Infobrief Arbeitsrecht Inhalt I. Grundbegriffe... 2 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, nach schwerer Rezession kam die Trendwende schneller als erwartet. Die deutsche Wirtschaft wechselte im Frühjahr 2010 auf die Überholspur, der Anstieg des BIP im 2. Quartal dieses Jahres um 2,2 % im Vergleich zum Vorquartal bescherte uns das stärkste Quartalswachstum der letzten 20 Jahre. 1. Arbeitsverträge und allgemeine Geschäftsbedingungen... 2 2. Abmahnung im Arbeitsrecht... 3 II. aktuelle Rechtsprechung... 4 1. Überstundenpauschalierungsabrede hält AGB Kontrolle nicht stand... 4 2. Diskriminierung von Bewerbern... 5 Die Europäische Kommission erwartet ein reales Wachstum der deutschen Wirtschaft i.h.v. 3,4 %. Dieser Aufschwung geht einher mit deutlich steigender Beschäftigung. Die Zahl der Arbeitslosen lag im September bereits unter dem Niveau von Oktober 2008, also vor Beginn der Wirtschaftskrise. Darüber hinaus werden die Nettolöhne und -gehälter nach Ansicht des Bundesministeriums für Wirtschaft im Jahr 2010 um 3 Prozent steigen. Bei steigenden Lohnkosten ist es deshalb umso bedeutsamer, dass die in die Zukunft getätigten Investitionen in das Kapital Arbeitskraft nicht an juristischen Fallstricken scheitern. Lesen sie deshalb in der vorliegenden Ausgabe mehr zu den Themen AGB- Kontrolle in Arbeitsverträgen und der Abmahnung im Arbeitsrecht. Rechtsanwalt Tom Hillig
I. Grundbegriffe 1. Arbeitsverträge und allgemeine Geschäftsbedingungen Wie wirksam ist Ihr Arbeitsvertrag? Arbeitsvertragsparteien sind in der Gestaltung eines Arbeitsvertrages zwar grundsätzlich frei, diese Vertragsfreiheit wird jedoch durch bestehende gesetzliche Regelungen durchbrochen. Mittlerweile unterliegen alle formularmäßigen Arbeitsverträge (das sind solche, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrages stellt) den gesetzlichen Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der 305 310 BGB. Verstößt eine formularmäßige Klausel unter arbeitsrechtlicher Auslegung gegen diese gesetzlichen Regelungen, ist zwar nicht der gesamte Arbeitsvertrag unwirksam, jedoch die jeweilige Klausel. Wann genau arbeitsvertragliche Klauseln unwirksam sind, ist gesetzlich nicht klar geregelt und wird ausschließlich durch die Rechtsprechung bestimmt. Für den Arbeitgeber sind die Folgen einer Unwirksamkeit oft gravierend, weshalb es umso wichtiger ist, Arbeitsverträge anhand der Rechtsprechung regelmäßig zu aktualisieren. Um etwas Klarheit in die Problemklauseln zu bringen, werden wir uns in den nächsten Infobriefen diesem Thema widmen. Versetzungsklausel Versetzungen von Arbeitnehmern sind ein Bereich, bei dem es mit Formulararbeitsverträgen häufig zu Problemen kommt. Zuweisung eines anderen Arbeitsgebietes Der Arbeitgeber hat ein Weisungsrecht gemäß 106 GewO. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber das Recht, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Auferlegung einer anderen Arbeit durch Versetzung ist vom Direktionsrecht dann gedeckt, soweit die neue Arbeit der alten gleichwertig und das Sozialbild der neuen Arbeit nicht schlechter ist, als das der vorigen. Selbst wenn die Vergütung gleich bleibt, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine sogenannte unterwertige Beschäftigung zuweisen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Entscheidung vom 09.05.2006 (AZ.9 AZR 424/05) eine Klausel für unwirksam angesehen, die es dem Arbeitgeber ermöglichte im Bedarfsfalle dem Arbeitnehmer eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nach Abstimmung der beiderseitigen Interessen einseitig zuzuweisen. Es hätte einer zusätzlichen Regelung bedurft, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss. Eine wirksame Klausel könnte dagegen folgendermaßen formuliert werden: Dem Arbeitgeber bleibt vorbehalten, dem/die Arbeitnehmer/in erforderlichenfalls andere zumutbare Tätigkeiten zuzuweisen, die seiner/ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten entsprechen, wenn dies aus betrieblichen oder in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen geboten erscheint. Die persönlichen Belange des/der Arbeitnehmer/in werden berücksichtig. Ortswechsel Gleiches gilt für die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes. Allein der Vorbehalt einer Versetzung an einen entfernten Arbeitsort unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Arbeitnehmers, ist nicht ausreichend. 2
