachste Unterschied, den ich machen muss, wenn ich nicht nur zwischen Sein und Nichtsein unterscheiden, sondern innerhalb des Seienden auch das eine vom anderen unterscheiden will. (Das Anderssein kann als eine Weise des Nichtseins, das Nichtsein als eine Weise des Andersseins verstanden werden.) Ein binäres Zeichensystem erfüllt daher die formale 22

23 Mindestanforderung an die Darstellung von Information im abstraktesten Sinne: Es gibt etwas ( datum est ), und dies ist dies und nicht ein anderes. Wie aber und das war die nun wieder aufzunehmende Frage, auf die Bateson aufmerksam machte macht der Unterschied einen Unterschied? Verständlicher formuliert: Wodurch macht es für mich einen Unterschied, ob ich diese Information habe oder nicht habe? Dadurch offensichtlich, dass sie für mich Bedeutung hat (eine elementare Idee in mich einpflanzt, die sich dann in mir und durch mich fortsetzt) und mir nicht gleichgültig ist. Das heißt: Information stellt in unserem alltäglichen Verständnis wie auch in der lapidaren Formulierung Batesons eine Beziehung her zwischen uns und der uns gegebenen Welt. Aus Informationen beziehen wir unsere Kenntnis dieser gegebenen Welt, insofern auch unser Bild (unsere Idee) von dieser Welt, unser Wissen von ihr. Allerdings dabei sind wir nicht passiv; ohne unseren eigenen subjektiven Verarbeitungsvorgang (Rezeption, Interpretation, Verständnis, Beurteilung, Bewertung usw.) werden Daten nicht zur Information. Informationsaufnahme ist also nicht zu verstehen als bloßer Daten-Transport von einem Träger oder Behälter zum andern. Zwischen Geräten kann eine Datenübertragung stattfinden; vom Gerät zu einem Menschen findet etwas anderes statt es sei denn, der Mensch verhält sich selbst wie ein Gerät. Es gibt verschiedene Wege, sich zu informieren, und verschiedene Informationsquellen. Das Datum, über das ich mich informiere (oder informiert werde), kann selbst die Informationsquelle sein. So informiere ich mich zum Beispiel über die hygienischen Verhältnisse in einer Küche, indem ich dorthin gehe und mich umschaue. Die Küche selbst erscheint hier als die Quelle meiner Informationen. Es ist nicht unbedingt gebräuchlich, den Informationsbegriff so weit auszudehnen, aber vertretbar. (Wir sprechen in solchen Fällen meist eher davon, dass wir unsere eigenen Wahrnehmungen oder Erfahrungen machen; aber man könnte auch von direkter Information sprechen.) Oder ich informiere mich, indem ich jemanden hinschicke, der sich die Zustände ansieht und mich dann informiert. In diesem Falle kleidet er das, was er gesehen, gerochen, gemessen hat usw., in eine Mitteilungsform. Das ist eigentlich unser übliches Verständnis von Information: eine Mitteilung über einen Sachverhalt. Ich kann auch heimlich eine Kamera installieren und das, was diese überträgt, als Informationsquelle nutzen. Außer im ersten Falle der direkten Information tritt zwischen den Sachverhalt und meine Kenntnisnahme eine Mitteilungsform, d.h. eine Symbolisierung. Nur die direkte Information scheint ohne Symbolisierung auszukommen. Aber ist das wirklich so? Die direkte Information vor Ort verdiente den Namen Information nicht, wenn wir sie auf die reine unmittelbare Wahrnehmung oder Erfahrung reduzierten. Sie muss 23

24 festgehalten werden können, wenn sie Bedeutung haben soll, die über den flüchtigen und sofort wieder vergehenden Eindruck hinausgeht, und wenn sie den Bestand an Kenntnissen verändern oder erweitern soll. Das aber ist nur möglich, wenn sie in eine eigene objektivierte Form übersetzt wird, die Bestand hat auch dann noch, wenn das ursprüngliche Datum nicht mehr präsent ist. Diese Übersetzung in eine dauerhafte zweite Gestalt, die behalten und weiterverwendet, weiterverarbeitet werden kann, ist eine Symbolisierung, ob sprachlich oder sonstwie. Daher bedarf auch die sog. direkte Information einer vermittelnden oder Mitteilungs-Form. Aus der Küche nehme ich an Information nur mit, was ich in irgendeiner Weise symbolisiert habe. Verfolgt man unser alltägliches Verständnis von Information, so gelangt man also zu dem Ergebnis: Information ist eine symbolisch vermittelte Beziehung zwischen objektiver Welt (ursprünglichem Datum ) und dem in dieser Welt lebenden Subjekt. Sie vermittelt das menschliche Weltverhältnis. Daher bedarf Information zwar einer eigenen, von der Welt, über die informiert werden soll, getrennten objektiven Gestalt (symbolischen Repräsentation); aber sie bedarf, um Information zu sein, ebenso der subjektiven Interpretation und der Einordnung in die subjektive Welt. Aus Informationen bildet sich das Weltwissen. Wie Rafael Capurro in seiner jetzt schon mehrfach erwähnten begriffsgeschichtlichen Studie zum Informationsbegriff [Capurro 1978] gezeigt hat, hat dieser seit jeher eine starke pädagogische Komponente: die verändernde Einwirkung auf den anderen Menschen durch dessen Information, also dadurch, dass ich ihn ins Bild setze, ihm Wissen vermittle. Wenn Informationen Daten sind, die eine(n) angehen, dann ist der Informant jemand, der einen anderen Menschen angeht, indem er ihn informiert. Als Pädagoge forme ich die Daten, die ich an andere herantrage, im Sinne meiner auf sie gerichteten Intentionen. Ich verleihe ihnen Bedeutung, die sich auf die Informierten übertragen soll. So macht der Unterschied einen Unterschied. 2.5 Instruktion Noch stärker wird dieser Aspekt des Einwirkens, wenn Information als Instruction (Einpflanzen einer Struktur) verstanden wird. Die Bedeutungsverschiebung von Information zu Instruktion findet sich weniger im alltagssprachlichen als im lernpsychologischen Wortgebrauch und stützt sich dort auf naturwissenschaftliche Verwendungsweisen des Informationsbegriffs. Das folgende Beispiel ist auch den meisten Nicht- 24

25 Naturwissenschaftlern bekannt. Es handelt sich um die Rede von der Erbinformation, dem genetischen Code. Hier wird ein anderer Informationsbegriff zugrundegelegt, als wir ihn vorhin erörtert haben. Aber es gibt auch einen Zusammenhang. Betrachten wir die Implikationen dieses modifizierten Informationsbegriffs näher. Die Erbinformation ist diesem Verständnis nach also codiert. Die Codierung ist eine symbolische Repräsentation dessen, worüber informiert wird, über das biologische Erbe, mit dem dieses Lebewesen ausgestattet ist. Die Vergegenständlichung dieser Codierung ist die berühmte DNS. Sie kann gelesen (= entschlüsselt) werden. Worüber informiert wird, ist in diesem Falle jedoch nicht eine bloße Gegebenheit, also etwas, was es gibt; sondern ein Plan oder Programm. Der genetische Code enthält Informationen über die künftige Entwicklung dieses Lebewesens; darüber, was aus ihm werden wird. Jede Veränderung dieser Information führt zu einer Veränderung dessen, wozu sich dieses Lebewesen entwickeln wird. Gegeben ist in diesem Falle also der Plan oder das Programm. Von Information können wir auch hier in einem ursprünglicheren Wortsinne sprechen: als Initiierung eines Formierungsprozesses. Damit haben wir eine Gemeinsamkeit zum vorher erörterten Informationsbegriff: Information vermittelt dem Subjekt eine Gegebenheit; hier vermittelt die Erbinformation in Gestalt des genetischen Codes dem Forscher die Gegebenheiten der Erbanlagen, also eines Entwicklungsprogramms. Wir haben aber auch einen wichtigen Unterschied: Die Information vermittelt nicht lediglich zu einer Gegebenheit, die irgendwo noch eine eigene andere Existenz hat. Bei dieser Art von Information kann es die Frage nicht geben, ob sie stimmt; denn es gibt nichts, woran sich dies prüfen ließe. Information bekommt hier den Status einer Anweisung. Eine Anweisung kann ausgeführt werden oder auch nicht; sie kann unvollständig oder widersprüchlich sein; sie kann unausführbar sein. Aber dies alles bleibt außerhalb ihrer Beurteilung als zutreffend, richtig oder wahr. Diese Information vermittelt nicht zu Gegebenem, sie ist selbst Gegebenes bzw. Teil des Gegebenen. Die Veränderung dieser Information führt daher nicht zu einer anderen Aussage über unverändert Gegebenes, sondern zu einer anderen Gegebenheit: Die Veränderung der Erbinformation führt zu einem veränderten Erbe (und nicht zu einer anderen Aussage über dies Erbe). Die Bezeichnung als Erbe besagt, dass die Information des genetischen Codes zunächst einmal eine Gegebenheit des In-der-Welt-Seins bzw. des Auf-die-Welt- Kommens eines Lebewesens ist. Sie stammt von anderswoher; ist mitgegeben. 25

26 Die modernen gentechnischen Möglichkeiten erlauben jedoch, dies Erbe zu verändern, so dass es nicht mehr ein Mit-Gegebenes im Sinne des biologischen Erbes ist, sondern ein Mit-Gegebenes im Sinne einer Konstruktionsvorschrift würde. Das einzelne Lebewesen erhält zwar diese Information; aber nicht mehr von der Natur (oder von Gott), sondern vom anderen Menschen. (Das Datum der Geburt erfährt damit nochmals eine Bedeutungsverschiebung: es wird zum Konstruktionsprogramm.) So widerfährt dem Begriff der Information durch die Art, wie er in einer Naturwissenschaft Verwendung gefunden hat, eine Bedeutungsverschiebung. Information wird zu einer Instruktion (Anweisung); und diese Instruktion zu einer Konstruktion. Per Informationen erfahren wir nicht mehr die Welt, wie sie uns gegeben ist; sondern per Informationen gestalten wir die Welt um oder bauen sie gar neu. Im pädagogischen Kontext sind Informationen grundsätzlich Fakten: sie haben einen Autor bzw. es gibt eine Autorenschaft. Die bedeutungstiftende Intentionalität des Autors kann sich nur vermitteln, wenn sie beim Informierten ankommt, d.h. wenn dieser sie zu interpretieren, also ihren intendierten Bedeutungsgehalt zu entschlüsseln weiß. Das traditionelle hermeneutische Verständnis von Interpretation wird allerdings obsolet, wenn Information sich als Instruktion gibt. Im Sinne von Information als Instruktion kann es nämlich genügen, dass der Informierte die durch die Information gegebene Anordnung zu befolgen weiß, so wie ein Hund den Befehl Sitz! auch ohne Wortverständnis versteht: Er weiß, was er zu tun hat. Auch hier ist eine Interpretation nötig, aber nicht, um ihren inhaltlichen Sinn nachvollziehen, sondern um die damit gegebene Vorschrift befolgen zu können. Die hermeneutische Bedeutung von Interpretation wird relevant, wenn es um subjektives Sinnverstehen geht. Information als Anordnung, als Instruktion dagegen nähert sich dem technischen Begriff der Steuerung an. Die Interpretation ist dann sozusagen festverdrahtet : als Ansteuerung von angeschlossener Peripherie. Die Daten bedeuten, was sie auslösen. Der Befehl Sitz! löst das entsprechende Verhalten des Hundes aus (so er hinreichend gut dressiert ist, also wie eine Maschine steuerbar ist). Folgen Menschen den Anordnungen der codierten Informationen, so fungieren auch sie gleichsam als Peripherie. 26

27 3. Wissen und Bildung 3.1 Objektives und subjektives Wissen In der Begriffsreihe Datum-Information-Wissen rücken wir immer näher ans bzw. ins menschliche Subjekt: Datum ist das Gegebene, bezieht sich als Gegebensein auf ein Seiendes außerhalb des Subjekts. Codierte Daten haben zudem eine von subjektiven Bedeutungszuschreibungen unabhängige Ein-deutigkeit (sie deuten auf Eines und nichts Anderes: auf das in ihnen codierte mathematische Objekt), die es erlaubt, sie maschinell zu verarbeiten. Information ist das Gegebene, das das Subjekt angeht und es prägt. (Der technische Informationsbegriff abstrahiert und dies wird ihm oft kritisch entgegengehalten von diesem Bezug auf das Subjekt; er fasst Information als objektive Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte codierte Daten auftreten.) Information besteht aus Daten; doch damit von Information die Rede sein kann, müssen diese das Subjekt informierende Qualität haben. Als Wissen (im wissenschaftlichen Sinne, also nicht lediglich als subjektive Gewissheit) schließlich soll hier die vom Subjekt nicht nur angenommene, sondern auch angeeignete Information, insofern vom Subjekt in sein eigenes geistiges Bild der Welt eingeordnete Information bezeichnet werden: Information, die sich zu Information fügt, zu einem Geflecht, einem Ordnungszusammenhang von informierenden Daten. Auf der anderen Seite ist uns doch heute auch eine andere Rede vom Wissen geläufig, in der Wissen etwas ist, das abgelöst von Subjekten existiert, gespeichert, übertragen und bearbeitet, nicht zuletzt auch gemanaget werden kann. Wie bei den Begriffen Daten und Information erleben wir unter dem Einfluss der technischen Entwicklungen zur Zeit auch mit Bezug auf den Begriff des Wissens eine Bedeutungsveränderung hin zu solch einem objektiven Wissensbegriff. So wird inzwischen oft synonym von Informationsgesellschaft oder Wissensgesellschaft gesprochen. Im umgangssprachlichen Gebrauch hat das Wort jedoch weiterhin jene starke subjektive Komponente, wie sie pädagogisch reklamiert wird, auch wenn ihm eine objektive ebenfalls immer schon zugehörig war. Reden wir von Wissen, dann von Wissen, das Menschen haben, das sich in den Köpfen befinden muss, um Wissen zu sein. Wenn jemand sagt, er verfüge über Wissen, dann meint er damit in aller Regel (noch) nicht, dass in seinem Bücherschrank viele Fachbücher stehen. Und wenn er Wissen unter Beweis stellen will, dann zeigt er nicht den 27

28 Inhalt seiner Festplatte vor. Wissen ist zwar ein Substantiv, hat aber seine Wurzeln im Verb wissen : Es ist der Gehalt dessen, was jemand weiß. Doch sprechen wir von Wissen zugleich nur, wenn ihm eine Objektivität entspricht. Was wir damit nicht meinen, ist seine objektivierte Gestalt, etwa als gedruckter Text, als Speicherinhalt auf einer Festplatte usw. Eine subjektive Meinung zum Beispiel kann auf einer Festplatte gespeichert werden; dann erhält sie eine objektivierte Darstellungsform. Ihr Gehalt bleibt aber unverändert subjektiv. Erst unter dem Einfluss der Informationstechnologien rückt die objektivierte Form so in den Vordergrund, dass Wissen als etwas vom Subjekt Abtrennbares, selbständig Existierendes zu erscheinen vermag. Es gibt also eine fundamentale Differenz zwischen objektiver Gestalt und objektivem Gehalt von Wissen. Der objektive Gehalt von Wissen soll eine Geltung begründen, die unabhängig ist vom wissenden Subjekt. Die relative Unabhängigkeit des Gehalts von Wissen vom wissenden Subjekt begründet seine Übertragbarkeit und damit die Möglichkeit einer objektivierten Form seines Ausdrucks in einem Repräsentamen. In der objektivierten Darstellung (symbolischen Repräsentation) von wissenschaftlichem Wissen wird soll es Wissensrepräsentation sein daher nicht nur die Sachaussage repräsentiert, sondern darüber hinaus ihre Übertragbarkeit: Gründe ihrer Geltung bzw. eine nachvollziehbare Darstellung ihrer Genese gehören dazu. Im Wissen ist im Unterschied zur Information nicht nur die Aussage über ein Gegebenes enthalten, sondern werden zugleich die Gründe ihres Zutreffens vermittelt (wie allgemein zugängliche Erfahrung; logisch-argumentative Konsistenz). Dadurch kann es als Wissen von jemand anderem geprüft und gegebenenfalls übernommen werden. Wie auch ich selbst als Urheber dieser Information nur dann beanspruchen kann, eigenes Wissen weiterzugeben, wenn ich über die Gründe des Zutreffens meiner Aussage vor mir selbst und vor andern Rechenschaft ablegen kann. Der Glaube etwa ist eine subjektive Gewissheit, die zwar ebenfalls einen Allgemeingültigkeitsanspruch hat; aber dieser Anspruch liegt nicht im Gehalt des Wissens begründet, sondern in seiner Quelle: in der Allwissendheit und Allmacht Gottes. Weil es keine Objektivierbarkeit dieses Wissens in seinem Geltungsanspruch gibt (Gott kann nicht bewiesen werden), lässt sich dieses Wissen als Wissen auch nicht in eine objektivierte Form bringen. Bzw. deswegen haben die Objektivierungen des Glaubens keinen Wissens-Charakter, sondern den Charakter von Zeugnissen (im Sinne des Zeugnis-Ablegens). 28

29 Die Objektivität von Wissen hängt also mit der Kommunizierung von Wissen zusammen: Objektives Wissen ist das Medium, über das Subjekte ihr Wissen anderen übermitteln. Es ist die Voraussetzung dafür, dass nicht jeder Mensch mit der Bildung von Wissen immer wieder sozusagen ganz von vorn anfangen muss, als ob es überhaupt noch kein Wissen in der Welt gäbe; dass es kulturellen Fortschritt gibt; dass Wissen gelehrt werden kann. Um den Unterschied von subjektivem und objektivem Wissen auszudrücken, soll subjektives Wissens als Verb wissen und objektives Wissen als Substantiv Wissen geschrieben werden. Abb. 5: Objektives Wissen als Medium subjektiven Wissens Was in der Abbildung 5 dargestellt wird, ist ein Vermittlungsprozess von Wissen und wissen im pädagogischen Sinne: wissen einer Person kann vermittelt über seine Objektivierung als Wissen durch Re-Subjektivierung zu wissen einer anderen Person werden. So kann aus dem von einer Person aufgeschriebenen Wissen eine andere Person lernen. 29

30 wissen einer Person kann sich aber auch über seine Objektivierung selbst reflektieren und prüfen, sich also mit sich selbst vermitteln. Indem das eigene Wissen aufgeschrieben wird, besteht beispielsweise die Möglichkeit einer kritischen Distanzierung vom eigenen Wissen im wissen : dieses entwickelt sich weiter. Damit Wissen in einer Weise objektiv werden kann, dass es als Medium der Wissensvermittlung zu fungieren vermag, muss es verallgemeinert werden; die in ihm enthaltenen Informationen dürfen nicht nur diese Person angehen; sich auf ein Objekt beziehen, das es gibt (ein Datum ) und das auch für andere ein Objekt (ein Datum ) sein kann; in einer anderen verständlichen symbolischen Form gefasst sein; so formuliert sein, dass es den formalen Regeln des Denkens genügt; von anderen in seiner Genese und seinem Gehalt überprüfbar sein; materialisiert, also selbst zu einem Objekt werden. wissen bildet sich niemals einzig aus der Verarbeitung eigener Erfahrung, sondern immer auch aus der Aneignung von Wissen. Anders ausgedrückt: wissen wird objektiviert zu Wissen als einem Faktum/Datum in dieser Welt, das mich angehen, also für mich zur Information werden. kann. Darin liegt die Berechtigung der Rede vom Wissen als Ressource, als handelbarem Gut, als Objekt, für das Formen des Handlings und des Managements entwickelt werden. Die bloße Zur-Kenntnis-Nahme von Wissen allerdings bildet noch kein wissen. Eine Information, auch wenn sie das Etikett Wissen trägt (von sich behauptet, Wissen zu sein), erscheint nämlich nur dann als Wissen, wenn sie sich in den Zusammenhang des bisherigen oder sonstigen Wissens der betreffenden Person einordnen lässt. Die Information muss zu diesem Wissen konsistent sein, um als Wissen angenommen zu werden. Wenn die Information dagegen im Widerspruch steht zu allem, was ich sonst weiß (oder zu wissen glaube), werde ich sie solange nicht als mein Wissen annehmen können, wie dieser Widerspruch nicht geklärt ist. Wissen besteht nicht aus isolierten und miteinander zusammenhangslosen Einzelinformationen, sondern aus einem Zusammenhang von Informationen, die einander wechselseitig ergänzen, stützen, bestätigen. Dieser Zusammenhang muss selbst wieder nachvollziehbar und so wissbar sein. Der Weg von der Information zum wissen besteht also in deren Integration in eine subjektive Ordnung. Um dies an einem Beispiel aus dem universitären Studienalltag zu illustrieren: 30

31 Als StudentIn sind Sie dort zunächst einmal mit einer Vielzahl und Vielfalt von Gegebenheiten konfrontiert. Nicht alle gehen Sie in gleicher Weise etwas an; das heißt nicht alle Gegebenheiten (etwa die nichtgehenden Uhren in Hörsälen, die Sie nie besuchen) haben für Sie Informationsgehalt. Außerdem ist manches wichtiger als anderes, geht sie also in höherem Maße an, hat für Sie höheren Informationsgehalt als anderes. Zu dem, was Sie ziemlich viel angeht, zählen etwa die Prüfungsordnung für Ihren Studiengang und die Inhalte, die Ihnen in Lehrveranstaltungen präsentiert werden. Beides ist für Sie vorerst Information, auch wenn die Lehrinhalte Ihnen als Wissen dargeboten werden. Beides haben Sie zu verarbeiten: Die Prüfungsordnung müssen Sie vor allem zur Kenntnis nehmen und sich auf sie einstellen. Es kommt nicht darauf an, ob Sie verstehen, warum und wieso es zu genau dieser Ordnung gekommen ist. Das wird Ihnen auch in der Regel nicht erklärt. (Anders ist es, wenn Sie sich in einer wissenschaftlichen Arbeit mit Prüfungsordnungen befassen.) Die Geltung einer Prüfungsordnung hat nichts mit der wissenschaftlich begründeten Geltung von Aussagen zu tun. Mit den Inhalten der Lehrveranstaltungen sollten Sie anders umgehen. Wenn Sie sie nur zur Kenntnis nehmen, gar auswendig lernen, eignen Sie sie sich nicht als Wissen an. Sie kennen sie, so wie Sie die Prüfungsordnung kennen. Sie können sie aufsagen, in Prüfungen reproduzieren. Aber Sie haben nichts begriffen. So wie Sie auch die Prüfungsordnung nicht im wissenschaftlichen Sinne begriffen haben. Beide Arten von Information werden von Ihnen verarbeitet; so dass Sie sich schließlich in der Uni auskennen, bescheid wissen. Wollen Sie andere an Ihrem wissen teilhaben lassen, zum Beispiel bei der Beratung von StudienanfängerInnen, müssen Sie es wiederum objektivieren. Dabei werden Sie (hoffentlich) auf eben diesen Unterschied hinweisen: dass man Prüfungsordnungen kennen, Lehrinhalte aber begreifen sollte. Sie haben Ihre eigene kleine Theorie vom Studieren entwickelt, in die übernommenes Wissen und eigene Erfahrungen eingegangen sind. Dabei geschieht immer ein aus pädagogischer Sicht ganz wesentlicher, ja entscheidender Schritt, der in keinem Wissen je enthalten sein kann: Es ist Ihre nur durch Sie zu bewerkstelligende Leistung, Wissen als Wissen zu verarbeiten, also zu wissen werden zu lassen. Diese Leistung kann von Ihnen verlangt werden, sie kann gefördert werden, zu ihr kann ermutigt werden; aber nur Sie können sie erbringen. Das Wissen leistet diesen Übergang nicht. In unserem Beispiel ist sogar denkbar, dass Sie die Inhalte von Lehrveranstaltungen lediglich auswendig lernen, dagegen sich mit der Geltung von Prüfungsordnungen kritisch theoretisch auseinandersetzen. Sie haben die Ihnen in den Lehrveranstaltungen vermittelten Inhalte nicht begriffen. Aber Sie 31

32 haben begriffen, was Prüfungsordnungen sind. Sie verfügen über wissenschaftliches Wissen über Prüfungsordnungen, werden aber Ihre Prüfung möglicherweise nicht bestehen (jedenfalls dann nicht, wenn dort von Ihnen mehr erwartet wird, als auswendig Gelerntes zu reproduzieren). Abb. 6: Der Weg von der Information zum wissen Wenn wir die Forderung, dass es zur Wissensaneignung gehört, das Wissen zu begreifen, also seine Geltungsgründe nachvollziehen zu können, auf das von Menschen miteinander geteilte Wissen ausweiten (was wir aufgrund des Objektivitätsanspruchs von Wissen tun müssen), folgt daraus weiterhin, dass nur als neues Wissen Eingang findet, was sich mit dem bisherigen geteilten Wissen vermittelt. Eben dieser permanente Vermittlungsprozess macht die wissenschaftliche Auseinandersetzung, den wissenschaftlichen Diskurs aus, in dem sich eigenes wissen auf das wissen der anderen bezieht, um seine Objektivität und so seinen Wissens -Charakter auszuweisen. Das gebildete wissen muss sich also in eine objektive (sozial geteilte) Ordnung des Wissens einfügen, um dort als Wissen anerkannt werden zu können. Deshalb können Sie im Studium nicht lediglich Ihre Meinung äußern, sondern müssen begründen und argumentieren, weshalb denn Ihre Sicht der Dinge gültig sein und daher von anderen übernommen werden sollte 32

33 und wie sich Ihr wissen zu dem Wissen verhält, das in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als geteiltes Wissen gilt. Dazu müssen Sie auf Ihr wissen ebenso wie auf das übernommene Wissen reflektieren, was Sie nur können, wenn Sie Ihr wissen objektivieren, um zu ihm in kritische Distanz gehen und es mit dem übernommenen Wissen konfrontieren zu können. Das Objektivieren Ihres wissen etwa in einem Text ist schon Distanznahme: Sie stellen es sich gegenüber, haben es damit von sich abgelöst und können es sich nun anschauen: prüfen und in Ordnung finden oder verwerfen und zu anderen Texten in Beziehung setzen. In Reflexion auf das eigene wissen und das übernommene Wissen werden die Möglichkeiten seiner Integration zu einem neuen Wissenszusammenhang geprüft, durchgespielt und realisiert. Das Ergebnis ist ein eigener Beitrag zur Bildung von Wissen, an dem andere teilhaben können. Abb. 7: Reflektiertes Wissen So geprüftes und bestätigtes Wissen dürfen Sie anschließend in einem Referat anderen Studierenden zur Kenntnis bringen; und zwar als nachvollziehbares Wissen, d.h. um es zu wissen der Anderen werden zu lassen. Zusammengefasst: Der Übergang von der Information zum Wissen besteht in der Integration in einen wissbaren und gewussten Zusammenhang, also seiner Vermittelbarkeit mit anderem Wissen; 33

34 in der Nachvollziehbarkeit ihres Geltungsanspruchs. 3.2 Bildung Nach einem verbreiteten Verständnis besteht Bildung in der Verfügung über Wissen. Im Bildungsbegriff würde dann lediglich die subjektive Seite des Wissens betont: dass es Wissen eines Menschen und dass dessen menschliche Verfassung durch Verfügung über Wissen charakterisiert ist. In der pädagogischen Bildungstheorie hat sich jedoch ein anderes Verständnis von Bildung herauskristallisiert. Etwas zu wissen allein macht demzufolge noch nicht Bildung aus. Wissen wird erst dann zu Bildung, wenn es lebensorientierend wird, d.h. wenn dieses Wissen das praktische Verhältnis und Verhalten dieses Menschen zu seiner Lebenswelt orientiert. Im Unterschied zu Wissen, das mir lediglich Sachkenntnis über Objekte vermittelt und damit eine effektivere Verfügung über diese Objekte ( Verfügungswissen ), vermittelt Bildungswissen mir Einsichten in meine eigene Stellung zur Welt, betrifft es mich selbst in meinem Weltverhältnis und vermag daher praktisch orientierend zu wirken ( Orientierungswissen ). In dieser Unterscheidung ist eine Unterstellung enthalten, über die wir nachdenken müssen; die Unterstellung nämlich, dass Verfügung über Objekte nicht die Art von Praxis sei, um deren Orientierung es den Menschen in Bildung gehen müsse; bzw. dass Effektivierung nicht Orientierung bedeute. Wenn ich als Heimwerker etwa die Orientierung über meinen Werkzeugbestand oder als Manager die Orientierung über meine Termine oder als Pilot die Orientierung im Luftraum verliere, dann geht mir die Verfügung über die Objekte, die ich bearbeiten möchte, bzw. über die Zeit, die mir zur Verfügung steht, bzw. über die Route, die ich fliegen will, verloren. Hier heißt Orientierung gewinnen eindeutig: die Verfügung zurückgewinnen. Kontrolle und Steuerung (diese Termini sollen den Terminus Verfügung ersetzen) bedürfen ganz bestimmt einer klaren Orientierung. Man kann es auch zugespitzt ausdrücken: Kontrolle und Steuerung sind Orientierung. Wenn also von Orientierungswissen im Unterschied zu Verfügungswissen (Kontroll- und Steuerungswissen) die Rede ist, muss eine andere Art von Orientierung gemeint sein. Sie hat mit der Qualität der Entwicklung zu tun, die durch den Bildungsbegriff bezeichnet wird: dass es sich um die Entwicklung eines einzelnen Menschen in 34

35 seiner Menschlichkeit handeln soll, und zwar um eine selbstbestimmte Entwicklung in und zur Menschlichkeit. (Mit Menschlichkeit ist hier nicht eine soziale mitmenschliche Einstellung gemeint, sondern die Menschenwürde des Einzelnen bzw. das, was für ihn ein menschenwürdiges und lebenswertes Dasein ausmacht.) Es geht also nicht darum, bestimmte vorgegebene Lernziele zu erreichen, sondern darum, dass der einzelne Mensch auf seine eigene Menschlichkeit reflektiert und sie sich zur selbstgesetzten Entwicklungsaufgabe macht. Vorausgesetzt ist dabei, dass das, was seine Menschlichkeit ausmacht, ihm nicht von außen gegeben oder vorgeschrieben werden kann, sondern er es allein in sich selbst finden und selbst bestimmen kann. Insofern gehört Bildung zu einer Gesellschaft, die sich aus allen Abhängigkeiten von Schicksal, Gott, Natur befreit hat oder zu befreien beabsichtigt und sich allein auf die den Menschen innewohnende Macht, nämlich die Macht der Vernunft zu stützen beansprucht. Orientierend ist also ein Wissen, das die Menschen über sie selbst aufklärt, das ihnen hilft, sich ihrer Stellung in der Welt bewusst zu werden und die Bedingungen der Möglichkeit einer menschlichen Welt (einer allein aus Menschlichkeit bestimmten Welt) zu schaffen. So gesehen ist mit Orientierungswissen ein sittlich orientierendes Wissen gemeint. Ein solches Wissen ist bildend, weil es Bedeutung gewinnt für den Versuch einer humanen Entwicklung von Individuum und Gesellschaft aus Selbstbestimmung. Orientierung ist demzufolge nicht gleichbedeutend mit technischer Zweckrationalität und Zielstrebigkeit, sondern erwächst aus der Reflexion der sittlichen Bedeutung des erworbenen Wissens. Dies ist der Übergang vom Wissen zum Gewissen (wie der Bildungstheoretiker Josef Derbolav [Derbolav 1971, 72] es formulierte), vom Wissen zur Bildung. Bildung ist nach diesem Verständnis keineswegs nur eine menschliche Haltung ( was übrigbleibt, wenn alles Gelernte vergessen wurde, wie man weiß es anscheinend nicht genau der Brite Halifax im 17. Jahrhundert, der Deutsche Kerschensteiner oder der Franzose Herriot Anfang des 20. Jahrhunderts gesagt haben soll); sie kommt nicht etwa ohne Wissen aus oder zum Wissen hinzu, sondern sie taucht in das Wissen gleichsam ein, um in ihm die Hinweise, Ansätze, Motive und Potenziale für eine menschengerechtere Ausgestaltung der Welt zu finden (Derbolav spricht von regulativen Ideen bzw. mit Habermas von erkenntnisleitenden Interessen, welche die Wissenschaften fundierten [Derbolav 1971, 114]). Bildung geht demnach über Wissensaneignung insofern hinaus, als sie das erworbene Wissen umsetzt in aktive (Mit-)Gestaltung der Welt. In ihr ist das Wissen in einem erweiterten Sinne reflexiv, nämlich rückbezogen auf das wissende Subjekt geworden: Als Wissen eines Menschen (der Menschheit) ist es ein Moment seiner Lebenspraxis; und indem dieser Mensch (die Menschheit) stets 35

36 nach einer Verbesserung (menschlicheren Ausgestaltung) der Welt strebt, wird dies Wissen in Hinsicht seiner humanisierenden Potenziale durchdrungen, transparent gemacht. So verleiht das Wissen nicht nur Macht (Verfügungsgewalt) über das Gewusste, sondern begründet auch praktische Verantwortung. 3.3 Wissensmanagement und Bildung Wenngleich die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Wissen (Wissen und wissen) und die Frage danach, wie sich beides zueinander verhält, nicht erst heute bedeutsam werden, sondern überhaupt mit kultureller Überlieferung zusammenhängen, erhalten sie doch mit dem Vordringen der Neuen Technologien ein neues Gewicht. Die Problematik, die sich damit für die Pädagogik stellt, soll in diesem Abschnitt mit Bezug auf jenes noch vergleichsweise junge Aufgabenfeld erörtert werden, das als Wissensmanagement bezeichnet wird. Der Begriff stammt, wie man sich denken kann, aus der Wirtschaftswissenschaft. Er bezeichnet dort die Aufgabenstellung, im Interesse der Funktionalität und Effektivität betrieblicher Abläufe für eine möglichst problemlose Verfügbarmachung des Rohstoffs Wissen zu sorgen, von der der Erfolg eines Unternehmens wie man zunehmend einsehe mindestens ebenso abhänge wie von der Verfügung über andere Rohstoffe und Produktionsfaktoren. Da aber dieser spezifische Rohstoff, das Wissen, in wachsendem Ausmaß in informationstechnischen Systemen vorgehalten und über Datenleitungen transportiert und verteilt werde, bekomme diese Aufgabe ebenfalls in zunehmendem Maße eine technische Dimension. Selbstverständlich wird in wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive in anderer Weise über Wissen gesprochen als in pädagogischer. Geht es in der Pädagogik letztlich um subjektives Wissen, so in der Wirtschaft um Wissen als Faktor eines Prozesses, der objektiv als Wertschöpfungsprozess oder Verwertungsprozess beschrieben wird. Zwar wird natürlich gesehen, dass der Rohstoff Wissen hauptsächlich vermittelt über wissende Menschen oder Menschen, die von ihrem Wissen Gebrauch machen, in den Wertschöpfungsprozess eingespeist wird; aber genau darin liegt auch ein Problem. Zugespitzt könnte man die Differenz zwischen pädagogischer und wirtschaftlicher Perspektive etwa so charakterisieren: Die Pädagogik fragt, wie dafür gesorgt werden kann, dass Wissen in die Köpfe der Lernenden kommt. 36

