Religiöser Wandel im Abendland? Religion(en) und Religiosität in Europa zwischen religiöser Pluralisierung und Säkularisierung
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- Claus Koch
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1 Prof. Dr. Gert Pickel Universität Leipzig; Theologische Fakultät Professur für Religions- und Kirchensoziologie Martin-Luther-Ring Leipzig pickel@rz.uni-leipzg.de Religiöser Wandel im Abendland? Religion(en) und Religiosität in Europa zwischen religiöser Pluralisierung und Säkularisierung Präsentation zu Vortrag anlässlich des 7. Kirchen & Musiksommers Nordrügen Altenkirchen (Rügen)
2 Indizien
3 Wiederkehr des Religiösen, der Religion, der Religionen, der Götter.
4 Quelle: Eigene Zusammenstellung Barrett/Johnson
5 Die Ausgangslage
6 Nicht religiös + nicht spirituell? Vor allem die Europäer! nicht oder wenig religiös nicht oder wenig spirituell Quelle: Berechnungen Bertelsmann Religionsmonitor 2013; Selbsteinschätzung als
7 Europa wird säkularer und die Welt religiöser (Inglehart/Norris 2004) Westliche Welt = Modernisierung Säkularisierung zu religiöser Unmusikalität Nichtwestliche Welt = Modernisierung Säkularisierung zu bürokratisierter Religion Bei Pfadabhängigkeit (Kultur, Politik, Identität)
8 Europa (nicht) nur ein Sonderfall im Weltvergleich? Debatten sind nicht nur auf einzelne Länder bezogen, sondern werden länderübergreifend und mit allgemeinen Annahmen geführt! wobei Säkularisierung eher ein Phänomen, welches in Europa und auf Europa bezogen gesehen und diskutiert wird! Folge: Debatten über die (zukünftige) Entwicklung von Religion speziell in und auf Europa bezogen.
9 Fragestellung(en) Von welcher religiösen Entwicklung ist Europa gegenwärtig gekennzeichnet? Wie stehen dies im Verhältnis zur Berichten einer Säkularisierung und einer Rückkehr des Religiösen? Wie unterschiedlich sind die religiösen Entwicklungen in verschiedenen europäischen Staaten? Was sind die gesellschaftlichen (und politischen) Folgen dieser Entwicklungen?
10 Entwicklungsprognosen Religiöser Wandel als Folge gesellschaftlichen Wandels (rel.) Individualisierung Persönliche Religiosität, Bastelreligiosität, Synkretismus, Spiritualität (rel.) Pluralisierung Mehr Formen religiöser Vergemeinschaftung, religiöse Lebensstile, Säkularisierung Zunahme der säkularen Denkens, Nichtreligiöse, Atheismus, Agnostizismus
11 Verschiedene Dimensionen der Säkularisierung 1) Gesellschaftliche Säkularisierung Als Konsequenz der für moderne Gesellschaften typischen funktionalen Differenzierung kommt es zum Funktionsverlust von Religion für die Gesellschaft (soziale Normen, Integration, Erziehung). 2) Organisatorische Säkularisierung Rückgang religiöser Gemeinschaften und innere Verweltlichung von Religion, im Sinne des Wandels der Sozialgestalt und des Selbstverständnisses der Kirchen (Rationalisierung). 3) Individuelle Säkularisierung Prozess der zunehmenden Distanzierung der Menschen von Religion, der Rückgang der Mitgliedschaft, kirchlichen Integration als auch der subjektiven Religiosität beinhaltet). 4) Diskursive (Öffentliche) Säkularisierung Rückgang der diskursiven Auseinandersetzung mit Religion und reli. Themen in Öffentlichkeit (Reden über Religion, rel. Kommunikation). (1)-(3) Karel Dobelaere 2002; (4) erweitert abgeleitet Casanova (1994)
12 Gesellschaftliche Säkularisierung Religiöse Führer sollen Regierungsentscheidungen nicht beeinflussen Türkei Rumänien Bulgarien Russland Polen Ungarn Slowenien Tschechische Rep. Estland Portugal Spanien Irland Nordirland Frankreich Belgien Niederlande Schweiz Deutschland (W) Deutschland (O) Schweden USA Brasilien Indien Südkorea Jordanien Quelle: Berechnungen EVS 2008/WVS ; Angaben sind Antworten stark zustimmend + zustimmend ; alternativ: weder noch, Ablehnung, starke Ablehnung.
