Eine divergenzfreie Rekonstruktion für eine nicht-konforme Diskretisierung der inkompressiblen Stokes-Gleichungen



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Transkript:

Eine divergenzfreie Rekonstruktion für eine nicht-konforme Diskretisierung der inkompressiblen Stokes-Gleichungen von Christian Brennecke Bachelorarbeit in Mathematik vorgelegt der Fakultät für Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin im Mai 2013 angefertigt im Weierstraÿ Institut für angewandte Analysis und Stochastik bei Prof. Dr. Volker John und Dr. Alexander Linke

2

Ich versichere, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie Zitate kenntlich gemacht habe. Berlin, den 3

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 5 2 Analytische Grundlagen 6 3 Die stationären Stokes-Gleichungen 12 3.1 Das kontinuierliche Problem.......................... 12 3.1.1 Motivation und schwache Formulierung............... 12 3.1.2 Abstrakte Formulierung als Variationsproblem........... 13 3.2 Numerische Lösung mittels nicht-konformen niten Elementen....... 15 3.2.1 Numerische Lösung mit nicht-konformen niten Elementen.... 16 3.2.2 Numerische Studie der Methode.................... 29 4 Eine divergenzfreie Rekonstruktion 36 4.1 Motivation und Ansatz der Rekonstruktion................. 36 4.2 Numerische Studie der Methode........................ 40 5 Zusammenfassung und Ausblick 47 6 Anhang 49 6.1 nonconfcoesolver.m.............................. 49 6.2 nonconfquad.m................................. 54 6.3 nonconfstokesassembler.m........................... 57 6.4 nonconfstokesnorms.m............................. 62 6.5 noncon2norm.m................................ 63 6.6 nonconfrighthandreco1.m........................... 66 4

1 Einleitung In der folgenden Arbeit wird eine divergenzfreie Rekonstruktion für eine nicht-konforme Diskretisierung der inkompressiblen, stationären Stokes-Gleichungen vorgestellt und numerisch untersucht. Gemischte Finite-Elemente-Methoden können bei den Stokes-Gleichungen den Nachteil haben, dass sich der Fehler der numerisch berechneten Geschwindigkeit in Abhängigkeit des Drucks trotz gleich bleibender exakter Geschwindigkeit vergröÿert. Die in dieser Arbeit vorgestellte Rekonstruktion versucht diese Druckabhängigkeit zu vermeiden, um eine stabile Berechnung der Geschwindigkeit zu ermöglichen. Die Arbeit gliedert sich in drei eile. Im ersten eil (Kapitel 2) werden die wichtigsten Resultate der Analysis zitiert, welche im Rahmen dieser Arbeit benötigt werden. Der zweite eil (Kapitel 3) stellt im Anschluss daran zunächst die schwache Formulierung der stationären Stokes-Gleichungen vor und nennt die wichtigsten Resultate zur Existenz und Eindeutigkeit der Lösung dieser Gleichungen. Danach folgt die Herleitung einer nicht-konformen Diskretisierung der Stokes-Gleichungen mit dem Hauptresultat einer Fehlerabschätzung, welche als theoretische Erwartung für die im letzten Abschnitt durchgeführte numerische Studie dienen soll. Der dritte eil (Kapitel 4) betont den Nachteil der nicht-konformen Diskretisierung und motiviert eine divergenzfreie Rekonstruktion, welche diesen Nachteil der nicht-konformen Diskretisierung vermeidet. Die numerisch untersuchten Beispiele des zweiten eils werden zum Abschluss mit der neuen Methode untersucht, um die Vorteile der Rekonstruktion zu unterstreichen. Die Arbeit schlieÿt mit dem Fazit, in dem der Nutzen der Rekonstruktion zusammengefasst und ein Ausblick auf weiterführende Fragen gegeben wird. Die wichtigsten, im Rahmen dieser Arbeit geschriebenen Programme benden sich im Anhang. Die Programme wurden allesamt mit dem Programm MALAB erstellt. Auf die benutzten Literaturquellen wird an passender Stelle im ext verwiesen. 5

2 Analytische Grundlagen In den Kapiteln 3 und 4 werden einige Denition und Sätze aus der Analysis benötigt, deren wichtigste im Folgenden zusammen mit den in der Arbeit verwendeten Notationen zusammengestellt werden. Auf weitere benötigte Hilfssätze oder Denitionen wird an passender Stelle im ext verwiesen. Die folgenden Aussagen wurden, sofern nicht explizit darauf hingewiesen wird, [5, Kap.5], [2, Kap.4] und [7, Kap.1] entnommen. Für eine oene Menge R n, n N, werden die Räume der Äquivalenzklassen von Funktionen L p (), p N, durch L p () := { f : R mit } f p dµ < (2.1) deniert. Dabei gelten zwei Funktionen g und h als äquivalent, wenn g = h µ-f.ü. gilt und mit µ wird das n-dimensionale Lebesgue-Maÿ bezeichnet. Die L p -Räume werden durch die Norm ( ) 1 f L p () := f p p dµ. (2.2) zu normierten Räumen. Der für diese Arbeit besonders wichtige Fall ist p = 2. In diesem Fall wird durch f, g L 2 () := fg dµ (2.3) ein Skalarprodukt deniert. Mit dem Skalarprodukt wird L 2 () zu einem Hilbertraum. Weiterhin sei im Folgenden { } L 2 0() := f L 2 () mit f dµ = 0. (2.4) Für vektorwertige Funktionen f : R n, R m, wird der Raum L 2 () n deniert als L 2 () n := { f = (f 1,..., f n ) mit f i L 2 () für alle i 1,..., n }. (2.5) Die entsprechende Norm ist durch f L 2 () n := ( n i=1 gegeben. Zuletzt sei L 1 loc () der Raum f i 2 L 2 () ) 1 2 (2.6) 6