Hier bedarf es nach der Rechtsprechung einer Ankündigungsfrist, die der Kündigungsfrist entsprechen sollte. Der Beitrag wird fortgeführt. 2. Abmahnung im Arbeitsrecht Die Abmahnung ist eine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung. Schwierigkeiten ergeben sich in der betrieblichen Praxis insbesondere deshalb, weil der Gesetzgeber keine gesetzlichen Regelungen zum Abmahnungsrecht geschaffen hat. Das Abmahnungsrecht ist daher wesentlich von der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, insbesondere des BAG geprägt. Die Kenntnisse folgender Punkte sind so für Arbeitgeber, als auch für Arbeitnehmer von besonderer Bedeutung: Begriff der Abmahnung Von einer Abmahnung kann nur gesprochen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hinreichend deutlich und ernsthaft ermahnt, und ihn zugleich auffordert, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern oder aufzugeben, und den Hinweis erteilt, dass das Arbeitsverhältnis im Wiederholungsfall gefährdet ist. Die Abmahnung hat insoweit einen dreifachen Zweck: Sie soll das beanstandete Verhalten tatbestandsmäßig festhalten (Dokumentationsfunktion) Sie soll Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als vertragswidrig ansieht (Hinweisfunktion) Sie soll den Arbeitnehmer davor warnen, dass im Wiederholungsfalle Bestand und Inhalt des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind (Warn- bzw. Androhungsfunktion) Wirksamkeit der Abmahnung Eine Abmahnung ist nur dann wirksam erteilt, wenn Sie alle drei oben genannten Funktionen gleichzeitig erfüllt. Das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers muss möglichst genau bezeichnet sein, allgemein gehaltene Formulierungen sind nicht ausreichend. Um die Warnfunktion zu erfüllen, muss eine Kündigung als Konsequenz nicht ausdrücklich angedroht werden, empfiehlt sich jedoch, um ganz sicher zu gehen. Form der Abmahnung Die Abmahnung kann grundsätzlich zwar auch mündlich erfolgen, eine schriftliche Abmahnung ist jedoch dringend anzuraten. Entbehrlichkeit der Abmahnung Eine Abmahnung ist grundsätzlich erforderlich, wenn steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers vorliegt und das Vertrauen des Arbeitgebers durch steuerbares Verhalten wieder hergestellt werden kann. Eine Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn das einmalige Fehlverhalten so schwerwiegend war, dass das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber unwiderruflich zerstört ist, oder der Arbeitnehmer bewusst und fortgesetzt schwere Vertragsverletzungen begeht. Fristen Fristen für den Ausspruch einer Abmahnung sind zwar nicht vorgesehen, dennoch empfiehlt sich der Ausspruch einer zügigen Abmahnung, denn durch Zuwarten zeigt der Arbeitgeber, dass er den behaupteten Vertragsverstoß als nicht sanktionswürdig ansieht. Notwendige Anzahl von Abmahnungen In der Praxis ist häufig von drei Abmahnungen als Voraussetzung für eine Kündigung zu lesen. Dies ist jedoch nicht gesetzlich geregelt. Die notwendige Anzahl ist immer einzelfallabhängig. Gerade bei nicht besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen in einem langjährig beanstandungsfreien 3
Arbeitsverhältnis wird im Wiederholungsfall eine Kündigung nicht wirksam sein. Andererseits dürfen auch nicht zu viele Abmahnungen ausgesprochen werden, da die Warnfunktion dadurch abgeschwächt wird und als leere Drohung empfunden werden kann. Verzicht auf das Kündigungsrecht Der Arbeitgeber sollte sich immer klar machen, dass er mit Ausspruch einer Abmahnung konkludent auf ein Kündigungsrecht wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren, verzichtet. Anhörung Außerhalb des öffentlichen Dienstes besteht keine Verpflichtung den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Abmahnung anzuhören, kann jedoch im Einzelfall durchaus sinnvoll sein. II. aktuelle Rechtsprechung 1. Überstundenpauschalierungsabrede hält AGB Kontrolle nicht stand In vielen Fällen enthalten formularmäßig verwendete Arbeitsverträge Pauschalierungsabreden wie folgt: Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragsgemäße Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2500. Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten. Mit seinem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass diese Vertragsbestimmung unwirksam ist, da die Klausel nicht klar und verständlich ist. Leitsatz: Die AGB-Klausel "erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten" genügt nicht dem Transparenzgebot ( 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Das Gericht macht deutlich, dass eine Vertragsklausel in diesem Sinne zumindest so bestimmt oder durch eine konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich der Anzahl der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein muss, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, welche Leistung er maximal für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Fazit