37 Die Wirtschaft fragt, wie es gelingen kann, das Wissen aus den Köpfen herauszubekommen. Das klingt nach einer klaren und trennscharfen Unterscheidung. Aber bei näherer Betrachtung zeigt sich bald, dass sich beide Perspektiven doch auch wieder vermischen. Denn auch für eine Unternehmung ist es hoch bedeutsam, dass und wie die Mitarbeiter sich Wissen aneignen (lernen), damit dieses dann in deren betrieblichen Handlungen gewinnbringend umgesetzt werden kann. Und nicht nur das: Die effektive Verfügung über altes Wissen reicht heute kaum noch hin, um sich längerfristig in der Marktkonkurrenz behaupten zu können. Es muss auch neues Wissen gebildet werden, durch das die Unternehmung ihre Stellung im Wettbewerb stärken kann. Insofern besteht ein wirtschaftliches Interesse auch an der Bildung von subjektivem Wissen. In der Pädagogik andererseits geht es immer auch darum, dass Wissen (etwa der Lehrenden) objektiviert (zum Ausdruck gebracht, formuliert) werden muss, damit es an die Lernenden vermittelbar ist; und dass die Lernenden selbst das Gelernte wieder in soziale Kontexte einzubringen, also zu objektivieren vermögen. Subjektivierungs- und Objektivierungsprozesse kreuzen sich also in beiden Bereichen. Abb. 8: Ökonomische Perspektive: Verwertung von Wissen 37

38 Abb. 9: Pädagogische Perspektive: Bildung von Wissen Trotz unterschiedlicher Zielsetzung gibt es demnach eine strukturelle Übereinstimmung, weshalb Überlegungen zum Wissensmanagement auch für die Pädagogik von Interesse sein können. Am Beispiel eines für universitäre Ausbildungszwecke entwickelten multimedialen Netzwerks zur Wissensvermittlung soll dies verdeutlicht werden. Das Wissen stammt hier von Fachleuten der betreffenden Disziplin, welche ihm Ausdruck verleihen in Wort und Bild, es also objektivieren. Gespeichert wird es in der Wissensbasis des Systems. Von dort soll es natürlich für die Lernenden bzw. von ihnen wieder abrufbar sein. Sie müssen es lesen können. Dies ist aber auf unmittelbarem Wege nicht möglich. Dem Lesen des gespeicherten Wissens durch die Lernenden geht ein technischer Vorgang des Auslesens der Inhalte aus der Datenbank voraus. Man kann dies vergleichen dem Vorgang in einer Bibliothek, bei der Sie nicht unmittelbar zum Schmökern an die Regale gehen und die Bücher herausnehmen können, sondern jemanden schicken müssen, der für Sie ein Buch herbeischafft. Dazu müssen Sie ihm sagen, wonach Sie suchen; und die Bücher müssen so etikettiert und aufgestellt sein, dass der Bibliotheksmensch zielgerichtet danach fahnden kann. Wenn Sie also ein Buch zur Informationspädagogik suchen, dann müssen die Titel, die darunter fallen, auch mit einem Etikett versehen sein, auf dem Informationspädagogik steht; und im Aufstellsystem der Bibliothek muss ein Ort für diese Kategorie vorgesehen sein. Nun suchen Sie nicht nach einem Buch, sondern nach Wissen. Wie sucht man nach Wissen? 38

39 Auch hier gilt: Das gespeicherte Wissen muss kategorisiert und mit entsprechenden Etiketten versehen sein; und diesen Etiketten müssen Speicherorte zugewiesen sein. Beispielsweise fragt sich, nach welcher Art von Wissen Sie denn suchen. Wollen Sie sich über das Fachgebiet der Informationspädagogik erstmal im Überblick orientieren ( Orientierungswissen )? Wollen Sie erklärt bekommen, was Informationspädagogik ist ( Erklärungswissen )? Wollen Sie wissen, welche Ziele in der informationspädagogischen Praxis verfolgt werden ( Handlungswissen )? Oder wollen Sie wissen, wo man sich über Informationspädagogik informieren kann ( Quellenwissen )? (Diese Unterscheidung der Wissensarten mit weiteren Unterteilungen stammt aus dem Autorensystem L3, das im Auftrag des BMB+F insbesondere für berufliche Ausbildungszwecke entwickelt worden ist.) Die Autoren müssen demnach das Wissen, das sie eingeben, nach Wissensarten klassifizieren und ihm das entsprechende Etikett anheften. Metadaten (Daten, die Daten bezeichnen) nennt man diese Etiketten. Hier schicken Sie statt des Bibliotheksmenschen eine Software-Routine auf den Weg, für Sie in den Regalen, sprich: Speichern des Systems, nach den gewünschten Wissensarten zu ihrem Thema zu suchen und Ihnen das Suchergebnis auf dem Bildschirm zu präsentieren. Sie erhalten also jetzt beispielsweise Handlungswissen. Heißt das, dass Sie in dem Augenblick, in dem Sie dieses Handlungswissen über Informationspädagogik aus den Speichern des Systems erhalten, informationspädagogisch zu handeln wissen? Die Terminologie legt dies Missverständnis nahe. Aber selbstverständlich bedeutet die Aushändigung von Wissen an Sie noch nicht, dass Sie wissen. Sie erhalten in diesem Beispiel zwar objektives Wissen, das Sie nach Einschätzung seiner Autoren benötigen, um informationspädagogisch handeln zu können. Aber das subjektive Wissen entsteht eben nicht einfach durch die Präsentation von objektivem Wissen. Oder: Objektives Wissen macht nicht subjektives wissen. Außer dass das lernende Subjekt sich das Wissen erst mehr oder weniger mühsam aneignen muss, das heißt als Wissen verstehen und nachvollziehen sowie in seine subjektive Wissensordnung einfügen muss, bedarf es zum Handeln auch noch der Inbeziehungsetzung des Gewussten zur Handlungssituation: deren Rahmenbedingungen, deren Strukturen, den dort wirksamen Normorientierungen; und der Inbeziehungsetzung zum eigenen Handlungsentwurf und den darin wirkenden Absichten und Sinngebungen. Dessen eben, was oben mit Derbolav als der Übergang vom Wissen zum Gewissen bzw. in die praktische Verantwortung bezeichnet wurde. 39

40 Abb. 10: Die Unterscheidung von Wissensarten in der Wissensbasis führt nicht zur Bildung entsprechender Arten zu wissen Die Differenz von objektivem und subjektivem Wissen ist also fundamental. Und doch kann die Art und Weise, wie das Wissen von Lehrenden objektiviert wird, den anschließend nötigen Subjektivierungsvorgang, den die Lernenden zu leisten haben, erheblich unterstützen und behindern. Und je mehr Technik im Spiel ist, desto mehr fällt auch die unterstützende oder behindernde Rolle der Technik ins Gewicht. Lernen können wir durch Lehren (Wissenspräsentation) nicht machen. Aber es kann die Lernumgebung so gestaltet werden, dass es unterstützt wird. Hinsichtlich des Wissensmanagements für Lernumgebungen lassen sich entsprechend einige pädagogische Anforderungen formulieren: Zugänglichkeit: Der Zugang zu den Wissensquellen darf weder durch rechtliche noch durch organisatorisch-institutionelle noch durch technische Barrieren behindert werden. Zum Beispiel darf es nicht aufgrund hoher technischer Anforderungen vom Einkommen der Eltern abhängen, ob ein Kind Zugang zu den informationstechnisch gespeicherten Wissenssystemen hat oder nicht. Im sozialpolitischen Kontext wird hier auch von Barrierefreiheit gesprochen. Erschließbarkeit: Das Wissen muss so aufbereitet sein, dass es sich den subjektiven Lerninteressen und -bedürfnissen erschließt. Die Metadatenstruktur beispielsweise muss hinreichend genau an die potenziellen Suchstrategien der Lernenden angepasst sein, so dass ihnen nichts, was ihren Wissensdurst stillen könnte, entgeht oder sie mit Wissen konfrontiert werden, das ihren Lernintentionen nicht entspricht. Dass dies 40

41 keine Selbstverständlichkeit ist, weiß jeder Nutzer von Internet- Suchmaschinen. Überprüfbarkeit/Nachvollziehbarkeit: Das Wissen muss so präsentiert werden, dass nachvollziehbar ist, aus welchen Quellen es stammt, auf welche Daten oder Fakten es sich stützt, wie Ableitungen und Schlussfolgerungen zustande gekommen sind. Gerade Internet-Seiten sind oft nicht identifizierbar, was die Herkunft der auf ihnen gezeigten Informationen betrifft. Kommunizierbarkeit: Es muss über das dargebotene Wissen kommuniziert werden können, und es muss in gewissem Sinne auch mit dem Wissen kommuniziert werden können. Ein Beispiel für den Versuch, präsentiertes Wissen kommunizierbar zu machen, ist das in dieser Vorlesung eingesetzte Interaktive Skript. Reorganisierbarkeit: Wissen muss von den Lernenden in neue Zusammenhänge gestellt werden können, damit es subjektiviert werden kann. Das präsentierte Wissen darf in dieser Hinsicht nicht gleichsam unantastbar sein. Auch hierfür versucht das Interaktive Skript Werkzeuge zu Verfügung zu stellen. Den Anforderungen an die objektive Gestaltung des Wissensmanagements in Lernumgebungen entsprechen auf der subjektiven Seite Anforderungen an die Kompetenz der Lernenden, mit den Wissenssystemen angemessen umzugehen ( Medienkompetenz ): Instrumentelle Fertigkeit: Das Handling der benutzten Geräte und Programme muss beherrscht werden. Verständnis für die implementierte Techno-Logik: Die Lernenden müssen verstehen, wie die Technik arbeitet, beispielsweise eine Suchmaschine, damit sie einschätzen können, welche Art von Informationen sie erhalten, wie sie sie einzuordnen haben und was zu tun ist, um das zu bekommen, was sie haben wollen. Kritisches Urteilsvermögen: Die Lernenden müssen wissen, dass das präsentierte Wissen hergestellt wurde, dass es aus Verarbeitungsprozessen stammt, in denen nicht nur das Wahrheitsstreben maßgeblich ist, sondern auch andere Interessen und Einflüsse, bewusst oder unbewusst, eine Rolle spielen; sie müssen bereit und in der Lage sein, Wissen niemals nur einfach gläubig hinzunehmen, sondern es als Wissen grundsätzlich zu befragen, zu bezweifeln und zu prüfen. 41

42 Diskursfähigkeit: Die Lernenden müssen verstehen, dass Wissen ebenso wie wissen aus kommunikativen Prozessen hervorgeht und diesen Prozessen auch immer wieder ausgesetzt werden muss. Verarbeitung: wissen entsteht aus Verarbeitung von Wissen, und Wissen entsteht aus der Verarbeitung von wissen ; Subjektivierung und Objektivierung sind Leistungen des Subjekts; deshalb kann Wissen nie einfach übernommen werden, wie es ist; Bildung ist mit Anstrengungen verbunden. 42

43 4. Lernen und Selbstregulation 4.1 Lernen Lernen ist nicht unbedingt ein pädagogischer Begriff, auch wenn er für die Beschreibung pädagogischer Praxis eine große Rolle spielt. Theorien, welche den Lernbegriff in den Mittelpunkt stellen, tun dies oft in ausdrücklicher Absetzung von Theorien, welche sich auf den Bildungsbegriff berufen. So ist die lerntheoretische Didaktik [Heimann 1962; Schulz 1965] in den 50er/60er Jahren entstanden in Abgrenzung von der bildungstheoretischen Didaktik [Weniger 1952, Klafki 1963, Derbolav 1970]. Diese Abgrenzung motiviert sich aus der Tatsache, dass über den Erfolg pädagogischen Bemühens um das, was Bildung genannt wird, sich empirisch wenig Beweiskräftiges aussagen lässt. Ob die Intentionen, die mit dem Bildungsbegriff verbunden sind ( vom Wissen zum Gewissen ; vgl. 3. Kapitel), tatsächlich erreicht wurden, lässt sich nicht messen. In der Schule muss aber Leistung gemessen und bewertet werden. Daher sollte nach dieser Auffassung vom Bildungsbegriff Abschied genommen werden, soweit es um Schullernen geht, und der besser operationalisierbare (das heißt in beobachtbarem und messbarem Verhalten ausdrückbare) Begriff des Lernens herangezogen werden. Die Operationalisierbarkeit des Lernbegriffs kommt daher, dass die Psychologie als empirisch verfahrende Wissenschaft sich dieses Begriffs angenommen und ihn so bestimmt hat, dass das, was er bezeichnet, mit den von ihr entwickelten und entwickelbaren Verfahren beobachtet und gemessen werden kann. Dadurch entsteht ein Lernbegriff, der sich auf beobachtbares Verhalten bezieht: Lernen ist Verhaltensänderung, um es in der allgemeinsten und einfachsten Fassung auszudrücken. Damit ist der Begriff in seiner Anwendung nicht mehr auf Menschen beschränkt, sondern kann auf jedes Wesen oder jede Entität angewandt werden, das sich verhält und dessen Verhalten Veränderungen unterworfen ist bzw. werden kann. Lehren ist dann komplementär die Bewirkung von Verhaltensänderungen einer solchen lernfähigen Entität. Es ist nicht zufällig, dass viele Erkenntnisse der Lernpsychologie aus Tierexperimenten gewonnen wurden. In der Schule geht es dann um spezifische Verhaltensänderungen, welche durch die schulischen Lernziele festgelegt werden. Lehren ist Einwirken auf die Schülerinnen und Schüler zum Zwecke der Verhaltensänderung in Richtung der gesetzten Lernziele. Diese Ziele müssen so formuliert sein, dass ihr Erreichen beobachtbar und möglichst auch messbar ist. Statt nebulöser Wunschvorstellungen von Bildung, deren Erreichen sich doch nur behaupten, niemals beweisen lässt so dass sich die Schule letztlich einer Kontrollierbarkeit 43

44 ihrer Leistung entzöge, sollten präzise Lehrstrategien entwickelt werden, welche sich auf ihre Effizienz in der praktischen Anwendung überprüfen und optimieren ließen. Damit würden auch zwei wichtige gesellschaftliche Anforderungen an die Schule erfüllt: dass sie sich hinsichtlich der Erfüllung ihres Auftrags kontrollieren lässt; und dass sie ihre Leistungen möglichst effizient, d.h. unter geringstmöglichem Mitteleinsatz erbringt. Nun besteht das Problem, dass sich die Einflüsse des Lehrens auf das Verhalten der Lernenden in der pädagogischen Realität nicht sauber trennen lassen von Einflüssen aus anderen Quellen (was unter Laborbedingungen in der psychologischen Forschung besser möglich ist). Zudem sind diese Einflüsse vorweg schwer kalkulierbar. Außerdem tritt zwischen das Lehren und das Lernen vermittelnd immer noch die innere Eigentätigkeit des Lernenden, die sich dann zwar als Reaktion im Lerner-Verhalten zeigt, aber doch in der sog. Black Box der empirisch nicht zugänglichen Innerlichkeit stattfindet und in ihrer Wirkungsweise nicht vollständig kontrolliert und gesteuert werden kann. Wenn man nun die Intention der Lernsteuerung nicht aufgeben will, muss man auf diese Problemlage eine Antwort finden. Eine der Antworten, die gefunden wurden, bestand in der Übernahme eines Modells, das aus der Regelungstechnik stammt, allerdings aufgrund der Konjunktur einer damals (in den 60er Jahren) noch relativ neuen wissenschaftlichen Richtung, nämlich der Kybernetik, mit einem Geltungsanspruch versehen werden konnte, der weit über die Grenzen technischer Disziplinen hinaus in sowohl naturwissenschaftliche (z.b. Biologie) als auch sozialwissenschaftliche Disziplinen (z.b. Soziologie) übergriff. [v. Cube 1965, Frank 1962] 4.2 Das Regelkreismodell DasRegelkreismodell können wir uns an einem Beispiel verdeutlichen, von dem die Kybernetik ihren Namen hat (kybernetes = Lotse): der Steuerung eines Schiffes. Der Kapitän gibt den Zielort an (Soll-Wert). Der Lotse setzt diese Vorgabe angesichts der jeweiligen Position des Schiffes (Ist-Wert) in Anweisungen für den Steuermann um. Der Steuermann realisiert diese Anweisungen: Er betätigt das Steuer und/oder gibt den Ruderern Anweisungen zur Bewegung des Schiffes. Allerdings beeinflussen auch noch andere Vorgänge/Ereignisse die Bewegung des Schiffes: Strömungen, Winde, Verweigerung der Ruderer. 44

45 Die tatsächliche Bewegung wird also nicht nur durch die Aktionen von Lotse und Steuermann bewirkt, sondern auch von anderen Faktoren. Im Hinblick auf die Planung sind dies Störungen. Die jeweiligen tatsächlichen Positionsveränderungen des Schiffes werden in den fortlaufenden Positionsbestimmungen während der Fahrt vom Lotsen wahrgenommen (Feedback, Rückkopplung) und bei den folgenden Anweisungen berücksichtigt. Der Prozess wiederholt sich solange, bis das Ziel erreicht ist (Ist-Wert und Soll-Wert zur Deckung gebracht sind). Allerdings ist das Regelkreismodell natürlich nicht an diesem Beispiel entwickelt worden, sondern an technischen Regelungsvorgängen, wie sie sich etwa am Beispiel des Heizungs-Thermostaten illustrieren lassen. Geregelt werden soll die Raumtemperatur auf einen Wert von sagen wir 25 Grad Celsius. Diese Vorgabe stammt von jemandem, der keine Ahnung von Heizungen und von Thermostaten hat, aber diesen Raum bewohnt und deshalb seine Ansprüche anmeldet; wir könnten sagen: vom Herrn oder von der Herrin des Hauses. Der Ist-Wert beträgt sagen wir 22 Grad. Es gibt also eine Differenz von 3 Grad, die es zu überwinden gilt: Der Raum soll aufgeheizt werden. Der Regler (Lotse) erhält die Vorgabe 25 Grad und die Information über den Ist-Wert. Er setzt nun einen Steuerungsprozess in Gang, indem er an das Stellglied (die Steuerungsanlage der Heizung) die Anweisung ausgibt, die Heizung anzustellen. Die Steuerungsanlage setzt diese Anweisung um, indem sie dafür sorgt, dass ein Ventil geöffnet wird, durch das Gas ausströmt, das von einem Brenner entzündet wird, wodurch wiederum das die Heizungsrohre durchströmende Wasser sich erhitzt. Dadurch erhöht sich die Raumtemperatur. Allerdings wirken gleichzeitig andere Faktoren auf die Raumtemperatur ein, zum Beispiel ein geöffnetes Fenster, durch das eisige Luft eines Polartiefs hereinströmt. Diese Störung wirkt der Heizwirkung entgegen. Die Temperatur erhöht sich daher viel langsamer, als sie es bei geschlossenem Fenster tun würde. Solange bei den kontinuierlichen Messungen der Ist-Wert (die tatsächliche Raumtemperatur) unter dem Soll-Wert liegt, wird weitergeheizt. Sobald der Soll-Wert erreicht ist, gibt der Regler die Anweisung aus: Heizung abstellen. Die Steuerungsanlage der Heizung schließt das Gasventil, und das Heizungswasser wird nicht weiter erhitzt. Unter dem Einfluß der Störgrößen sinkt die Heizungstemperatur und infolgedessen auch die 45

46 Raumtemperatur. So sinkt der Ist-Wert wieder unter den Soll-Wert, und das Spiel beginnt von neuem. Die kybernetische Didaktik [von Cube 1965] hat dieses Modell auf den Lernprozess übertragen. Der Lehrplan (wer immer der Verfasser sei) gibt das Lernziel an (Soll- Wert). Der Unterrichtsplaner setzt angesichts seiner Kenntnis des Bildungsstandes der Lernenden/zu Belehrenden (Ist-Wert) diese Vorgabe in Handlungsanweisungen für den Lehrenden um. Der Lehrende realisiert diese Anweisungen im Unterricht, indem er die Lernenden dazu bringt, das zu tun, was die Unterrichtsplanung vorsieht. Außer den Handlungen des Lehrenden wird das Lernen der Lernenden aber noch durch andere Faktoren beeinflusst: durch die Eltern, durch Gleichaltrige und Medien, durch Vorerfahrungen, durch andere Interessen usw. Diese Einflüsse stören das Lehren, insofern dieses dadurch nicht mehr allein das reale Lernen bewirkt. Aufgrund dieser teils pädagogisch-intentionalen, teils von externen Faktoren bewirkten Einwirkungen ändert sich der Bildungsstand der Lernenden. In einer Lernerfolgskontrolle wird der erreichte Stand festgestellt (Feedback). Vom Unterrichtsplaner wird unter Berücksichtigung des neuen Bildungsstandes eine neue Lehrstrategie (Unterrichtsplanung) erstellt, welche die noch bestehende Differenz von Bildungsstand und Lernziel überwinden soll. Usw. 46

47 Abb. 11: Regelkreismodell des Lehrens und Lernens 4.3 Von der Technologie zur Selbsttechnologie Ich möchte in zwei Hinsichten auf das Regelkreismodell des Lehrens und Lernens eingehen: erstens hinsichtlich des darin manifestierten Wissenschaftsverständnisses; zweitens hinsichtlich der darin enthaltenen Unterstellungen über den Charakter des Lernprozesses Zum Wissenschaftsverständnis kybernetischer Pädagogik Wissenschaft ist hier die geistige Tätigkeit, die sich mit dem, was innerhalb eines Regelkreises vor sich geht, beschäftigt, und zwar mit dem Ziel der Konstruktion 47

48 einer optimalen Steuerung der Regelgröße. Sie hat die theoretischen Erkenntnisse zu liefern, auf deren Grundlage die technische Regelung des Prozesses möglichst effektiv erfolgen kann. Wissenschaft, bezogen auf zu regelnde Prozesse, ist also Technologie. Noch etwas weiter und fundamentaler gefasst, gehört auch der Entwurf eines solchen Modells (des Regelkreismodells) selbst zu dieser Wissenschaft: solche Entwürfe (wie die Kybernetik) sind technologiebegründend. Deshalb allerdings unterscheiden sie sich auch in ihrem Vorgehen von der Technologie selbst. Sie enthalten Überlegungen zu den Möglichkeiten der Modellierung von real existierenden oder herzustellenden Vorgängen, welche überhaupt erst begründen müssen, ob und wieweit hier Technologie möglich ist. Das führt in wissenschaftstheoretische und philosophische Überlegungen, transzendiert also die Technologie. Diese Überlegungen gehören zur Technologie, aber nicht in die Technologie. Womit Wissenschaft als Technologie nach diesem Konzept nichts zu tun hat, ist die Festlegung der Soll-Werte dies geschieht von außerhalb des Regelkreises, und zwar aufgrund letztlich wissenschaftlich nicht begründbarer, also willkürlicher Entscheidungen. (Konsequente Positivisten so nennt man die Vertreter einer solchen Wissenschaftsauffassung geben übrigens zu, dass die Entscheidung darüber, was Wissenschaft dürfe und nicht dürfe, bzw. was sie zu bezwecken habe in diesem Falle das Ziel der Verfahrensoptimierung, selbst eine wissenschaftlich nicht begründbare Basis-Entscheidung darstelle.) Eine zweite Festlegung, die im Rahmen dieses Modells getroffen werden muss, ist das Prinzip der Operationalisierbarkeit der Ziele (Soll-Werte), die durch die Regelung verfolgt werden. Operationalisierbarkeit heißt, dass die Ziele bzw. Soll- Werte so ausgewählt und formuliert werden, dass ihr Erreichen durch objektive Verfahren (z.b. Messverfahren) eindeutig festgestellt werden kann. Auch diese Festlegung verdankt sich dem technischen Regelkreismodell, innerhalb dessen Istund Soll-Wert messbare und daher eindeutig vergleichbare Größen darstellen Zum Lernverständnis kybernetischer Pädagogik Das allerdings hat Konsequenzen auch in der Sache. Es impliziert eine Vorentscheidung über den Charakter des Lernprozesses, bevor dieser überhaupt wissenschaftlich untersucht wird. Oder anders formuliert: Damit Lernen im Sinne dieses Wissenschaftsverständnisses überhaupt wissenschaftlich untersucht werden kann, muss es den Anforderungen dieser Wissenschaft genügen. Die Sache wird der Wissenschaft angemessen; und nicht das wissenschaftliche Vorgehen der Sache. 48

49 Zum ersten wird Lernen überhaupt als ein dem technischen Regelungsvorgang entsprechender Prozess identifiziert. Zum zweiten werden mit Hinblick auf das Gegenstandsfeld der Didaktik auch Lehr-/Lern-Zusammenhänge als durch das Regelkreismodell adäquat zu beschreibende Vorgänge aufgefaßt. Und damit werden zum dritten Lernen überhaupt wie auch Lehr- /Lernzusammenhänge als mögliche Gegenstandsfelder der Kybernetik ausgemacht. Allerdings hängt alles davon ab, ob die Übertragung des technischen Regelkreismodells auf Lernprozesse überhaupt und auf Lehr- /Lernzusammenhänge angemessen ist. Diese Frage muss im Vorfeld dessen geklärt werden, was man den kybernetischen Ansatz in der Didaktik nennt; und sie kann überhaupt nicht von der Kybernetik geklärt werden, weil diese ja bereits unterstellen muss, dass ihr Gegenstand dem Regelkreis-Modell entspricht. Betrachten wir also, was mit der Sache, die wir Lernen nennen, geschieht, wenn man das kybernetische Modell des Regelkreises darauf anwendet. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: 1) Der Soll-Wert (Lernziel) ist dem Lernenden äußerlich; er wird von einer anderen Instanz gesetzt. 2) Der Soll-Wert (Lernziel) ist vom Lernenden selbst gesetzt. (Für Lehrende macht es zusätzlich noch einen erheblichen Unterschied, ob sie die Instanz sind, die den Lernenden die Ziele setzt, oder ob auch sie wie die Lernenden diese Vorgaben von einer anderen Seite, etwa staatlichen Planungsinstanzen, erhalten.) Variante 1) können wir relativ kurz abhandeln, weil sie heute aus guten Gründen kaum noch vertreten wird. Sie betrachtet Lernen als einen durch Lehren gesteuerten und kontrollierten Prozess, etwas, das vollständig der externen Regulierung unterliegt oder doch unterliegen sollte. Die Aktivitäten der Lernenden sind dann lediglich als Befolgung von Anweisungen zu verstehen. Lehren ist Instruktion im Sinne dessen, was im 2. Kapitel dazu gesagt wurde. Sofern die Lehrenden eigene Intentionen und Bedürfnisse einbringen, ist dies als Störung des Prozesses zu betrachten und möglichst auszuschalten oder zu minimieren. Diese Auffassung gehört in die Tradition behavioristischer (= auf Verhaltensbeobachtung reduzierter) Lernpsychologie und hat sich dort, in der Lernpsychologie, als instruktionistische Lerntheorie bis in die 90er Jahre gehalten, während sie in der pädagogischen Theorietradition nie eine nennenswerte Rolle gespielt hat. Was in der Lernpsychologie erst im Laufe der 90er Jahre als Paradigmenwechsel vom Instruktionismus zum 49

50 Konstruktivismus erfolgte, nämlich die Einsicht, dass ohne aktive, eigenmotivierte Beteiligung der Lernenden Lernen nicht oder nur schlecht funktioniert, gilt in der pädagogischen Theorie seit rund 200 Jahren als triviale Selbstverständlichkeit, von der alle Lehr- und Unterrichtsplanung auszugehen hat, wenn Scheitern nicht vorprogrammiert sein soll. Lernen wird heute also doch weit überwiegend als ein aktiver Prozess angesehen, der voraussetzt, dass der Lernende aus welchen Gründen auch immer lernen will. Ohne Beteiligung der Subjektivität des Lernenden mag so etwas wie Veränderung zwar auch möglich sein dies wäre aber eine Veränderung höchstens derart, wie sie unserem Kopf widerfährt, wenn ein Stein auf ihn fällt; und wer würde sagen, die resultierende Verformung unseres Kopfes sei ein Lernergebnis! Dass mit einer solchen Einsicht die Schwierigkeiten für Lehrkräfte im realen Unterricht alles andere als gelöst sind, steht auf einem anderen Blatt. Im Gegenteil: Eben daraus resultiert ja das Problem, wie man Lernende dazu motiviert, das lernen zu wollen, was sie aus Sicht der Gesellschaft lernen sollen (sich den von der Gesellschaft gesetzten Soll-Wert zu eigen zu machen.) Nun kann eine Disziplin wie die Psychologie, die größten Wert darauf legt, als naturwissenschaftlich-technische Disziplin anerkannt zu werden, schlecht darauf verzichten, ihr Gegenstandsfeld in Kategorien zu beschreiben, die mit der Denkweise dieser Disziplinen kompatibel sind. Die Naturwissenschaften liefern Modelle von Vorgängen, die ingenieurwissenschaftlich dann in technische Steuerungs- und Kontrollverfahren umgesetzt werden können. So bleiben auch die revidierten lernpsychologischen Modelle dem Gedanken von Steuerung und Kontrolle verhaftet; nur jetzt ausgelegt als Selbststeuerung und Selbstkontrolle Selbsttechnologie Und damit kommen wir zur Variante 2): Der Sollwert wird von den Lernenden selbst gesetzt. Die verschiedenen Instanzen im Regelkreismodell: Führungsgröße, Regler, Stellglied, zum Teil sogar die Störgröße (innere Welt), Regelgröße, Messfühler sie alle können nun als innere Instanzen eines Lerners verstanden werden. Dieser wird damit hinsichtlich seines Lernprozesses unabhängig von äußeren Instanzen; sein Lernprozess wird autonom. Der kybernetische Regelkreis beschreibt ein sich selbst regulierendes System. Solange der Lernende darin nur als Regelgröße auftauchte, war er nur unselbständiger Teil eines Systemzusammenhangs, innerhalb dessen seine Existenzberechtigung darin bestand, im Sinne des System-Ziels zu funktionieren. So sah das noch die kybernetische Didaktik der 70er Jahre. In neuerer 50

51 konstruktivistischer Sicht ist er selbst das ganze System; und die anderen Instanzen, die beim äußerlich regulierten Lernen Teil des Systems waren (Lehrplan, Unterrichtsplaner, Lehrer, Medien, Prüfer usw.) geraten jetzt nach außen und werden zu Störgrößen. Wir sind damit zu einer moderneren Variante technologischer Lerntheorien gelangt: der systemtheoretischen. Lernende sind ihrzufolge autopoietische Systeme. (Autopoiesis: Selbsterschaffung) Technologie als Fremdsteuerung erscheint ihr als unmöglich; insofern setzt sie sich radikal ab von instruktionistischen Lerntheorien. Gelehrt werden kann ihr zufolge eigentlich gar nicht. Das Lernen ist vollständig in die Autonomie des Systems gelegt, das lediglich in Form von Korrekturen in der Selbststeuerung auf äußere Anforderungen reagiert. (Die Außenwelt ist eine Störgröße immer dann, wenn sie neue Bedingungen setzt, die noch nicht berücksichtigt waren. In der Sprache der Systemtheorie handelt es sich hierbei um Perturbationen.) Und doch bleibt es ein technologisches Konzept: Selbststeuerung ist Selbsttechnologie. 51

52 Abb. 12: Das Regelkreismodell selbstregulierten Lernens Ein Problem bei der Übertragung des Regelkreismodells auf selbstregulierte Lernprozesse ist, dass es schwerfällt, noch von Zielen zu sprechen, zu denen hin sich das Lernen bewegen soll. Da in diesem Falle die Außenwelt nur als Störgröße auftaucht, müsste das Lernziel rein immanent sein, also sich nicht auf irgendeine Vermittlung mit der Außenwelt beziehen, in der die Außenwelt selbst mit zielbestimmend wäre und daher so etwas wie eine auf kommunikative Verständigung setzende Vermittlung zwischen individuellen Lernbedürfnissen und -absichten auf der einen, sozialen Zielvorgaben oder den Lernbedürfnissen und -absichten anderer Menschen auf der anderen Seite nötig würde. Ein solches eigenartiges, da sozial vermittlungsloses Lernziel wäre die Selbsterhaltung; aber wir sehen sofort, dass Selbsterhaltung kein Ziel ist, zu dem man gelangen kann (was war dann vorher?), sondern eher ein Zustand, den es aufrechtzuerhalten gilt. (Im Schiffs-Beispiel hieße das: sich über Wasser halten, 52