2 Analytische Grundlagen L 1 loc () := { f L 1 ( ) für alle kompakten }. (2.7) Als Verallgemeinerung der klassischen Ableitung heiÿt g L 1 loc (), Rn oen, λ-te schwache Ableitung von f L 2 (), falls für alle ϕ C0 () gilt: g ϕ dµ = ( 1) λ f D λ ϕ dµ. (2.8) Dabei bezeichnet C0 () die Menge der beliebig oft stetig dierenzierbaren Funktionen mit kompaktem räger in, λ := (λ 1,..., λ n ), λ := n i=1 λ i und D λ := ( x 1 ) λ 1... ( x n ) λn. Besitzt f die klassischen λ-ten Ableitungen, stimmen die schwachen Ableitungen mit diesen überein. Dies sieht man durch partielle Integration (unter Ausnutzung des Satzes von Fubini, siehe z.b. [2, Abschn.1.4]): D λ f ϕ dµ = ( 1) λ f D λ ϕ dµ, i {1,... n}, (2.9) falls ϕ C 0 (). Im Folgenden sei D 0f per Denition gleich f. Mit Hilfe der schwachen Ableitung werden die Sobolev-Räume W k,p (), k, p N, deniert: W k,p () := {f L p () mit: D λ f existiert und D λ f L p () für alle λ k}. (2.10) Die Sobolev-Räume werden durch f W k,p () := λ k D λ f p dµ 1 p (2.11) normierte Räume. Auch hier ist der für die Arbeit wichtigste Fall p = 2. Abkürzend wird deniert W k,2 () := H k (). Mit dem folgenden Skalarprodukt wird H k () ein Hilbertraum: Des Weiteren ist durch f, g H k () := D λ f, D λ g L 2 (). (2.12) λ k f H k () := D λ f 2 L 2 () λ =k 1 2 (2.13) eine Halbnorm auf H k () deniert. Die Räume H k () n werden analog zu L 2 () n deniert. Für Kapitel 3 ist die Denition des Funktionenraums H0 1 () sehr wichtig. Dazu werden zunächst eine Denition und ein Satz (Spursatz) benötigt. Es bezeichne C(x, r) den oenen n-dimensionalen Würfel mit Kantenlänge r und Zentrum x R n, dann wird deniert: 7

2 Analytische Grundlagen Denition 2.1 (Lipschitz-Gebiet). Sei eine oene eilmenge des R n und es gelte für den Rand, dass für alle x ein r > 0 und eine Lipschitz-Abbildung γ : R n 1 R existieren, so dass, bis auf geeignete Orientierung und eventuelle Umbenennung der Koordinatenachsen, gilt: C(x, r) = { y = (y 1,..., y n ) mit γ(y 1,..., y n 1 ) < y n } C(x, r). (2.14) Dann heiÿt Lipschitz-Gebiet 1. Weiterhin sei L 2 (, H n 1 ) die Menge (der Äquivalenzklassen) von Funktionen mit { } L 2 (, H n 1 ) := f : R mit f 2 dh n 1 <. (2.15) Hierbei bezeichnet H n 1 das (n 1)-dimensionale Hausdor-Maÿ (siehe [2, Abschn.2.1]). Mit diesen Denitionen gilt gemäÿ [2, Abschn.4.3] der folgende Satz 2.1 (Spursatz). Sei R n ein beschränktes Lipschitz-Gebiet. Dann existiert für 1 p ein beschränkter, linearer Operator : W 1,p () L p (, H n 1 ), für den gilt: f = f auf für alle f W 1,p () C( ). (2.16) Dabei ist der Abschluss von und C( ) der Raum der auf stetigen Funktionen. Man nennt die Abbildung f die Spur von f. Sie ist eindeutig bis auf Nullmengen des auf eingeschränkten Hausdor-(n 1)-Maÿes (siehe [2, Abschn.1.1] für eingeschränkte Maÿe). Damit ermöglicht der Spursatz auf natürliche Weise, einem Element f aus H 1 () Randwerte auf zuzuordnen. Ist f H 1 (), wird im Folgenden f auf durch die Spur f deniert. Der Spursatz garantiert damit die Wohldeniertheit des für die Stokes-Gleichung wichtigen Raums H0 1 () für ein Lipschitz-Gebiet. Dieser Raum ist vollständig und er wird deniert durch: H 1 0 () := { f H 1 () mit: f 0 auf }. (2.17) Der Raum H0 1()n wird analog zu L 2 () n deniert. Neben diesen Räumen wird in Kapitel 3 auch der Raum H div () benötigt. Dazu heiÿt zunächst g L 2 () schwache Divergenz von f L 2 () n, kurz g := div f, falls für alle ϕ C0 () gilt gϕ dµ = f, ϕ dµ. (2.18) Hier und im Folgenden bezeichnet, das euklidische Skalarprodukt. Der Einfachheit halber wird in dieser Arbeit auch das tensorielle Produkt zwischen zwei Vektorgradienten 1 ist also ein Lipschitz-Gebiet, wenn lokal der Graph einer Lipschitzfunktion ist. 8

2 Analytische Grundlagen mit, bezeichnet. Mit dem Begri der schwachen Divergenz wird der Raum H div () durch H div () := { f L 2 () n mit div f L 2 () existiert } (2.19) deniert. Eine Norm des Raums ist durch f Hdiv () := ( ) 1 f 2 L 2 () + div f 2 2 n L 2 () (2.20) gegeben. Neben diesen Vorbereitungen werden eine Version des Integralsatzes von Gauss (siehe wieder [2, Abschn.4.3]) und die Poincaré-Ungleichung benötigt. Satz 2.2. Sei R n ein beschränktes Lipschitz-Gebiet, v C 1 (R n, R n ) eine vektorwertige Funktion 2, die in den R n abbildet und f W 1,p (), 1 p. Dann gilt f div v dµ = f, v dµ + v, n f dh n 1. (2.21) Hierbei ist f := (D 1 f,..., D n f), n der nach auÿen zeigende Normalenvektor von und im Randintegral ist f wieder als Spur f zu verstehen. Insbesondere gilt damit für f H0 1() f div v dµ = f, v dµ. (2.22) Satz 2.3 (Poincaré-Ungleichung). Sei R n eine beschränkte und oene eilmenge des R n, und sei f H0 1 (). Dann gilt f L 2 () c 1 n f H 1 (). (2.23) Hierbei ist das Volumen von durch := dµ = µ() deniert. In Kapitel 3 muss Satz 2.2 in etwas verallgemeinerter Form benutzt werden. Dazu sei angemerkt, dass der Raum C0 () der beliebig oft dierenzierbaren Funktionen mit kompaktem räger in dicht in L 2 () und H0 1() liegt. Der Raum C () liegt dicht in W k,p () bzgl. der zugehörigen Norm W (). Da k,p C0 () H1 0 () folgt damit insbesondere, dass H0 1() dicht in L2 () liegt. Mit diesen Informationen, Satz 2.1 und Satz 2.2 gilt folgende Verallgemeinerung: Folgerung 2.1. Sei R n ein beschränktes Lipschitz-Gebiet, v H 1 () n und f H 1 (). Dann gilt f div v dµ = f, v dµ + v, n f dh n 1. (2.24) 2 Allgemeiner meint für ein k N C k (, R n ) den Raum der k-fach stetig dierenzierbaren, vektorwertigen Funktionen, die von nach R n abbilden. 9