Eine Abmahnung ist oftmals Vorbote einer Kündigung und damit auch eines späteren Kündigungsschutzprozesses. Fehler in diesem Bereich können für den Arbeitgeber teuer werden, weshalb besondere Vorsicht geboten ist. Auf Grund einer solch unklaren Pauschalierung besteht sonst die Gefahr, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung nicht geltend mache, da er der Annahme ist, er hätte keinen Rechtsanspruch auf diese. Eine solche Abrede ist nicht klar und nicht verständlich in diesem Sinne. Es ist insoweit nicht ersichtlich, welcher Umfang der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit mit abgegolten sein soll. Folge dieser Unwirksamkeit (der Überstundenpauschalierungsabrede) ist die Anwendung der gesetzli- 4
chen Regelungen. Demnach schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Vergütung ab der ersten vom Arbeitnehmer erbrachten Überstunde, die er angeordnet oder genehmigt hat. Praxistipp: Alle formularmäßigen Arbeitsverträge sollten von Arbeitgeberseite daraufhin überprüft werden, ob sie eine solche unwirksame Überstundenpauschalierungsabrede enthalten. Sollte dies der Fall sein, ergibt sich ein Handlungsbedarf zur Aktualisierung der betreffenden Arbeitsverträge unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Quelle: BAG Urteil vom 010.9.2010, 5 AZR 517/09 2. Diskriminierung von Bewerbern Das Bundesarbeitsgericht hat sich in drei Entscheidungen mit Benachteiligungen bei der Arbeitsplatzbewerbung auseinandergesetzt. Altersdiskriminierung: Im ersten Fall suchte eine juristische Fachzeitschrift einen neuen Mitarbeiter mit dem Text: Zum sofortigen Eintritt suchen wir für unsere Rechtsabteilung - zunächst auf ein Jahr befristet - eine(n) junge(n), engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen Eingestellt wurde eine 33-jährige Bewerberin. Der Kläger (Jahrgang 1958) dagegen erhielt eine unbegründete Absage ohne Einladung zum Bewerbungsgespräch. Er verlangte 25.000 Euro Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und Schadenersatz in Höhe eines Jahresgehalts. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Stellenausschreibungen altersneutral sein müssen, wenn die Stelle keine bestimmten Altersanforderungen mit sich bringt. Die hier vorliegende unzulässige Stellenausschreibung ist ein Indiz dafür, dass der Bewerber wegen seines Alters nicht eingestellt wurde. Er konnte jedoch nicht nachweisen, dass er ohne Diskriminierung die Stelle bekommen hätte, deshalb steht ein Jahresgehalt als Schadensersatz jedoch nicht zu. Die Richter sprachen ihm als Entschädigung ein Monatsgehalt zu. (Az.: 8 AZR 530/09) Zu späte Bewerbung Der Kläger ein schwerbehinderter Ingenieur - bewarb sich auf eine Stelle als Entwicklungsingenieur. Die Stelle war zu diesem Zeitpunkt bereits vergeben, die Online-Ausschreibung allerdings noch nicht gelöscht. Der Bewerber rügte auf Grund der erfolgten Absage eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung. Die Erfurter Richter stellten in ihrem Urteil klar, dass keine Diskriminierung des Interessenten vorliegen kann, wenn die Stelle bereits vor dessen Bewerbung vergeben ist, zumal der Arbeitgeber keine Bewerbungsfrist angegeben hatte. Ob in solchen Fällen Schadensersatz wegen der unnötigen Bewerbung geltend gemacht werden kann, war nicht Gegenstand des Verfahrens. (Az.: 8 AZR 370/09) Diskriminierung auf Grund der Religion und ethnischer Herkunft Im dritten Rechtsstreit hatte sich das Gericht mit der Ablehnung einer Bewerberin türkischer Herkunft zu beschäftigen. Die Klägerin verlangte eine Entschädigung mit der Begründung, sie sei wegen ihrer Religion und wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden. Die Bewerberin eine ausgebildete Reiseverkehrskauffrau die nach ihrer Ausbildung in Integrationsprojekten für Menschen mit Migrationshintergrund arbeitete, hatte sich auf eine Stelle für Sozialpädagogen bei einer Organisation der evangelischen Kirche beworben. In der Stellenausschreibung wurde von dieser ausdrücklich ein entsprechendes Fachstudium vorausgesetzt. Das BAG hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass die Bewerber untereinander vergleichbar sein müssen, um von einer Diskriminierung ausgehen zu können. Im Gegensatz zur erfolgreichen Bewerberin hatte die Klägerin kein abgeschlossenes Hochschulstudium. Diese Anforderung an Bewerber zu stellen ist auch nicht zu beanstanden. Folglich ist nicht von einer Diskriminierung auszugehen, da keine Vergleichbarkeit gegeben war. (Az.: 8 AZR 466/09) Quelle: BAG Urteile v. 19.08.2010: 8 AZR 530/0; 8 AZR 370/09;8 AZR 466/09; PM des BAG 5
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