53 nicht untergehen; das ist offensichtlich etwas ganz anderes als die Ansteuerung eines Ziel-Hafens.) Selbsterhaltung ist das dem Prinzip systemischer Selbstregulierung entsprechende Ziel. Sie bezeichnet als Norm die Nicht-Vermittlung mit anderem also das genaue Gegenteil dessen, was Pädagogik intendiert: die substantielle Nicht-Veränderung, um deretwillen Anpassungsleistungen, also äußerliche Verhaltensänderungen durchaus nötig werden können (so wie ich den Weg ändere, auf dem ich zu meinem Ziel gelange, wenn sich mir jemand in den Weg stellt, um mich zur Umkehr zu bewegen; ich mache einen Bogen um ihn; aber ich setze mich nicht mit seinen Gründen auseinander, sich mir entgegenzustellen). (Anmerkung: Nicht nur in der Lernpsychologie, auch in der Pädagogik, vor allem in der Didaktik ist neuerdings viel von konstruktivistischen Konzepten die Rede. Oft ist nicht viel mehr damit gemeint, als dass man verstärkt auf die Selbsttätigkeit der Lernenden setzt. Die Radikalität der Sicht des Lernenden als einer autistischen Monade wird kaum vertreten. So ist auch häufiger von einem gemäßigten Konstruktivismus [Reinmann-Rothmeier/Mandl 1998, 459ff.] die Rede. Was übrig bleibt, ist das Adjektiv konstruktivistisch, um eine pädagogische Haltung zu charakterisieren, die sich pragmatisch an den institutionellen Bedingungen der Bildungseinrichtungen orientiert und zugleich Lernende zu größerer Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ermutigt, indem sie Freiräume für selbstreguliertes Lernen eröffnet und anbietet. [Reinmann- Rothmeier 2003]) 4.4 Selbstregulation und Selbstbestimmung Mit dem Wechsel zu konstruktivistischen Konzepten ist die Lerntheorie nicht in der Theorie, wohl aber in den vorgeschlagenen praktischen Konzepten näher an die Bildungstheorie herangerückt. Dennoch bleiben fundamentale Differenzen: 1) was die interne Organisation des Lernprozesses betrifft; 2) was die soziale Dimension des Lernprozesses betrifft; sie soll mit dem Unterschied von Selbstregulation und Selbstbestimmung bezeichnet werden. 53

54 4.4.1 Zur internen Organisation des Lernprozesses Im kybernetischen Konzept der Selbstregulation eines lernenden ( autopoietischen ) Systems ist die Systemstruktur eines äußeren Steuerungs- und Kontrollmechanismus ins Innere des Lernenden verlegt worden. Die Relation der Instanzen zueinander ändert sich aber nicht. Nicht mehr ein Lehrer, sondern jetzt das eigene Selbst bringt sich zum Lernen. Dadurch wird das Selbst aufgespalten in ein Subjekt und ein Objekt der Lern-Steuerung und -Kontrolle. Soll das Modell streng durchgehalten werden, muss die Spaltung vollkommen sein, d.h. ich als Lernziel-Setzender bin unabhängig von mir als Lernendem. Die Vorstellung von der Möglichkeit einer solchen Spaltung kann gewisse Plausibilität für sich in Anspruch nehmen, sind wir doch beispielsweise in der Lage, uns Kraft unseres Geistes selbst zu etwas zu zwingen, z.b. dazu, etwas Bestimmtes zu lernen. Wir können uns selbst dazu zwingen, auf die Befriedigung bestimmter Triebbedürfnisse (Störgrößen) zu verzichten und stattdessen die Anstrengung des Lernens auf uns zu nehmen. Auch einen Messfühler dafür haben wir (das Gewissen). Aber das setzt voraus, dass wir uns sozusagen sauber in Subjekt und Objekt teilen können, so sauber, dass das Subjekt von den Veränderungen, die das Objekt als lernendes durchläuft, unberührt bleibt. Ob dies möglich ist, kann hier offen bleiben. Wichtig ist: Das kybernetische Regelkreismodell des Lernens lässt es nicht offen, sondern nötigt, von dieser Trennung auszugehen. Man könnte, um diese Schwierigkeit auszuschalten, die Systemkonstruktion ändern: Das Feedback, das der Regler durch die Erhebung des Ist-Werts erhält, soll nun nicht allein die Lernstrategie beeinflussen, sondern auch die im ursprünglichen Modell extern bleibende Instanz, die Führungsgröße, die den Sollwert setzt. Diese Instanz bleibt nämlich streng genommen auch bei einer Verinnerlichung der Systemkonstruktion im Sinne eines autopoietischen Systems äußerlich, nämlich von der Regulierung (als Reguliertwerden) ausgenommen. Die Konstruktionsänderung würde dagegen heißen, dass auch die Führungsgröße nicht nur reguliert, sondern auch reguliert wird; dass also in Abhängigkeit von Änderungen des Ist-Werts sich auch der Sollwert ändert. Das wäre, wie wenn der Kapitän das Fahrtziel ändert, wenn das Schiff vom Kurs abkommt. Oder wenn der Kapitän unterwegs ein anderer Mensch wird und deshalb das ursprüngliche Ziel aus den Augen verliert. Lebenspraktisch ist eine solche Konstruktion sehr plausibel; man denke an den Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind, wenn sie zu hoch hängen. Man setzt sich vernünftigerweise möglichst realistische Ziele. Und man denke an die Bedeutung von Lebenserfahrung für die Haltung zu dem, was wichtig ist im Leben. Im wirklichen Leben heißt Lernen eben auch, dass sich die Sinnhorizonte ändern. 54

55 Aber damit würde man sich doch ganz erheblich vom technischen Regelkreismodell entfernen. Man stelle sich nur einen Thermostaten vor, der das Verhältnis zwischen Ist- und Sollwert auf den Kopf stellt und den Sollwert dem Istwert unterwirft, statt dafür zu sorgen, dass die von uns gewünschte Temperatur eingehalten wird. Im technischen Regelkreismodell ist die Führungsgröße, anders als in der humanen Lebenswirklichkeit, auf die sich das Selbstbestimmungspostulat der Bildung bezieht, nicht reflexiv Zur sozialen Dimension des Lernprozesses Autopoietische Systeme sind isolierte Einheiten ( Monaden ), die grundsätzlich einander nicht ins System pfuschen können. Wird der einzelne Lernende als ein solches System betrachtet, dann ist jeder andere Lernende oder Lehrende nur eine externe Störgröße, die Perturbationen erzeugen kann, auf die der Lernende reagiert, die aber nicht die Möglichkeit hat, in einer zielgerichteten Weise auf ihn einzuwirken. Wie reagiert wird, hängt allein von den internen Mitteln des Systems ab, nicht aber von so etwas wie einer kommunikativen Verständigung zwischen Personen, die einander Einblick gewähren in die internen Prozesse, wie dies im klassischen Verständnis von Bildung gedacht ist. Die Reaktion ist dennoch nicht gänzlich unabhängig vom einwirkenden anderen System. Sie muss zur Ausprägung eines wie es in der Systemtheorie heißt viablen ( gangbaren ) Verhaltens führen; eines Verhaltens also, das es dem System erlaubt zu überleben oder sich zu reproduzieren. Da dies für das andere System ebenso gilt, streben beide in ihren wechselseitigen Reaktionen aufeinander zu einem Gleichgewichtszustand, wo es für jedes System eine reproduktionsfähige Reaktionsform auf das Verhalten des anderen Systems gibt. Ist dieser Zustand erreicht, gibt es das, was in der Systemtheorie als strukturelle Kopplung bezeichnet wird. Wo in traditioneller bildungstheoretischer Begrifflichkeit von Verstehen, Einsicht und Vermittlung gesprochen wird, steht in der Systemtheorie dieser Terminus der strukturellen Kopplung. In der Praxis bedeutet dies konsequenterweise den Verzicht auf die Illusion des Lehrens bzw. die Neudefinition des Lehrens als strukturelle Kopplung des Verhaltens eines Lehrsystems mit einem Lernsystem, die aber niemals eine direkte Einflussnahme oder gar Bewirkung von erwünschtem Lernen bedeutet. Deshalb kann ein Lehrender dieser Konzeption zufolge keine Verantwortung für das Lernen anderer Menschen übernehmen, sondern lediglich eine Umgebung bereitstellen und gestalten, die Lernen anregt. So operiert in der Praxis auch eine bildungstheoretisch begründete Pädagogik. Aus systemtheoretischer Sicht wäre dann die bildungstheoretische Begründung (und Interpretation des Lerngeschehens) eine möglicherweise hilfreiche Illusion, da sie die erzielten 55

56 strukturellen Kopplungen als sinnvoll erscheinen lässt. Letztlich aber bleibt demzufolge jeder völlig allein. Bildung hingegen bedeutet Anrufung der allen Menschen als gemeinsam unterstellten Vernunft; als des Bandes zwischen ihnen, des Mediums, in dem soziale Vermittlung sowohl möglich wird als auch bereits wirkt. Was, kann man fragen, hat dies alles eigentlich mit der Informationspädagogik zu tun? Die Antwort lautet: Die kybernetische Lerntheorie läuft auf eine Wesensverwandtschaft von Computer und Mensch hinaus. Beide seien sie Systeme. Und das bedeutet nicht etwa, dass der Computer als Mensch, sondern dass der Mensch als Computer (als ein lernfähiger Automat) gesehen wird. Denn alles, was über die interne Struktur eines selbstregulierten Systems gesagt wurde, stimmt offensichtlich für die Art und Weise, wie ein computergesteuerter Automat (zum Beispiel ein Roboter) funktioniert. Der Computer liefert hier also das Modell für menschliches Lernen. Und wenn ein Mensch in Lernprozessen mit Computern interagiert, dann interagiert er demzufolge sozusagen mit Seinesgleichen. Selbstregulation ist die Bezeichnung für ein Maschinen-Verhalten, das aussieht wie das, was beim Menschen Bildung heißt. Selbstregulation ist die maschinelle Simulation von Bildung. 56

57 5. Personale und technische Kommunikation 5.1 Personale Kommunikation Die Neuen Technologien werden auch als Informations- und Kommunikationstechnologien (Abkürzung: IuK) bezeichnet. Zum Ausdruck kommt darin eine Entwicklung der letzten Jahre: die weltweite Vernetzung von Computersystemen und die Verschmelzung von Informations- und Nachrichtentechnik. Das Wort Kommunikation stammt aus dem Lateinischen (communicare) und bedeutet ursprünglich soviel wie: etwas gemeinsam machen, gemeinsam beraten, mitteilen. Darin steckt das Wort communis = gemeinsam. Wesentlich ist die Gemeinsamkeit, die der Kommunikation sowohl unterliegt als auch durch sie hergestellt wird. In der Kommunikation zwischen Menschen geht es demnach vorrangig um das ihnen Gemeinsame, also um eine soziale Vermittlung zwischen Personen, welche vor allem über das Medium der Sprache oder über andere Zeichensysteme bewerkstelligt wird. (Die zuvor angesprochene Repräsentationsfunktion des Zeichens wird hier also ergänzt durch seine kommunikative Funktion.) Voraussetzung ist natürlich, dass die miteinander kommunizierenden Personen in gleicher Weise auf einen gemeinsamen Zeichenvorrat zugreifen können und die Regeln kennen, die dem Zeichengebrauch zugrundeliegen ( Syntax ). 57

58 Abb. 13: Syntaktische Ebene des Zeichengebrauchs An dieser Stelle können wir auf die Begriffsbestimmung des Zeichens zurückgreifen, die in der 2. Vorlesung unter Berufung auf die triadische Relation von Peirce vorgenommen wurde. Ich erwähnte soeben die Sprache als Zeichensystem. Zeichen in diesem Sinne sind sinnlich wahrnehmbare (hörbare, sehbare, tastbare ) kleinste Einheiten (Laute, Buchstaben, Punkte, Zahlen ), die sich zu größeren Einheiten (Worten, Sätzen, Bildern, Formeln ) zusammensetzen lassen. Peirce gebrauchte dafür die Bezeichnung Repräsentamen. Diese größeren Einheiten bedeuten nun etwas, indem sie auf etwas anderes, wofür sie stehen, hin-deuten. Man kann auch sagen: Sie symbolisieren etwas anderes oder stehen als Symbole für etwas anderes. Dies andere ist ein durch sie Bezeichnetes, Repräsentiertes, Symbolisiertes, Bedeutetes ; das Objekt bei Peirce. (Bedeutung macht die Semantik des Zeichengebrauchs aus.) 58

59 Abb. 14: Um die semantische Dimension erweiterte Darstellung des Zeichengebrauchs 59

60 Abb. 15: Semantische und syntaktische Dimension des Zeichengebrauchs unter Einbeziehung der Peirceschen Terminologie (In obenstehender Grafik sind die Personen in die gemeinsame Lebenswelt eingerückt, um deutlich zu machen, dass mit dem semantischen Bezug des Zeichengebrauchs auf die Lebenswelt auch ein Selbstbezug stattfindet. Selbstverständlich gehören außerdem auch die Zeichen und die Sprache zur Lebenswelt.) Wichtig ist: Die Zeichen konstituieren nicht erst die Gemeinsamkeit; sie vermitteln sie lediglich, indem sie es den Kommunikationspartnern ermöglichen, auf eine miteinander geteilte, auf eine gemeinsame Erfahrungswelt Bezug zu nehmen, auf die sie als Symbole verweisen. Fehlt diese Gemeinsamkeit, fehlt also den Zeichen der Verweis auf dies vorgängig Gemeinsame (entbehren sie also des symbolischen Charakters, könnte man sagen), dann mag es zwar einen 60

61 Austausch von Zeichen aus einem identischen Zeichenvorrat geben, aber es findet keine Kommunikation statt. Kommunikation ist der Versuch eines Ausdrückens (einer Explikation) vorgängig unausdrücklicher (impliziter) Gemeinsamkeit und damit der Versuch einer Weiterentwicklung dieser Gemeinsamkeit durch ihre Explikation. Kommunikation reproduziert oder verdoppelt somit nicht lediglich bestehende Gemeinsamkeit, sondern schafft auch neue Gemeinsamkeit: eine, von der es ein gemeinsames Bewusstsein gibt und die daher zum Feld gemeinsamer (kooperativer) Gestaltung werden kann. Kommunikation ist insofern soziale Reflexion, also eine Reflexion, die nicht in der Einsamkeit des individuellen Denkens sich vollzieht, sondern im Zusammendenken mehrerer Individuen. Durch Kommunikation ist Lebensgemeinschaft auch Kulturgemeinschaft. Diese Entwicklung von Kulturgemeinschaft durch Kommunikation ist deren treibendes Motiv. Insofern ist Kommunikation sowohl für die soziale als auch für die individuelle Entwicklung konstitutiv. Kommunikation findet daher grundsätzlich auf mindestens zwei Ebenen statt: auf der Ebene vorgängiger impliziter Gemeinsamkeit entsteht das Bedürfnis nach kommunikativer Explikation; auf der Ebene der symbolischen Interaktion (Kommunikation durch Zeichengebrauch) findet die explizierende soziale Reflexion der Gemeinsamkeit und so deren Weiterentwicklung zur Kulturgemeinschaft statt, die wiederum implizite Momente enthält, die nach Explikation drängen können. Während Information ein Verhältnis zur Objektwelt vermittelt, vermittelt Kommunikation ein Verhältnis zur sozialen Welt mit anderen Subjekten. Nun können diese Versuche vielfältigen Verzerrungen ausgesetzt sein [Watzlawick u.a. 1969]. Was ich dargestellt habe, ist nicht die empirische Realität der Kommunikation in dem Sinne, dass Kommunikation dies tatsächlich immer sei und leiste, sondern die empirische Realität der Kommunikation in einem anderen Sinne: Jede Kommunikation wird von dieser Intention getragen und motiviert. Oder anders ausgedrückt: Symbolische Interaktion, die von dieser Intention getragen und motiviert ist, ist Kommunikation. Ob sie gelingt, ist eine andere Frage. Mögliche Verzerrungen: 1. auf der syntaktischen Ebene: 61

62 mangelnde Kenntnis der Zeichenkonventionen (zum Beispiel Analphabetismus; mangelnder Wortschatz; ich kann kyrillische Schrift nicht lesen; ich kann die Gestik des andern nicht lesen ); fehlerhafter Zeichengebrauch (zum Beispiel mangelnde Beherrschung von Orthographie, Grammatik und Satzbau); Übermittlungsfehler (zum Beispiel Beschädigungen des Zeichenträgers, ich verstehe akustisch nicht, was der andere sagt; ich kann die Handschrift nicht entziffern). 2. auf der semantischen Ebene Unklare Verweise der Zeichen auf implizite Gemeinsamkeit (unterschiedliche Zuordnung: er versteht unter Liebe etwas ganz anderes als ich); fehlende Gemeinsamkeit (ich weiß nicht, wovon Du sprichst; ich verstehe nicht, was du meinst; davon habe ich noch nie gehört); einseitiger, un-vermittelter Wahrheitsanspruch (was gilt, bestimme ich); fehlende Anerkennung des andern als Mit-Subjekt (Anweisungsstruktur von symbolischen Aktionen: du tust, was ich sage); Übergehen von Unaussprechlichkeit (Geständniszwang: zum Beispiel wird nicht geduldet, dass der andere die Explikation seiner Gefühle verweigert); Auflösung von Individualität in (abstrakte) Sozialität (zum Beispiel: man hat ja als einfacher Bürger in der Nazizeit von nichts gewusst) usw. All dies kann ich allerdings nur als Verzerrung von Kommunikation bezeichnen, wenn ich eine Vorstellung von gelingender Kommunikation habe. Wenn Kommunikation zu Vermittlung und Entwicklung gehört (deshalb ist sie von höchster pädagogischer Relevanz), dann fragt sich, was aus ihr wird, wenn wir sie technisieren. 5.2 Technische Kommunikation Wenn wir an die Stelle der Personen, die miteinander kommunizieren, Maschinen setzen, die miteinander Daten austauschen, haben wir es mit dem zu tun, was man (informations-)technische Kommunikation nennen könnte. Im Unterschied zur 62

63 Informationstechnik geht es bei der Kommunikationstechnik primär nicht um Datenverarbeitung, sondern um Datenübermittlung. Die Parallele zur personalen Kommunikation lässt sich auf der syntaktischen Ebene noch recht gut durchhalten. Auch hier werden Zeichen ausgetauscht, und zwar maschinenverarbeitbare Zeichen, also Daten gemäß der Definition der DIN (2. Vorlesung). Diese stammen aus einem gemeinsamen Zeichenvorrat, der hier (im binären System) zwar vom geringstmöglichen Umfang, aber durch Bildung von Zeichenketten beliebig erweiterbar ist. Und es gibt einen wiederum im Umfang sehr kleinen gemeinsamen Regelsatz grundlegender Operationen, die mit den Daten ausgeführt werden können; auch hier gilt, dass durch Kombination dieser einfachen Operationen Datenverarbeitungsprozesse beliebiger Komplexität bewerkstelligt werden können. Abb. 16: Technische Kommunikation Anders sieht es aus, wenn wir die semantische Ebene von personaler Kommunikation mit einbeziehen. Zu ihr gibt es bei der technischen Kommunikation keine direkte Entsprechung. Computer beziehen sich bei ihrem Datenaustausch nicht auf eine ihnen gemeinsame Lebenswelt, sie meinen nichts und verstehen nichts; die ausgetauschten Daten haben für sie keine Bedeutung. All diese Kategorien können sich nur auf die Kommunikation lebendiger Personen beziehen. 63

64 Computer müssen sich nicht im semantischen Sinne verständigen. Bei ihrer Kommunikation geht es um Datenübertragung von einem zum andern; und es kommt nur darauf an, dass sie vom Sender heil beim Empfänger ankommen. Und dennoch kann es auch zwischen Computern so etwas wie Missverständnisse geben. Zum ersten natürlich die Art von Missverständnissen, wie sie auch bei der Kommunikation zwischen Menschen vorkommt, wenn dort die Kommunikation auf der syntaktischen Ebene gestört ist. Wegen Störungen in den Übertragungsleitungen kann die Datenübermittlung gestört sein, so dass die Daten eben nicht 1:1 ankommen. Für die Übertragung werden zudem die Daten vorher bestimmten Transformationen unterworfen (zum Beispiel Aufteilung, Verschlüsselung, Komprimierung); und die entsprechenden Transformationsregeln (das Übertragungsprotokoll ) müssen bei Sender und Empfänger gleichermaßen bekannt, sprich implementiert sein. Und sie müssen natürlich auch richtig angewandt werden, also das angewandte Entschlüsselungsverfahren muss zum zuvor auf der anderen Seite gebrauchten Verschlüsselungsverfahren passen usw. Zum zweiten haben die übermittelten Daten zwar für Computer keine Bedeutung im Sinne eines semantischen Bezugs auf eine gemeinsame Lebenswelt. Wohl aber können sie eine interne Bedeutung haben, nämlich interne Prozesse des Computers auslösen. So kann zum Beispiel die Ankunft eines bestimmten Datenpakets bedeuten, dass dieses jetzt eine Programmroutine auslösen, nämlich den Aufruf des Mail-Programms, und in diesem wiederum eine Meldung auf den Bildschirm und/oder aus den Lautsprechern generieren soll: Hallo, Sie haben eine neue Nachricht erhalten. Und eben diese Bedeutung muss vom empfangenden Computer richtig interpretiert werden. Selbstverständlich heißt dies nicht, dass der Computer in irgendeiner Weise versteht, was eine Mail ist oder was Hallo besagt. Interpretation heißt in seinem Falle lediglich, dass er korrekt eine kausale Beziehung zwischen einem Datenereignis und der Auslösung einer Operation herstellt. Obwohl also Daten im Sinne der DIN kontextfrei und daher interpretationsfrei sein müssen, um maschinenverarbeitbar zu sein, gibt es doch eine andere Art von Kontext, in den sie interpretierend gestellt werden: den Kontext des internen Systemzustands. Und dieselben Daten können eben je nach Systemzustand etwas völlig anderes bedeuten, nämlich auslösen oder zur Folge haben. So kann dieselbe Zeichenfolge in dem einen Kontext dazu führen, dass der Buchstabe A auf den Bildschirm gezeichnet wird, im anderen Kontext, dass ein Pixel auf dem Bildschirm rot gefärbt wird wobei die Wahrnehmung als A bzw. Rot dann eine lebensweltlich kontextualisierte Interpretation eines menschlichen Beobachters ist. 64

65 Wir haben es also bei der technischen Kommunikation einzig mit jener zweiten triadischen Relation (2. Vorlesung) zu tun, bei der der Interpretant als eindeutige Zuordnungsvorschrift gefasst ist, die keines interpretierenden menschlichen Subjektes bedarf und von Maschinen ausgeführt werden kann. Innerhalb dieser Relation bedeutet daher auch etwa die Zeichenfolge nicht etwa rot, sondern stellt die Codierung eines mathematischen Objekts dar, das für ein bestimmtes Rot steht. Steht etwa am Anfang der Wunsch eines Grafikers, ein tiefes blutiges Rot zu erhalten, so muss diese Qualitätsbeschreibung des Rots, dass es blutig sein solle, formalisiert werden, etwa durch Auswahl eines bestimmten Frequenzbandes aus dem Spektrum des sichtbaren Lichts; und auf dem Bildschirm einen Lichtpunkt von dieser Frequenz zu erzeugen, ist dann (im entsprechenden Kontext des Systemzustandes, also zum Beispiel im Rahmen eines Grafikprogramms nach Aufruf des Farbwerkzeugs) die Bedeutung des maschinenverarbeitbaren Datums Diese Zuordnung ist dann eindeutig, nämlich durch eine entsprechende Zuordnungstafel determiniert. Und jeder andere Computer macht es genauso. Ob allerdings das dann sichtbare Rot (abgesehen von technischen Unwägbarkeiten der Bildschirmdarstellung) tatsächlich ein blutiges sei, das ist die eigentliche Interpretationssache, über die keine technische Kommunikation geführt werden kann. 5.3 Technisch vermittelte Kommunikation Technische Kommunikationsmedien Betrachten wir nun, wie sich die Dinge verhalten, wenn die soeben beschriebene technische Kommunikation der Vermittlung personaler Kommunikation dient. Benutzen wir einen Computer zur Vermittlung der Kommunikation, so wie wir sonst das Telefon, den Brief oder irgendein Medium nutzen, um uns miteinander zu verständigen, so ändert sich an der Struktur personaler Kommunikation nichts, auch wenn sich natürlich die Art der Kommunikation ändert, so wie sie sich auch ändert, wenn wir statt zu telefonieren einen Brief schreiben oder wenn wir, statt miteinander zu sprechen, uns Zettelchen schreiben, Handzeichen geben usw. Personale Kommunikation ist immer auch technisch vermittelt. Der Weg über das Kommunikationsmedium und dessen Gebrauch im Kommunikationsprozess bedingt subjektive wie objektive Techniken: technische Verfahrensweisen ebenso 65

66 wie Gebrauch von technischem Instrumentarium. Und das muss mehr oder weniger mühsam erlernt werden. Klar ist auch, dass die jeweilige Kommunikationstechnik immer auf die Kommunikation sowohl ermöglichend als auch begrenzend wirkt: Einem Analphabeten fehlen Möglichkeiten der Kommunikation; aber die Vermittlung von Kommunikation über die Schrift begrenzt auch die Kommunikation auf Inhalte, die in Schriftform ausgedrückt werden können. Begegnet werden kann dem durch die Nutzung einer Mehr- oder Vielzahl von Medien. Schließlich waren es in der Geschichte der Menschheit unterschiedliche vorherrschende Medien, die der gesellschaftlichen Kommunikation und der kulturellen Tradition dienten, so dass die individuelle Beherrschung oder Nichtbeherrschung von Kommunikationstechniken ganz unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Es macht eben einen Unterschied, ob jemand des Schreibens nicht mächtig ist in einer Kultur, die noch wesentlich auf der mündlichen Kommunikation und Überlieferung beruht, oder in einer Kultur, deren gesellschaftliche Austauschprozesse ohne die Nutzung der Schrift überhaupt nicht mehr denkbar wären. Aus pädagogischer Sicht ist dies in Hinsicht der Vermittlung der sog. Kulturtechniken von besonderer Bedeutung: Zum ersten hat die Pädagogik ja die gesellschaftliche Funktion der kulturellen Tradierung. Und in einer Schriftkultur geschieht diese Tradierung insbesondere im Medium der Schrift bzw. in einer Buchkultur im Medium des gedruckten Textes. Zum zweiten wäre der einzelne in einer Schriftkultur von der kulturellen Teilhabe ausgeschlossen, wenn er des Schreibens und Lesens nicht kundig wäre. Für eine Gesellschaft, welche wie die Feudalgesellschaft diese Teilhabe nicht für alle, sondern nur für bestimmte gesellschaftliche Stände oder Klassen vorsah, war der Analphabetismus der breiten Bevölkerung kein Problem; im Gegenteil. Für eine Gesellschaft aber, die wie die bürgerlich-demokratische darauf beruht, dass alle schöpferischen Kräfte für die gesellschaftliche Weiterentwicklung mobilisiert werden, wird die Alphabetisierung der gesamten Bevölkerung zur unabdingbaren Existenzgrundlage. Wird nun, wie sich dies heute abzeichnet, die gesellschaftliche Kommunikation zunehmend durch IuK-Technologien vermittelt, so wird auch die souveräne Nutzung dieser Medien für die personale Kommunikation zu einer grundlegenden Voraussetzung für die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es stellt sich dann die für die Pädagogik natürlich sehr bedeutsame Frage: Benötigen wir im Rahmen der allgemeinen Bildung das Erlernen einer neuen vierten Kulturtechnik? Wir werden darauf in der Vorlesung über Kultur und Technik noch zurückkommen. 66

67 Hier soll nun eine andere Frage weiterverfolgt werden: Was bedeutet es für die personale Kommunikation, wenn sie nicht nur durch Computer, sondern durch selbst kommunizierende Computer vermittelt wird? Und ganz besonders wiederum interessiert an dieser Vermittlung personaler durch technische Kommunikation eine beobachtbare Verselbständigungstendenz der technischen Kommunikation Digitalisierung Jedes Kommunikationsmedium stellt seine spezifischen Anforderungen. In unserem Falle heißt das: Damit Computer die personale Kommunikation vermitteln können, müssen die Zeichen, die eine Mitteilung symbolisieren und daher als Kommunikationsmedium dienen, als mathematische Objekte modelliert sein, die dann wiederum zu maschinenbearbeitbaren Daten codiert werden können. Die handgeschriebene oder gesungene Zeile eines Bob- Dylan-Songs ist kein mathematisches Objekt; ebensowenig das blutige Rot in einer handgezeichneten Grafik. Indem jedoch die Songzeile über eine Tastatur in den Computer eingegeben, der Gesang über ein an den Audioeingang angeschlossenes Mikrofon eingespeist oder mit der Maus ein entsprechendes Rot aus der Farbpalette eines Grafikprogramms gewählt wird, findet erstens eine mathematische Modellierung des Original- Objekts statt und zweitens dessen Codierung zu maschinenverarbeitbaren Daten. Der Modellierungsvorgang selbst entzieht sich in diesem Moment der Kontrolle des Computernutzers. Er läuft, technisch in die Mensch-Maschine-Schnittstelle eingepflanzt, im Hintergrund ab: Operationen des Computzernutzers werden in diskrete Signale umgewandelt, denen computerintern Werte zugeordnet werden, die dann als Daten im Sinne der DIN weiterverarbeitet und versendet werden können. Der komplementäre Vorgang findet sich an der Ausgabeseite: Daten werden wieder in Signale verwandelt, die technisch in von Menschen wahrnehmbare und zu interpretierende Phänomene (Ton, Klang, Text, Farbe) transformiert werden. Wer über den Computer kommunizieren möchte, ist solcher Formung seiner Mitteilung unterworfen. Die blutrote Farbe in einer kommunizierten Grafik ist systemintern zu einem Zahlenwert formalisiert; die heisere, nuschelige Stimme von Bob Dylan ist in einer Abfolge von Zahlenwerten über einer Zeitachse repräsentiert. 67

68 Abb. 17: Digital vermittelte Kommunikation Diese Digitalisierung erfasst auch die kommunizierenden Personen. Im virtuellen Raum der technischen Kommunikationsvermittlung begegnet mir der andere in Gestalt einer digitalisierten Repräsentanz, die noch von dieser anderen Person geschaffen und entsendet sein kann, aber nicht mehr sein muss. Ob am anderen Ende der Leitung noch ein Mensch mit mir kommuniziert oder ein Automat (Agent, Programm), ist nicht mehr so leicht auszumachen. Dadurch verschärft sich das in aller Kommunikation vorhandene Authentizitätsproblem: wie sicher ist eigentlich, dass der, mit dem ich kommuniziere, auch der ist, für den ich ihn halte oder als der er sich ausgibt? In Abbildung 18 kommuniziert die linke Person mit einer Instanz, die präsentiert werden mag wie die Repräsentanz einer wirklichen zweiten Person, tatsächlich aber ein autonom agierendes Programm ist, das beispielsweise Auskunft über Flugverbindungen oder Empfehlungen für den Kinobesuch gibt. Hier handelt es sich also nicht mehr um eine technisch vermittelte personale Kommunikation, sondern um eine Mensch-Maschine-Interaktion, die zwar durch die Interpretationsleistung der Person wie personale Kommunikation empfunden werden kann, auf Seiten des maschinellen Kommunikationspartners aber eine bedeutungs- und sinnfreie, rein technische Kommunikation darstellt. 68

69 Abb. 18: Mensch-Maschine-Kommunikation Und umgekehrt gilt: Ein Computer(programm) kann immer nur mit einer mathematisch modellierten Repräsentanz von Personen kommunizieren. Ein Lernprogramm (in Abbildung 18 wäre das die wie eine Person dargestellte digitale Instanz unten rechts) wird daher niemals das lernende Individuum ansprechen können, sondern immer nur dessen aus bestimmten Parameterwerten errechneten Datenschatten Vernetzung In der Regel ist es nicht ein Computer, der die Kommunikation zwischen verschiedenen Personen vermittelt, sondern es sind zwei oder mehr vernetzte Computer. Über deren Kommunikation verläuft nun nicht nur die Vermittlung personaler Kommunikation, sondern auch die Vernetzung, Kontrolle und Steuerung einer wachsenden Zahl von technischen Funktionen, von der Warenbestellung über die Flugbuchung, die Ressourcenkalkulation bis hin zur direkten Steuerung produktiver oder destruktiver Prozesse. Und dieses Kommunikationsgeflecht miteinander vernetzter Computersysteme hat eine Tendenz sich auszuweiten. So ist in den letzten Jahren ein globales Netzwerk von Computersystemen entstanden, eine neue Lebenswelt, welche die alte Lebenswelt durchdringt und teilweise ersetzt. Soweit Menschen an diesen Computern arbeiten, Daten eingeben, Ausgaben entgegennehmen, verflechten sich technisches und lebensweltliches Kommunikationssystem. Gesellschaftliche Funktionszusammenhänge, die früher 69

70 über personale Kommunikation abgewickelt wurden (innerhalb derer die Kommunikation aber schon über weite Strecken den Charakter der Instruktion hatte; vgl. 2. Vorlesung), werden jetzt vollautomatisch durch technische Kommunikation kontrolliert und gesteuert. Teils arbeiten die Menschen dem technischen System nur zu, teils nutzen sie das technische Kommunikationssystem für ihre eigenen Kommunikationsbedürfnisse. Die Frage ist: Wird (bleibt) das technische Kommunikationssystem eingebettet in den übergreifenden lebensweltlichen Kommunikationszusammenhang? Oder wird die personale Kommunikation und damit die menschliche Lebenswelt zu einem untergeordneten Teil des technischen Systems? Vermutlich schachtelt sich beides ineinander; und die Dominanz wird situativ unterschiedlich sein. Wo Menschen mit Computern kommunizieren (Abbildung 18), wird dies keine Kommunikation im ursprünglichen Sinne sein. In der Kommunikation mit einem Computer (zum Beispiel um eine Fahrplanauskunft zu erhalten oder eine Hotelzimmerreservierung vorzunehmen), sind beide Teil eines berechneten Funktionssystems. Die möglichen Inhalte der Kommunikation sind innerhalb einer bestimmten Variationsbreite festgelegt. Eingaben des Menschen bedeuten innerhalb dieses Systems, dass sie eine seiner Funktionen auslösen. So gesehen enthalten sie ebenfalls einen Verweis; aber dieser Verweis besteht in einer Folgeoperation, die wiederum Folgeoperationen auslösen kann (vgl. Abschnitt über technische Kommunikation zur systeminternen Bedeutung von Daten). Am Ende steht ein Output für den menschlichen Kommunikationspartner, der allerdings eine Bedeutung hat für diesen (eine Zugverbindung wird ausgedruckt, das Zimmer ist reserviert), aber nur, weil er diesen Output mit hinausnimmt in seine Lebenswelt, in der erst die Zeichen, die der Computer ausgibt, wieder Symbolkraft gewinnen vermittels der Interpretationsleistung von Menschen. 70