2 Analytische Grundlagen Beweis. Da v H 1 () n und f H 1 (), ist u := f v W 1,1 () n auf Grund der Cauchy- Schwarz Ungleichung (siehe z.b. [5, Kap.6]) und es gilt div u = f div v + f, v, daher wird die Gleichung des Korollars für u gezeigt. Da weiterhin C () dicht in W 1,1 () liegt, liegt C (, R n ) auch dicht in W 1,1 () n. Sei damit (u k ) eine Folge vektorwertiger Funktion in C (, R n ) mit lim k u k u W 1,1 () n = 0. Dann gilt wegen Satz 2.2 für alle k N div u k dµ = u k, n dh n 1. (2.25) Mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung und dem Spursatz 2.1 folgt ( u k, n u, n ) dh n 1 = = u k u, n dh n 1 = u k u, n dh n 1 u k u, u k u 1 2 dh n 1 (u k u) L 1 (,H n 1 ) n u k u, n dh n 1 u k u W 1,1 () n, mit c R. (2.26) Hierbei hängt die Konstante c nur von H n 1 ( ) und der oberen Schranke des Spuroperators ab, L 1 (,H n 1 ) bezeichnet die n L1 -Norm bzgl. des Hausdor-Maÿes. Da die rechte Seite im Limes für k gegen 0 läuft, folgt somit u k, n dh n 1 = u, n dh n 1. (2.27) Andererseits gilt lim k div(u k u) dµ = i=1 Durch Limes-Bildung folgt damit also gilt die Behauptung. n (D i (u k u) i ) dµ = i=1 n (D i (u k u) i ) dµ u k u W 1,1 () n. (2.28) lim k div u k dµ = div u dµ, (2.29) Als letzte Vorbereitung für Kapitel 3 sei noch der Satz von Lax-Milgram gegeben (vgl. [8, Abschn.1.2]): 10

2 Analytische Grundlagen Satz 2.4 (Lax-Milgram). Sei X ein Banachraum, l : X R ein stetiges, lineares Funktional und a : X X R eine stetige Bilinearform. Es gelte für alle u, v X a(u, v) = a(v, u) (2.30) und es gebe eine Konstante K 0, so dass für alle u X gelte a(u, u) K u 2 X, (2.31) wobei X die Norm auf X bezeichne. Dann besitzt das Funktional J : X R mit J(u) := 1 2 a(u, u) l(u) ein eindeutiges Minimum u min und das Minimum ist die eindeutige Lösung von: a(u min, v) = l(v) für alle v X. 11

3 Die stationären Stokes-Gleichungen In diesem Kapitel wird die schwache Formulierung der stationären Stokes-Gleichungen mit homogenen Randbedingungen betrachtet. Im ersten eil wird nach einer kurzen Motivation zunächst die schwache Formulierung der stationären Stokes-Gleichungen gegeben und im Anschluss daran werden die wichtigsten Ergebnisse zur Lösbarkeit des Problems zitiert. Die entsprechenden Sätze nden sich in [7, Kap.2.1-2.3]. Im zweiten eil wird das Problem diskretisiert und mit Hilfe von nicht-konformen niten Elementen gelöst. Die analytischen Ergebnisse der Fehlerabschätzungen wurden [7, Kap.2, Abschn.7] sowie [8, Kap.4] entnommen. Auf alle weiteren benutzten Quellen wird an passender Stelle im ext verwiesen. 3.1 Das kontinuierliche Problem 3.1.1 Motivation und schwache Formulierung Die stationären Stokes-Gleichungen mit homogenen Randbedingungen bestehen aus einem gekoppelten System von partiellen Dierentialgleichungen. Das Problem zur Lösung des Systems könnte wie folgt lauten: Sei R n ein beschränktes Lipschitz-Gebiet, f : R n gegeben, dann nde p : R sowie u : R n, so dass folgende Gleichungen erfüllt sind: u + p = f auf, div u = 0 auf, u = 0 auf. (3.1) In dieser Arbeit soll immer der Fall n = 2 vorausgesetzt werden. Physikalisch gesehen beschreibt 3.1 die stationäre, das heiÿt, zeitlich nicht veränderliche, Strömung einer inkompressiblen Flüssigkeit auf dem Gebiet. Dabei entspricht p dem Druck der Flüssigkeit, u dem Geschwindigkeitsfeld der Flüssigkeit und f der auf die Flüssigkeit wirkenden Kraft. Die Aufgabe besteht darin, bei vorgegebener Kraft, den Druck und das Geschwindigkeitsfeld der Flüssigkeit zu bestimmen, um das Verhalten der Flüssigkeit beschreiben zu können. Es stellt sich heraus, dass die Anforderungen, die an die Daten zur Beschreibung einer konkreten Situation mittels der Gleichungen (3.1) gestellt werden müssen, oft unrealistisch sind (vgl. [4, Kap.3]). Aus diesem Grund wird ein neuer Lösungsbegri eingeführt, die sogenannte schwache Lösung, um insbesondere die Anforderungen an die Dierenzierbarkeitseigenschaften der Lösung (u, p) und das Gebiet zu reduzieren. 12