13 Türkei Rumänien Bulgarien Russland Polen Ungarn Slowenien Tschechische Rep. Estland Portugal Spanien Irland Nordirland Frankreich Belgien Niederlande Schweiz Deutschland (W) Deutschland (O) Schweden USA Brasilien Indien Südkorea Jordanien Politiker, die nicht an Gott glauben, sind ungeeignet für ein politisches Amt Quelle: Eigene Berechnungen EVS 2008/WVS ; Angaben sind Antworten stark zustimmend oder zustimmend.
14 Konfessionslosigkeit im europäischen Vergleich Jordanien Indien Brasilien USA Südkorea Türkei Polen Irland Westdeutschland Schweiz Spanien Russland Frankreich Belgien Großbritannien Estland Niederlande Tschechische Republik Ostdeutschland Quelle: Eigene Berechnungen verschiedene Quellen kumuliert; Zeitraum
15 Religion spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben Quelle: Eigene Berechnungen C&R 2006; zustimmende Werte
16 Entwicklung durchschnittlicher Gottesdienstbesuch in Europa Russland Ostdeutschland Estland Rumänien Ungarn Polen Schweden Frankreich Niederlande Belgien Westdeutschland Nordirland Quelle: Eigene Zusammenstellung nach World Values Surveys u.a
17 und Konflikte religiöse Revitalisierung als Vitalisierer? von Religion
18 Religiöse Sozialisation nach Altersgruppen (Generationen) Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2013
19 Religiöse Sozialisation in Europa ja teils/teils nein Quelle: Eigene Berechnungen Religionsmonitor 2013; Sind Sie religiös erzogen worden? Antwortvorgaben: Ja; nein; teils/teils.
20 Reden und Gespräche über religiöse Themen doch eher ein Randthema des Alltags Ost West Ost West selten/nie gelegentlich sehr oft/oft Quelle: Eigene Berechnungen; Allbus 2012.
21 Dimensionen der Säkularisierung?! (1) Gesellschaftliche Säkularisierung ja übergreifend mit geringen kulturellen Differenzen (2) Organisatorische Säkularisierung ja Different nach Glaubensgemeinschaften (3) Individuelle Säkularisierung ja Pfadabhängig, zurückgedrängt durch Gegenprozesse (Cultural Defense, Cultural Transition) und in Abhängigkeit von der Modernisierungsentwicklung (4) Diskursive Säkularisierung??? Ggf. Steigerung durch Selbstverständlichkeitsverlust von Religion in Gesellschaft aufgrund von Säkularisierung + Polarisierung zwischen Säkularen und Hochreligiösen + Pluralisierung der Religionen
22 Ausgangslage: Deutschland Pluralisierung + Entkirchlichung katholisch protestantisch muslimisch keine Zugehörigkeit Quelle: Eigene Zusammenstellung nach fowid 2015; Angaben in Prozent
23 Islam passt in westliche Welt aus Sicht vieler Bürger nicht! Islam passt durchaus in westliche Welt Ablehnung Itemvorgabe in Frageskala: Der Islam passt durchaus in die westliche Welt (zustimmende Antworten unter Ausschluss der Kategorie weiß nicht, keine feste Meinung).