71 6. Formalisierung, Modellierung und Gestaltung 6.1 Symbolisierung und Verallgemeinerung Informationstechnische Systeme gelten, wenn man von ihrer harten, also der apparativen, geräte-technischen Seite ( Hardware ) absieht, als formale Systeme. Ein formales System ist ein System von Zeichenketten und Regeln. Die Regeln sind Vorschriften für die Umwandlung einer Zeichenkette in eine andere. Die Anwendung der Regeln kann dabei ohne Kenntnis der Bedeutung der Symbole erfolgen. (Definition nach Wikipedia.org, Stichwort Formale Systeme ) Zeichenketten entsprechen den maschinenverarbeitbaren Daten der 2. Vorlesung; Regeln entsprechen Programmoperationen zur Datenumwandlung. Das Formalisieren ist demzufolge eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung formaler Systeme, also für die Konstruktion und Weiterentwicklung von Informationstechnik auf der Software-Ebene. Darüber hinaus wird von Computern als symbolischen oder symbolverarbeitenden Maschinen gesprochen. Demzufolge führt auch die Symbolbildung oder Symbolisierung in den Bereich der Informationstechnik. Damit haben wir zwei Begriffe, über deren Bedeutungsgehalt wir uns Rechenschaft ablegen müssen, wollen wir verstehen, wozu Computerprogramme als formale Systeme in der Lage sind, was sie eigentlich tun, wenn sie Symbole verarbeiten. Formalisierung und Symbolisierung sind Tätigkeiten, zu denen Menschen in der Lage sind, Computer aber nicht oder nur bedingt. (Die Begründung für diese Behauptung soll im Laufe dieses Kapitels noch geliefert werden.) Wir betrachten zunächst also nicht, was Computer leisten, sondern was Menschen tun, damit Computer anschließend etwas leisten können. Deshalb können diese Tätigkeiten nicht erst durch die Informationstechnik als neue Operationsweisen in die Welt gekommen sein, sondern haben eine ältere Geschichte. Wir müssen sie aus dem menschlichen Lebenszusammenhang zu verstehen versuchen. Damit schließt diese Vorlesung inhaltlich an die zweite Vorlesung mit ihrer Erörterung von Zeichen, Symbolen und Daten (als maschinenverarbeitbaren Zeichen) an. (Auch in der fünften Vorlesung war von Zeichensystemen als Medien der Kommunikation zwischen Menschen und/oder Maschinen die Rede.) 71

72 Ich greife noch einmal die terminologische Klarstellung aus der fünften Vorlesung auf: Der Terminus Zeichen wird gebraucht für Zeichen, die noch nichts bedeuten, etwa für den Buchstaben. Der Terminus Symbol wird (abweichend von Peirce, aber in Übereinstimmung mit vielen wissenschaftlich gängigen Begriffsbestimmungen) gebraucht für Zeichen(-kombinationen), die schon etwas bedeuten, zum Beispiel für etwas wie den Papierkorb auf dem Schreibtisch der Benutzeroberfläche des Betriebssystems. Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, als die sog. Datenverarbeitung durch Computersysteme nichts anderes als eine regelbasierte Manipulation von symbolfreien Zeichen ist, die dort Daten (gemäß der DIN 44300) heißen. Zeichen dienen der Symbolbildung; sie sind als deren Träger (Peirce: Repräsentamen ) zu betrachten. Symbole dagegen ermöglichen, dass verschiedene Personen sich mittels ihrer Interpretation auf Gemeinsames (miteinander Geteiltes) beziehen; auf Gemeinsames, das durch sie be zeichnet wird (gemeinsame erfahrbare Lebenswelt), und Gemeinsames, das durch sie geschaffen wird (Kulturproduktion). Symbole haben also einen Abbildungs- und einen Vorbildungs-Charakter; und sie dienen dabei der Vermittlung von sozialen Zusammenhängen, so dass Abbild wie Vorbild gemeinsame, kulturell miteinander geteilte Bilder darstellen. Diesen sozialen Vermittlungsprozess durch Kommunikation kann man daher auch als einen Verallgemeinerungsprozess betrachten: Der Horizont der individuellen Lebensperspektive wird überschritten hin zu einer gesellschaftlich allgemeinen (= allen gemeinsamen) Perspektive. Formalisierung ist nun eine spezifische Weise der Verallgemeinerung. Sie ist Voraussetzung, damit Symbole zu maschinenverarbeitbaren Daten codiert werden können. Es sind nur solche Symbole codierbar, die als mathematische Objekte auftreten. (Vgl. zweite Vorlesung) Von der Computertechnik geht insofern eine Anforderung an den Symbolbildungsprozess aus, der durch Formalisierung erfüllt wird. Abb. 19: Codierung verlangt vorgängige Formalisierung 72

73 Deshalb werde ich im folgenden Formalisierung als spezielle Weise der Verallgemeinerung und Symbolisierung erörtern Verallgemeinerbarkeit von Daten Daten im Sinne informationstechnischer Terminologie sind insofern Fakten, als in ihnen die Verarbeitung zu etwas Allgemeinem sich niedergeschlagen hat; dies Allgemeine ist das Formale. Ich werde wieder von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Datum ausgehen, um die Selbstverständlichkeit der Konnotationen und Assoziationen, die heute den Gebrauch des Wortes Daten bereits begleiten, erneut zu erschüttern und das Bewusstsein dafür zu schärfen, was bei der Herstellung von Daten im Sinne der DIN geschieht. Wie in der zweiten Vorlesung dargestellt, bedeutet Datum ursprünglich das Gegebene. Daten in diesem Sinne sind alles, was es gibt. Im umgangssprachlichen es gibt ist nämlich diese ursprüngliche Bedeutung noch präsent. Im folgenden soll untersucht werden, wodurch dies Gegebene (materiell Seiendes) bestimmt ist um daran anschließend die Frage nach seiner Verallgemeinerbarkeit zu stellen. Materiell Seiendes ist bestimmt durch: Einzigkeit; Differenz Alles, was es gibt, ist als dies, was es da gibt, etwas Singuläres (Einmaliges): an diesem Ort zu dieser Zeit gibt es dies nur dieses eine Mal. Es unterscheidet sich von allem anderen (ist zu allem anderen different): ist anders. Beispiel: Diesen Baum dort gibt es sonst nirgends, so ähnlich ihm auch andere Bäume sein mögen. Wird er abgeholzt, ist der Weltzustand, dessen Teil er war, durch keinerlei Ersatzpflanzung wiederherzustellen. Potenzialität; Selbsttranszendenz Alles, was es gibt, ist nicht nur dies, was es gerade ist, sondern auch das, was es sein wird (werden wird, wozu es sich entwickeln wird). Über seine Aktualität hinaus enthält es eine Potenzialität. Worin seine Potenzialität besteht, liegt in ihm selbst; aber was tatsächlich aus ihm wird, hängt auch von den Zusammenhängen ab, in denen es steht. Potenzialität verweist also nicht nur auf eine innere Potenz, sondern auch auf die erschließende Potenz des Außen. So 73

74 verweist alles, was es gibt, auch über sich hinaus und darin auf Erschließungszusammenhänge. Beispiel: Dass in diesem Baum die Potenzialität zu einem Geigenkörper angelegt ist, liegt einerseits in seiner ihm eigenen Holzigkeit ; ist andererseits nur als eben diese Potenzialität gegeben, wenn es jemanden gibt, der in der Lage ist, eine Geige zu bauen, und daher im Baum diese Potenzialität sehen kann. Fremdheit; Intransparenz Alles, was es gibt, zeigt sich nicht vollständig. Teils sind bestimmte seiner Seiten noch verborgen (werden sich aber künftig zeigen; so zum Beispiel seine Potenzialität); teils entzieht sich aber, was es gibt, für immer der Erschließung. So bleibt eine Verborgenheit, Unsichtbarkeit, Unerkennbarkeit, Rätselhaftigkeit, Fremdheit. Beispiel: Wir sehen dieses Ding da als Baum. Aber was wir erkennen können, hängt von unserem Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögen ab. Dieses entwickelt sich geschichtlich, so dass wir heute einen Baum anders sehen als die Menschen vor Tausenden von Jahren. Zugleich ist unser Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögen prinzipiell begrenzt, so dass an diesem Ding da immer noch etwas ist, dass ihm entzogen bleibt. Identität; In-Differenz; Alles, was es gibt, weist aber auch Identität mit anderem auf: dieselben Eigenschaften, Fähigkeiten, Potenziale wie anderes. Es hat Seiten, in denen es sich von anderem gerade nicht unterscheidet (zu ihm in-different ist): es genauso ist. Beispiel: Als Baum ist dieser Baum auch genau so ein Baum wie jeder andere, also mit Eigenschaften, die auch alle anderen Dinge haben, die wir Baum nennen. Zusammenhang; Bedingtheit Schließlich steht alles, was es gibt, in Beziehung zu anderem (auf jeden Fall in Beziehung zu mir, dem es gegeben ist). Es gehört also einem Zusammenhang an, den es mit anderem teilt, einem gemeinsamen, dem-selben (identischen) Zusammenhang, durch den es bedingt, von dem es abhängig ist. Beispiel: Dieser Baum ist Teil eines Waldes; und ohne diesen Zusammenhang würde es ihn so gar nicht geben. Zugleich ist er Teil unseres menschlichen 74

75 Lebenszusammenhangs mit einer Bedeutung sowohl für mich (ich habe dort als Kind meinen Namen in die Rinde geritzt) als auch für die Gesellschaft (Waldsterben als soziales Problem). Die sich anschließende Frage ist: Welche dieser Bestimmungen sind für Verallgemeinerung zugänglich? Eine erste Antwort (noch bevor näher betrachtet wird, worin Verallgemeinerung besteht) lautet: Verallgemeinerbar ist das an einem Seienden, das es mit allem gemein hat. Das trifft zunächst unmittelbar für die Bestimmungen der Identität und des Zusammenhangs zu. Die Identität bezeichnet jene Eigenschaften eines Seienden, die es mit anderen gemeinsam hat. Der Zusammenhang bezeichnet den gemeinsamen Kontext von Seiendem. Es trifft in einem eingeschränkten Sinne allerdings auch für die anderen Bestimmungen zu; in dem eingeschränkten Sinne nämlich, dass diese Bestimmungen selbst für alles Seiende gleichermaßen zutreffende Bestimmungen sind, also eine Identität ausdrücken: Jedes Seiende ist bestimmt durch Differenz, Potenzialität und Fremdheit. Eingeschränkt ist diese Aussage insofern, als für die Bestimmungen der Identität und des Zusammenhangs mehr gilt: nämlich, dass auch das, worin die Identität und der Zusammenhang jeweils für ein Seiendes bestehen, verallgemeinerbar ist; während das, worin die Differenz, die Potentialität und die Fremdheit eines Seienden bestehen, nicht verallgemeinerbar ist Worin besteht Verallgemeinerung? Verallgemeinerung ist eine Operation und hat ein Ergebnis. Verallgemeinerung besteht aus zwei wesentlichen Teil-Operationen: Gemeinsames extrahieren und darstellen; dies entspricht der Bestimmung der Identität; prägnantes Beispiel hierfür ist das Vorgehen der Biologie bei der Klassifikation der Arten ( Baum ); Beziehungen zu anderem Seienden herstellen; dies entspricht der Bestimmung des Zusammenhangs, in den Seiendes gehört; prägnantes Beispiel hierfür ist das Vorgehen der Soziologie bei der Modellierung sozialer Systeme oder das Vorgehen der Ökologie bei der Modellierung von Ökosystemen (denen zum Beispiel dann auch Bäume angehören können). Ergebnis der Verallgemeinerungsoperationen sind: 75

76 Symbole, Kategorien und Begriffe, in denen sich das Gemeinsame von Seiendem zusammenfasst (wodurch Seiendes zweiter Ordnung entsteht, welches das an dem ursprünglichen Seienden repräsentiert, was verallgemeinerbar ist); das Wort oder Symbol Baum steht dann für das an diesem Baum dort, was er mit anderen Bäumen gemeinsam hat; Systeme oder Geflechte von Symbolen, Kategorien und Begriffen, in denen sich die Beziehungen zwischen dem Seienden in Form von Beziehungen zwischen ihren symbolischen Repräsentationen zu einem Zusammenhang fügen, der einen gegebenen Zusammenhang repräsentieren soll; das Wort Baum steht in systematischer Beziehung zu anderen Worten wie Ast, Blatt, Wurzel, Wald, Klima, Holzproduktion usw.. (Man spricht auch von semantischen Netzen.) Beide Arten von Operationen stehen aber selbst im Zusammenhang miteinander. So bezeichnet das biologische Klassifikationssystem ja nicht nur abstrakte Identitäten von Wesen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, sondern zugleich Gattungszusammenhänge (biologische Lebensgemeinschaften bzw. - zusammenhänge). Menschheit bezeichnet eine Gattungsidentität ebenso wie einen Lebenszusammenhang. Und das eine ist für das andere bedeutsam. Wo Menschen nicht in einem gemeinsamen Lebenszusammenhang stehen, fällt es ihnen schwer, einander als Menschen gleichzuachten. Und dass ein gemeinsamer Lebenszusammenhang eingegangen wird, hat auch etwas mit ihrer Identität zu tun: zumindest die gleiche Herkunft zu haben; aber auch: einander verstehen zu können. 6.2 Formalisierung Formalisierung ist eine besondere Weise der Verallgemeinerung: eine Verallgemeinerung, bei der alle Bezüge der Symbole zu von ihnen symbolisiertem Seienden abgeschnitten und sie als referenzlose Objekte zu eigenen Entitäten werden. Das ist Voraussetzung für ihre Codierung zu Daten (gemäß DIN 44300) zwecks maschineller Bearbeitung. Diese Objekte weisen keine Materialität auf, da Materialität heißt, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit als diese und keine andere Entität gegeben zu sein. Sie weisen nur noch formale Bestimmungen auf, d.h. zugeschriebene allgemeine Eigenschaften und zugeschriebene allgemeine Bezüge zu anderen gleichartigen Objekten. Sie sind, bevor sie gegeben sind, gemacht, also im eigentlichen Sinne nicht Daten, sondern Fakten. (Dennoch müssen sie, um von materiellen 76

77 Maschinen bearbeitbar zu sein, materiell repräsentiert sein, zum Beispiel durch Ladezustände von Speicherzellen.) Bezogen auf die oben dargestellten Bestimmungen eines Gegebenen bedeutet Formalisierung: Eliminierung von Differenz und Einzigkeit und damit Reduzierung auf Identität: Als mathematische Objekte (= Fakten) sind sie vollständig definiert durch ihre allgemeinen, d.h. formalen Bestimmungen. Mathematische Objekte kennen keine Individualität, keine Einzigkeit. Beispiel: Das Geburtsdatum im Pass enthält nichts mehr von dem herzzerreißenden Augenblick, in dem das Ereignis der Geburt dieses Menschen stattfand. Eliminierung von Potenzialität und Selbsttranszendenz und damit Reduzierung auf Aktualität: Verborgene, noch unerschlossene, gar möglicherweise unerschließbare Potenziale können formal nicht erfasst werden. Erfassbar sind lediglich Eigenschaften, aus denen sich Prozeduren ableiten lassen. Diese Eigenschaften selbst aber sind aktual. Mathematische Objekte weisen keine offenen Möglichkeiten auf. Beispiel: In den Daten, die über einen Menschen gesammelt werden, ist er nur als der erfasst, der er ist, nicht als der, der er noch werden kann. Eliminierung von Fremdheit ( Ent-fremdung ) und damit Reduzierung auf Transparenz: Mathematische Objekte sind in ihren Eigenschaften vollständig bekannt, weil ihre Eigenschaften hergestellt wurden. An ihnen ist nichts mehr, was nicht der subjektiven Formgebung entstammt. Deshalb sind sie im Prinzip auch vollständig transparent; es gibt an ihnen nichts, was sich grundsätzlich der Erkenntnis entziehen könnte, auch wenn zu einem gebenen Zeitpunkt noch nicht alle Konsequenzen, die sich aus den gemachten Eigenschaften dieser Objekte ableiten, gewusst sind (deshalb gibt es mathematische Forschung). Für die Grenze der Repräsentanz durch mathematische Objekte gibt es keine Repräsentanz in diesen Objekten. 77

78 Beispiel: Der gläserne Bürger ist die in seinen Daten vollständig transparente Bürgerrepräsentanz. Der wirkliche leibhaftige Mensch bleibt geheimnisvoll; aber diese seine intransparente Seite entzieht sich der Darstellung in Daten. (Insofern ist es eigentlich nicht der Bürger, der gläsern wird.) Eliminierung von materiellen Bezügen und Reduzierung auf Funktionalität: Bezüge zwischen Daten, die sich aus deren Materialität ergeben, können in mathematischen Objekten nicht abgebildet werden. Bezüge reduzieren sich auf funktionale Bezüge im Rahmen eines formalen Sytemzusammenhangs. Die Stellung eines mathematischen Objekts im Systemzusammenhang ist bestimmt durch seine Funktion für diesen Zusammenhang. Beispiel: Die Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich nicht riechen können, ist in Daten nicht darstellbar, weil die erlebte Qualität dieser Beziehung ( Der andere stinkt mir. ) an die individuelle Leiblichkeit gebunden ist. Dass die Formalisierung einen Sonderfall der Verallgemeinerung darstelle, setzt voraus, dass Verallgemeinerung nicht per se schon all das besagt, was Formalisierung besagt. Der Unterschied soll in den beiden folgenden Grafiken dargestellt werden. Die erste Grafik stellt eine Verallgemeinerung dar, deren Ergebnis, die symbolische Repräsentation, über den Interpretanten einen Rückbezug auf das ursprüngliche Seiende behält, den wir als Bedeutung des Symbols bezeichnen. Der Interpretant kann diesen Rückbezug nur leisten, insofern er selbst der Welt des Repräsentierten angehört. Beispiel: Ich verstehe nur (es fällt nur in meinen Verstehenshorizont), was das Wort Baum meint, wenn ich selbst der Welt angehöre, in der es Bäume gibt. Abb. 20: Symbolisierung 78

79 Der Rückbezug der Bedeutung bringt ein Moment der Unruhe in die Repräsentationsbeziehung zwischen Symbol und Seiendem. Das Symbol wird durch das Seiende gleichsam immer wieder in Frage gestellt; es hat sich an ihm zu bewähren. Da das Seiende aber immer Bestimmungen enthält, die sich der Verallgemeinerung (noch oder grundsätzlich) entziehen, enthält die Verallgemeinerung überhaupt ein fragwürdiges Moment, das jedes Symbol mit Repräsentationsfunktion mit Unsicherheit behaftet sein lässt. Die Bedeutung von Symbolen unterliegt daher Interpretationen, die ihrerseits Bezug nehmen auf das Seiende; sie unterliegt Wandlungen; sie schillert; sie ist unscharf. Die zweite Grafik stellt die Formalisierung dar. Abb. 21: Formalisierung Der Unterschied besteht im Wegfall des Rückbezugs. Der Vorteil ist, dass dadurch das Zeichen, welches für das formalisierte Seiende steht, Festigkeit bekommt. Das Moment der Unruhe ist genommen. Allerdings: Das Zeichen steht in keiner Repräsentationsbeziehung mehr zum ursprünglichen Seienden. Es bedeutet nichts mehr; ist nur noch das, als was es definiert ist. (Deswegen ist es auch kein Symbol mehr, sondern nur noch ein Zeichen.) Es lädt nicht mehr zur Interpretation ein. Dies alles nimmt dem Zeichen etwas; aber es sorgt auch dafür, dass es in einer Weise handhabbar wird, in der Symbole, die etwas bedeuten, nicht handhabbar sind. Vor allem werden formalisierte Zeichen (Daten) maschinell bearbeitbar. Verallgemeinerung bringt Symbole (bzw. Zeichen) hervor. Diese werden selbst zu Teilen der Realität, zu etwas Gegebenem, zu Seiendem. Solange sie eine Bedeutung behalten, bleiben sie auf Revision gestellt; das heißt sie sind Gegenstand der Interpretation und der Auseinandersetzung über die zutreffende Interpretation; sie sind Teil von Geschichte und haben selbst Geschichte. Wenn sie entsymbolisiert werden und keine Bedeutung mehr haben, werden sie zu eigenen Wesenheiten, und zwar zu Wesenheiten ohne ein Dasein in Raum und Zeit, ohne Materialität, ohne Geschichte. Sie bevölkern eine eigene Welt jenseits der materiellen Welt, in der wir als materielle Wesen leben, eine virtuelle Welt. 79

80 Die virtuelle Welt ist die Welt der Daten bzw. Fakten: sie ist die allein und ausschließlich durch uns, durch subjektive Formtätigkeit geschaffene Welt. Deshalb können wir auch in dieser, als der von uns geschaffenen Welt, zuhause sein. Sie ist eine prinzipiell für uns vollständig transparente Welt. Alles, was in ihr gilt, ist bekannt oder jedenfalls kennbar. In ihr gilt nur, was unsere reine Vernunft gelten lassen kann und will (rein im Sinne von: unbefleckt von Materialität). Formalisierung hat also einen durchaus humanen Sinn: Sie bringt die Welt unter unsere rationale Kontrolle. Sie erlaubt uns, die Welt so zu formen, dass sie uns gehorcht. Die Materialität der Welt dagegen bildet die Grenze des kontrollierenden und steuernden Zugriffs; die Grenze der menschlichen Macht. 6.3 Modellierung und Gestaltung Wenn wir den Vorgang der Formalisierung im Hinblick auf den Wirklichkeitsausschnitt betrachten, auf den er sich bezieht, dann können wir auch von Modellierung sprechen: das formale System als Funktionsgefüge mathematischer Objekte ist ein (formales) Modell dieses Wirklichkeitsausschnitts. Der Begriff des Modells ist dabei doppeldeutig; und entsprechend doppelt gerichtet ist die Funktion informatischer Systeme in ihrer Relation zur realen Welt: Sie bilden sie ab; und sie bilden sie vor. Abbildung und Vorbildung sind die beiden Bedeutungsvarianten von Modellierung. Ein Atommodell soll das real existierende Atom abbilden. Ein Kfz.-Modell soll ein erst noch zu bauendes Fahrzeug vorbilden. Formale Modelle, die als Steuerungssoftware eingesetzt werden, vereinigen beide Bedeutungen von Modellierung. Sie oszillieren zwischen Abbildung (Simulation; u.a. erkenntnistheoretische Funktion), Vorbildung (Entwurf; konstruktive Funktion) und Antrieb (Steuerungsfunktion) ihres Gegenstandes. Diese Art von Modellierung soll im folgenden betrachtet werden. Sie gibt Aufschluss nicht nur darüber, was formale Systeme sind, sondern auch, wozu sie gut sind Modellierung als Abbildung Nehmen wir als Ausgangsbeispiel ein Atommodell. Zu meiner Schulzeit, als es noch keine Computer in der Schule gab, war das ein Drahtmodell, das den inneren Aufbau eines Atoms vor Augen führen sollte. (Heute wird uns von 80

81 Computersystemen die Möglichkeit angeboten, in ein solches Modell virtuell gleichsam hineinzusteigen, es zu begehen und von innen zu betrachten.) Es war ein mechanisches und statisches Modell, das eigentlich wie uns damals vom Chemie-Lehrer immer wieder gesagt wurde nicht geeignet war, den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über den inneren Aufbau der Atome zu repräsentieren. So gesehen war klar, dass dieses Modell ein höchst unvollkommenes Abbild eines Atoms darstellte. (Dennoch ist bei vielen SchülerInnen sicher als Bild im Kopf geblieben: So ungefähr sieht es da drinnen aus.) Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass ein Atommodell dazu da sei, dem Atom sozusagen modellhaft aufzuzeigen, wie es idealerweise auszusehen habe. Es war eben bloß ein Modell und als solches grundsätzlich unzulänglich. Der Maßstab für die Bewertung seiner Güte lag in seiner Annäherung an eine als gegeben aufgefasste atomare Wirklichkeit (an das Seiende Atom). Betrachten wir dagegen nun die Konstruktion einer Maschine, z.b. eines Kfz.- Motors. Auch bei dessen Konstruktion wird ja von einem modellhaften Abbild ausgegangen: einer im Kopf des Ingenieurs entstandenen idealen Funktionsbeschreibung, einem Modell der zu bauenden Maschine. Dieses Modell allerdings bildet nicht die seiende Realität einer Maschine ab, sondern ihr Ideal. Das Ideale besteht darin, dass im Modell jedenfalls dem Anspruch nach die Maschine vollkommen und das heißt ausschließlich durch ihre Funktionalität charakterisiert ist (im Unterschied zu jeder realen Maschine). Im Modell also ist der Motor vollkommen. Er kann es dort, nämlich im Kopfe des Ingenieurs, sein, weil der Raum, in dem er funktionieren soll, selbst idealisiert ist in Form von Annahmen über die Randbedingungen seines Einsatzes: Annahmen über die Umgebung wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck; Annahmen über den von der Maschine zu verarbeitenden Treibstoff, etwa die Reinheit seiner chemischen Zusammensetzung betreffend; Annahmen über das in der Maschine verbaute Material: seine Verschleißfestigkeit oder Temperaturbeständigkeit usw. Vollkommen ist also die im Gedanken entworfene Maschine, insofern sie in einer vollkommenen Welt operiert. Vollkommen heißt hier: vollkommen bekannt und vollkommen berücksichtigt; oder anders ausgedrückt: vollkommen berechnet, d.h. kontrolliert. Jeder Konstrukteur einer solchen Maschine weiß aber, dass sein Modell an der Wirklichkeit seine Korrekturinstanz hat. Der nachher gebaute wirkliche Motor wird sich um die Vollkommenheit seines Modells nicht scheren. Das Modell kann kann auch hier immer nur ein vorläufiges Modell sein. Durch Testläufe von Prototypen unter Realbedingungen konfrontiert der Konstrukteur sein Maschinenmodell der tatsächlich unberechneten bzw. nur sehr unvollständig berechneten Wirklichkeit und lässt sich von ihr korrigieren. Er nimmt Maß am tatsächlichen Verhalten der nachher gebauten Maschine, um sein Modell und 81

82 danach dessen Realisierung zu modifizieren. Dabei kann er eine gewisse Robustheit der Maschine gegen wechselnde und unvorhergesehene Realbedingungen erreichen; aber niemals eine vollkommene Maschine. Die vollkommene konkrete Maschine unterstellte die vollkommene Kontrolle der gesamten Welt, in der sie funktionieren soll, also diese Welt selbst als Maschine. Das Modell einer konkreten Maschine ist so gesehen bei aller erreichbaren Ausgereiftheit immer vorläufig in dem Sinne, dass es auf Revision gestellt ist Modellierung als Steuerung Gehen wir nun über zu einem Computermodell. Ein Computerprogramm ist zwar zunächst auch nichts anderes als ein Modell der zu steuernden konkreten Maschine, eine codierte Maschinenbeschreibung [Weizenbaum 1978, 90]. Darin entspricht es dem gedanklichen Entwurf des Ingenieurs. Ein folgenreicher Unterschied besteht nun darin, dass dieses gedanklich konstruierte Modell als Computerprogramm (maschinelle Zeichenmanipulation) aus der Subjektivität des Menschen herausgelöst wird. Als Computerprogramm kann das Modell damit zur autonomen Instanz der Normgebung gegenüber der zu modellierenden Wirklichkeit werden. Das Modell stellt nun nicht mehr lediglich den Versuch dar, den intendierten Wirklichkeitsausschnitt funktionell abzubilden, einen grundsätzlich unzulänglichen Versuch. Sondern es wird als Steuerungstechnik selbst zur maßgeblichen Norm für die Gestalt dieses Wirklichkeitsausschnitts. Die Abstraktion des Modells bedeutete im Rahmen traditioneller Ingenieurstätigkeit einen Status der Vorläufigkeit im Sinne grundsätzlicher Revisionsbedürftigkeit. Die Vorläufigkeit eines Modells einer konkreten Maschine, etwa des Konstruktionsentwurfs eines Kfz.-Motors, besagte, dass dieser Entwurf nicht das Endgültige ist, dass das Ziel nicht im Modell, sondern in der zu realisierenden konkreten Maschine liegt. Die Gültigkeit des Modells ist mit dem Vorbehalt versehen, dass dafür am Ende die konkrete Maschine das Maß abgibt. Das Modell gilt als bloß abstrakt. Die Vor-Läufigkeit des als Computerprgramm realisierten Modells ist eine andere. Sie ist das Vor-Laufen des Modells als der schon endgültigen Form, der die Wirklichkeit nur noch nachlaufen kann. Die Vor-läufigkeit des Computer- Modells, könnte man sagen, definiert die Wirklichkeit als nach-läufig. Die Wirklichkeit ist dann bloß eine, immer unzulängliche, Konkretion. Das Verhältnis von Abstraktion und Konkretion hat sich also umgekehrt. Günter Anders nannte solche Umkehrung, ohne schon Computer im Sinne zu haben, invertierte Imitation : Das Computermodell gilt nicht mehr als mehr oder weniger gelungenes Abbild des Vorbildes der Wirklichkeit, sondern wird selbst zum Vorbild für diese. Das Wirkliche das angebliche Vorbild muß also seinen 82

83 eventuellen Abbildungen angemessen, nach dem Bilde seiner Reproduktionen umgeschaffen werden. [Anders 1954, S. 190] Eine computerprogrammgesteuerte Maschine wird also durch eine abstrakte Fassung ihrer selbst kontrolliert und gesteuert. Sie ist eine Maschine, zu der es nicht nur ein Ideal gibt, irgendwo anders, z.b. im Kopf eines Ingenieurs, sondern deren konkretes Verhalten ihrem Ideal, nämlich ihrem Steuerungsprogramm, folgt. Wir können uns dies an einem Beispiel illustrieren, mit dem wohl die meisten von uns fast täglich zu tun haben, immer dann nämlich, wenn ein Dokument ausgedruckt werden soll. Wir realisieren diese Absicht unter Zuhilfenahme von kleinen Programmen, die man als Druckertreiber zu bezeichnen pflegt. Diese Programme tun, was ihre Bezeichnung sagt: Sie treiben Drucker an und steuern ihr Verhalten. Ein Druckertreiber enthält hierzu eine Beschreibung, ein funktionales Modell des jeweiligen Druckers. Die funktionalen Verhaltensmöglichkeiten des Druckers sind im Prinzip im Druckertreiber vollständig abgebildet oder richtiger: vorgebildet. Schritt für Schritt nimmt im Programmablauf die abstrakte Druckmaschine (der Druckertreiber) eben vorläufig eine Reihe von Zuständen an und sorgt durch die Ansteuerung der physischen, der konkreten Druckmaschine dafür, daß auch diese nach-laufend die entsprechenden Zustände sukzessive annimmt. Das Ideal des Druckers ist nicht mehr nur eine ideale Vorstellung vom Drucker, sondern das Programm, das ihn steuert: der Druckertreiber. Hier geht es nur um Drucker. Und wer kann schon etwas dagegen haben, dass der Drucker dem Treiber gehorcht und nicht etwa eigensinnig und unkontrolliert seine eigenen Wege geht. Aber man könnte das Beispiel ja auch im Sinne der Phantasien weiterspinnen, die sich an den Informationstechnologien entzünden, bis hin zum umfassenden Weltprogramm als Welttreiber. Diese Darstellung des wirklichkeitsmodellierenden Charakters von Computersteuerung bezieht sich auf einen Automaten, also auf ein geschlossenes formales System, das zwar in der materiellen Welt fungiert, aber zu deren Materialität in keiner inneren Beziehung steht (vgl. hierzu die Überlegungen zu selbstregulierten Systemen in der 4. Vorlesung). Diese Beziehung wird erst hergestellt, wenn Menschen die Automaten in ihren Lebenskontext einordnen und damit die formalisierende Abstraktion, die der Modellbildung zugrundelag, in gewissem Sinne konkretisierend wieder rückgängig machen. Formalisierung und Steuerung sind die komplementären Operationen, was den Automaten betrifft. Sie führen heraus aus der materiellen Wirklichkeit und nicht wieder in sie zurück. 83

84 Abstraktion und Konkretion sind hingegen die komplementären Operationen, die heraus- und zurückführen Modellierende Abstraktion (Modellbildung) Die Entwicklung eines informatischen Abbildes oder Modells des realen Vorgangs, der einer technischen Optimierung unterzogen werden soll, verlangt mehr als nur die Fähigkeit des Programmierens, verlangt mehr als die Beherrschung der formalen Prozeduren von Systementwicklung. Da hier ein vorgängig nicht formalisierter realer Vorgang sozusagen auf seinen funktionalen Wesenskern gebracht werden soll, verlangt die Modellierung ein sehr genaues Verständnis des Vorgangs selbst, um entscheiden zu können, was daran als funktional zu betrachten ist, was als überflüssige Belastung oder Störung; auf welche Funktionalitäten es besonders ankommt, auf welche auch verzichtet werden kann; wie das System gestaltet sein muss, damit es im vorhandenen Umfeld akzeptiert und seine Funktionalität entfalten kann; bzw. welche Umstrukturierungen, Reorganisationen usw. diesem Umfeld zugemutet werden müssen oder können, ohne dass das technische System abgestoßen oder abgelehnt wird. Ein Programmierer, der von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen nichts versteht, ist selbstverständlich auch nicht in der Lage, solche Zusammenhänge in einem Modell adäquat abzubilden. Ein Systementwickler, der nichts von Pädagogik versteht, kann keine pädagogisch brauchbare Software für den Einsatz in Bildungseinrichtungen zustandebringen. Schon gar nicht ist die modellierende Leistung von den technischen Systemen selbst zu bewerkstelligen. Informatisches und bereichsspezifisches Know-How und Fachwissen müssen hier zusammenkommen. Arbeitsteilung allein führt hier jedoch nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen. Denn um einem Systementwickler mitteilen zu können, welches die Anforderungen an das zu modellierende System sind, braucht der Bereichs- Experte schon ein Verständnis für die grundsätzlichen technischen Möglichkeiten bzw. muss er in der Lage sein, selbst die zu formalisierenden Strukturen seines Tätigkeitsfeldes zu benennen. Und der Systementwickler muss verstehen können, worum es dem Bereichs-Experten geht, wenn er seine Qualitätsmaßstäbe für ein brauchbares, gutes technisches System formuliert. Immer wichtiger werden daher mit der fortschreitenden Informatisierung aller Praxisbereiche grenzüberschreitende, vermittelnde, interdisziplinäre Qualifikationen. 84