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Um die zugehörige schwache Formulierung von 3.1 zu motivieren, sei im Folgenden angenommen, dass u, p und f alle für die folgenden Schritte benötigten Eigenschaften besitzen. Seien dazu v H0 1()n und w L 2 0 (). Multiplikation der ersten Gleichung aus 3.1 mit v und Integration über ergibt u, v dµ + p, v dµ = f, v dµ. (3.2) Die Anwendung des Satzes 2.2 auf beide Summanden der linken Seite ergibt u, v dµ div v p dµ = f, v dµ. (3.3) Analoge Multiplikation der zweiten Gleichung von 3.1 mit w und entsprechende Integration ergibt schlieÿlich div u w dµ = 0. (3.4) Die beiden erhaltenen Gleichungen werden als die schwache Formulierung des stationären Stokes-Problems bezeichnet. Es stellt sich heraus, dass das Problem auf folgende Weise gut gestellt ist: Sei R n ein beschränktes Lipschitz-Gebiet und f L 2 () n. Dann nde u H 1 0 ()n und p L 2 0 (), so dass für alle v H1 0 ()n und alle w L 2 0 () u, v dµ div v p dµ = f, v dµ div u w dµ = 0 (3.5) gilt 1. Existieren solch ein u und p, dann heiÿt (u, p) schwache Lösung des Problems 3.5. Um Aussagen über die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung von 3.5 treen zu können, bietet es sich an, das Problem abstrakt als Variationsproblem zu formulieren. Die im folgenden Abschnitt betrachtete Formulierung wird auch in Abschnitt 3.2 benötigt. 3.1.2 Abstrakte Formulierung als Variationsproblem Seien X und Y zwei Hilberträume mit den Normen X bzw. Y. Die dualen Räume seien X = {f : X R mit f ist linear und stetig} und Y ganz analog. Seien weiterhin a : X X R und b : X Y R zwei stetige Bilnearformen. Das Variationsproblem lautet dann: Finde für vorgegebenes l X und vorgegebenes m Y eine Lösung u X, p Y, so dass für alle v X und w Y gilt 1 Die Bedingungen an f können noch verallgemeinert werden, siehe dazu Abschnitt 3.1.2. 13

3 Die stationären Stokes-Gleichungen a(u, v) + b(v, p) = l(v), Für das gestellte Problem (3.6) gilt der folgende wichtige Satz: b(u, w) = m(w). (3.6) Satz 3.1. Sei V := {v X mit b(v, w) = 0 für alle w Y }, a sei symmetrisch und es gebe eine Konstante K > 0, so dass für alle v V gelte Weiterhin sei die folgende inf-sup-bedingung erfüllt: inf sup w Y \{0} u X\{0} Dann besitzt das Problem (3.6) eine eindeutige Lösung. a(v, v) K v 2 X. (3.7) b(u, w) u X w Y K für ein K > 0. (3.8) Ein im zweiten Abschnitt dieses Kapitels benötigter Hilfssatz (siehe [7, Satz 2.1]) ist gegeben durch Satz 3.2. Die Voraussetzungen seien wie in Satz 3.1 und es gelte die inf-sup-bedingung des vorherigen Satzes. Ist dann V := {u X mit u, v X = 0 für alle v V } und B die Abbildung B : X Y mit u b(u, ). Dann ist B ein Isomorphismus von V nach Y. Um das Variationsproblem auf die schwache Formulierung des Stokes-Problems zu übertragen, seien nun ein beschränktes Lipschitz-Gebiet, X := H0 1()2, Y := L 2 0 () und weiterhin sei für u, v X a(u, v) := u, v dµ (3.9) deniert. Für w L 2 0 () und u wie oben sei b(u, w) := div u w dµ. (3.10) Dann entspricht das Problem (3.6) dem Stokes-Problem (3.1) mit m 0. 2 Es gilt der folgende Satz. Satz 3.3. Das Stokes-Problem (3.6) mit den wie zuvor denierten Räumen X, Y und Funktionen a, b, l sowie m 0 besitzt eine eindeutige Lösung (u, p) X Y. 2 Das hier gestellte Problem ist wegen l X bzgl. den an die rechte Seite gestellten Bedingungen noch allgemeiner als das Problem (3.1). 14

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Beweis. Zunächst wird die Stetigkeit von a gezeigt, der Nachweis der Stetigkeit von b erfolgt analog. Es gilt per Denition des tensoriellen Produkts für u, v H0 1()2 u, v dµ = u 1, v 1 dµ + u 2, v 2 dµ. (3.11) Wegen der Dreiecksungleichung muss nur ein Summand der rechten Seite betrachtet werden. Es gilt mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung zunächst angewandt auf Integrale und im darauolgenden Schritt angewandt auf Summen u 1, v 1 dµ 2 D i u 1 L 2 () D i v 1 L 2 () i=1 ( ) 1 ( ) 1 2 2 u 1, u 1 dµ v 1, v 1 dµ = u 1 H 1 () v 1 H 1 () u 1 H 1 () v 1 H 1 (). (3.12) Damit ist a stetig. Wegen der Symmetrie des tensoriellen Produkts ist a insbesondere eine symmetrische Bilinearform und da a(u, u) = folgt mit der Poincaré-Ungleichung (2.3) u, u dµ = u H 1 () 2, (3.13) u H 1 () 2 u L 2 () 2 + u H 1 () 2 c u H 1 () 2, (3.14) also gilt a(u, u) K u H 1 () mit 2 K = 1 c. Zuletzt muss noch die inf-sup-bedingung nachgewiesen werden. Dazu sei auf [7, Satz 3.3] verwiesen. Damit sind die Bedingungen aus Satz 3.1 erfüllt und die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung bewiesen. 3.2 Numerische Lösung mittels nicht-konformen niten Elementen In diesem Kapitel wird die stationäre Stokes-Gleichung im Sinne der schwachen Formulierung mittels niten Elementen gelöst. Die Schwierigkeit, die Stokes-Gleichungen zu lösen, besteht darin, dass die schwache Formulierung ein Variationsproblem ist, welches in unendlich-dimensionalen Funktionenräumen gestellt ist. Da es in der Praxis nur möglich ist, endlich viele Gleichungen zu lösen, wird das Variationsproblem in geeigneten endlich-dimensionalen Ansatzräumen gestellt. Ziel solch einer Diskretisierung ist es, eine möglichst gute Approximation der schwachen Lösung zu erhalten. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels wird eine sogenannte nicht-konforme Methode vorgestellt und die zugehörigen Fehlerabschätzungen hergeleitet. Im zweiten Abschnitt wird diese Methode auf drei Beispiele angewendet und die Fehlerabschätzungen werden mit den numerisch erhaltenen Fehlern verglichen. 15

