Übungen im Obligationenrecht Besonderer Teil Frühjahrssemester 2018

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1 Übungen im Obligationenrecht Besonderer Teil Frühjahrssemester 2018 Fall 7 Der Traum vom Eigenheim 26. April 2018 Dr. Tina Huber-Purtschert (tina.huber-purtschert@uzh.ch)

2 Übersicht über den Sachverhalt Corinne Müller BIAG Unternehmer Unternehmer Unternehmer ). Frischwind (Lüftung) Seite 2

3 Vertragsqualifikation Kauf einer künftigen Sache (OR 184 ff.) Pro: Erwerb einer Wohnung zu Eigentum, Wohnung als künftige Sache Contra: keine Standard-Wohnung, M wünscht Mitsprache Herstellung ist Vertragsinhalt Werklieferungsvertrag (OR 363 ff., OR 365 I) Pro: Wohnung als Werk, Entgeltlichkeit, Herstellungspflicht (Mitsprache von M) Contra: Erwerb des Miteigentumsanteils (Grundstück) als zusätzliches Element Fazit: gemischter Grundstückkauf-/Werklieferungsvertrag (Innominatkontrakt) kaufrechtliches Element (Grundstückkaufvertrag) werkvertragliches Element (Werklieferungsvertrag, Totalunternehmervertrag) Rechtsanwendung: für Herstellungsmängel sind die werkvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen anwendbar Seite 3

4 Übersicht über den Sachverhalt (Zeitachse 1) t (1)Vor Ende 2015: Beurkundung Vertrag BIAG Müller (2) Dezember 2015: Bezug der Wohnung durch Müller (3) Juni 2016: Müller entdeckt Feuchtigkeitsschäden und rügt diese bei BIAG umgehend (4)nach Juni 2016: BIAG behebt Feuchtigkeitsschäden (5) Januar 2017: Feuchtigkeitsschäden am gleichen Ort, M rügt diese bei BIAG umgehend (6)Frühling 2017: BIAG behebt Feuchtigkeitsschäden (7) Januar 2018: Feuchtigkeitsschäden am gleichen Ort, M rügt diese bei BIAG umgehend (8) Kurz darauf 2018: eingebautes Lüftungsgerät fällt aus, M rügt diese bei BIAG umgehend (9)BIAG weist beide Rügen ab, ebenso Frischwind AG für die Lüftung, beide mit Hinweis auf Ablauf Gewährleistungsfrist Seite 4

5 M gegen BIAG: Nachbesserung der Feuchtigkeitsschäden (OR 368 II) gemischter Grundstückkauf-/Werklieferungsvertrag gültig zustande gekommen (öff. Beurkundung) Werkmangel bei Ablieferung: Feuchtigkeitsschäden (Gebrauchstauglichkeit, Verkehrsanschauung) fristgerechte Mängelrüge: sofort nach Entdeckung, dass der Mangel fortbesteht, erfolgt kein Ausschlussgrund: kein von M gelieferter Stoff (OR 365 III), kein Selbstverschulden durch M (OR 369), keine Genehmigung durch M (OR 370) keine Verjährung: gültige Verkürzung der Verjährung auf zwei Jahre: OR 371 III i.v.m. OR 210 IV; AGB-Charakter des Vertrages: auf Stufe Inhaltskontrolle u.a. OR 199 analog, UWG 8 Unterbruch der Verjährung durch konkludente Anerkennung (vorbehaltlose Nachbesserungsversuche), womit jeweils eine neue Verjährung beginnt (OR 137 I i.v.m. OR 135 Ziff. 1) keine übermässigen Kosten der Nachbesserung: meist durch stillschweigende Vereinbarung wegbedungen, wenn ausschliessliches Nachbesserungsrecht vereinbart Fazit: Nachbesserungsanspruch gegeben Seite 5

6 M gegen BIAG: Weitere Ansprüche bezüglich der Feuchtigkeitsschäden? nach OR 368 neben Nachbesserung noch Wandlung, Minderung und SchE (Mangelfolgeschaden) vereinbart: ausschliessliches Nachbesserungsrecht Beschränkung der Mängelrechte auf Nachbesserung gültig? AGB-Charakter des Vertrages: auf Stufe Inhaltskontrolle u.a. OR 199 analog, UWG 8 nichts einschlägig (v.a. wenn Mangelfolgeschadenanspruch bleibt) vorliegend kein Mangelfolgeschaden ersichtlich Aufleben der übrigen Mängelrechte (Wandlung, Minderung)? Frage der Vertragsauslegung:bei stillschweigender Abrede der Parteien, dass die Beschränkung der Gewährleistung bei einmalig oder mehrmalig gescheiterter Nachbesserung entfällt Seite 6