85 6.3.4 Konkretisierende Anwendung (Weltmodellierung) Einer der am meisten unterschätzten Leistungsbereiche ist die Anwendung informationstechnischer Systeme. Die Menschen an den Terminals agieren ja in der Regel nicht nur oder nicht einmal vorrangig im virtuellen Raum des Systems, sondern zugleich in einem konkreten Umfeld, in dem das technische System seine Funktionalität in sinnvoller, praxisverträglicher Weise entfalten soll. Indem diese Leistung meist als Anwendung oder gar Bedienung bezeichnet wird, wird der Eindruck erweckt, als handele es sich hierbei nur um den Vollzug der technisch angebotenen Funktionalität. Ein Sekretär aber, der Funktionen eines Textverarbeitungssystems einsetzt, ruft nicht etwa nur beispielsweise Formatierungsfunktionen ab (kann ein Wort kursiv setzen), sondern bezieht diese Funktion auf eine Arbeitsanforderung, entscheidet also, welche technische Funktion in welchem Zusammenhang sinnvoll einzusetzen ist, wie sie so einzusetzen ist, dass der Zweck erreicht wird; aber auch, auf welche Funktionen verzichtet werden muss oder kann. Bezogen auf das Textverarbeitungssystem insgesamt hat er seine Arbeit so umzuorganisieren, dass es seinen sinnvollen Stellenwert darin erhält und in einen organischen Zusammenhang gebracht wird mit anderen technischen Systemen, die er einsetzt, bzw. mit all den nichttechnischen Tätigkeiten und Aspekten des Arbeitsalltags. Überall, wo technische Systeme eingesetzt werden, findet eine solche Konkretisierung statt, als eine Leistung, deren Resultat eine mit Technik, aber nicht nur wegen, sondern auch trotz Technikeinsatzes funktionierende Praxis ist. Abb. 22: Entwicklung und Anwendung als komplementärer Prozess von Abstraktion und Konkretion 85

86 Exkurs: Ein Beispiel für Konkretisierungsleistung: Implementierung von Informationstechnik in pädagogischer Praxis Pädagogische Arbeit mit den neuen Technologien verlangt zunächst eine formalisierende Sichtweise der bisherigen Unterrichtsarbeit. Ihre Nutzung ist gleichgültig, wie benutzerfreundlich ihre Handhabung gestaltet sein mag angewiesen darauf, dass ihre AnwenderInnen sich auf eine Metareflexion über ihr Handeln einlassen. Sie müssen sich klarwerden über die sachliche und fachliche Systematik, die sie in ihrer Praxis zugrundelegen; und ebenso über die qualitativen Gütekriterien, nach denen sie technische Unterstützung als nützlich, brauchbar, hilfreich oder gut bewerten. Die implizite Systematik ihrer Alltagspragmatik müssen sie also auf die explizite und operationale Systematik des eingesetzten Systems beziehen. Das ist eine hohe Anforderung, die nicht ohne eigene Bildungsprozesse zu bewältigen ist, da sie die Vermittlung der pädagogischen mit der technischen Perspektive verlangt. Simpel ausgedrückt: Die neue Technologie erfordert eine nicht unbeträchtliche pädagogische Umorientierung der PraktikerInnen. Und ob die sich lohnt für das, was sich an neuen Möglichkeiten eröffnet, ist noch keineswegs wirklich erwiesen. Der angesprochene Zwang zur Metareflexion des eigenen pädagogischen Handelns, der einerseits sicherlich zunächst eine Hemmschwelle für die Nutzung der neuen Technologien im schulischen Arbeitsalltag darstellt, bietet andererseits die Chance zu einer bewussteren Wahrnehmung der eigenen Tätigkeit. Die Nötigung zur Kategorisierung, sich zu vergewissern, welche der vielfältigen Aspekte von Lernen und Sozialverhalten, die immer gleichzeitig und vielfach unbewusst ablaufen, in den jeweiligen Stunden zum Tragen kommen sollen, überhaupt die Notwendigkeit einer klaren Strukturierung der Daten erfordert es, didaktische und methodische Begriffe zu klären und gegeneinander abzugrenzen. Es entsteht auf diese Weise ein neuer Blickwinkel, ein Anlass zur Reflexion der persönlichen Arbeitsweise aus einer neuen Perspektive. So zeigt sich die immanente Bildungsaufforderung, welche dem Einsatz der Neuen Technologien in der pädagogischen Praxis innewohnt. Ganz konkret wird die Reflexionsnötigung, wenn es etwa darum geht, Materialien, die man per Internet verfügbar machen will, so aufzubereiten, dass sie dort nicht nur vorhanden sind, sondern auch von denen zielgerichtet gefunden werden können, die sie gebrauchen können. Materialien aus dem und für den Schulalltag, die ja üblicherweise bisher in den buntesten Formen und Gestalten existieren, müssen dazu in computerlesbare Dokumente umgewandelt und nach gewissen vereinheitlichenden Richtlinien formatiert werden 86

87 wodurch die PädagogInnen sich sehr viel restriktiveren Regelungen der Mitteilungsform unterwerfen müssen, als sie es gewohnt sind. Zugleich haben sie zu prüfen, welche Formate überhaupt geeignet sind für ihre Materialien, so dass die Umwandlung und Formatierung nicht zu Verlusten führt. Sie müssen also nicht nur etwas verstehen von dieser software-technischen Seite, die ihre Arbeit erhält; sie müssen deren Regeln auch beziehen können auf die pädagogischen Inhalte und die Vereinbarkeit von technischer Restriktion und pädagogischinhaltlichem Anliegen zu beurteilen in der Lage sein. Doch ist dies nur der erste Schritt. Um die Datenbestände auch erschließbar zu machen, müssen sie zusätzlich für die Suche durch andere recherchierbar gemacht werden. Das geschieht in der Regel durch Anreicherung mit beschreibenden Informationen (Meta-Dateien), die wiederum nach zwei Seiten hin bestimmten Kriterien genügen müssen: Sie haben einer normierten Struktur zu entsprechen; und sie müssen geeignet sein, den Inhalt so zu erschließen, dass sein wesentlicher Gehalt, worauf es also in der pädagogischen Arbeit ankommt, auch bezeichnet wird. Vorausgesetzt, eine solche Normierung der Struktur von Meta-Dateien (Klassifikationssystem) für pädagogische Inhalte gäbe es (sie müsste zumindest sowohl den fachlichen Inhalt als auch die pädagogischdidaktische Form erfassen), stellte sich für Pädagoginnen und Pädagogen, die eigene Materialien verfügbar machen oder Materialien aus anderen Quellen aus dem Internet abrufen wollen, wiederum die doppelte Aufgabe, sich einerseits mit den entsprechenden Normierungen vertraut zu machen und andererseits sie in angemessener Weise auf die Inhalte der angebotenen oder nachgefragten pädagogischen Materialien anzuwenden. Sie müssen verallgemeinern, von Kontexten absehen, aufs Wesentliche reduzieren Operationen, die ihnen im schulischen Alltags selbstverständlich vollständig geläufig sind, dort bisher aber eher intuitiv und nach gewohnheitsmäßig gebildeten Regeln vorgenommen werden, während sie jetzt den Restriktionen und Normierungen folgen müssen, welche die Technik ihnen vorschreibt bzw. abverlangt. Es ist hiernach wohl keine Frage, daß die Formalisierung pädagogischer Arbeit an die Handelnden ganz erhebliche und bisher sicher deutlich unterschätzte Anforderungen stellt, zumal anstelle der nötigen (und außerordentlich schwierigen und problematischen) Normierung solcher Meta-Dateien zur Zeit ein undurchschaubarer Wildwuchs vorherrscht, der es meist zum Glücksfall werden lässt, im Internet mit vertretbarem Zeitaufwand pädagogisch brauchbares Material aufzustöbern. 87

88 7. Algorithmen, Programme und Maschinen 7.1 Algorithmen Routinen, Rezepte, Algorithmen Nicht zuletzt aus der pädagogischen Praxis kennen wir das, was wir Routine nennen: eine über längere Zeit herausgebildete und dann fest gewordene Abfolge von Handlungen zur Bewältigung einer Aufgabe. Meist gehen Routinen den routinierten Personen so in Fleisch und Blut über, dass sie sich dessen, was sie da tun, gar nicht mehr bewusst sind und ihre Routinen fast wie Automatismen ablaufen. Im allgemeinen gehen wir davon aus, dass bestimmte Handlungsabfolgen sich gewohnheitsmäßig zu Routinen ausbilden und einschleifen, wenn und weil sie sich wieder und wieder bewährt haben. Ein routinierter Lehrer ist einer, der solche bewährten Handlungsabfolgen für wiederkehrende Situationen und Anforderungen wie Unterrichtsstörungen, Einführung eines neuen Themas und dergleichen parat hat. Wenn Lehramtsanwärter in ihrer Ausbildung solchen routinierten Lehrern zur Hospitation und zu eigenen Unterrichtsversuchen zugeteilt werden, beneiden sie nicht selten ihre Mentoren um deren Routine, weil sie selbst darüber noch nicht verfügen und höchst unsicher sind, ob und wie sie die auf sie zukommenden Anforderungen bewältigen sollen. Wie nun könnten sie von der Routine des Mentors profitieren? Der Weg des Nachmachens ist wenig erfolgversprechend. Die Routiniertheit eines Lehrers besteht ja gerade darin, dass er unter wechselnden Umständen mit großer Sicherheit immer wieder eine passende Handlungsabfolge findet. Der dazugehörige Selektionsvorgang unter Alternativen sowie die richtige Zuordnung zur jeweiligen Problemlage spielen sich aber innerlich ab und lassen sich nicht von dem, was die routinierte Person tut, so ohne weiteres ablesen. Um hinter das routinierte Handeln zu kommen, bedürfte es einer länger dauernden systematischen Beobachtung und Analyse. Der bessere Weg scheint also zu sein, sich vom routinierten Lehrer sein Handeln erklären zu lassen. Zu einer solchen Erklärung gehören dann: die Identifizierung des zu lösenden Problems und das heißt auch seiner möglichen oder angestrebten Lösung ( Was ist eigentlich das Problem? Wo liegt die Schwierigkeit? Worum geht es eigentlich? ), die Beschreibung des Wegs hin zu dieser Lösung ( Wie macht man das? Wie kommt man da hin? ), 88

89 die möglichen Variationen in der Abfolge der Handlungsschritte je nach äußeren Bedingungen ( Und was mache ich, wenn? ), die Angabe eines Überprüfungsverfahrens für das Erreichen des Ziels ( Woran merke ich, dass es geklappt hat? ). Wenn die Beschreibung einer solchen Routine so unmissverständlich ausfällt, dass sie eine andere Person nicht nur verstehen, sondern auch selbst in ihrem Handeln umsetzen kann, können wir auch von einem Rezept sprechen. Dass man sich in einer Situation der Unsicherheit sicherheitsgebende Rezepte wünscht, ist verständlich. Die Frage ist nur, ob sich die Routinen einer Person tatsächlich so in Rezepte fassen lassen, dass sie unverändert von anderen Personen übernommen werden können. Gegen eine solche Möglichkeit lassen sich nämlich verschiedene Einwände erheben: Die Identifizierung des zu lösenden Problems ist bereits mit Entscheidungen verbunden, die ebenfalls übernommen werden, wenn das Rezept angewandt wird; vielleicht würde die das Rezept anwendende Person das eigentliche Problem ganz woanders sehen. Beispiel: Ein Schüler kommt regelmäßig zu spät zum Unterricht. Worin besteht das Problem? Darin, dass jedesmal eine Unterrichtsunterbrechung stattfindet? Darin, dass der betreffende Schüler jedesmal etwas vom Unterricht versäumt? Darin, dass irgendetwas in den Lebensumständen des Schülers ihn hindert, pünktlich zu kommen? Je nachdem, worin der Lehrer seine Hauptaufgabe sieht: Sicherung eines reibungslosen Unterrichtsablaufs, Sorge dafür, dass auch dieser Schüler den Anschluss nicht verliert, oder Eingehen auf die Lebenssituation seines Schülers, werden ganz andere Handlungsabläufe nötig. Der mögliche Weg zur Lösung ist abhängig von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften, so zum Beispiel auch vom Stil der jeweiligen lehrenden Person; was zu der einen Person passt, mag bei einer anderen Person befremdlich erscheinen. Beispiel: Ein junger, noch sehr unsicherer Lehramtsanwärter wird sich eher lächerlich machen, wenn er versucht, den gestrengen Habitus eines altgedienten und von den Schülern bereits respektierten Lehrers zu übernehmen. Wechselnde Bedingungen könnten nicht nur zu einer Variation der Schritte, sondern vielleicht auch zu einem Überdenken der Problemdefinition und des Ziels führen. Beispiel: Wenn der genannte Schüler Tag für Tag zu spät zum Unterricht 89

90 erscheint, könnte es gerade angesagt sein, nicht mit der immer gleichen Routine darauf zu reagieren (auch wenn dies funktioniert etwa hinsichtlich der Sicherung eines reibungslosen Unterrichtsablaufs), sondern die Routine zu unterbrechen und ganz neu hinzusehen, was da eigentlich los ist. Die Überprüfung des Erfolgs bringt wie schon die Problem- und Zieldefinition Bewertungen ins Spiel, die von der jeweiligen Person abhängen. Beispiel: Es gelingt dem Lehrer routiniert, die regelmäßige Unterrichtsunterbrechung durch ein paar lockere Bemerkungen aufzufangen, so dass schließlich das Zuspätkommen des Schülers selbst schon zur integrierten Routine geworden ist. Genau dies aber kann zur Verfestigung eines tieferliegenden oder anders gelagerten Problems führen. (Niemand interessiert sich mehr dafür, warum denn dieser Schüler immer zu spät kommt.) Berücksichtigt man diese Einwände, so werden dadurch zwar Rezepte nicht wertlos; aber es zeigt sich, dass sie nicht blind angewandt werden können, sondern auf die genannten Implikationen hin bedacht und gegebenenfalls modifiziert oder auch verworfen werden müssen. Die Übernahme und Anwendung eines Rezepts ist so gesehen ein interpretatorischer Akt, welcher der Überprüfung bedarf, wieweit der Verständnishorizont, innerhalb dessen die jeweilige Routine entwickelt wurde, tatsächlich geteilt wird, also ein gemeinsamer ist es sei denn, man formuliert die einzelnen Schritte der Routine als auszuführende Anweisungen und entzieht sie der Interpretation und Zustimmungsbedürftigkeit des Anwenders. Mit dieser zuletzt genannten Fassung eines Rezepts nähern wir uns nun dem an, was als Algorithmus bezeichnet wird. Betrachten wir eine Lexikon-Definition: Algorithmus: Eine endliche Menge von eindeutig festgelegten Regeln zur Lösung eines Problems durch eine endliche Menge von Einzelschritten. Ein A. ist demnach eine Beschreibung der Methode, ein Problem oder eine Aufgabe zu lösen. Er besteht aus einer Folge von Einzelschritten, deren richtige Abarbeitung die gegebene Aufgabe erfüllt. Diese Abarbeitung bezeichnet man als einen Prozeß. In der Mathematik werden solche Algorithmen als Voraussetzung für die Lösung von berechenbaren, entscheidbaren und aufzählbaren Problemen verwendet. Jedoch ist der Begriff des A. übertragbar auf sämtliche anderen Bereiche, in denen ebenfalls nach gegebenen Regeln vorgegangen wird. Konstruiert man eine Apparatur, die einen Prozeß nach einem A. durchführen kann, so spricht man von einem Prozessor. Typische Prozessoren sind Automaten, 90

91 zu denen Computer zu rechnen sind. Computer erhalten ihre A. in Form von Programmen Programme sind also A. [Schulze 1989, 111f.] (Das Wort ist abgeleitet aus dem Namen des arabischen Mathematikers und Astronomen al-khowarizm, der um das Jahr 825 herum u.a. Lehrbücher über Algebra schrieb.) In der Definition finden wir alle Charakteristika wieder, die wir schon für Routinen und Rezepte herausgestellt hatten. Es wird der Eindruck erweckt, als ob die Mathematik nur eine von vielen möglichen Bereichen sei, in denen Algorithmen zur Anwendung kommen. Nicht einmal erwähnt wird die Differenz zwischen Regeln oder Anweisungen, die interpretationsbedürftig sind und deshalb nur von Menschen verstanden und befolgt werden können, und solchen Regeln, die interpretationsfrei sind und deshalb von Maschinen ausgeführt werden können. Deshalb sei betont: Algorithmen sind Abfolgen von Anweisungen für Operationen, für deren Befolgung keine Interpretation durch ein menschliches Subjekt erfolgen, sondern lediglich eine eindeutige Zuordnungsregel gegeben sein muss, welche formale (mathematische) Operation welcher Anweisung entspricht. Algorithmen können daher auch von Maschinen abgearbeitet werden; sie heißen dann (Computer-)Programme. Insofern können wir nun die Begriffe Handlungsroutine/Rezept, Algorithmus, Computerprogramm in das uns bereits vertraute Schema der triadischen Relation einordnen. Abb. 23: Algorithmus und Computerprogramm in der triadischen relation nach Peirce Eine ursprüngliche (das meint hier: im lebensweltlichen Handlungskontext herausgebildete) Handlungsroutine, die als Anweisung für künftiges Handeln (auch anderer) gefasst werden soll (Rezept), wird durch Formalisierung (vgl. 6. Vorlesung) als Algorithmus (Folge von formalen Operationen oder Rechenschritten) gefasst, der dann - entsprechend codiert - als Computerprogramm maschinenausführbar ist. Dass in unserem Falle dieser Algorithmus eine pädagogische Tätigkeit abbilden (modellieren) soll, dies zu "sehen" und zu verstehen, bedarf noch der Interpretation durch Personen, die wissen, was eine pädagogische Tätigkeit ist. 91

92 Die Umsetzung des Algorithmus in ein Computerprogramm (Lehrprogramm) dagegen ist interpretationsfrei, allein auf der Basis einer bekannten oder zu bestimmenden Zuordnungsregel realisierbar. Computer können also Probleme lösen, ohne sie zu verstehen. Nach Auffassung von Vertretern und Befürwortern des Projekts Künstliche Intelligenz sind entweder alle oder doch jedenfalls genügend viele der praktischen und theoretischen Probleme menschlicher Lebensführung im Prinzip so geartet, dass ihre Lösung algorithmisierbar ist. Auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, seien wir selbst demzufolge nichts anderes als Prozessoren zur Abarbeitung von Algorithmen. Was algorithmisierbar ist, ist entsprechende technologische Entwicklung vorausgesetzt auch automatisierbar, d.h. konkret: in ein Computerprogramm umsetzbar. Die Projekte, mit denen Künstliche Intelligenz sich beschäftigt, sollen eben dies zeigen. Eine ihrer wesentlichen Grundlagen ist die Analyse menschlichen Verhaltens hinsichtlich der darin verborgenen (unbewusst wirkenden) Algorithmen. Sogenannte Intelligente tutorielle Systeme beispielsweise stellen den Versuch dar, die Tätigkeit des Lehrens algorithmisch zu fassen und die dabei zu lösenden Probleme als formal (mathematisch) lösbar auszuweisen Aufbau eines Algorithmus Ein Algorithmus ist aus einer endlichen Zahl separater Arbeitsschritte aufgebaut. Jeder dieser Schritte ist eine Anweisung an den Prozessor. Bei der Abfolge der Schritte sind drei Grundformen zu unterscheiden: Reihung (Sequenz) Abfolge von Arbeitsschritten. Diese Abfolge kann zwingend sein (die Schritte müssen in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen werden) oder beliebig (die Reihenfolge der Ausführung ist beliebig). In einem Lernprogramm beispielsweise wird die Abfolge in der Regel zwingend sein, wenn es sich um Lernschritte handelt, die aufeinander aufbauen. Sie wäre beliebig, wenn es sich um das Lernen unzusammenhängender Einzelheiten handelte (z.b. Vokabellernen). Die Reihung ist die Grundstruktur eines jeden Algorithmus. 92

93 Abb. 24: Reihung in einem Lehr-Algorithmus Auswahl (Selektion; bedingte Verzweigung) Hierbei wird der Fortgang des Prozesses abhängig gemacht vom Zutreffen bestimmter Bedingungen (z.b. bestimmter interner Zustände des Systems oder bestimmter Inputs). Je nach Bedingung wird auf einem von mehreren Zweigen des Algorithmus fortgefahren: Wenn xy gegeben ist, dann tue dies; sonst tue jenes. Die Zahl der möglichen Bedingungen ist unbegrenzt, aber endlich. Die bedingte Verzweigung erlaubt interaktive Programme, d.h. das Abhängigmachen des Prozessverlaufs von den jeweiligen Inputs, z.b. den Antworten auf Kontrollfragen in einem Lernprogramm. Sie erhöht die Flexibilität eines Prozesses, also seine Anpassungsfähigkeit an variierende Umweltbedingungen. Die bedingte Verzweigung erlaubt darüberhinaus eine Rücksichtnahme des Prozesses auf den jeweiligen Zustand des programmierten Systems. Z.B.: Wenn Du die und die Information schon hast, dann tue dies; wenn sie noch nicht vorliegt, dann hole sie jetzt ein. 93

94 Abb. 25: Bedingte Verzweigung in einem Lehr-Algorithmus Wiederholung (Iteration) Ein Abschnitt des Algorithmus wird wiederholt durchlaufen. Dabei wird entweder die Zahl der Wiederholungen vorgegeben, oder die Wiederholung findet so oft statt, bis eine bestimmte Bedingung eintritt. In einem Lernprogramm z.b. wird eine Abfolge von Lernschritten so oft nochmals durchlaufen, bis der Lernende auf eine diese Abfolge abschließende Kontrollfrage die richtige Antwort gibt. Die Wiederholung selbst kann durch eine bedingte Verzweigung eingeleitet werden. In einem Programmlisting erfordert sie einen Rücksprung zu einer früheren Programmzeile. In einem Flussdiagramm läßt sie sich anschaulich als Schleife darstellen. 94

95 Abb. 26: Iteration (Schleife) in einem Lehr-Algorithmus 7.2 Maschinen Klassische Maschinen Als klassisch werden Maschinen bezeichnet, deren Betätigung/Einsatz Wirkungen in der physikalischen Welt hervorruft; z.b. eine Nähmaschine. [Bammé u.a. 1983, 149ff.] Klassisch heißen sie deswegen, weil es inzwischen etwas Moderneres gibt. Klassische Maschinen befinden sich in einer Wechselwirkung mit der physikalischen Realität. Solche Maschinen können computergesteuert (prozessorgesteuert) sein. Dann ist der Computer (Prozessor) als Steuerungs- und Kontrollzentrale Teil einer realen (klassischen) Maschine (z.b. eines modernen Waschautomaten), nicht aber selbst die Maschine. Nimmt man den Computer aus der Maschine heraus, deren Teil er ist, kann man ihn ebenfalls als eine Maschine vom klassischen Typ betrachten (so wie man einen Motor aus einer Maschine herausnehmen und für sich betrachten kann). Es handelt sich dann, simpel gesagt, um eine automatische Schalttafel, die in einer vorbestimmten Abfolge in Speicherzellen positive oder negative elektrische Ladung erzeugt (man könnte sagen: an definierten Stellen das Licht ein- und 95

96 ausschaltet ). Die Abfolge der Schaltungen ist bei einem zur Steuerung und Kontrolle einer realen Maschine eingesetzten Prozessor durch einen Algorithmus festgelegt. Handelt es sich um einen frei programmierbaren Computer (ist die Maschine computergesteuert), lässt sich das Programm (der Algorithmus) ändern; der Prozessor lässt sich umprogrammieren. Computergesteuerte Maschinen sind daher flexibler für unterschiedliche Einsatzzwecke einzusetzen. Der Computer wird allerdings nicht eingesetzt, um an definierten Stellen in seinem Inneren das Licht ein- und auszuschalten das würde vielleicht hübsch aussehen, wenn man es betrachten könnte, ist aber nicht von Interesse. Sondern er soll eine reale Maschine steuern. Die internen Zustände der Schalttafel werden daher in eine Beziehung gesetzt zu realen Maschinenteilen, das heißt: nach außen geleitet und dabei in eine Abfolge physikalischer Zustände der Maschine, z.b. in die Steuerung eines Greifarms, umgesetzt ( Output ). Ebenso ist es umgekehrt: Von realen Maschinenteilen (z.b. einem Thermometer) werden physikalische Zustände (in diesem Falle eine Temperaturmessung) an den Computer gemeldet, d.h. in Ladungszustände von Speicherzellen umgesetzt ( Input ). Bei dieser Umsetzung findet sozusagen eine Abbildung von Zuständen der realen Maschine in Ladungszustände der Speicherzellen des Computers statt. Anders ausgedrückt: Diese Ladungszustände stehen für (symbolisieren) reale Zustände der klassischen Maschine ; ihre Abfolge steht für (symbolisiert) reale Prozesse/Operationen dieser Maschine. Indem der Computer physikalisch in der Abarbeitung eines Algorithmus eine Abfolge von Ladungszuständen erzeugt, erzeugt er so betrachtet zugleich eine Abfolge symbolischer Darstellungen von realen Maschinenzuständen. Sein Prozess symbolisiert einen realen Maschinenprozess Symbolverarbeitende, transklassische Maschinen Computer werden daher auch als symbolverarbeitende Maschinen bezeichnet, als eine neue Art von Maschinen, die nach den klassischen Maschinen auftritt. Es ist aber zu betonen, dass sie die klassischen Maschinen nicht etwa ablösen. Vielmehr stellen Computer als symbolverarbeitende Maschinen Teile von klassischen Maschinen dar. Man kann noch weitergehen und sagen: Überhaupt nur als Teile von klassischen Maschinen fungieren Computer als symbolverarbeitende Maschinen, weil nur dann ihre internen Zustände für etwas stehen (etwas symbolisieren). Diese Beziehung zwischen den internen Zuständen des Computers und den Zuständen der realen Maschine, die er steuert, wird physikalisch vom 96

97 Konstrukteur der realen Maschine hergestellt, indem er die Ein- und Ausgänge des Computers (die Schnittstellen zwischen Computer und realer Welt, an denen reale Zustände und Operationen in Ladungszustände der Speicherzellen des Computers umgewandelt werden) mit Peripheriegeräten verbindet. Die gesamte Systemeinheit aus Peripheriegeräten und Computer ist eine reale Maschine, die von einer symbolverarbeitenden Maschine gesteuert wird. Intern werden die eingegebenen Daten nun verarbeitet. Das heißt, es wird in Reaktion auf einen Input aus der Peripherie, z.b. eine Tastatureingabe, ein Algorithmus abgearbeitet, der zu einem Resultat führt, das wiederum als Output an die Peripherie ausgegeben wird, woraufhin real etwas geschieht, z.b. ein Buchstabe auf einem Bildschirm erscheint. In diesem Beispiel hat die computergesteuerte Maschine als Schreibmaschine fungiert. Sie kann das, weil der Computer für eine entsprechende Umsetzung von Inputs in Outputs sorgt. Der Computer wiederum kann das, weil er über den entsprechenden Algorithmus verfügt, d.h. entsprechend programmiert ist, z.b. durch Laden eines Textverarbeitungsprogramms. Der gesamten Konstruktion dieser realen Maschine unter Einschluss ihrer symbolverarbeitenden Maschine liegt eine Abstimmung zwischen den durch die angeschlossene Peripherie (Tastatur, Maus, Bildschirm, Drucker) erzeugbaren realen Maschinenzuständen und den internen Zuständen des Computers zugrunde. Diese Abstimmung existiert, bevor sie realisiert wird, nur im Kopf des Maschinenkonstrukteurs. Sie ist auch die Grundlage für die Aufstellung des Algorithmus (das Schreiben des Programms), mit dem gefüttert der Computer zur Steuerungszentrale dieser Maschine werden kann. Würden z.b. an einen auf Textverarbeitung programmierten Computer andere Peripheriegeräte angeschlossen, würde das Textverarbeitungsprogramm intern durchaus funktionieren, aber die reale Maschine würde nicht funktionieren. Beim Schreiben des Programms (der Aufstellung des Algorithmus) interpretiert der Programmierer bestimmte Input-Daten als Tastaturanschläge (dieser Interpretation muss real der tatsächliche Anschluß einer Tastatur sowie eine passende Umsetzung der elektrischen Impulse, die von der Tastatur erzeugt werden, in Ladezustände von Speicherzellen, entsprechen) und bestimmte daraus erzeugte Output-Daten als Bildschirmdarstellung dieser Zeichen (dieser Interpretation muß real der tatsächliche Anschluss eines Bildschirms sowie eine Umsetzung der internen Zustände des Computers in die Ansteuerung des Bildschirms ensprechen). 97

98 Nur auf der Grundlage dieser Interpretation, die zugleich die Unterstellung einer bestimmten Maschinenrealität ist, wird das Programm sinnvoll, erfüllt es seinen Zweck, bedeutet es mehr, als hingeschrieben wird, nämlich die Kopplung realer Zustände und Operationen (ich schlage eine Taste an, und auf dem Bildschirm erscheint ein Buchstabe) zu sinnvollen Zusammenhängen. Hingeschrieben werden nämlich nur Zeichen für die internen Ladezustände. Welche Zeichen dafür gewählt werden, ist im Prinzip gleichgültig. Es werden nur zwei gebraucht, weil es nur zwei zu unterscheidende Ladezustände gibt. Man benutzt 0 und 1, weil dies die beiden Zeichen im schon früher entwickelten binären Zeichensystem sind. Durch Mehrstelligkeit lassen sich 2 x (x gibt die Zahl der Stellen an) Zahlen des Dezimalsystems darstellen, und zugleich lassen sich auch alle anderen Zeichen, z.b. Buchstaben, und Zeichenketten im binären Zeichensystem codieren, wobei die Zahl der darstellbaren Zeichen nur durch die Zahl der Stellen (d.h. die Anzahl der zu sog. Wörtern zusammengefassten Speicherzellen) begrenzt ist. Der Code, in dem Computerprogramme geschrieben werden, dient daher der symbolischen Darstellung in zweifacher Weise: erstens der Symbolisierung der internen Zustände des Computers, zweitens vermittelt darüber der Symbolisierung realer Maschinenzustände. Ein Programm stellt also zweierlei dar: eine Abfolge von internen Computerzuständen und eine Abfolge von realen Maschinenzuständen. Wird der Computer mit dem Programm programmiert und werden die entsprechenden Peripheriegeräte angeschlossen, entsteht eine reale Maschine Virtuelle Maschinen Das Programm könnte man daher als virtuelle Maschine bezeichnen. Es repräsentiert die Steuerungsmöglichkeiten einer realen Maschine, die nur dann aktualisiert werden, wenn das Programm geladen ist. Alles, was man mit der Maschine machen kann oder was die Maschine als Automat machen kann, ist im Programm der Möglichkeit nach (= virtuell) enthalten. Stellen wir das zuvor Erläuerte einmal schematisch dar, so ergibt sich folgendes Bild: 98

99 Abb. 27: Entwicklung eines programmgesteuerten Maschinenprozesses Ein realer Vorgang (zum Beispiel Wäsche waschen) wird auf seinen funktionellen Kern hin "optimiert". So entsteht (zunächst im Kopf des Ingenieurs) ein Funktionsmodell des Waschvorgangs, in dem von vielem, was beim wirklichen Waschen nebenher noch passiert, abstrahiert worden ist. Um dieses Funktionsmodell technisch in einen programmgesteuerten Waschvorgang umzusetzen, wird einerseits ein Wasch-Algorithmus entwickelt, der die Abfolge der formalen Operationen beschreibt, zum zweiten eine reale Maschine (Waschmaschine) entworfen, die in der Lage ist, diese Operationen konkret in Waschvorgänge umzusetzen. Der Wasch-Algorithmus kann nun durch einen Computer (der eine reale Maschine ist) der Waschmaschine als Steuerungsinstanz implementiert werden. Er wird dadurch zur virtuellen Waschmaschine, welche die reale Waschmaschine steuert (antreibt) und kontrolliert (überwacht). In einem gewissen, veränderten Sinne kann auch hier das Schema der triadischen Relation angewandt werden: 99