3 Die stationären Stokes-Gleichungen 3.2.1 Numerische Lösung mit nicht-konformen niten Elementen Im Folgenden wird als beschränktes Lipschitz-Gebiet R 2 die Menge (0, 1) (0, 1) betrachtet. Das Gebiet kann auf viele Weisen diskretisiert werden. In dieser Arbeit wird eine einfache riangulierung h gewählt. Für gegebenes l N wird das Gebiet in l 2 gleich groÿe Quadrate eingeteilt. Die Quadrate werden dann mittels der Diagonalen, die von der linken unteren Ecke zur rechten oberen Ecke verläuft, in zwei Dreiecke geteilt. Die Länge h eines Quadrats ist damit 1 l. Der Fall l = 3 ist in Abbildung 3.1 abgebildet. Abbildung 3.1: riangulierung h für h = 1 3. Die Menge der Dreieckskanten sei mit Dh bezeichnet, die Menge der inneren Dreieckskanten sei D h. Der Mittelpunkt einer Kante d Dh wird mit m d bezeichnet. Es bezeichne wie in Abschnitt 3.1.2 X := H0 1()2, Y := L 2 0 (). Als Ansatzraum für die Geschwindigkeit u des Stokes-Problems wird der Raum X h der sogenannten Crouzeix Raviart Elemente benutzt: X h := { f L 2 () 2 mit: f P 2 1 für alle h, (3.15) [f] d (m d ) = 0 für alle d D h, f(m d ) = 0 für alle d D h \ D h}. (3.16) Hierbei bezeichnet P 2 1 den Raum der vektorwertigen linearen Polynome p mit p : R 2 R 2 und für gegebenes d D h ist [f] d (m d ) = lim x+ m d f(x) lim x m d f(x), also der Sprung von f an der Stelle m d. Die Bezeichnungen lim x+ m d bzw. lim x m d bezeichnen hierbei die Limites im Punkt m d ausgehend von den beiden Dreiecken 1 bzw. 2 mit d 1 2. Die Bedingung [f] d (m d ) = 0 für alle d D h ist also äquivalent zur Stetigkeit von f in den Punkten m d mit d D h. Dass die Funktionen an den Mittelpunkten der äuÿeren Kanten verschwinden, soll die homogenen Randbedingungen der Geschwindigkeit berücksichtigen. Die Funktionen f X h sind durch die Werte auf den Kantenmittelpunkten eindeutig bestimmt und sollen für die Approximation der Geschwindigkeit u des Stokes-Problems benutzt werden. Eine Basis des Raums X h ist durch diejenigen ϕ i X h gegeben, für die eine der beiden Komponentenfunktionen gleich null ist und deren zweite Komponenten- 16

3 Die stationären Stokes-Gleichungen funktion nur auf zwei benachbarten Dreiecken 1, 2 h ungleich null ist. Ist die zweite Komponentenfunktion gleich null, soll gelten ϕ i (m d ) = (1, 0) für d D h, d 1 2, ϕ i (m d(i) ) = 0 für i {1,..., 4}. (3.17) Dabei bezeichnen die Kanten d(i) die vier, die Kante d umgebenden Kanten. Ist die erste Komponentenfunktion gleich null, gelten die analogen Bedingungen für die zweite Komponentenfunktion. Eine auf X h denierte Norm ist durch u Xh := u 2 H 1 ( ) 2 1 2 (3.18) gegeben. Die Norm ist wohldeniert, weil die Elemente aus X h eingeschränkt auf ein beliebiges Dreieck h glatt sind. Weiterhin ist zu bemerken, dass u Xh = 0 impliziert, dass u = 0. Dies liegt daran, dass die dreiecksweisen Polynome höchstens konstant sein können, um u Xh = 0 gewährleisten zu können. Da zudem die Sprünge an den Kantenmittelpunkten verschwinden, folgt mit den Randwerten auf, dass u = 0 gelten muss. Der Druck p des Stokes-Problems soll mit auf den Dreiecken stückweise konstanten Funktionen approximiert werden. Daher sei der Raum Y h deniert durch Y h := { f L 2 0() mit: f P 0 für alle h }. (3.19) Ein Erzeugendensystem von Y h ist durch die Funktionen λ i gegeben, welche auf genau einem Dreieck gleich 1 i für ein i h sind und sonst i. Mit diesen Funktionen lässt sich leicht eine beliebige Funktion aus Y h konstruieren. Das Erzeugendensystem enthält für h = 1 l, l N, 2l2 Funktionen. Oensichtlich ist Y h Y, also ist Yh = Y. Jedoch gilt im Allgemeinen nicht X h X. Dies liegt daran, dass die Geschwindigkeitskomponenten im Allgemeinen Sprünge an den Kanten d Dh besitzen. Aus diesem Grund wird die Finite-Elemente-Methode als nicht-konform bezeichnet. In Analogie zu den beiden Bilinearformen und des Funktionals des kontinuierlichen Stokes-Problems aus Abschnitt 3.1.2 werden nun die Operatoren des diskreten Problems deniert. Für gegebene u h, v h X h und p h Y h sei a h (u h, v h ) := b h (u h, p h ) := l h (u h ) := u h, v h dµ div u h p h dµ (3.20) u h, f dµ (3.21) 17