7 M gegen FW: Nachbesserung der Lüftung (OR 368 II) kein Vertragsverhältnis zwischen M und FW Abtretung des Nachbesserungsrechts von BIAG an M? für Nachbesserungsrecht zulässig; ausgeschlossen für Wandlung und Minderung Schriftlichkeit (OR 165) des Verfügungsvertrags (Vertrag zwischen M und BIAG) Abtretung einer künftigen Forderung, die im Zeitpunkt der Entstehung hinsichtlich der Person des Debitor cessus, des Rechtsgrunds und der Höhe zumindest bestimmbar sein muss Verjährung: gemäss Vertrag zwischen FW und BIAG ist Verjährung auf zwei Jahre beschränkt, was zulässig ist (UWG 8 nicht anwendbar) FW steht die Einrede der Verjährung auch gegenüber der Zessionarin M zu (OR 169) Fazit: Anspruch verjährt Seite 7

8 M gegen BIAG: Anspruch im Zusammenhang mit der Lüftung ausdrückliche «Zusicherung» von BIAG gegenüber M, mit den Handwerkern Verträge mit fünfjähriger Gewährleistung abzuschliessen Mögliche Ansprüche wegen Verletzung dieser ausdrücklichen «Zusicherung»: Verletzung einer Nebenpflicht: Schadenersatzanspruch auf das positive Interesse bei Verschulden (OR 97) selbständige Garantie: verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch auf das positive Interesse verschuldensunabhängige Haftung für Bestand der abgetretenen Forderung (Verität) bei entgeltlicher Abtretung (OR 171 I): Anspruch max. auf das negative Interesse (OR 173 I) allenfalls gemäss Teil der Lehre: Wiederaufleben der Gewährleistung von BIAG? Seite 8

9 Übersicht über den Sachverhalt (Zeitachse 2) t (1)Vor Ende 2015: Beurkundung Vertrag BIAG Müller (2) Dezember 2015: Bezug der Wohnung durch Müller (3) Februar 2017: Müller entdeckt Raummassabweichungen und rügt diese bei BIAG umgehend (4) nach Februar 2017: BIAG weist beide Rügen ab mit Hinweis auf «Normalität» Seite 9

10 M gegen BIAG: Nachbesserung der Raummassabweichungen (OR 368 II) Werkmangelbei Ablieferung: Zusicherung der Flächenangabe in den Grundrissplänen, Kausalität zum Vertragsabschluss Mangel i.e.s.: Wertverminderung der Wohnung fristgerechte Mängelrüge: Rüge während der im Vertrag vorgesehenen zweijährigen Rügefrist; damit keine sofortige Rüge nach Entdeckung nötig (Mangel kann während der gesamten Frist gerügt werden) kein Ausschlussgrund: allenfalls OR 200 analog (Erkennbarkeit des Mangels bei Vertragsabschluss) Verjährung: trotz Rüge tritt nach zwei Jahren Verjährung ein; Rüge unterbricht die Verjährung nicht (OR 135 Ziff. 2 econtrario) keine übermässigen Kosten der Nachbesserung: Kriterium entfällt meist durch stillschweigende Vereinbarung, wenn ausschliessliches Nachbesserungsrecht vereinbart Fazit: Nachbesserungsanspruch verjährt (Aber: allenfalls absichtliches Verschweigen von BIAG? OR 199 analog) Seite 10

11 Häufige formelle Fehler in den schriftlichen Falllösungen Anspruchsmethode nicht konsequent angewendet Vertragsqualifikation, Voraussetzungen je Anspruch falsche Gewichtung Eindeutiges kurz, Kontroverses und Schwieriges ausführlich erörtern auf korrekte Wortwahl / Wahl der Verben achten (hier z.b. Neubau, nicht Sanierung) formelle Fehler im Literaturverzeichnis: Quelle zitiert, die nicht verwendet wird 1. Auflage vermerkt formelle Fehler in den Fussnoten: im Literaturverzeichnis definierte Zitierweise nicht konsequent verwendet uneinheitliches Zitieren formelle Fehler im Abkürzungsverzeichnis: Verzeichnisse selber und Titelblatt nicht vergessen Seite 11

12 Häufige materielle Fehler in den schriftlichen Falllösungen ungenügende Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (z.b. die fristgerechte Mängelrüge geprüft, ohne auf die besondere vertragliche Regelung zur Mängelrüge einzugehen) Rügefrist = Verjährungsfrist; rügen unterbricht die Verjährung nicht! unvollständige Prüfung von Anspruchsvoraussetzungen (z.b. Formvorschriften bei der Abtretung) AGB-Problematik nicht behandelt Seite 12