100 Die virtuelle Waschmaschine (das Waschprogramm) ist das Repräsentamen der realen Waschmaschine. Diese "Bedeutung" des Programms wird allerdings durch eine spezielle Art von "Interpretant" vermittelt, an die Peirce keinesfalls gedacht haben kann: die technische Kopplung von virtueller und realer Maschine, die dafür sorgt, dass ein Schritt im Programm tatsächlich einen Schritt im realen Waschvorgang (im Maschinenprozess) bedeutet, nämlich: diesen auslöst oder bewirkt. Die virtuelle Maschine kann es also nur in dieser Kopplung mit der realen Maschine geben. Reale Maschinen dieses Typs wiederum (programmgesteuerte Maschinen) funktionieren nur im Duett mit ihrer virtuellen Maschine. Beide brauchen einander. Die virtuelle Maschine ersetzt somit nicht die reale Maschine, sondern steuert und kontrolliert sie. Die etymologische Herkunft des Wortes "virtuell" weist darauf hin. Virtuell kommt vom lat. virtus = Kraft, Möglichkeit zu, Tugend. Die virtuelle Maschine ist gleichsam die Kraft und Tugend der konkreten Maschine; ihre Kraft, indem sie sie antreibt; und ihre Tugend, indem sie ihr die Norm des Verhaltens steuernd vorgibt und sie auf deren Realisierung hin kontrolliert. Damit wird das Gespann virtuelle Maschine - konkrete Maschine zum automatischen Maschinensystem. Die abstrakte Maschine hat sozusagen das Ruder übernommen. Sie nimmt jetzt die Subjektstelle ein, die zuvor der menschliche Kopf einnahm. Das Subjekt ist abstraktifiziert zur Steuerungssoftware. Es ist klar, dass der Kontext, in dem die konkrete Maschine operieren wird, nicht vollständig vorhersehbar ist. Das wird in die Steuerungssoftware eingebaut, indem eine Kontrolle des konkreten Maschinenverhaltens implementiert wird. Vor jedem Steuerungsschritt wird der Zustand des Systems abgefragt (kontrolliert). Das System wird kybernetisch in sich rückgekoppelt (vgl. 4. Vorlesung). Um jedoch eine Abfrage starten zu können, muss klar sein, wonach gefragt wird; und die Antwort muss in Daten umsetzbar sein. Es gibt also durchaus einen definierten Datenrahmen, innerhalb dessen mögliche Zustände angenommen werden können. Die mögliche Variation der Zustände ist eingeschränkt. Die abgefragte Qualität (z.b. Wärme) ist festgelegt; es werden nur Qualitäten abgefragt, die messbar sind (Temperatur); und der Messbereich ist eingegrenzt (Messbereich des Messinstruments). Qualitäten, an die man vorher nicht gedacht hat, werden nicht erfasst; Qualitäten, die nicht messbar sind, werden ausgeschlossen; Messgrößen, die außerhalb des Messbereichs liegen, werden nicht erfasst. Was offenbleibt, ist allein der genaue Wert. 100

101 8. Vom Instrument zum Automaten 8.1 Werkzeug Wenn von Technik die Rede ist, dann wird sehr oft ihr Werkzeugcharakter betont. Der Betonung des Werkzeugcharakters liegt so etwas wie eine abwiegelnde oder beruhigende Intention zugrunde: Traut der Technik bloß nicht zu viel zu; letztlich ist sie doch nur ein Werkzeug in den Händen von Menschen. Und daher kommt es letztlich eben auf den Menschen an. An ihm liegt es, ob Technik etwas Gutes oder etwas Schlechtes bewirkt. Vor den Menschen muss man sich fürchten, oder auf die Menschen kann man hoffen; die Technik aber braucht man weder zu fürchten noch kann man auf sie hoffen. Dieser Hinweis auf die immanente Harmlosigkeit der Technik als eines bloßen Werkzeugs wird gerade da besonders häufig bemüht, wo der Werkzeugcharakter am ehesten in Frage steht, nämlich bei der Informationstechnik. Denn hier haben wir es mit Automaten zu tun; und es fragt sich, ob und wie Automaten noch Werkzeuge sind. In dieser Vorlesung soll zur Annäherung an diese Frage in einigen groben Schritten rekonstruiert werden, wie man sich die entscheidenden Schritte im Übergang der Technik vom einfachen Werkzeug in den Händen von Menschen hin zum Automaten vorzustellen hat. Die Behauptung eines Werkzeugcharakters der Technik bezieht sich auf eine Zweck-Mittel-Struktur: Das Werkzeug (Instrument) ist Mittel zu einem vorgestellten Zweck. Es hilft, diesen Zweck zu realisieren oder zu erreichen, indem es den vom Subjekt vorgestellten Zweck auf ein Objekt vermittelt. Aufgrund der Wirkung des Instruments wird das Objekt so in eine Relation zum Subjekt versetzt, dass sich zum vorgestellten Zweck eine reale Entsprechung einstellt: Beim Arbeitswerkzeug (Prototyp: der Hammer) besteht diese Relationierung in der materiellen Umformung des Objekts; beim Beobachtungsinstrument (Prototyp: das Fernrohr) in seiner Sichtbarbarmachung für das Subjekt; beim Messinstrument (Prototyp: das Metermaß) in seiner Verwandlung in ein mathematisches Objekt. 101

102 Abb. 28: Typen des Instruments Die unterschiedlichen Pfeilrichtungen in der Abbildung 28 sind wie folgt zu interpretieren: Das Arbeitswerkzeug dient der Übertragung der zweckmäßigen Handlung des Subjekts auf das dadurch veränderte Objekt. Das Beobachtungsinstrument dient der Sichtbarmachung von Eigenschaften des dadurch (möglichst) nicht veränderten Objekts. Das Messinstrument dient der Erfassung von messbaren Eigenschaften des dadurch nicht veränderten Objekts, damit aber zugleich der Verwandlung dieses Objekts in ein Objekt mathematischer Operationen (vgl. 2. Vorlesung). Dieser Zusammenhang von vorgestelltem Zweck, Mittel (bzw. vermittelnder Handlung) und umgeformtem Objekt wird auch als Zweckrationalität bezeichnet: Der Zweck entstammt der subjektiven Ratio, und diese rationalisiert das handelnde Einwirken auf das Objekt im Sinne ihres Zwecks. Prinzipiell ist zweckrationales Handeln allerdings auch ohne Instrument möglich, allein durch den Gebrauch der körpereigenen Organe. Verstehen wir Arbeit als zweckrationale Tätigkeit, und stellen wir sie uns zunächst vor noch ohne technisch-instrumentale Verstärkung, dann lässt sich sagen: Arbeit ist Organgebrauch; aber darin ist sie zugleich latente Kritik des gebrauchten Organs. Im Organgebrauch wird mit der Arbeitshandlung nämlich auch das Organ dem vorgestellten Zweck unterstellt. In der vermittelnden Tätigkeit wird das Organ selbst zum Mittel; und es wird damit einem Urteil über seine Zweckgemäßheit unterworfen. Vom vorgestellten Zweck her entstehen nun Ansprüche und Anforderungen an das Mittel, denen das Organ nur unzureichend genügt. Der Mensch ist organisch Mängelwesen (Herder), er wäre in jeder natürlichen Umwelt lebensunfähig, und so muß er sich eine zweite Natur, eine 102

103 künstlich bearbeitete und passend gemachte Ersatzwelt, die seiner versagenden organischen Ausstattung entgegenkommt, erst schaffen, und er tut dies überall, wo wir ihn sehen. Er lebt sozusagen in einer künstlich entgifteten, handlich gemachten und von ihm ins Lebensdienliche veränderten Natur, die eben die Kultursphäre ist. Man kann auch sagen, daß er biologisch zur Naturbeherrschung gezwungen ist. [Gehlen 1961, 48] Dass das Organ den Zweck beschränkt, ist Ausdruck eines Sich-selbst-nicht- Genügens des Menschen. Die instrumentelle Betrachtung des Organs, die sich aus der Arbeit ergibt, befördert sowohl die funktionale Spezialisierung des Organs und damit die Arbeitsteilung als auch die Erfindung des besseren Organs: des technischen Mittels als Organersatz, Organentlastung und Organüberbietung [Gehlen 1961, 93]. Durch die Auslagerung der instrumentellen Qualität des Organs in das technische Mittel wird erst die zweckrationale, d.h. allein auf den Zweck gerichtete Gestaltung des Mittels möglich. Diese setzt zunächst eine Reduktion auf das Wesentliche (auf die aktuell ins Auge gefaßte Funktion) voraus und intendiert dann die Optimierung. Gegenüber dem Organ ist das Werkzeug stärker funktional spezialisiert und optimiert und dadurch im Gebrauch effektiver: Der Arbeitszweck ist schneller, mit geringerem Krafteinsatz erreichbar; das Arbeitsergebnis entspricht qualitativ in höherem Maße dem vorgestellten Zweck; es sind Arbeitsergebnisse erreichbar, die allein mit körperlichem Einsatz nicht angegangen werden könnten; der arbeitende Mensch schont seine Organe, indem er sie vor gesundheitsschädigenden Rückwirkungen des Arbeitsprozesses bewahrt. Nun ist die Arbeit allerdings ursprünglich nicht nur zweckrationale Produktion, sondern auch eine selbst mehr oder weniger genussvolle Lebensäußerung, unmittelbare Natur-, Selbst- und Sozialerfahrung. Der Einsatz der eigenen Lebenskräfte geschieht nicht nur unter Maßgabe instrumenteller Effektivität, und die Reflexivität des menschlichen Lebens: dass in der Arbeit das menschliche Leben für sich selbst sorgt, wird nicht erst vermittelt über die Konsumtion des Arbeitsprodukts bewahrt. Arbeit ist auch selbst unmittelbarer Austausch von innerer und äußerer Natur. Befriedigend im menschlichen Sinne ist sie daher nicht allein dadurch, dass ihr Produkt dem vorgestellten Zweck entspricht, also ein Gut ist, sondern auch abhängig davon, wieweit sie selbst im Vollzug dem Menschen gut tut. 103

104 Anders ausgedrückt: Die instrumentelle Betrachtung der Organe als Mittel beschränkter Wirksamkeit ist keineswegs selbstverständlich. Sie liegt nicht einfach in der Natur der Sache Organ. Erst aus rückwirkender Interpretation vom technischen Werkzeuggebrauch her kann der menschliche Leib als eine Art Werkzeugkasten interpretiert werden, dessen Inventar man sich zu wechselnden Zwecken und mit unterschiedlicher Effektivität bedient: Zum Sehen benutzen wir unsere Augen; zum Hören benutzen wir das Herz; zum Luft-in-den-Körper- Pumpen die Lunge; zum Blut-durch-den-Körper-Pumpen das Herz, zum Reinigen des Blutes die Leber usw. Wie problematisch diese instrumentelle Sicht auf den menschlichen Leib ist, wird deutlich, wenn wir uns fragen, wer es denn ist, der all diese Organe benutzt. Entweder müsste man dann nämlich ein körperloses Ich annehmen, das trotz seiner Körperlosigkeit in der Lage ist, etwas Körperliches zu benutzen (aber wozu eigentlich?); oder wir müssen zugestehen, dass Menschen einen Leib nicht nur haben, sondern Leib sind. Im ersten Falle geraten wir auf das Gelände der Vorstellungen von einer unsterblichen Seele, die den Leib nur bewohnt und benutzt ; im zweiten Falle wird uns die instrumentelle Sicht notwendigerweise als fragwürdig bzw. als eine reduktionistische, allein nicht ausreichende Sicht erscheinen. Doch zurück zum Instrument. Die Benutzung eines technischen Mittels verlangt auf der frühen Stufe technischer Entwicklung zwar immer noch den Körpereinsatz (Organgebrauch). Die Gegenstandserfahrung, die dabei gemacht wird, ist nun allerdings teilweise durch das Instrument vermittelt. Sie ist dadurch gerichtet: gerichtet auf den Zweck, dem das Instrument gemäß ist. Der Gegenstand erscheint reduziert auf das, was das Instrument an ihm erschließt. Alles, was darin nicht aufgeht, entgeht der Erfahrung. Wie eine Redensart sagt: Wer nur einen Hammer hat, sieht die ganze Welt als Nagel. Das Gleiche gilt für die Selbsterfahrung. Der Mensch erfährt sich selbst als werkzeugführendes, zweckrational handelndes Subjekt und nimmt sich nicht mehr in dem wahr, was er außerdem noch ist. Das Instrument vermittelt Mensch und Welt in der Weise, dass die Welt nur noch als potenzielles Material menschlicher Zwecke (in Hinsicht ihrer zweckdienlichen Eigenschaften) und der Mensch selbst nur noch als rational seine Zwecke in der Welt verfolgendes Wesen erscheint. In dieser Weise werden Mensch und Umwelt durch das Instrument funktional einander angepasst. Denn wo das Instrument vermittelt, wird eine Funktion, eine Wenn-Dann-Beziehung in Kraft gesetzt. Gehlens Charakterisierung des technischen Mittels als des zweckrational verbesserten Organs ist daher nur die halbe Wahrheit. Das technische Mittel, soweit es sich tatsächlich aus dem Organ ableitet, ist eine Organabstraktion. 104

105 Durch seinen Gebrauch wird der Mensch mächtiger und ärmer zugleich. Er wird mächtiger in den Belangen, die in instrumentell vermittelte Funktionszusammenhänge Eingang finden; ärmer aber in allem, was er aufgeben muss, um in diese eintreten zu können. Der von einer Hand erfasste Hammer konzentriert deren Funktion auf den Schlag; er ist ungeeignet zum Werfen, Fangen, Greifen: Das Instrument reduziert die Funktionsvielfalt des Organs. Der von der Hand geschwungene Hammer ist machtvoll, wenn es darum geht, einen Pflock in die Erde zu rammen, aber er ist ungeeignet, das Gefühl zu vermitteln, das sich beim Streicheln der Haut eines geliebten Menschen einstellt: Das Instrument reduziert das Organ auf Funktion. Allerdings: Damit dies alles geschieht, muss das Instrument benutzt werden. Ein Subjekt muss sich dazu entschließen und es ergreifen. Auch wenn das Instrument die Objektivierung einer Funktion ist, kann diese erst in Kraft gesetzt werden, wenn ein Subjekt dies will. Und das Instrument richtet zwar die Aufmerksamkeit und Tätigkeit des benutzenden Subjekts im Sinne der Funktion aus, aber dass der Prozess dann tatsächlich entsprechend abläuft, hängt davon ab, ob das Subjekt sich auch in einer der Zweckgemäßheit des Instruments entsprechenden Weise zweckmäßig verhält. Das Instrument kann noch so gut sein; wird es unzweckmäßig eingesetzt, läuft der Prozess schief. (Umgekehrt kann auch ein schlechtes Instrument durch zweckmäßigen Einsatz oder ein unpassendes Instrument durch zweckmäßige Zweckentfremdung noch seine Dienste tun.) Das Ganze der Funktion vereinigt also Zweckgemäßheit des Instruments und Zweckmäßigkeit seines Einsatzes. Dem entspricht, dass das Instrument sozusagen zwei Seiten hat: eine dem Menschen und eine dem Gegenstand zugewandte Seite. Mit der einen Seite muss es sich dem menschlichen Organismus vermitteln, an ihn anschmiegen ( handlich sein); mit der anderen Seite rückt es dem Gegenstand in der dem Zweck entsprechenden Weise zu Leibe. Beim Hammer sind diese beiden Seiten in der Griffigkeit des Stiels und der Form und Härte des Kopfes präsent. In der Griffigkeit des Stiels bleibt der Hammer dem menschlichen Organismus verbunden, muss seine Gestaltung Rück-sicht nehmen auf die Herkunft vom Menschen. Die Form und Härte des Hammerkopfes hingegen weist vom Menschen weg auf eine Bearbeitung des Gegenstandes, welche die im menschlichen Organismus beschlossenen Möglichkeiten hinter sich lässt. 105

106 Abb. 29: Zwei Seiten des Instruments Solange als technische Mittel lediglich Instrumente zur Verfügung stehen, bleibt der menschliche Organismus ein Teil des funktional bestimmten Prozesses. Anders ausgedrückt: Das Instrument bleibt Moment der menschlichen Bewegung, diese zweckrational fokussierend und verstärkend. Die zweckmäßigen Bewegungen des menschlichen Organismus induzieren die Zweckrationalität des gesamten Prozesses. Das Instrument mag zwar die Zweckgemäßheit der Organe vertreten und übertreffen; die Zweckmäßigkeit der Bewegung (als Führung des Instruments) und daher des Prozessablaufs aber bleibt an Willen und Fähigkeit des Menschen gebunden. Der Prozess bleibt unter subjektiver und organischer Regie. Im Idealfalle wie dem virtuosen Spiel eines Musikinstruments verschmilzt das Instrument gar so mit dem menschlichen Organismus, dass es gar nicht mehr als Fremdkörper, als selbstständiger Gegenstand erscheint, sondern in der Tat als eine Organverlängerung. Die andere Seite dieses Vorgangs ist, dass dieser Mensch dann, sobald er sein Instrument in die Hand nimmt, nur noch Musiker ist, vollständig, mit Haut und Haaren, und sonst nichts mehr. (Die Identifikation eines Menschen mit dem von ihm ausgeübten Handwerk kann man so auch als eine fast unausweichliche Folge des virtuosen Gebrauchs des Instruments ansehen.) 8.2 Maschine Anders, wenn das Instrument weiterentwickelt wird zur Maschine. Vom Instrument unterscheidet sich die (klassische) Maschine dadurch, dass nun Elemente der subjektiven und organischen Regie objektiviert werden. (Zum Maschinenbegriff vgl. die 7. Vorlesung) Dementsprechend ist eine Stufung der Maschinisierung als schrittweise Entfernung des menschlichen Organismus 106

107 aus dem zweckrationalen Prozess darstellbar, die schließlich zum vollautomatischen Maschinensystem führt. Diese Schritte lassen sich in Bezug auf die verschiedenen Momente dessen, was zweckmäßige Handhabung oder Führung des Instruments genannt wurde, verdeutlichen: Antrieb, Steuerung, Kontrolle und Rückkopplung (der Kontrolle an Antrieb und Steuerung). Diese Momente sind in der handwerklichen Tätigkeit miteinander verwoben. Sie lassen sich aber getrennt voneinander vom handelnden Menschen auf das Instrument übertragen, das eben dadurch schrittweise zur Maschine transformiert wird. Abb. 30: Antrieb, Steuerung, Kontrolle, Rückkopplung beim handwerklichen Prozess Maschinisierung des Antriebs (Motorisierung): Beim Werkzeuggebrauch setzt der Mensch physische Energie ein. Das Gewicht des Instruments beispielsweise muss der organischen Kraft eines Menschen angepasst werden. Auch die Kraft, mit der das Instrument gegebenenfalls auf den Gegenstand einwirken kann, ist organisch begrenzt. Durch den Einsatz tierischer Kraft (Arbeitstiere), durch die Ausnutzung von Wasser- und Windkraft (z.b. Mühlen) haben die Menschen auch schon auf früheren Stufen diese Schranken zu überwinden vermocht. Doch erst die freie Verfügbarkeit von Antriebs-Energie an jedem Ort (Motoren) führte zur universellen Maschinisierung des Antriebs und damit zur allgemeinen Emanzipation zweckrationaler Prozesse von der physischen Kraft des menschlichen Organismus. Die Maschinisierung des Antriebs macht nun deutlich, dass der menschliche Antrieb zwei Momente enthält, von denen zunächst nur einer objektiviert werden 107

108 kann. Wenn ein Mensch ein Instrument handhabt und hierzu physische Energie mobilisiert, dann deswegen, weil er es will. Der Mobilisierung physischer Energie liegt ein psychischer Antrieb zugrunde. Nur der Einsatz physischer Energie kann maschinisiert werden. Was bleibt, ist der Ein- und Ausschaltknopf, den zu betätigen ein Mensch sich entschließen muss die letzte Rückkopplung des Antriebs an den menschlichen Organismus, solange nicht auch dies noch maschinisiert ist, also die Maschine selbst entscheidet, wann sie sich in Gang setzt (wie dies bis zu einem gewissen Grade in Form automatisierter Entscheidungsroutinen, beispielsweise in der Militärtechnik, schon der Fall ist). (Voraussetzung ist die Möglichkeit eines Standby-Betriebs der Maschine: ein Minimum an Energiezufuhr muss für die Ausführung der maschinellen Entscheidung aufrechterhalten werden.) Maschinisierung der Steuerung: Der handwerkliche Einsatz eines Instruments wird durch die Bewegungen des menschlichen Organismus gesteuert. Entsprechend begrenzt sind die Bewegungsmöglichkeiten, und entsprechend ungenau ist die Führung des Instruments. Die Führung von mehr Instrumenten, als von einer Person gehandhabt werden können, verlangt die Abstimmung und Synchronisierung zwischen den Bewegungen mehrerer Personen, daher auch Verständigung zwischen ihnen. Die Maschinisierung erschließt Bewegungsformen, die von menschlichen Körpern nicht vollzogen werden können. Sie synchronisiert die Bewegungsabläufe unterschiedlicher Teile der Maschinerie. Vor allem aber sorgt sie für eine exakte Ausrichtung der Bewegungen auf den Zweck. Die Zweckgemäßheit des Instruments findet ihre Entsprechung in der maschinell sichergestellten Zweckmäßigkeit seiner Führung. Zur Steuerung gehört, dass das Instrument an den Gegenstand herangeführt oder dieser dem Instrument zugeführt wird. Beim Nähen von Hand wird in erster Linie die Nadel den Stoff entlang geführt; beim Nähen mit der Maschine dagegen wird der Stoff dem Instrument zugeführt. Die Zuführung des Gegenstandes kann (wie bei einer handelsüblichen Nähmaschine) noch von Hand erfolgen, während die Steuerung des Instruments schon maschinisiert ist (ältere Nähmaschinen wurden noch von Körperkraft angetrieben; nur die Steuerung war maschinisiert); sie kann aber (wie beim Einsatz von Nähmaschinen in der industriellen Textilverarbeitung) ebenfalls maschinisiert werden. Durch die Maschinisierung der Zufuhr von Material wird es z.b. möglich, Materialien zu verarbeiten, mit denen ein menschlicher Organismus nicht in Berührung kommen darf. 108

109 Maschinisierung der Kontrolle: Die Bewegungen eines Menschen, der ein Instrument handhabt, sind kontrolliert. Das Auge verfolgt die Bewegungen der Hand bei der Führung des Hobels; das Ohr vernimmt den Klang beim Aufschlag des Hammers auf das Metall; die Hand spürt den Widerstand des Holzes beim Sägen; die Zunge prüft den Geschmack des Teigs; die Nase registriert den charakteristischen Geruch beim Überschreiten der zulässigen Temperatur. Unter Konzentration seiner Sinne auf den Prozess kontrolliert der Mensch beständig dessen tatsächliche Umstände, Verlauf und Ergebnis und stellt sich entsprechend ein. Maß der Kontrolle ist der mehr oder weniger explizierte Plan, die Vorstellung, die vorweg den Prozess auf den intendierten Zweck möglichst optimal ausrichtet. Kontrolle beinhaltet insofern: Selbstkontrolle (psychische Konzentration und Kontrolle der eigenen Bewegungen), Kontrolle der Instrumentenfunktionen, Kontrolle der Materialqualität, Kontrolle der Randbedingungen, Ergebniskontrolle. Im Verlaufe der technischen Entwicklung wurde eine Unzahl von Instrumenten speziell zu Kontrollzwecken entwickelt. Denn je mehr der Prozess sich von den ursprünglichen organischen Lebensäußerungen des Menschen entfernte, umso unzuverlässiger wurden auch die Sinnesorgane als Kontrollinstrumente. An die Stelle der Sinneswahrnehmung trat die Messung durch Einsatz von Messinstrumenten, teils, weil diese genauere Ergebnisse liefern, teils weil sie Informationen liefern, für die dem Menschen gar keine Sinnesorgane zur Verfügung stehen. Voraussetzung für den Einsatz von Kontroll- und Messinstrumenten ist die Messbarkeit, also a) Bekanntheit und b) Quantifizierbarkeit des Prozessaspektes, der kontrolliert werden soll. Bevor überhaupt die Frage gestellt werden kann, ob etwas messbar ist, muss man wissen, was man messen will. Wo der menschliche Organismus oft unbewusst Informationen über die Umwelt aufnimmt und sie zugleich auch schon qualifiziert (als zu heiß, zu kalt, giftig, zu hart, zu weich, rot usw.), muss beim Instrumenteneinsatz genaue Kenntnis der relevanten Bedingungsfaktoren gegeben sein. Heiß und kalt, giftig, hart und weich müssen in maßgebliche Schwellenwerte umgesetzt werden. 109

110 Bewegungen müssen in geometrisch exakt beschriebenen Bahnen erfolgen; die Zeitdauer von Prozessen muss exakt vorgegeben werden; die Eigenschaften des Materials müssen in messbaren Einheiten definiert werden; Toleranzen für Abweichungen vom Normwert müssen festgelegt werden; die Randbedingungen, unter denen der Prozess stattfindet, müssen exakt registriert werden. Und erst wenn dies alles bekannt ist, können die entsprechenden Instrumente entwickelt und gebaut werden. Während also beim menschlichen Organismus die Sinnesorgane das Wissen liefern, kehrt sich beim Einsatz von Instrumenten das Verhältnis um: Erst muss das grundsätzliche Wissen da sein; dann können die Instrumente gebaut werden. Alles aber, wovon wir noch nicht wissen, dass es für den Prozessverlauf relevant werden könnte, wird nicht gemessen und entgeht dem instrumentellen Kontrollapparat. So liefert instrumentelle Kontrolle immer nur quantitatives Detailwissen oder die Bestätigung bzw. Widerlegung von Hypothesen über relevante Zusammenhänge, niemals aber das qualitative Grundlagenwissen, aus dem qualifizierte Hypothesen erst entwickelt werden können. Solange das Ablesen der Instrumente noch durch Menschen stattfindet, muss eine Anzeige der Messwerte erfolgen und d.h. nach der Messung dann wiederum eine Umsetzung der gemessenen Informationen in Darstellungsformen, die von menschlichen Sinnesorganen erfasst werden können: in optische oder akustische Warnsignale, Anzeige von Zahlenwerten usw. Hier zeigt sich noch die dem Menschen zugewandte Seite des Instruments, die Mensch-Maschine- Schnittstelle, wie man heute auch sagt. Maschinisierung der Rückkopplung von Kontrolle und Antrieb/Steuerung: Kontrolle dient der Sicherung eines planmäßigen (und dadurch zweckrationalen) Prozessablaufs. Der Prozessablauf soll wechselnden Umständen angepasst werden. Störungen sollen festgestellt werden, bevor Zerstörung eintreten kann. Beim Handwerker sind Antrieb, Steuerung und Kontrolle eins: Verliert er die Kontrolle über seine Bewegungen, bricht er die Arbeit ab; das Gleiche gilt, wenn das Instrument seinen Dienst versagt oder das Material ungeeignet ist. Auf unterschiedliche Materialqualität, auf ein Nachlassen der Funktionalität des Instruments durch Verschleiß, auf wechselnde Umweltbedingungen stellt er sich flexibel ein. Die Kontrolle des Prozesses wirkt also zurück auf Antrieb und Steuerung. In moderner Terminologie spricht man von Rückkopplung (von Antrieb und Steuerung an die Kontrolle) und Regelung (von Antrieb und Steuerung durch die Kontrolle). (Vgl. 4. Vorlesung) 110

111 Werden die Kontrollinstrumente eines maschinisierten Prozesses noch von Menschen abgelesen, muss die Rückkopplung sozusagen von Hand vorgenommen werden, z.b. durch Abschalten oder steuernden Eingriff. Maschinisierung der Rückkopplung jedoch heißt, dass die von den Messinstrumenten erhobenen Daten unmittelbar, also ohne menschliche Vermittlung an die Antriebs- und/oder Steuerungseinheit weitergegeben werden und diese sie zu interpretieren weiß, also Regeln zur Verfügung hat, welche Operation auf welchen Wert zu erfolgen hat. Im einfachsten Falle werden Teile der Anlage in Abhängigkeit vom gemessenen Wert einfach ab- oder eingeschaltet (so z.b. bei einer thermostatgesteuerten Heizungsanlage). Im komplexeren Falle wird in Abhängigkeit von den gemessenen Werten die Steuerung variiert. Das setzt voraus, dass die Steuerungseinheit auf verschiedene Varianten von Wenn (dieser oder jener Wert übermittelt wird) Dann (wird diese oder jene Steuerungsvariante in Gang gesetzt) Beziehungen programmiert ist. Informationsübermittlung innerhalb des Maschinensystems sowie Programmierung sind hierfür wesentliche technische Bedingungen. Beides ist in optimaler Weise durch den Einsatz von Computern als Steuerungszentralen zu realisieren. 8.3 Automat Wenn sämtliche soeben skizzierten Elemente von Antrieb, Steuerung, Kontrolle und Rückkopplung maschinisiert sind, können wir von einem vollautomatischen Maschinensystem sprechen. Der menschliche Organismus ist in diesem Falle vollständig aus dem Prozess entfernt. Abb. 31: Automat: Zweckmäßigkeit der Werkzeughandhabung und Zweckgemäßheit des Werkzeugs sind eins geworden Durch Maschinisierung ist erstens eine optimale Abstimmung zwischen der Zweckgemäßheit des Instruments und der Zweckmäßigkeit seiner Führung, zweitens eine Emanzipation der Zweckmäßigkeit von der beschränkten 111

112 Kraft/Ausdauer und den beschränkten Bewegungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten des menschlichen Organismus möglich. Das wiederum erlaubt die Entwicklung von Instrumenten, wie sie vom menschlichen Organismus nicht hätten gehandhabt werden können. Auf der Stufe des automatischen Systems vermittelt die Maschine nicht mehr zwischen dem menschlichen Organismus und der Welt, sondern nur noch zwischen dem menschlichen Willen und der Welt. Das heißt, der Wille des Menschen emanzipiert sich vollständig von den Fähigkeiten seines Organismus. Es fragt sich, ab welcher Stufe der Maschinisierung von einem entscheidenden qualitativen Sprung in der technischen Entwicklung über den Instrumentengebrauch hinaus gesprochen werden kann. Nach meiner Auffassung ist ein erster revolutionärer Schritt mit der Maschiniserung der Steuerung getan. Erst mit diesem Schritt würde ich überhaupt von Maschine im strengen Sinne sprechen. Der zweite revolutionäre Schritt ist die Einführung der maschinell geregelten Steuerung. Eine Maschine würde sich demnach allgemein dadurch gegenüber dem Instrument auszeichnen, dass sie die in ihr implementierten Instrumente selbst steuert. Daraus würde folgen, dass viele Geräte, die wir Maschinen nennen, durchaus noch Züge eines Instruments aufweisen: soweit nämlich die Steuerung noch vom Menschen vorgenommen wird, wie z.b. bei allen Maschinen, die lediglich die menschliche Antriebskraft durch Motorkraft ersetzen (z.b. Bohrmaschine). Ein wesentliches Moment des Instruments, nämlich die Handlichkeit oder Handhabbarkeit bleibt hier erhalten (auch eine Bohrmaschine muß griffig sein). Bei einer echten Maschine aber genügt die Betätigung eines Anlassers, meist eines Schalters, um sie in Gang zu setzen und den Prozess vollziehen zu lassen. Allerdings muss für den Maschineneinsatz auf dieser Stufe eine wichtige Bedingung gegeben sein: die Bedingungen des Prozesses müssen so genau bekannt sein, dass die Steuerung der Instrumente unter Berücksichtigung dieser Bedingungen vorweg maschinell implementiert werden kann. So wird die Maschine beispielsweise auf die Bearbeitung eines Stücks Werkstoff von bestimmter Härte eingestellt. Bietet der Werkstoff jedoch dem maschinell gesteuerten Instrument geringeren oder größeren Widerstand als vorhergesehen, besteht die Gefahr eines Durchdrehens bzw. Festlaufens der Maschine. Ein Handwerker kann auf solche Unregelmäßigkeiten, die das Naturmaterial ja meist aufweist, spontan reagieren. Seine Fähigkeit, sich flexibel auf unvorhersehbar wechselnde Eigenschaften des Gegenstandes einzustellen, sichert ihm die Kontrolle über den Prozess auch unter widrigen Bedingungen. Steuerung und Kontrolle sind im handwerklichen Prozeß eins. 112

113 Im maschinellen Prozeß hingegen impliziert die maschinelle Steuerung nicht schon die Kontrolle des Prozesses. Diese muss eigens gesichert werden. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen: durch Einsatz menschlicher Kontrolleure; diese überwachen den Maschinenprozess und greifen ein (stoppen bzw. unterbrechen den Prozess), wenn eine Störung auftritt; durch Normierung des Materials; es findet nur Material mit garantierten und innerhalb bestimmter Toleranzen gleichartigen Eigenschaften Verwendung; durch kybernetische Rückkopplung der Maschinensteuerung an die Ergebnisse der Kontrolle des Prozesses. Erst der letzte Schritt macht die Maschine tatsächlich autonom und entzieht sie zumindest der technischen Möglichkeit nach der menschlichen Kontrolle. Der Einsatz von Computern als Steuerungszentralen lässt die vollautomatische, kybernetische Maschine immer mehr zur technischen Standardlösung werden. Damit sind wir bei dem Gespann von virtueller und realer Maschine aus dem 7. Kapitel. Ein Automat wäre demnach eine von einer virtuellen Maschine gesteuerte und kontrollierte (geregelte) reale Maschine. Die Regie über den Prozess, die im Handwerk beim arbeitenden Menschen lag, ist an die virtuelle Maschine übergegangen. Wesentliche Bedingung dafür ist die Verwandlung des zu bearbeitenden und zu kontrollierenden Objekts (Prozesses) in ein mathematisches Objekt. Denn nur dann kann die virtuelle Bearbeitung dieses Objektes durch die virtuelle Maschine erfolgen. Bezogen auf virtuelle Maschinen als Lehrautomaten heißt dies: Der Lernende, dessen Lernverhalten sie steuern und kontrollieren sollen, muss ihnen als mathematisches Objekt verfügbar sein (in der 5. Vorlesung wurde dies als Datenschatten bezeichnet). Das führt uns zurück zur Rolle des Messinstruments am Beginn der heutigen Vorlesung: Der Lernende bzw. sein Verhalten wird ausgemessen (Lernstandserhebungen, Tests usw.), und das Messergebnis wird in Form maschinenverarbeitbarer Daten an die virtuelle Maschine weitergeleitet. (In der Terminologie der Psychologie und Informatik nennt sich das Lernermodellierung.) 113