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Hierbei sei f L 2 () 2. Das diskrete Stokes-Problem kann nun wie folgt formuliert werden: Finde u h X h und p h Y h, so dass gilt: Es gilt der folgende a h (u h, v h ) + b(v h, p h ) = l h (v h ) für alle v h X h, b h (u h, w h ) = 0 für alle w h Y h. (3.22) Satz 3.4. (1) Für alle h = 1/l > 0 mit l N und alle vh X h gilt (2) Es gilt die inf-sup-bedingung inf sup w h Y h \{0} uh X h \{0} a h (vh, vh) = vh 2 X h. (3.23) b h (uh, w h ) uh Xh w h Yh K für ein K > 0. (3.24) (3) Der Raum V h := {vh X h mit b h (vh, w h ) = 0 für alle w h Y h } ist ungleich dem trivialen Raum {0} und es gilt V h = {vh X h mit div h vh = 0}. (3.25) Hierbei bezeichnet div h die elementweise, für alle h denierte, gebrochene (elementweise schwache) Divergenz div h vh := (div vh). Beweis. (1) Für v h X h ist a h (v h, v h ) = v h, v h dµ = (2) Sei zunächst der Operator E h : X X h deniert über { 1 d d (E h v)(m d ) := v dh1, falls d D h 0, falls d Dh \ D h v 2 H 1 ( ) 2 = v 2 X h. (3.26), (3.27) wobei v eingeschränkt auf eine Kante d im Spursinne zu verstehen ist. Da die Elemente aus X h eindeutig durch die Werte auf den Kantenmittelpunkten festgelegt werden, ist E h damit wohldeniert. Wegen der Linearität des Integrals ist E h ein linearer Operator. Seien nun w h Y h und v X beliebig gewählt. Dann gilt b h (E h v, w h ) = = (w h ) div E h v w h dµ div E h v dµ, (3.28) 18

3 Die stationären Stokes-Gleichungen da w h stückweise konstant ist. Die Integrale können nun gemäÿ Satz 2.2 über den Rand ausgewertet werden und da E h v stückweise linear ist, kann die Mittelpunktsregel angewendet werden. Damit erhält man schlieÿlich mit der Denition von E h b h (E h v, w h ) = w h = w h = w h = n, E h v dh 1 d Dh,d d d n, E h v(m d ) d Dh,d n, v dh 1 d Dh,d d div v w h dµ = b h (v, w h ) = b(v, w h ). (3.29) Sei nun weiterhin v X und h beliebig. Da E h v stückweise linear ist und E hv n := ( n, (E h v) 1, n, (E h v) 2 ) damit stückweise konstant, folgt zunächst mit Hilfe des Satzes 2.2 für die H 1 -Halbnorm E h v 2 H 1 ( ) = 2 = = E h v, E h v dµ E hv, E h v dh 1 n E hv n, E h v dh 1 = E h v, E h v dµ E h v n d Dh,d Die Mittelpunktsregel und nochmalige Anwendung des Satzes 2.2 ergeben d E h v dh 1. (3.30) 19

3 Die stationären Stokes-Gleichungen E h v 2 E h v H 1 ( ) = 2 n d Dh,d d E h v dh 1 E h v = d (E h v)(m d ) n d Dh,d E h v = v dh 1 n d Dh,d d = E hv, v dh 1 n = E hv, v dh 1 E h v, v dµ n = E h v, v dµ E h v H 1 ( ) 2 v H 1 ( ) (3.31) 2 unter Anwendung der Cauchy-Schwarz-Ungleichung. Damit folgt für die Norm Xh unter Anwendung der Cauchy-Schwarz-Ungleichung für Summen E h v 2 X h = E h v 2 H 1 ( ) E 2 h v H 1 ( ) 2 v H 1 ( ) 2 E hv Xh v H 1 () 2, (3.32) also insbesondere E h v Xh v H 1 () 2. (3.33) Nach dem Beweis von Satz 3.3 gilt die inf-sup-bedingung für das kontinuierliche Stokes- Problem. Es gilt also mit den Notationen aus Abschnitt 3.1.2 inf sup w Y \{0} u X\{0} b(u, w) u X w Y K für ein K > 0. (3.34) Zunächst sei w h Y h Y mit w h Y = 1. Wegen der Inmumseigenschaft gilt damit Wähle nun ɛ := K 2 b(u, w h ) sup inf u X\{0} u X sup w Y \{0} u X\{0} > 0, dann gibt es ein v X, so dass gilt b(v, w h ) b(u, w h ) sup ɛ K ɛ = K v X u X\{0} u X 2 Damit gilt wegen der Linearität von b für v 1 := von (3.30) v v X b(u, w) u X w Y K. (3.35) > 0. (3.36) mit v 1 X = 1 unter Zuhilfenahme b(v 1, w h ) = b h (E h v 1, w h ) ɛ > 0 (3.37) 20