24 Wie ist Ihre persönliche Haltung zu den Mitgliedern folgender religiöser Gruppen? 11 Muslime Juden Hindus Buddhisten Atheisten Christen D- West D- Ost D- West D- Ost D- West D- Ost D- West D- Ost D- West D- Ost D- West D- Ost Sehr positiv Eher positiv Eher negativ Sehr negativ 5,8 2,7 8,2 6,1 5,4 4,1 13,4 8,0 11,0 27,7 35,1 23,1 28,4 23,2 50,4 47,7 45,0 33,4 51,8 41,6 43,2 46,2 54,9 55,8 40,7 40,2 23,1 19,8 19,5 21,5 14,2 18,9 22,5 10,1 6,1 10,6 17,1 22,0 5,1 9,7 4,6 9,5 3,8 7,9 8,4 3,7 0,9 3,7 weiß nicht 4,8 8,8 8,9 13,4 20,4 27,3 13,2 19,0 10,5 9,4 1,3 4,5 Keine Angabe 3,3 3,2 4,3 3,4 5,2 4,2 3,7 4,7 4,5 2,9 1,8 2,4 Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Quelle: Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in der europäischen Bevölkerung 2010
25 Bedrohungsgefühle Islam und Judentum Islam Judentum Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2013 Wenn Sie an die Religionen denken, die es auf der Welt gibt: Als wie bedrohlich bzw. wie bereichernd nehmen sie die folgenden Religionen wahr? Anteil sehr bedrohlich/eher bedrohlich.
26 Stereotypen Mit Islam assoziierte Images Quelle: Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in der europäischen Bevölkerung Westdeutschland Ostdeutschland Dänemark Frankreich Niederlande Portugal
27 Bedrohungsgefühle Christen und Atheisten Christentum Atheismus Wenn Sie an die Religionen denken, die es auf der Welt gibt: Als wie bedrohlich bzw. wie bereichernd nehmen sie die folgenden Religionen wahr? Anteil sehr bedrohlich/eher bedrohlich.
28 Trends Freiwilliges Engagement in religiösen Netzwerken AT BE DK FI FR GR IS IE IT LU MT NL PT Esp GB DEW BG CZ EE HU LV LT PL RO SK SI DEO HR RU Gesamt Entwicklung religiöse Netzwerke Entwicklung Mitgliedschaft in rel. Netzwerken Entwicklung Mitarbeit in rel. Netzwerken Quelle: EVS 1999/2000, eigene Berechnungen. Angaben Differenzen von % in 1990 bis 1999/2000
29 Gesellschaftspolitische Konsequenzen 1) Pluralisierung: Zunahme religiöser Gruppen und Optionen aber auch säkularer Optionen führt zu verstärkter Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Identitätsgruppen. 2) Transformation: Wandel der sozialen Ausgestaltung von Religiosität und dessen gesellschaftspolitischer Einbindung (Engagement). 3) Politisierung: Steigende Bedeutung von Religion in Diskursen auf dem öffentlichen und politischen Sektor trotz Säkularisierung und aufgrund der Aufhebung der Selbstverständlichkeit von Religiosität. 4) Polarisierung: zwischen Säkularen und Religiösen Positionen oder auch zwischen sozialen (religiösen) Gruppen kann sich entwickeln.
30 Entwicklungen in Europa? Säkularisierung + Politisierung 1) Europa ist gekennzeichnet durch Prozesse der Säkularisierung und der religiösen Pluralisierung. 2) Entwicklungen finden in Europa auf historischen Pfaden statt Säkularisierung ist nicht Säkularität (Prozess versus Niveau) 3) Pluralisierung Zunahme von Polarisierung + Politisierung. 4) Säkularisierung wird nicht durch eine steigende öffentliche und politische Bedeutsamkeit von Religion konterkariert. 5) Öffentliche Debatten in der Regel Ablehnungsdebatten und Indiz Religion in Europa nicht mehr selbstverständlich. 6) Reaktivierung religiöser Identität unter gesellschaftlichen Veränderungen ist möglich Gefahr von Identitätskonflikten und Anforderung an Haltung der Religionsgemeinschaften.
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