114 8.4 Automatik und Pädagogik Warum beschäftigen wir uns in der Pädagogik mit der Frage, was ein Automat ist? Eine der Intentionen, die im Bereich der Entwicklung von informationstechnischen Systemen für Bildungszwecke verfolgt werden, ist die Schaffung pädagogischer Automaten. Wir sind darauf schon bei der Thematisierung von sich selbst regulierenden Systemen in der 4. Vorlesung gestoßen. Und auch in der 7. Vorlesung war von Computerprogrammen die Rede, welche das Lernverhalten von Menschen steuern und kontrollieren sollen. Die Beziehung zwischen Automaten und pädagogischen Prozessen ist dabei in zweifacher Richtung gegeben. Zum einen scheint es mit der Computertechnologie eine Annäherung der Maschinen an menschliches Verhalten (eine Anthropomorphisierung der Maschine) zu geben; Maschinen sind mehr und mehr zu selbstständigen Leistungen fähig. Zum anderen scheint es eine wachsende Identifizierung des Menschen mit Maschinen zu geben: Menschen erscheinen als eine wenn auch spezielle Sorte von Maschinen. Im Automaten kommen beide Richtungen zusammen. Das Werkzeug in der Hand des Lehrenden verselbständigt sich zum Lehrautomaten, der die lehrende Person ablösen zu können scheint. Und der Lernende entpuppt sich scheinbar als Lernautomat (4. Vorlesung). Für Pädagoginnen und Pädagogen ist es daher höchst bedeutsam, sich mit diesen Argumentationslinien auseinanderzusetzen. Es genügt nicht, die Differenz von Mensch und Maschine (Automat) bloß trotzig zu behaupten. Sie muss in guter Kenntnis dessen, was Maschinen sind und tun argumentativ überzeugend erwiesen werden. Zu verstehen, was eine Maschine und ein Automat sind, ist dazu der erste Schritt. Weitere folgen. 114

115 9. Wirklichkeit und Virtualität 9.1 Virtuelle und reale Maschine Ich knüpfe an die Ausführungen zum Verhältnis von virtueller und realer Maschine an. In der 7. Vorlesung war die virtuelle Maschine als Steuerungsinstanz für die reale Maschine behandelt worden. Eine computergesteuerte Maschine ist eine Maschine, die von einer symbolischen Repräsentation (einem Modell, einem Ideal) ihrer selbst gesteuert und kontrolliert wird. Dass die virtuelle Maschine eine Repräsentation der realen Maschine sei, ist ihr jedoch an ihr selbst nicht anzusehen. An sich enthält die virtuelle Maschine nämlich keinen Verweis auf die von ihr repräsentierte reale Maschine. Sähe man sich die Abfolge ihrer internen Zustände an, wäre absolut nicht zu erkennen, welches reale Geschehen darin symbolisiert sein soll. Sie wird erst, was sie sein soll, in ihrer subjektiv interpretierten und physikalisch realisierten Kopplung an die reale Maschine draußen : ein idealisiertes internes Abbild dieser äußeren Maschine als vollkommener Maschine. Für den Computer als virtuelle Maschine ist jede Außenwelt, mit der er verkoppelt ist, ob wir sie nun als Maschine ansehen oder nicht, immer vollkommene Maschine; denn nur vollkommen maschinelles Verhalten ist von einer Maschine simulierbar. (Der Blick durch den Computer auf die Welt kann uns also diese nur als Maschine repäsentieren auch wenn wir dies nicht sehen sollten, weil wir die Maschine Welt als Nicht-Maschine interpretieren.) Die entsprechende Idealisierung der Außenwelt geschieht an den Schnittstellen des Computers zu seiner Peripherie: die Außenwelt wird vermessen, und die Messergebnisse werden in diskrete Signale umgesetzt, die einen internen Zustand x der virtuellen Maschine erzeugen, der die gemessene Außenwelt, genaugenommen: die Maße der Außenwelt oder die Außenwelt in ihren Messwerten, also in formalen Daten repräsentiert. (Vgl. Vorlesung zur Formalisierung ) In diesen eingespeisten Daten manifestiert sich die Kontrolle über den Zustand der angekoppelten Außenwelt. Sie reicht also so weit, wie die Außenwelt in diesen Daten, nämlich im Zustand x der virtuellen Maschine tatsächlich abgebildet ist. Intern wird nun nach den Anweisungen des Programms, das wiederum die Idealbeschreibung der Verhaltensmöglichkeiten der realen Maschine ist, ein neuer Zustand y der virtuellen Maschine erzeugt, der einen noch nicht existenten, erst herzustellenden neuen Zustand der angekoppelten realen Maschine repräsentiert. Die Simulation geht hier dem Simulierten voran. Die Entsprechung von Zustand y der virtuellen Maschine und äußerer Realität hängt davon ab, wieweit durch 115

116 Ausgabe von Signalen eine entsprechende Zustandsveränderung der angekoppelten realen Maschine bewirkt wird. In den intern generierten Daten manifestiert sich die Steuerung der angekoppelten Außenwelt. Sie reicht demnach so weit, wie im internen Zustandsveränderungspotenzial tatsächlich das Verhaltenspotenzial der realen Außenwelt vorweggenommen ist. Ob dies der Fall ist, kann im nachhinein wiederum kontrolliert werden: die durch die Programmsteuerung bewirkte tatsächliche Zustandsveränderung der realen Maschine wird gemessen und als Datum an das Programm zurückgemeldet, wodurch sich Regelungsmöglichkeiten für die Steuerung ergeben. (Vgl. 4. Vorlesung zum kybernetischen Regelkreismodell ) Aber auch bei einer so realisierten kybernetischen Steuerung ist noch unterstellt, dass das Verhalten der zu steuernden Maschine zwar nicht für jeden Zeitpunkt aktuell vollkommen vorhersehbar, wohl aber vollkommen kontrollierbar (messbar) und daher jedenfalls auf längere Sicht auch vollkommen steuerbar, also vorhersehbar ist. Eine virtuelle Maschine kann konstruiert, d.h. das entsprechende Programm kann geschrieben werden, bevor die reale Maschine gebaut wird. Die Bedingungen für den Einsatz der realen Maschine, insbesondere der Anschluss der benötigten Peripheriegeräte, werden dann vorläufig lediglich unterstellt. Der Programmierer lässt seine virtuelle Maschine hypothetische Inputs entgegennehmen und hypothetische Outputs erzeugen. So können schon Programme geschrieben ( virtuelle Maschinen konstruiert) werden, bevor die unterstellte Peripherie überhaupt existiert. (Sie wird vielleicht selbst erst nach Maßgabe der virtuellen Maschine entwickelt.) Oder es können Programme geschrieben werden, deren sinnvoller Einsatz in realen Maschinen ein bestimmtes Tempo des Programmablaufs voraussetzt, bevor es Prozessoren gibt, die entsprechend schnell arbeiten können. Die virtuelle Maschine bietet aber auch noch andere Möglichkeiten. So kann sie statt mit hypothetischen, aber für die Realisierung vorgesehenen Inputs und Outputs auch mit völlig fiktiven Inputs und Outputs arbeiten, d.h. mit einer Beziehung auf äußere Zustände der Maschine, die es real gar nicht geben kann. Da hier die Inputs und Outputs nicht als Repräsentationen realer, sondern als Repräsentationen fiktiver Zustände und Operationen interpretiert werden, die niemals tatsächlich vorkommen oder erzeugt werden können/sollen, entsteht ein geschlossener Raum von Repräsentationen ohne Außenweltbezug und ohne die Schranken, die die reale Außenwelt (z.b. aufgrund ihrer Naturgesetzlichkeit) dem Handeln in ihr setzt. Hier tritt in aller Deutlichkeit zutage, worin sich die Ingenieurtechnik von der Programmiertechnik prinzipiell unterscheidet: Ein Ingenieur ist der materiellen Welt unlösbar verhaftet. Seine Kreativität findet ihre Schranken in deren Gesetzen er kann unmöglich den ganzen Plan kennen, in dem festgelegt ist, welche Räume in dieser Welt existieren und welche Türen 116

117 zwischen ihnen wie geöffnet werden können Der Programmierer ist jedoch der Schöpfer von Universen, deren alleiniger Gesetzgeber er selbst ist. [Weizenbaum 1978, 161f.] Die Inputs werden, wenn man ein solches Programm einer rein fiktiven Maschine laufen, also von einem Computerprozessor abarbeiten lässt, vom Computer selbst erzeugt, indem seine Outputs in ihn als Inputs zurückgeleitet werden. Die Welt, die dadurch entsteht, deutet nicht mehr nach draußen; alles, was sich in ihr befindet, bedeutet nur etwas innerhalb seiner Fiktion.Wenn man sich vor Augen hält, was innerhalb des Computers existieren kann, muss man sich fragen, ob es in einem strengen Sinne dann überhaupt noch etwas bedeuten könnte, wenn keinerlei Außenbezug, also realer Output mehr erzeugt würde. Immerhin scheint eine Antwort auf diese Frage selbst wiederum relativ bedeutungslos, da ein in sich kreisendes geschlossenes Computersystem für Außenstehende nur noch physikalisch, also beispielsweise als Schalttafel mit einer geheimnisvollen Abfolge von Ladungszuständen, erscheint, aber nicht mehr als symbolverarbeitende Maschine. Nur wenn es in seinem Ablauf reale Prozesse repräsentiert, kann das interne Verhalten des Computers als Prozess der Symbolverarbeitung gelten. Die Regeln, nach denen es funktioniert, repräsentieren dann Gesetze der realen Welt und bilden so u.a. die Kausalität von Naturgesetzen ab (die ingenieurtechnisch auch weiterhin für die reale Maschine Computer maßgeblich bleibt). Die virtuelle Maschine selbst aber wird keineswegs von den Naturgesetzmäßigkeiten beherrscht, die sie abbildet. Sie gehorcht Regeln, die der Programmierer ihrem Verhalten vorschreibt, nicht den Gesetzen, die die Natur vorschreibt. Durch subjektive Interpretation werden die Regeln zu Repräsentationen von Gesetzen, aber durch Interpretation können sie auch Naturgesetze außer Kraft setzen. Für das Verhalten der virtuellen Maschine spielt diese Differenz keine Rolle. Die Beziehung der virtuellen Maschine auf eine von ihr symbolisierte Außenwelt wird immer vermittels einer zweischrittigen Zuordnung vorgenommen: erstens der subjektiv-interpretatorischen Zuordnung der maschinenverarbeitbaren Daten (und damit der internen Zustände der virtuellen Maschine) zu realen Prozessen; und zweitens der ingenieurtechnischen Kopplung der Steuerungseinheit mit realen Maschinen. Ist letztere einmal vorgenommen, funktioniert sie auch unabhängig von der subjektiv-interpretatorischen Zuordnung, der sie entstammt. Der technische Prozess kann dann prinzipiell autonom werden, also die Maschine sich als Automat verhalten. (Vgl. 8. Vorlesung zum Übergang zum automatischen Maschinensystem) 117

118 9.2 Simulation: Nachbildung, Entwurf und Erfindung von Realität Die Beziehung zwischen Simulation und Realität, von der bisher die Rede war, war die zwischen virtueller und realer Maschine, nämlich zwischen dem Computer und der angekoppelten Maschine, die er kontrollieren und steuern soll (bzw. zwischen Programm und realem Maschinenprozess). Wir wissen, dass das Einsatzfeld der Computertechnologie erheblich weiter gefasst ist, als es sich im Begriff der Maschinensteuerung darzustellen scheint. Der Computer soll schon heute, erst recht langfristig in vielen Lebensbereichen und nicht nur dort, wo wir mit Maschinen zu tun haben, unser Verhältnis zur Welt vermitteln, ja eines Tages vielleicht überhaupt als universelles Medium zur Welt dienen. Das setzt voraus, dass er nicht nur Maschinen, sondern Welt überhaupt symbolisch zu repräsentieren und zu simulieren in der Lage ist. Die Frage nach dem Verhältnis von Simulation und Realität stellt sich also weitergehend, als mit dem Verhältnis von virtueller und realer Maschine zunächst angezeigt erschien. Wozu, möchte ich daher jetzt fragen, brauchen wir überhaupt Simulationen, wenn es uns um eine Auseinandersetzung mit der Welt geht? Beginnen wir mit einer vorläufigen Gegenüberstellung von Realität und Simulation. Realität ist unserem Alltagsverständnis nach das, was uns gegenübersteht, die von uns unabhängige Objektwelt; aber auch die Welt, in der wir leben, die daher auch uns selbst, unser Handeln, unser Erleben, unsere Ziele, Wünsche und Träume mit beinhaltet. Simulation ist dagegen die Nachahmung der Realität bzw. von Ausschnitten aus der Realität. In diesem (vorläufigen) Sinne gibt es z.b. eine reale ( natürliche ) Intelligenz (des Menschen) und eine simulierte ( künstliche ) Intelligenz; eine reale Objektstruktur (z.b. den inneren Aufbau eines Atoms) und eine simulierte Objektstruktur (Atommodell); eine reale Lebenswelt und eine simulierte Lebenswelt (Virtuelle Realität). Simulationen haben und gebrauchen wir, unabhängig vom Computer, zu unterschiedlichen Zwecken: zur Re-Konstruktion (Abbildung, Nachbildung) von Realität, die es gibt; 118

119 zur projektiven Konstruktion (zum Entwurf) von Realität, die es geben sollte und könnte; zur freien Konstruktion (Erfindung) von Realität, die es geben sollte, unabhängig davon, ob es sie auch geben könnte. Im einzelnen: Simulation als Re-Konstruktion Hier können wir eine Erkenntnisfunktion von einer praktischen Funktion unterscheiden. Werden theoretische Modelle von Wirklichkeitsausschnitten als Simulationen ausgeführt, so haben wir in diesen das jeweilige theoretische Modell in eine handhabbare, durchspielbare, selbst wieder analysierbare Vorstellung (etwas vor uns Hingestelltes) verwandelt. (Beispiel Atommodell) Wir können so besser feststellen, wo möglicherweise miteinander unvereinbare Modellannahmen vorliegten; welche Auswirkungen es hat, wenn bestimmte Parameter verändert werden; wie Faktoren des Modells miteinander wechselwirken; ob das Modell funktioniert und beispielsweise zutreffende Vorhersagen über künftige Ereignisse liefert. (Beispiel Klima-Modelle) In dieser Funktion können Simulationen uns also helfen, bessere, d.h. angemessenere und genauere Modelle der Wirklichkeit zu entwickeln, also diese Wirklichkeit besser zu begreifen. Geht es hingegen um die praktische Funktion von Simulationen, so sollen sie uns meist eine Repräsentationsform der Realität zur Verfügung stellen, an und mit der wir etwas tun können, was wir mit dem Original nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten, mit unvertretbarem Aufwand oder Risiko tun könnten. Ein Beispiel wäre der Flugsimulator, der das Cockpit eines Flugzeugs ab- bzw. nachbildet und ungefährliches Pilotentraining erlaubt. Idealerweise kommt die Simulation dem Original bis auf eine 1:1-Nachbildung nahe. Je näher die Simulation der Realität kommt, umso weniger erscheint sie noch als Simulation. Damit geht verloren, dass jede Simulation nicht nur eine Abbildung, sondern immer auch eine Konstruktion ist, in die die Annahmen des Konstrukteurs über die zu simulierende Realität eingehen. Die Realität, an die er eine Annäherung erreichen will, ist erfahrene und reflektierte Realität, also selbst schon eine verarbeitete Realität. Es ist nicht mehr die Realität, die erst in der Erfahrung erschlossen und der Reflexion aufgegeben wird, sondern die bereits erfahrungsmäßig erschlossene und reflektierte Realität, die abgebildet wird. Die Erfahrungen, die mit der so simulierten Realität gemacht werden können, sind demzufolge keine offenen, originären Erfahrungen, sondern solche aus zweiter Hand. (Diese Einsicht lässt die oft als große didaktische Errungenschaft gefeierte 119

120 Möglichkeit virtueller Labore und Experimente durchaus auch in einem kritischen Lichte erscheinen.) Daher ist es auch nicht die Annäherung an die Realität an sich, die eine Simulation als realitätsnah erscheinen lässt, sondern deren Annäherung an Erfahrung und Wissen, sowohl an die eigene Erfahrung und das eigene Wissen des Konstrukteurs (dann hält er selbst seine Simulation für gelungen) als auch an die Erfahrungen und das Wissen der Nutzer (dann halten diese die Simulation für realitätsnah oder erkennen sie gar nicht als solche). Da Simulationen in ihrer Funktion als Abbildungen tatsächlich immer nur Darstellungen von Modellen, also subjektiven Reflexionsformen der simulierten Realität sind, unterliegen sie allen Gefährdungen subjektiver Verarbeitung: Sie können die Realität z.b. verzerren, verstümmeln oder schönfärben. Je überwältigender eine Simulation in ihrer scheinhaften Realitätsnähe ist, desto schwieriger ist es, sich die nötige kritische Distanz gegenüber diesen Aspekten von Simulationen zu bewahren Simulation als projektive Konstruktion Jede Simulation ist Konstruktion. Darin liegt Möglichkeit wie Gefahr, in die angebliche Nachbildung existierender Realität in täuschender Absicht oder auch unabsichtlich in Wahrheit den Entwurf einer sein sollenden Realität einzubringen. Diese Möglichkeit kann nun auch bewusst wahrgenommen werden, indem die Simulation ausdrücklich zu konstruktiven Zwecken eingesetzt wird. Beispiele wären der Bau des Modells eines neuen Autotyps während der Entwicklungsphase, der im Modell simulierte Bau eines geplanten Staudamms oder die simulierte Konstruktion eines Hauses am Computerbildschirm. Was hier simuliert wird, existiert noch nicht in der Realität, soll aber später realisiert werden. Diese Realisierungsabsicht unterstellt die Realisierbarkeit des Simulierten und nimmt daher ebenso wie eine Simulation, die als Nachbildung fungieren soll, auf existierende Realität Bezug, nämlich auf das tatsächlich Machbare. Es geht um die Realisierung bisher unerschlossener Möglichkeiten, die man sich allerdings nicht einfach ausdenken kann, sondern die in der existierenden Realität gefunden, ent-deckt werden müssen. Die Simulation in konstruktiver Absicht simuliert, vorwegnehmend, das Mögliche als real existierend. In der Vorwegnahme liegt aber ebenso wie bei der Nachbildung subjektive Annahme, hier über den Realitätsaspekt des Machbaren. Erst an der späteren tatsächlichen Realisierung hat die konstruktive Simulation das nötige Korrektiv, ein Vorbehalt, der ähnlich wie in der Nachbildung durch eine scheinbare Realitätsnähe der Simulation in Vergessenheit geraten kann. 120

121 9.2.3 Simulation als freie Konstruktion Wenn die konstruktive Simulation keine Rücksicht mehr nimmt auf das, was sein kann, wird sie zur Erfindung von Realität (die als Ersatz für existierende Realität fungieren kann). Rekapitulierend: Nachbildung unterstellt eine objektiv und an sich existente Realität, die zur Kenntnis zu nehmen ist und in die man sich zu fügen hat. Ihr entspricht beim Computer die Rekonstruktion der Außenwelt durch Einspeisung von Messdaten (Input). Konstruktion unterstellt eine mögliche, gestaltbare Welt, die man sich zur Aufgabe machen kann. Ihr entspricht beim Computer die Ausgabe von Signalen, die auf wie immer vermitteltem Wege schließlich die Realisierung eines intern generierten neuen Zustandes der Außenwelt bewirken sollen (Output). Die Simulation als Erfindung hingegen löst sich von diesen Realitätsbezügen ab und schafft die Paradoxie einer unmöglichen Realität, einer Phantasie- und Wunschwelt wie z.b. in Spielen. Auch diese fiktiven Simulationen können durchaus realitätsnah gestaltet werden, womit sich hier besonders schlagend zeigt, dass Realitätsnähe nicht die Annäherung an eine (hier ja unmögliche) Realität bedeutet, sondern die Erzeugung eines Eindrucks von Realitätserfahrung, indem die bewussten und unbewussten Erwartungen des in diese simulierte Welt einzubeziehenden Menschen bedient werden, was besonders effektiv auf der Ebene machbar ist, auf der eine reflexive Distanz zum Erfahrenen noch gar nicht einsetzen kann: auf der Ebene der sinnlichen Wahrnehmung. Die computergestützte Konstruktion Virtueller Realitäten setzt da an, wo sonst, d.h. in der realen Lebenswelt, die Instanz zur Realitätswahrnehmung, vor aller distanznehmenden Reflexion, angesprochen wird. Sie täuscht ihn primär nicht intellektuell, sondern physisch-sinnlich. Die eigenen Wahrnehmungen zeigen nicht mehr das leibliche Dasein in einer materiellen Welt an, sondern sind kybernetisch präformierte, nämlich in eine kybernetisch in sich rückgekoppelte Welt funktional einbezogene Wahrnehmungen. M.a.W. der eigene Leib wird zum virtuellen Leib, zum Cyber-Body, Maschinenkörper, und die physische Selbstwahrnehmung führt zur Formierung eines subjektiven Körperschemas, das zwar auf authentische Körperwahrnehmungen zurückgreift (zurückgreifen muss), dies aber in der listigen Absicht, sie mit konstruierten Bedeutungen zu koppeln. Die in Virtuellen Realitäten erzeugte (oder jedenfalls künftig erzeugbare) Illusion ist nicht nur Täuschung über die Welt, die mich umgibt, sondern setzt tiefer an, indem sie mich über mich selbst täuscht und in die Manipulation die der Selbstwahrnehmung einbezieht. 121

122 9.3 Simulationen in der Realität Simulationen sind Domänen der Computertechnologie, keineswegs aber deren Monopol. In extremer Auslegung könnte man jede (symbolische) Repräsentation (in Wort, Bild, Film, Modell, Grafik, Spiel ) als Simulation bezeichnen. Dann gehörten Simulationen einfach zum menschlichen Leben. Computersimulationen weisen allerdings einige Besonderheiten auf, durch die ihr Verhältnis zur Realität und damit auch ihre Bedeutung im Zusammenhang von Realität sich auszeichnet: Die Realität, mit der ein Computersystem in Interaktion steht, ist immer eine Maschine. Computer können nichts anderes als Maschinen simulieren. Das Vorhaben, Computersimulationen beliebiger Realitätsausschnitte zu erzeugen, impliziert daher immer die Auffassung, die zu simulierende Realität sei in ihrem Wesen maschinenförmig. Computersimulationen können zu kybernetisch in sich rückgekoppelten, geschlossenen Systemen ausgebaut werden, die ihren eigenen Input erzeugen und sich damit von der Interaktion mit der Außenwelt lösen. Computersimulationen laufen selbstgesteuert ab und erhalten dadurch leicht den Anschein einer eigenen unabhängigen Realität. Das Verhältnis zwischen Simulation und Realität kompliziert sich dadurch, dass Simulationen aller drei Formen, als Nachbildung, als Konstruktion und als Erfindung bzw. Ersatz von Realität selbst zur Realität werden: Nachbildungen der Realität, ob als geistige Modelle der Welt oder in Computersimulationen verselbständigt, stellen reflektierte, geformte Bezüge der Menschen zu ihrer Lebenswelt dar. Sie prägen als Bilder der Realität unsere Vorstellungen davon, was eben so ist, wie es ist, so dass wir es auch praktisch so nehmen, wie es ist, und nicht zu verändern versuchen. So wird das, was wir (im Doppelsinne) bleiben lassen, dem wir Kontinuität zumessen und zubilligen, in Nachbildungssimulationen repräsentiert und sofern auf Computersystemen realisiert mit eigenständiger Existenz ausgestattet, denen wir in zunehmendem Maße Unabhängigkeit von unseren Eingriffen zugestehen. Konstruktive, darunter auch technische Entwürfe gehören zur kulturellen Sinngebung. Realisiert führen sie zu bestimmten Gestaltungen der Lebenswelt, in denen sich jeweils manifestiert, welche realen Möglichkeiten im Entwurf erschlossen wurden. Computergestütztes Konstruieren ist ein Teil dieser Gestaltungsarbeit, allerdings und das ist wichtig auf den Entwurf von 122

123 Maschinen beschränkt. Vergisst man diese Einschränkung, besteht die Gefahr, dass die gesamte Wirklichkeit nur noch unter dem Gesichtspunkt ihrer Maschinenförmigkeit erfasst wird und sich die Gestaltung der Lebenswelt auf technische Formung reduziert. Phantasien stellen jenen innerlich gehaltenen Teil des subjektiven Erlebens dar, dem eine Vermittlung mit realen Möglichkeiten nicht gelingen will oder kann. In Virtuellen Realitäten wird das Unmögliche scheinbar möglich. Sie können zu realen Scheinwelten werden, in die der einzelne sich flüchtet, wenn er die Versagungen der Realität nicht länger zu ertragen oder hinzunehmen bereit ist. Oder der in virtueller Realität manifestierte Wunsch nach einer vollständig kontrollierten und d.h. vollständig maschinenförmigen Welt wird zur Norm für die Realität, der diese sich gefälligst zu fügen hat. So entsteht eine Doppelstruktur der Realität, die möglicherweise solange unproblematisch ist, als der Besuch Virtueller Welten ähnlich wie das Tagträumen als vorübergehende Unterbrechung einer oft als unerträglich empfundenen Realität praktiziert wird und die Virtuelle Realität als solche gewusst bleibt. Werden diese Besuche häufiger und wird ein großer Teil des Lebens durch das Erleben simulierter Realitäten ausgefüllt, könnte es zu einer Vermischung, zu einer Entdifferenzierung von Realität und Simulation (Virtueller Realität) kommen, zumal die sog. Realität selbst ja immer mehr mit symbolischen Repräsentationen vielfältigster Form durchsetzt ist. Dies wäre eine weitere Steigerung des Phänomens der räumlichen Doppelexistenz, das Anders beschrieb und dem er die Bezeichnung Schizotopie zuordnete: des gleichzeitigen Aufenthalts am realen Ort und an dem durch Medien wie Rundfunk und Fernsehen übermittelten Ort. [Anders 1980, 85] Es würde dann noch schwieriger (als es ohnehin schon ist), das jeweilig spezifische Verhältnis von Simulation und Realität noch zu durchschauen: Realitätsnachbildungen von Entwürfen und Realitätsentwürfe von reinen Erfindungen, von Phantasien zu unterscheiden, also Differenzierungen vorzunehmen, die ja nur möglich sind, sofern die Simulationen ihren Charakter jeweils offenbaren (worin aber wiederum Täuschung liegen kann) bzw. der einzelne selbst ihn noch überprüfen, also ursprüngliche Realitätserfahrung noch machen kann. Gerade hierfür wird ihm aber der Boden entzogen, wenn infolge der technisch möglichen Überwältigung der Sinne in Virtuellen Realitäten die dortigen Erlebnisse als packender, als echter erscheinen als die meist rational gebrochenen Erfahrungen in der wirklichen Welt, wenn also die Welt- und Selbstwahrnehmung dominiert wird von den Erfahrungen des Cyber-Body in Virtuellen Realitäten. Der Wissenschaftsjournalist Rheingold versucht, seine Leser auf diese Veränderung von Selbsterfahrung im Cyberspace neugierig zu machen: 123

124 Mehr als irgendein bislang erfundener Mechanismus wird der Cyberspace die Selbstwahrnehmung des Menschen auf einer sehr grundlegenden und persönlichen Ebene verändern. Im Cyberspace besteht keine Notwendigkeit, daß Sie sich in dem Körper herumbewegen, den Sie in der Realität besitzen. Vielleicht fühlen Sie sich zunächst in einem Körper wie Ihrem eigenen am wohlsten, doch wenn Sie immer größere Teile Ihres Lebens und Ihrer Geschäfte im Cyberspace abwickeln, wird Ihre eingeschliffene Vorstellung von einem einzigen Körper einem weit flexibleren Körperbegriff weichen. Sie werden Ihren Körper als verzichtbar und im großen und ganzen, [!] einengend empfinden. Die Fähigkeit, das eigene Körperbild radikal und zwingend zu verändern, wird zu tiefgreifenden psychologischen Auswirkungen führen und die Vorstellung in Frage stellen, die Sie von sich selber haben. [Rheingold 1992, 288] Dann kann sich die Umkehrung vollziehen: das Reale hat sich zu messen am Virtuellen, das als das Eigentliche genommen wird. Ist nicht aber, wer den Bezug zur Realität verloren hat, für die Realität verloren? 9.4 Was ist Realität? In den bisherigen Überlegungen erschien Realität als Vorlage (Referenz) der Simulation, sei es als existierende, als vorweggenommene oder als fiktiv angenommene. In jeder dieser Weisen erschien Realität aber selbst nur als subjektiv verarbeitete, demnach symbolisch bereits transformierte; in gewisser Weise also selbst als Simulation. Relativiert sich so nicht der Begriff der Realität zu einer bloßen Simulationsvorlage, von der gar nicht zu sagen ist, ob sie nicht selbst nur eine Simulation ist, so dass wir lediglich von Simulationen steigender Ordnungszahl [vgl. Baudrillard 1982, 10] sprechen können und eine Simulation immer nur nächsthöhere Simulationsstufe einer vorhergehenden Simulation darstellt, wir aber niemals zu einer ursprünglichen Realität vor aller Simulation gelangen können? Stimmt der von Zweck zitierte Satz Makowskys, dass die Wirklichkeit [letztlich] gleichzusetzen [sei] mit der Gesamtheit aller ihrer möglichen Simulationen [Zweck 1993, 64]? Oder ist Steinmüller zuzustimmen, der sagt: Solche Interpretationen seien lediglich Ausdruck eines tiefen Mißtrauens in die Zugänglichkeit der Realität durch die Sinne [Steinmüller 1993, 138]? Um hier Position beziehen zu können, ist es offensichtlich nötig, die bloße Anspielung auf ein als allgemein akzeptiert unterstelltes Verständnis von Realität aufzugeben und ein Verständnis von Realität explizit zu formulieren, soweit dies möglich ist. 124

125 Zunächst stimme ich der Auffassung zu, dass simulierte Realität niemals Realität an sich sein kann, sondern nur erfahrene Realität. In der Erfahrung aber ist Realität in Form subjektiver Verarbeitung präsent also als subjektive Welt, zu der eine Referenzrealität in Gestalt einer objektiven Welt überhaupt nicht ausmachbar ist, so dass die Frage einer Realitätsentsprechung sinnvoll gar nicht zu stellen ist. Soweit ich nur diese Welt in ihrer subjektiven Form betrachte, erscheint sie als eine Hervorbringung des Menschen, eine Konstruktion. Realitätserfahrung setzt nun wie mir scheint an den Grenzen der Konstruktion ein, dort, wo diese beginnt und wo sie endet, an der Herkunft und am Scheitern aller subjektiven Konstruktionsmacht. Damit meine ich nicht, Realität sei ein Jenseitiges der Erfahrung, sondern: der Übergang in die subjektive Welt und aus ihr ist ihre Erfahrung. Realitätserfahrung, so verstanden, wäre die Konfrontation mit dem Woher und dem Wohin der subjektiven Welt, mit einem Anderen, immer Dunklen, das, indem es ins Licht der subjektiven Welt entlässt und aus ihm zurückholt, sich zugleich verbirgt. Realitätserfahrung wäre Grenzerfahrung, Differenzerfahrung, die Erfahrung eines Andern, an das meine subjektive Welt grenzt, dem sie entstammt und in das sie zurückkehrt; eines Andern, von dem meine subjektive Welt umfangen ist; der Begrenzung des subjektiven Horizonts. Diese Dimension von Erfahrung, die sie für das subjektive Empfinden real macht, kann nicht simuliert werden, weil sie die Grenze nicht dieser oder jener Simulation, sondern die absolute Grenze aller Simulation bildet. Realitätsnah kann daher eine Simulation niemals in sich sein, sondern nur an ihrer Grenze, an ihrer Schnittstelle, wo sie zu dem hin geöffnet sein muss, was sich in sie nicht hereinholen lässt. Für diese Grenze ihrer selbst gibt es in einer Simulation keine Repräsentation. In eine Simulation wird man nicht geboren und in ihr kann man nicht sterben. Die Zahl der Leben, die man in der Cyberwelt haben kann, ist arbiträr. Im schlimmsten Falle droht der Cyber-Tod: die Rückkehr in die normale Welt. Wenn Schmerz und Krankheit Kriterien und der Tod das ultimative Kriterium für Realität sind, dann müßte es nicht Virtual Realities, sondern Virtual Irrealities heißen. [Steinmüller 1993, 140] Geburt und Tod ereignen sich in jedem Lebensmoment in unsere subjektive Welt hinein; sie sind als Daten nicht abzubilden. In der realen Welt sind symbolische Repräsentationen nicht nur ständig zugegen, sondern werden auch ständig erzeugt und wieder vernichtet. Die Tätigkeit der symbolischen Repräsentation wie auch des Verwerfens ihrer Resultate ist aber etwas anderes, als sich in fertigen symbolischen Repräsentationen zu bewegen, mit ihnen umzugehen. Ersteres überwindet die Differenz und verarbeitet so deren Erfahrung; letzteres kennt die zurückgelassene Differenz gar nicht mehr und bewegt sich so schon diesseits von Realitätserfahrung. Leben in 125

126 der realen Welt ist daher nicht das, als was wir es bildlich, begrifflich, überhaupt symbolisch fassen, sondern das Leben an der Grenze zum Un-Fassbaren, an der Grenze zu Geburt und Tod. Die Idee der Maschine ist die Idee der Emanzipation von diesem Un-Fassbaren, die Idee der vollständigen Erfassbarkeit und Berechenbarkeit, der vollständigen Transparenz der Realität für das Subjekt, da alles, was als seiend gelten darf, in den symbolischen Hervorbringungen des Menschen seine Repräsentanz und seinen Ursprung haben soll. Die Realität der Maschine ist der Versuch einer konstruktiven Umsetzung der Maschinenidee und die maschinelle Produktion der Versuch einer Umwandlung der Welt in eine aus der Maschine als Matrize für die Welt [vgl. Anders 1956, 163ff.] abgeleitete, da von ihr produzierte Konstruktion, in eine allumfassende Maschine, ein Versuch, der Gewalt gegenüber dem Widerständigen der nicht-entsprechenden, un-idealen Realität impliziert. Aber die realen Maschinen, die die Menschen gebaut haben, agierten in einer realen Welt, also an der Grenze zum Un-Fassbaren, das ständig in diese Welt einbricht, trotz allen naturwissenschaftlich-technischen Fortschritts oder vielleicht sogar in seiner Folge. Die vollkommene Maschine kann es in der realen Welt nicht geben. Die virtuelle Maschine dagegen ist vollkommene Maschine. Sie ist die Verwirklichung des Maschinentraums und gibt der realen Maschine (und der realen Welt) vor, was diese der Maschinenidee nach zu sein hat: unreal, virtuell. Ihr gegenüber erscheint die reale Maschine nicht anders als der Mensch als antiquiert. [Anders 1980, 110ff.] In der virtuellen Maschine gibt es nichts, was nicht unter Kontrolle wäre. Nichts verweist auf etwas, das außerhalb ihrer liegt, also auf die Grenzen dieser Maschine. Eine virtuelle Maschine ist, von innen her gesehen, grenzenlos und dennoch bzw. gerade deshalb vollständig bekannt. Sie ist die reine Präsenz; es gibt in ihr keine Re-Präsenz. Der für Simulationen beanspruchte Charakter der Re-Präsentation zeigt sich erst in der Perspektive von außen, jenseits ihrer Grenzen. Wenn aber der Mensch selbst einbezogen ist in die virtuelle Realität des Programms, dann ist er zu diesem Blick von außen nicht mehr fähig. Er wird zum Element eines Systems von Zeichen, die ihren Symbolcharakter verloren haben, da sie über keine realen Äquivalente mehr verfügen [Flessner 1993, 33]. Er wird selbst bloßes maschinenverarbeitbares Datum. Es sei denn, die Integration bliebe unvollkommen und Teile seines realen Selbst, sei es seiner leiblichen Selbstwahrnehmung oder seines Bewusstseins bzw. Unterbewusstseins bewahrten die Erinnerung an das Draußen und könnten zu gegebener Zeit das Bedürfnis nach 126