3 Die stationären Stokes-Gleichungen und somit mit (3.34) wegen b h (u h, w h ) sup b h (E h v 1, w h ) ɛ (3.38) u h X h \{0} u h Xh die inf-sup-bedingung, also (2). (3) Zuerst wird gezeigt, dass V h {0}. Dazu wird Satz 3.2 benutzt. Sei angenommen, dass V h = {0} gilt und sei analog zu den Notationen aus Satz 3.2 B h ein Isomorphismus von Vh X h nach Yh. Da X h = V h Vh und dim Y h = dim Y h, muss wegen Isomorphie dim X h = dim Y h gelten. Eine Basis von X h bzw. ein Erzeugendensystem von Y h wurden zu Beginn dieses Kapitels angegeben. Die Basis von X h enthält demnach für h = 1 l, l N genau 2(3l 2 2l) Basisfunktionen (pro Geschwindigkeitskomponente 3 Basiselemente pro Quadrat (Knoten der diagonalen, unteren und rechten Kante) minus 2l Freiheitsgrade auf dem rechten und unteren Rand von, wenn man von links nach rechts und unten nach oben zählt ). Das Erzeugendensystem von Y h besteht jedoch nur aus 2l 2 Elementen, jede Basis von Y h demnach aus weniger als 2l 2 < 2(3l 2 2l) Elementen, also führt die Annahme V h = {0} zu einem Widerspruch. Sei nun v h V h. Da v h X h und somit stückweise linear ist, ist div v h eingeschränkt auf ein Dreieck h konstant. Damit liegt div v h in Y h, woraus b h (v h, div v h ) = (div v h) 2 dµ = 0 folgt. Dies impliziert div h v h = 0. Sei andererseits div h v h = 0 und w h Y h beliebig. Dann ergibt Multiplikation der Gleichung mit w h und Integration über alle h div v h w h dµ = 0 = b h (v h, w h ), (3.39) also v h V h. Damit ist auch (3) bewiesen. Bevor die Fehler der diskreten Lösung hegeleitet werden, sei angemerkt, dass Satz 3.4 wegen Satz 3.1 die eindeutige Lösbarkeit des diskreten Stokes-Problems (3.22) garantiert. Der Satz von Lax-Milgram, Satz 2.4, impliziert daher, dass die Geschwindigkeit des diskreten Problems (3.22) auch alleine mit Hilfe des Raums V h gefunden werden kann. Das Problem ist also äquivalent zu: Finde u h V h, so dass gilt: a h (u h, v h ) = l h (v h ) für alle v h V h. (3.40) Der nächste Satz schätzt den Konsistenzfehler des Problems (3.40) ab. Satz 3.5. Sei (u, p) X Y die eindeutige (schwache) Lösung des kontinuierlichen Stokes-Problems und es gelte u H 2 () und p H 1 (). Dann gilt für alle v V V h und den Notationen wie in Satz 3.4 a h (u, v) l h (v) K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} v Xh, für ein K > 0. (3.41) 21

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Beweis. Sei also v V V h. Zunächst wird gezeigt, dass f = u + p gilt. Wegen den Voraussetzungen an u und p und des Satzes 2.2 gilt für alle v H0 1()2 und damit insbesondere für alle v C0 ()2 nach einmaliger partieller Integration der schwachen Formulierung des Stokes-Problems ( u + p) v dµ = f v dµ, (3.42) also ( u + p f) v dµ = 0. (3.43) Damit gilt nach Anwendung des Fundamentallemmas der Variationsrechnung auf alle Komponentenfunktionen, siehe [1, Abschn.3.1], dass f = u + p (µ-f.ü.). Hiermit folgt für den Konsistenzfehler zunächst a h (u, v) l h (v) = = u, v f, v dµ u, v + u, v p, v dµ = u, v dh 1 p, v dµ n h h = [ u ], v dh 1 + u, v dh 1 d D d n d h d d Dh \D d n d h p, v dµ, (3.44) wobei [ ] d den Sprung an der Kante d bezeichnet, der entsteht, da jede Kante d D h in genau zwei benachbarten Dreiecken enthalten ist. Es gilt für solch ein d 1 2, 1, 2 h [ u ] u u, v :=, v +, v, (3.45) n d d n (d 1 ) n (d 2 ) wobei n (d 1 ) bzw. n (d 2 ) die nach auÿen zeigenden Normalenvektoren auf d bzgl. 1 bzw. 2 bezeichnen. Es sei bemerkt, dass der Normalenvektor n d für gegebene Kante d Dh als derjenige Vektor deniert ist, der im mathematisch negativen Sinne senkrecht auf d steht. Die Integranden werden nun nacheinander abgeschätzt. Dies wird hier nur angedeutet, die genaue Herleitung ndet sich in [8, Kap.4, Abschn.1] und [7, Kap.2, Abschn.7]. Für die Abschätzungen werden zwei neue Denitionen benötigt. Zum Einen bezeichne v d := 1 d d v dh1 für ein d Dh. Zum Anderen sei der nodale Interpolationsoperator mit 22

3 Die stationären Stokes-Gleichungen I h : X H 2 () 2 (X h C( ) H0 1)2 bezeichnet, welcher über (I h u)(m d ) := u(m d ) für alle d Dh und gegebenes u X H2 () 2 deniert ist (siehe hierzu die ausführlichen Abschnitte aus [8], insbesondere [8, Kap.2, Abschn.4]). Für eine gegebene Kante d Dh ist I hu n d konstant und weiterhin ist d v v d dh 1 = 0 per Denition. Damit folgt einerseits für d Dh, dass d I hu n d, v v d dh 1 = 0 ist, andererseits ist für eine innere Kante d D h das Integral [ ] d n u d, v v d d dh1 = 0. Zuletzt gilt für eine beliebige äuÿere Kante d Dh \ D h, dass v d = 0 auf Grund des Mittelwertsatzes, falls v V h und auf Grund der Randbedingungen, falls v V X (vgl. hierzu auch [8, Kap.4,Abschn.1]). Die Aussagen ergeben damit u, v + u, v dµ = d D h [ (u I ] hu), v v d dh 1 d n d d (u I hu), v v d dh 1. (3.46) n d d D h \D h In [8] wird in den oben angegebenen Abschnitten dann gezeigt, dass alle Summanden der rechten Seite durch K h v H 1 ( ) 2 u H 2 ( ) für ein K 2 R nach oben abgeschätzt werden können, wenn h und d gilt. Die Cauchy-Schwarz-Ungleichung für Summen liefert dann, da u H 2 (), u, v + u, v dµ K h v Xh u H 2 () 2. (3.47) Nun muss noch der Druckterm des Konsistenzfehlers abgeschätzt werden. Es gilt mit Satz 2.2 = p, v dµ div v p dµ d D h d d [p v, n d ] d dh 1 d D h \D h d p v, n d dh 1. (3.48) Man kann analog zu den Abschätzungen der Geschwindigkeit u zeigen, dass dann für ein K R gilt: d D h d [p v, n d ] d dh 1 + d D h \D h d p v, n d dh 1 K h p H 1 () v Xh. (3.49) Zum Abschätzen des erms div v p dµ wird die L2 -Projektion π h : Y Y h benutzt (siehe [8]), die über π h w, y h Y := w, y h Y für alle y h Y h deniert ist. 23