127 einem Ausstieg aus der virtuellen Realität, nach Rückkehr in die reale Welt und damit nach einem Abschalten der Simulation (wofür es innerhalb der Simulation Möglichkeiten geben müsste) wach werden lassen. 127

128 10. Arbeit und Konstruktion 10.1 Arbeit Arbeit als notwendige Tätigkeit (anthropologische Bestimmung) Den Hintergrund für die Erörterungen des Werkzeug- und Maschinenbegriffs in vorhergehenden Vorlesungen bildete ein tätiges Verhältnis der Menschen zur Welt. Unter der Überschrift Arbeit soll dieses tätige Verhältnis nun näher betrachtet und hinsichtlich der Veränderungen geprüft werden, welche es im gegenwärtigen Prozess der Informatisierung durchmacht. Eine erste Bestimmung lautet: Arbeit ist notwendige Tätigkeit. In dieser ersten Bestimmung sind wichtige Begriffselemente enthalten: Als Tätigkeit hat Arbeit ein Subjekt: den Menschen. Weder Maschinen noch Geld arbeiten in diesem Sinne. Und sie hat ein Objekt: Arbeit richtet sich auf einen Gegenstand, der bearbeitet wird. Arbeit wendet Not. Das verweist auf die Materialität oder Physis des Lebewesens Mensch, das in eine physische Umwelt eingebunden ist, welche von sich aus nicht hinreichend auf seine Bedürfnisse abgestimmt ist. Arbeit sorgt für diese Abstimmung. Arbeit wendet Not, indem sie die Form der materiellen, physischen Umwelt so verändert, dass menschliches Leben möglich ist. In philosophischer Betrachtung ist sie eine Grundbestimmung menschlicher Existenz, eine anthropologische Tatsache, könnte man auch sagen. Sie gehört zum Menschen, weil er eben darin sich von anderen Gattungen auf dieser Erde unterscheidet: Menschen sind auf Arbeit angewiesen, um überleben zu können. Die Formveränderung zielt auf Anpassung einer äußeren Welt an die Bedürfnisse der Gattung Mensch. Wir haben ein Subjekt der Arbeit, den Menschen; und ein Objekt der Arbeit, die ursprüngliche Natur oder Physis oder Materie. Die Wirkung des Subjekts auf das Objekt ist, ihm eine Form zu geben. Das geformte Objekt hat seine Form vom Subjekt; es ist vom Subjekt gezeichnet: Arbeitsprodukt. Die pädagogische Betrachtung der Arbeit ist zunächst nahe bei dieser philosophischen Betrachtung. Sie knüpft daran an. Der Mensch verändert nicht nur seine Welt, er verändert auch sich selbst durch Arbeit. Durch Arbeit entwickelt er seine Kräfte und Fähigkeiten. Und durch die Veränderung der Welt wird die Befriedigung von Bedürfnissen möglich, die vorher außerhalb des Horizontes lagen, ungekannt waren. Er entwickelt also auch seine Bedürfnisse zu 128

129 immer reicherer Gestalt. Die veränderte Welt stellt neue, bisher unbekannte Anforderungen. Um sich auf diese einzulassen, muss er auch an sich selbst arbeiten. Arbeit ist erziehend. Und sie fordert Bildung heraus. Denn sie verlangt nach Bildung, d.h. danach, rational zu menschlichem Zweck bestimmt zu werden Erweiterungen und Verschiebungen des Arbeitsbegriffs Allerdings gebrauchen wir den Begriff der Arbeit in vielen Bedeutungen und Zusammensetzungen, die sich von unserer Ausgangsbestimmung mehr oder weniger weit entfernt haben: Bearbeiten eines Gegenstands Bearbeiten einer Aufgabe: Das Bearbeiten einer Aufgabe steckt sozusagen den Rahmen ab, in dem sich die Notwendigkeit der Arbeit erschließt: Es wird die Frage gestellt, was getan werden muss, um die gestellte Aufgabe zu lösen; Arbeit ist dann der Vollzug dieser Lösung. Die zu bearbeitende Aufgabe ist nicht Gegenstand von Arbeit, sondern Anlass des Nachdenkens über Arbeit. Verarbeitung von Material Verarbeitung von Erfahrungen: Beim Wort Bearbeiten steht der Gegenstand der Arbeit im Blickpunkt; bei der Verarbeitung denken wir schon an das Wozu: Zu welchem Produkt das Material verarbeitet wird, in welches Produkt es eingeht. Erfahrungen werden nicht verarbeitet, wie Material verarbeitet wird. Sie werden reflektiert, zu anderen Erfahrungen in Beziehung gesetzt; und was dabei herauskommt, ist nicht ein Produkt, das man von vornherein anstrebt, sondern ein Ergebnis, das man erst im nachhinein kennt. Das Ergebnis der Verarbeitung von Erfahrungen sind Informationen und Wissen. Bearbeiten und Verarbeiten von Symbolen Geistige und kulturelle Arbeit: In einer kulturell weit fortgeschrittenen Gesellschaft sind es immer weniger die Dinge selbst und immer mehr ihre Symbole, die bearbeitet bzw. manipuliert werden; und das Ergebnis ist immer häufiger kein materiell-nützliches und konsumierbares Produkt, sondern eine symbolische Repräsentation bzw. Verarbeitung der Wirklichkeit, bei deren Konsum der menschliche Geist immer mehr beteiligt ist. Entsprechend erweitert sich, was als Werkzeug dienen kann, auf alle Dinge, die der kulturellen Bearbeitung der Welt dienen; ja, das Erlernen ihrer Handhabung ist im Laufe der Menschheitsgeschichte überhaupt immer weiter in den 129

130 Vordergrund gerückt. Kinder erlernen heute nicht mehr vorrangig die Methoden der Bearbeitung von Boden und Material, die Benutzung von Ackergerät und Handwerkszeug, sondern das, was in früheren Jahrhunderten Privileg besonderer Stände war: den Umgang mit Schrift- und Zahlsymbolen und die Benutzung von Schreib- und Rechenwerkzeugen. Die Entstehung des modernen öffentlichen und allgemeinen Schulwesens ist mit dieser Aufgabenzuschreibung, der Vermittlung der elementaren Kulturtechniken, unlösbar verbunden Pädagogische Bedeutung der Arbeit Die Werkzeuge, die in der Schule zum Einsatz kommen, sind daher in allererster Linie Werkzeuge der Kulturtechniken (Schreib- und Zeichenzeug, Rechenhilfen). Erst in zweiter Linie kommen Werkzeuge und Instrumente hinzu, die in anderer Weise der Bearbeitung von Welt dienen, wobei aber immer noch geistige und kulturelle (musische und wissenschaftliche) Formen der Bearbeitung den größten Raum einnehmen (und entsprechend die Benutzung von Malzeug, Musikinstrumenten, Instrumenten der naturwissenschaftlichen Forschung). Lediglich im Handarbeits-, Werk- und Technikunterricht sowie besonders in der gewerblich-technischen Berufsausbildung kommen Bearbeitungsformen und Werkzeuge zum Einsatz, die unmittelbar der Bearbeitung von Gegenständen im Sinne materiell-produktiver Arbeit dienen. In dieser Zweitrangigkeit der Werkzeuge materiell-produktiver Arbeit kommt zum Ausdruck, dass das Bearbeiten von Gegenständen und Symbolen in Bildungsprozessen nicht primär unter der Zwecksetzung steht, ein Produkt hervorzubringen; jedenfalls nicht so, dass dieser Zwecksetzung alles andere untergeordnet wäre, wie dies in der beruflichen Praxis der Fall ist, die unter ökonomischem Effektivitätsdruck steht. Zwar ist das Hervorbringen von etwas durchaus auch in Bildungsprozessen kein nebensächliches Ergebnis, aber der Prozess selbst gewinnt nicht allein hieraus seinen Wert. Beim Bearbeiten sollen die SchülerInnen vielmehr besondere Erfahrungen machen: Erfahrungen mit dem Stoff (dem jeweiligen Unterrichtsgegenstand), Erfahrungen mit den Kontexten gesellschaftlicher Tätigkeit, Erfahrungen mit Arbeitsabläufen, Erfahrungen mit Werkzeugbenutzung, Erfahrungen mit Kooperation und nicht zuletzt Erfahrungen mit sich selbst: ihren Fähigkeiten, ihren Schwierigkeiten, ihren Fortschritten. Nicht nur das Ergebnis, sondern der ganze Prozess, der zu ihm führt und in den die lernende Person selbst einbezogen ist, d.h. auch das Verhältnis des Subjektes zu seinem Gegenstand, steht im Mittelpunkt des didaktischen Interesses. (Weil dies in der ökonomisch verwerteten Erwerbstätigkeit anders ist, hat das Verbot der Kinderarbeit seinen äußerst guten Sinn. Arbeit kann Erfahrungen vermitteln, die den Arbeitenden ganz unter 130

131 Absehung des hervorgebrachten Produkts bereichern. Aber sie kann als unter ökonomischem Effektivitätsdruck stehende Verwertung der Arbeitskraft auch zur Verarmung, ja zur Zerstörung des arbeitenden Menschen führen. Ein Lernen, das Bereicherung der lernenden Person sein soll, muss in einer gewissen Distanz zu den die Person vereinnahmenden und allein auf Ausnutzung ihrer Leistungsfähigkeit zielenden Prozessen stattfinden.) Arbeit erzieht; aber Bildung braucht die Distanz zur Arbeit, weil sie die Distanz zur zwingenden Notwendigkeit der Arbeit braucht, um sie bewusst im humanen Interesse ausgestalten zu können. Wenn Arbeit in Bildungsprozessen eine Rolle spielt (wenn zu Bildungszwecken gearbeitet wird), dann fehlt ihr das Moment der Notwendigkeit (man kann auch sagen: ihr fehlt der Ernstcharakter). Das ist die Grenze aller handlungsorientierten Didaktikkonzepte: Der zum Zwecke der Bildung inszenierten Arbeit fehlt die Erfahrung einer wichtigen Dimension von Arbeit: die Erfahrung ihrer Notwendigkeit. Andersherum: Die Notwendigkeit der Arbeit verhindert Bildung, weil sie die dazu nötige Distanz nicht erlaubt. Deshalb war das Verbot der Kinderarbeit in der Frühzeit des Industriekapitalismus eine pädagogisch außerordentlich wichtige Errungenschaft. Zugleich aber provoziert die Arbeit Bildung, steht also zwar im Gegensatz zu dieser, verlangt in einem gewissen Sinne aber zugleich nach einer Überwindung dieses Gegensatzes. Denn indem die Arbeit notwendig ist, ist sie selbst eine Not. Ihre Motivation, von der Not zu befreien, richtet sich daher auch auf sie selbst. Arbeit wird zur Arbeit an der Wendung der Not der Arbeit. Weniger kompliziert ausgedrückt: Arbeit arbeitet an ihrer eigenen Abschaffung, zumindest Verringerung. Dies leistet sie durch Steigerung ihrer Produktivität. Hierfür aber bedarf es neuer Ideen, die nur entwickelt werden können in einem Raum geistiger Freiheit, wo also das Denken und die Vorstellungskraft nicht gebunden ist an die Zwecke der unmittelbar zu bewältigenden Arbeitsaufgaben, demnach jenseits der notwendigen Arbeit, im Raum der Bildung. Daher war die Befreiung der Heranwachsenden von der Notwendigkeit der Arbeit und der dadurch mögliche Gewinn an freier Zeit für Bildung nicht etwa nur ein Verlust für die Arbeit (Verlust der kindlichen Arbeitskraft), sondern ebensosehr ein Gewinn für die Arbeit, insofern eben dies zu einer ungeheuren Entfesselung der Produktivkräfte, zum technischen Fortschritt und zur weiteren Steigerung der Produktivität der Arbeit führte. Betrachten wir vor dem Hintergrund dieser Überlegungen, warum und wozu in Bildungsprozessen gearbeitet wird. Das Ergebnis, das materielle Produkt und seine Eigenschaft, ein Bedürfnis zu befriedigen oder eine Not zu wenden, ist hier nämlich nicht das eigentlich Interessierende. Wenn in der Schule gearbeitet wird, 131

132 dann nicht in erster Linie, um zu materiellen Resultaten zu kommen, sondern um zu lernen: entweder um durch das Bearbeiten der Welt zu lernen, was Arbeit ist und wie man arbeitet (und mit Werkzeugen umgeht), und dabei die eigenen Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln (Qualifizierung zur Arbeit durch Arbeit); oder um durch das Bearbeiten Eigenschaften der Welt und der eigenen Person zum Vorschein und zur Erfahrung zu bringen, die sich ohne dies nicht einfach offenbaren (Erkenntnis- und Selbsterkenntnisgewinn durch Arbeit); oder um bereits Gelerntes zu erproben und unter Beweis zu stellen (Rückmeldung des Lernerfolgs durch Arbeit). Äußere Bearbeitung und subjektive Begegnung mit der Welt hängen hier zusammen und fallen doch nicht in eins. Die subjektive Verarbeitung der Welt ist es, um die es in der Schule geht; aber ohne ihre äußere Bearbeitung ist sie nicht möglich. Also wird in der Schule die Welt bearbeitet, nicht, um sie ad hoc zu verändern, sondern um zu lernen, wie sie ist und wie man sie verändern könnte. In Bildung geht es um Arbeit als eine zu lernende, dann gekonnte, nicht um Arbeit als eine notwendige Tätigkeit Konstruktion Werkzeug Zur Erinnerung: Das Werkzeug vermittelt die Arbeit (als subjektive Tätigkeit) auf den Gegenstand. Es schiebt sich zwischen Subjekt und Objekt der Arbeit. Deshalb hat es immer eine dem Subjekt zugewandte Seite seine Handlichkeit oder Handhabbarkeit; und eine dem Objekt zugewandte Seite seine Wirksamkeit oder Funktionalität. (Vgl. Vorlesung Vom Instrument zum Automaten ) 132

133 Abb. 32: Das Werkzeug vermittelt die Bearbeitungs-Intentionen des Subjekts auf das Objekt Für die Handlichkeit steht der Griff; für die Wirksamkeit der Kopf des Hammers. (Allerdings muss man sich deutlich machen, dass die tatsächliche Wirksamkeit im Handlungskontext auch davon bestimmt ist, wieviel von der potenziellen Wirksamkeit des Instruments durch den Benutzer aktualisiert werden kann; und das wiederum hängt von der Handhabbarkeit ab. Aus diesem Grunde lässt sich das reale Leistungspotenzial eines informationstechnischen Systems auch niemals allein durch eine Beschreibung seiner Funktionsvielfalt darstellen. Taugt die Benutzerschnittstelle nichts, lässt sich dies alles nicht realisieren. So kann ein weniger funktionsreiches System in seiner real nutzbaren Leistung sogar überlegen sein, wenn seine Benutzerschnittstelle besser ist.) Computergesteuerte maschinelle Produktion Was wird aus dieser Struktur (S-W-O), wenn der Arbeitsprozess informatisiert, also in einen computergesteuerten maschinellen Prozess transformiert wird? Erstens: Der gesamte Prozess, einschließlich seiner S-W-O-Struktur wird in das informatische Abbild übertragen. Er geht dort im formalen Modell auf. Verbunden damit sind die schon in der Vorlesung über Formalisierung, Modellierung und Gestaltung thematisierten transformativen Operationen. 133

134 Abb. 33: Funktionale Optimierung des realen Arbeitsprozesses durch informatische Modellierung Zweitens: Das informatische Abbild wird zur Steuerungsinstanz, nimmt also quasi Subjektstelle ein, während der reale Arbeitsprozess nun auf W-O-Struktur reduziert wird: Die Software steuert eine Hammer-Maschine, die beispielsweise Eisen schmiedet. Weil der Arbeitsprozess jetzt ohne tätiges Subjekt auskommt, soll er Produktionsprozess genannt werden. Abb. 34: Steuerung des maschinellen Produktionsprozesses durch sein informatisches Vorbild Abb. 35: Übergang der Subjektstelle an das informatische Abbild/Vorbild (die Steuerungssoftware) 134

135 Informationsarbeit Selbst wenn das Gesamtsystem, die programmgesteuerte Hammermaschine, vollautomatisch arbeitet, bleibt ein Subjektivitätsrest durch das Programm unabgedeckt. Das Programm kann sich nicht willkürlich/spontan entscheiden, zu hämmern oder es zu lassen. Es kann sich auch nicht überlegen, dass diese Hämmerei sowieso grad nicht angesagt ist und man mit dem Hammer besser was anderes macht, zum Beispiel den Computer in Stücke zu schlagen, der gerade mal wieder wichtige Dateien auf Nimmerwiedersehen hat verschwinden lassen. Wie auch immer: In der Regel werden die Systeme doch noch von Menschen ein- und ausgeschaltet und überwacht; gelegentlich modifiziert, umprogrammiert usw. Die aus den Grafiken (Abbildungen 34 und 35) aufgrund der informationstechnischen Modellbildung und computergesteuerten Maschinisierung aus der Produktion verschwundenen Menschen müssen also wieder eingesetzt werden. Sie arbeiten jetzt nicht mehr in der materiellen Produktion, sondern an Terminals. Ihre Operationen erzeugen Wirkungen nicht mehr im realen, sondern im virtuellen Produktionsraum. Der Soziologe R. Schmiede nennt diesen Raum Informationsraum und die darin geleistete Arbeit Informationsarbeit. [Schmiede 1996, 44] Abb. 36: Informationsarbeit Auf den ersten Blick scheinen dadurch die Menschen wieder in ihre Subjektposition eingesetzt zu werden. Das informatische Abbild (die Programmsteuerung) vermittelt nun zwischen ihnen und dem realen Produktionsprozess. Es sieht so aus, als ob die Software (virtuelle Maschine) und die (reale) Maschine sich jetzt die Werkzeugfunktion teilen. 135

136 Aber hat sich nicht die Struktur insgesamt so verändert, dass die S-W-O-Struktur gar nicht mehr anzuwenden ist? Könnte man nicht auch die Personen an den Terminals als Werkzeuge der Software betrachten? Als Mittler zwischen der virtuellen und der realen Maschine, die dann und dort einzugreifen haben, wenn und wo die automatische Steuerung und Kontrolle (noch) an ihre Grenzen stoßen? Arbeit Produktion Konstruktion In den bisherigen Schaubildern zum Übergang von der Arbeit zur programmgesteuerten Produktion sind verschiedene Weisen der Verarbeitung enthalten: Abb. 37: Unterschiedliche Weisen der Verarbeitung Arbeit ist notwendige Tätigkeit. In ihr verarbeiten menschliche Subjekte von Natur gegebenes oder selbst hergestelltes Material (zum Beispiel Metall) zu Produkten, die eine Not wenden, welche aus der unangepassten Lebensform der Gattung Mensch resultieren. Wenn sie hierzu Maschinen einsetzen, ändert dies nichts am Grundtatbestand. Um den Arbeitsprozess zu rationalisieren, werden Funktionsmodelle entwickelt, in denen der Arbeitsprozess von allen im Hinblick auf das Produkt redundanten Elementen befreit wurde (Optimierung). Auch Modellbildung ist Verarbeitung : Verarbeitung von Realitätserfahrungen zu einem symbolischen Abbild; Verarbeitung von Seiendem zu (maschinenverarbeitbaren) Daten. Als Programm erhält das Modell selbst Prozesscharakter (Abarbeitung eines Algorithmus). In ihm werden Daten zu anderen Daten verarbeitet. 136

137 Der Unterschied zwischen den drei Verarbeitungsformen ist: Arbeit heißt, dem Material Form geben bzw. seine Form verändern. Arbeit ist materielle Tätigkeit. Sie findet in Gestalt maschineller Produktion innerhalb des linken Ovals in obiger Grafik (Abbildung 37) statt. Maschinelle Produktion hat ihren Ursprung in körperlicher menschlicher Arbeit, auch wenn der menschliche Körper (Leib) zunehmend aus ihr ausgeschlossen wird und sie sich dadurch von den Beschränkungen befreit, welche die Bindung an die Möglichkeiten des menschlichen Körpers ihr einmal auferlegte. Dennoch kann sie sich nämlich niemals von der Materialität der Welt befreien. Die Beschränkungen des menschlichen Leibes werden zwar überwunden; aber die Beschränkungen, welche die Materialität der Welt und darin auch die Materialität der Maschinen auferlegen, sind lediglich zurückzudrängen, letztlich aber nicht vollständig überwindbar. Die Not wendenden Produkte müssen Dinge und Leistungen von der Welt sein, von der auch unser dieser Produkte bedürftiges leibliches Dasein ist. Modellbildung heißt, die Form des materiellen Prozesses selbst eigens (rein) darzustellen. Das Ergebnis ist ein formales System. Modellbildung ist Formalisierung von materieller Tätigkeit. Sie bringt in der grafischen Darstellung (Abbildung 37) das rechte Oval aus dem linken Oval hervor. Damit erschließt sie auch Veränderungsmöglichkeiten für den materiellen Produktionsprozess. Sie ermöglicht die Weiterentwicklung der Produktionsmittel (die selbst wieder materiell produziert werden müssen) und damit eine Produktion, die für eine Reduzierung der zum Überleben notwendigen Arbeit sorgt und so die Menschen von Arbeit entlastet und für andere (kulturelle, bildende) Tätigkeiten freisetzt (sofern die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse dies technisch Ermöglichte zu realisieren zulassen). Daten -Verarbeitung heißt, dass das formale System nach Maßgabe ihm eingeschriebener formaler Regeln seinen Zustand verändert. Daten - Verarbeitung ist Funktion formaler Systeme. Sie hat ihren Ort in der Grafik (Abbildung 37) innerhalb des rechten Ovals. Diese Prozesse enthalten in sich keine Referenzbeziehung mehr zur materiellen Produktion. Was hier, im virtuellen Raum geschieht, erscheint daher als durch keine Materialität mehr beschränkt und gefesselt. Hier werden Produktionen möglich, deren Grenzen allein noch in der Vorstellungskraft der Programmierer liegen. Diese Art von Produktion erscheint dann als freie Konstruktion. Verarbeitung im Sinne einer Selbsttranszendenz des Seienden (Verarbeitungsform Nr. 2), wie es in der Vorlesung über Formalisierung, Modellierung und Gestaltung hieß, bringt ein Entwicklungsmoment in die 137

138 geschichtliche Entwicklung der Arbeit durch technischen Fortschritt, das als Emanzipation von materieller Abhängigkeit betrachtet werden kann, also als Steigerung der menschlichen Freiheit und der Macht der Menschen über ihre Lebensbedingungen. Sie begründet eine Entwicklungsabfolge, die mit den Begriffen Arbeit-Produktion-Konstruktion markiert werden kann. Damit wird eine zunehmende Befreiung von materiellen Gegebenheiten angezeigt. In der virtuellen Welt werden Konstruktionen möglich, die von allen materiellen Beschränkungen frei zu sein scheinen. Mit der Umkehrung des Simulationsverhältnisses zwischen materiell Seiendem und virtuellen Konstruktionen (vgl. Vorlesung zu Virtualität und Wirklichkeit ), derzufolge die Wirklichkeit dazu angehalten wird, die virtuell vorgebildeten Prozesse zu realisieren, also.gleichsam die Wirklichkeit zur Simulation (Nachahmung) der Virtualität wird, kann die Illusion einer bindungslosen Produktion (=Konstruktion) entstehen, deren Wesen weder noch in der Befriedigung materieller Bedürfnisse noch in der Bearbeitung materieller Gegenstände noch im Einsatz realer Maschinen besteht, sondern allein im Vollzug formaler Operationen nach Maßgabe interner Regelwerke des formalen Systems während alle materiellen Faktoren lediglich noch austauschbare (unwesentliche) Träger virtuell vorgeprägter Funktionen darstellen Pädagogische Implikationen Was bedeutet diese Entwicklungsabfolge nun aus pädagogischer Sicht? Wie bereits gesagt, besteht zwischen Arbeit und Bildung eine ambivalente Beziehung. Als notwendige knechtet die Arbeit den Menschen. Unabhängig davon, wie angenehm oder unangenehm ihr Vollzug ist, muss sie um des Überlebens willen getan werden. Sie vermittelt Erfahrungen, die den arbeitenden Menschen prägen; darin auch Erfahrungen des Könnens und der eigenen Möglichkeiten; dominant aber Erfahrungen der Abhängigkeit und der Unfreiheit. Auf der anderen Seite richtet sich die Motivation der Arbeit, die Wendung der Not, auch auf die Arbeit selbst; in ihr liegt eine Tendenz, sich von der Arbeit selbst zu befreien: Arbeit an der Abschaffung der Arbeit. Die dazu erforderliche Steigerung der Produktivität der Arbeit verlangt nach Distanz von der notwendigen Arbeit, nach einem Raum, der frei ist von deren Diktaten, in dem neue Ideen sich entwickeln können, in dem Tätigkeitsvollzüge durchdacht und erprobt werden können, in dem ein neuer Blick auf die zu bearbeitende Welt der Objekte geworfen und neue Erfahrungen mit den eigenen Potenzialen gemacht werden können. Dies ist der Raum der Bildung. 138

139 Durch Bildung wird menschliche Arbeit in emanzipatorischer Intention zur maschinellen Produktion weiterentwickelt. Die Bearbeitung der Objekte benötigt immer weniger den Einsatz des Menschen selbst. Dieser kann neben den Prozess treten und sich stärker auf seine Überwachung und technische Weiterentwicklung konzentrieren. Insbesondere die Informatisierung der Arbeit bringt ungeheure Rationalisierungspotenziale mit sich, die technisch gesehen zu einer weiteren Entlastung der Menschen von notwendiger Arbeit führen könnten, wenn es gelänge, diese technisch ermöglichte Reduzierung der Arbeit gesellschaftlich zu realisieren. Technischer Fortschritt und Bildung gehören also aufs engste zusammen. Die Steigerung der Produktivität der Arbeit erweitert die Räume, die für Bildung genutzt werden können; und Bildung ist die Quelle, aus der der technische Fortschritt sich speist. In Bildung erfährt der Mensch sich als gestaltungsfähig, damit aber auch verantwortlich für die Art und Weise, in der die Welt umgebaut wird. Das emanzipatorische Moment von Bildung und technischem Fortschritt ist aber nicht denkbar ohne die fortbestehende Bindung an eine materielle Welt; denn ihre realen Möglichkeiten und Kräfte gehören eben dieser Welt ja an. Die zunehmende Verlagerung der produktionsbezogenen Tätigkeiten in den virtuellen Informationsraum lässt hingegen die Erfahrung eben dieser Bindung zunehmend schwinden und erzeugt die Illusion einer bindungslosen konstruktiven Kraft, die sich nur im immateriellen Raum wirklich frei entfalten kann. Die materielle Welt erscheint damit nicht mehr als Ermöglichungsgrund der subjektiven Konstruktionen, sondern als ihre Beschränkung und Fesselung. Die erfundenen Formen richten sich nicht mehr danach, welche Möglichkeiten die materielle Welt anbietet; sondern von ihnen geht die Forderung aus, dass die materielle Welt sich nach ihnen zu richten habe. So reduziert sich dann auch das sich bildende Subjekt auf ein virtuelles Subjekt ohne Bindungen an die materielle Welt, also auch an die eigene Materialität. Die Idee der Künstlichen Intelligenz ist der konsequente Ausdruck einer solchen Virtualisierung des konstruktiven Subjekts. An die Stelle der Bildung lebendiger Menschen würde dann die Konstruktion Künstlicher Intelligenz gesetzt. 139

140 11. Medium und Vermittlung 11.1 Medien im Kontext sozialer Vermittlungsprozesse Für pädagogische Überlegungen ist die Informationstechnik vor allem in zwei Hinsichten von Bedeutung: Zum ersten als Anlass und Gegenstand des Lernens, als ein relativ neues, höchst bedeutsames Phänomen unserer Lebenswirklichkeit, auf dessen angemessene Bewältigung in unseren Bildungseinrichtungen vorbereitet werden muss; dies ist der Bereich der Informationstechnischen Bildung. Auch in diesem Bereich kann es um die Medialität der Informationstechnik gehen, sofern diese eine wesentliche zu berücksichtigende Bestimmung hinsichtlich der lebensweltlichen Bedeutung von Informationstechnik darstellt, wenn wir etwa an die Rolle der Massenmedien und des Internet denken. Zum zweiten erhält Informationstechnik pädagogische Bedeutung als Medium der Bildung, also als ein Mittel, das Bildungsprozesse und pädagogische Intentionen unterstützen soll; dies ist der Bereich einer Pädagogik der Neuen Bildungsmedien. Die Pädagogik ist hier ein gesellschaftlicher Praxisbereich, der selbst von der informationstechnischen Durchdringung erfasst wird, diesen Prozess der Informatisierung also nicht nur zu reflektieren hat hinsichtlich der Lebensbereiche, auf die sie ihre Klientel vorbereitet, sondern auch hinsichtlich seiner Bedeutung für ihre eigene Praxis. Die Frage, ob es sinnvoll und hilfreich ist, Neue Medien in der Bildung einzusetzen, lässt sich nicht beantworten, ohne die unterschiedlichen Weisen zu betrachten, in denen Computer- und Netzwerktechnologie als Medien eingesetzt werden können, und dies dazu in Beziehung zu setzen, welche Funktionen überhaupt Medien in Bildungsprozessen übernehmen können. Im weitesten Sinne bedeutet die Beachtung der Medialität der Informationstechnik, sie als Vermittelndes (= lat. medium) zu verstehen zwischen den Menschen und ihrer sozialen und materiellen Welt. Im Zusammenhang von Lehren, Lernen und Unterricht geht es immer um die Vermittlung zwischen den beteiligten Akteuren (Lehrenden und Lernenden) und den Gegenständen von Lehren und Lernen. Um den grundlegenden Charakter von Medialität zu verstehen, ist es sinnvoll, Medien im umfassenderen Zusammenhang sozialer Lebenspraxis zu sehen. Lehren und Lernen, Erziehung und Bildung sind wichtige Momente des 140

141 gesellschaftlichen Lebensprozesses, insofern in ihnen seine geschichtliche Kontinuität, vor allem, aber nicht nur (man denke an die wachsende Bedeutung von Erwachsenen- und Weiterbildung) über die Generationenabfolge gesichert wird. Für das praktische Verhältnis der Menschen zu ihrer Welt spielen die Vorstellungen, die sie sich von dieser Welt machen, eine nicht unbedeutende Rolle; Vorstellungen, die neben ihrem Abbildungscharakter immer auch Entwurfscharakter aufweisen. (Vgl. Vorlesung über Virtualität und Wirklichkeit) In die Ideen der Menschen geht ein Bild davon ein, wie diese Welt ist, aber auch davon, wie sie sein sollte. Soweit im sozialen Interaktions- und Kommunikationsprozess gemeinsame leitende Vorstellungen entwickelt werden können, welche die Praxis einer hinreichend einflussreichen oder mächtigen Gruppe oder Einzelner anleiten, können diese Ideen realitätsverändernde Wirksamkeit entfalten (was sowohl in der Form des Gelingens als auch des Scheiterns als auch aller dazwischenliegenden Möglichkeiten Spuren hinterlässt). Medien sind vermittelnde Momente in diesem Prozess: Sie können die Herausbildung und Verbreitung von Ideen vermitteln, etwa als Plattform für die öffentliche Austragung von Diskussionen oder als Propagandainstrumente, sie können die Bildung sozialer Interessenskoalitionen vermitteln; sie können die Umsetzung von Ideen in Praxis vermitteln, etwa wenn Aktionen über sie organisiert werden; sie können die Wirksamkeit verändernder Praxis verstärken, beispielsweise indem darüber berichtet wird usw. Soziale Entwicklung wird selbstverständlich nicht nur durch die soziale Praxis bewirkt; sie enthält immer auch Momente, die eher Ereignischarakter haben und jenem Strom der Zeit zugerechnet werden müssen, den Menschen weder in Gang gesetzt haben noch wesentlich zu beeinflussen vermögen (Naturkatastrophen, nicht vom Menschen induzierte Umweltveränderungen usw.). Doch soweit soziale Entwicklung nicht nur Evolution und schicksalhaftes Geschehen ist, soweit sie als Geschichte angesehen werden kann, wird sie durch menschliche Praxis bewegt. Dieser Prozess ist selbstreflexiv, insofern er durch Momente vorangetrieben werden, die aus ihm selbst stammen. Eine einfache Begriffsbestimmung könnte also lauten: Medien sind vermittelnde Objektivationen im selbstreflexiven Entwicklungsprozess sozialer Lebenspraxis. Insofern Bildung ein Teil des gesellschaftlichen Lebens ist, werden Medien in diesem Sinne auch für ihren eigenen Prozess bedeutsam. Über Bildungsmedien vermittelt sich unser Verständnis von Lehren, Lernen, Entwicklung. 141

142 Abb. 38: Medien als vermittelnde Objektivationen im selbstreflexiven Entwicklungsprozess sozialer Lebenspraxis 142

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