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Ist v V, so verschwindet das Integral auf Grund der Denition von V. Sei daher v V h, dann gilt, da π h in die stückweise konstanten Funktionen abbildet, div v p dµ = div v (p π h p) dµ p π h p L 2 ( ) div v L 2 ( ) 2 2ab a 2 +b 2 2 1 2 1 2 p πh p L 2 () v Xh 2 p πh p L 2 ( ) v H 1 ( ) 2 K h p H 1 () v Xh, für ein K R. (3.50) Für den letzten Schritt sei auf [7, Kap.1, Abschn.4] verwiesen. Damit sind alle erme des Konsistenzfehlers abgeschätzt und der Satz ist bewiesen. Nach Satz 3.4 und Satz 3.5 werden noch zwei Hilfssätze benötigt, um das Hauptergebnis dieses Abschnitts beweisen zu können. Lemma 3.1. Die Bezeichnungen seien wie in Satz 3.4 und (u, p) sei die Lösung des kontinuierlichen Stokes-Problems. Bezeichnet uh die Lösung der Geschwindigkeit des diskreten Stokes-Problems (3.22), so gilt für ein K > 0. u uh Xh 2 inf vh V h u vh Xh + K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.51) Beweis. Sei v h u h V h X h beliebig gewählt und q h := u h v h. Zunächst gilt nach Satz 3.4 q h 2 X h a h (q h, q h ). Es gilt q h 2 X h a h (q h, q h ) = a h (u h v h, q h ) = a h (u v h, q h ) + a h (u h, q h ) a h (u, q h ) = a h (u v h, q h ) + l h (q h ) a h (u, q h ) u v h Xh q h Xh + l h (q h ) a h (u, q h ) u v h Xh q h Xh + K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} q h Xh. (3.52) Dabei wurde a h wie a im Beweis von Satz 3.3 bei dem Nachweis der Stetigkeit abgeschätzt und im letzten Schritt Satz 3.5 auf den Konsistenzfehler angewendet. Division durch q h Xh ergibt u h v h Xh u v h Xh + K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()}. (3.53) Mit der Dreiecksungleichung gilt zuletzt u u h Xh u v h Xh + u h v h Xh, also folgt 24

3 Die stationären Stokes-Gleichungen u u h Xh u v h Xh + u h v h Xh 2 u v h Xh +K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()}. (3.54) Da dies für beliebiges v h V h gilt 3, gilt die Gleichung auch für das Inmum über alle v h V h, womit das Lemma bewiesen ist. Lemma 3.2. Die Voraussetzungen und Bezeichnungen seien wie in Lemma 3.1. Sei zusätzlich q L 2 () 2 und sei (u q, p q ) bzw. (u q,h, p q,h) die Lösung des kontinuierlichen Stokes-Problems mit rechter Seite l(v) = q, v dµ = q, v L 2 () 2, für alle v X (3.55) bzw. des diskreten Stokes-Problems mit rechter Seite lh (vh) = q, vh dµ = q, vh L 2 () 2, für alle v h X h. (3.56) Dann gilt für den Fehler u uh L 2 () 2 sup q L 2 () 2, q L 2 () 2 =1 { u uh Xh u q u q,h Xh + K h{ u q H 2 () 2 + p q H 1 ()} u uh Xh + K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} u q u q,h Xh }. (3.57) Beweis. Zunächst gilt wegen der Cauchy-Schwarz-Ungleichung für gegebenes q L 2 () 2 mit q L 2 () 2 = 1 Da (u u h )/ u u h L 2 () 2 L2 () 2, gilt also q, u u h L 2 () 2 1 u u h L 2 () 2. (3.58) Weiterhin gilt u u h L 2 () 2 = sup q L 2 () 2, q L 2 () 2 =1 q, u u h L 2 () 2. (3.59) q, u u h L 2 () 2 = q, u L 2 () 2 q, u h L 2 () 2 = a(u, u q ) a h (u h, u q,h ) = a h (u, u q ) a h (u h, u q,h ) = a h (u u h, u q u q,h ) + a h (u u h, u q,h ) + a h (u h, u q u q,h ). (3.60) 3 Der Fall v h = u h ergibt die Abschätzung trivialerweise mit der Dreiecksungleichung. 25

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Für die beiden letzten Summanden gilt und a h (u h, u q u q,h ) = a h (u h, u q ) a h (u, u q ) + a h (u, u q ) a h (u h, u q,h ) = a h (u h, u q ) a h (u, u q ) + u, q L 2 () 2 u h, q L 2 () 2 = a h (u u h, u q ) + u u h, q L 2 () 2. (3.61) a h (u u h, u q,h ) = a h (u, u q,h ) a h (u, u q ) + a h (u, u q ) a h (u h, u q,h ) = a h (u, u q u q,h ) + l h (u q ) l h (u q,h ) = a h (u, u q u q,h ) + l h (u q u q,h ). (3.62) Es sei hierbei angemerkt, dass wegen u h, u q,h V h nur die Formulierung aus Gleichung (3.40) betrachtet werden muss. Wegen u u h, q L 2 () 2 = l(u) l h (u h ) = l h (u u h ) erhält man die Abschätzung q, u u h L 2 () 2 a h(u u h, u q u q,h ) + a h (u, u q u q,h ) l h (u q u q,h ) + a h (u u h, u q ) l h (u u h ). (3.63) Die Anwendung der Stetigkeit von a h für den ersten Summanden und des Satzes 3.5 für die beiden letzten Summanden sowie anschlieÿende Bildung des Supremums ergibt schlieÿlich die behauptete Abschätzung. Nun kann das Hauptergebnis dieses Abschnitts bewiesen werden. Satz 3.6. Seien u und p wie in Satz 3.5 und sei (uh, p h ) die eindeutige Lösung des diskreten Stokes-Problems (3.22). Dann gelten für konvexes, also insbesondere das hier gewählte = (0, 1) (0, 1) die folgenden Fehlerabschätzungen: und u uh Xh + p p h L 2 () K 1 h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.64) für zwei Konstanten K 1, K 2 R. u uh L 2 () 2 K 2h 2 { u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.65) Beweis. Es werden zunächst die Geschwindigkeitsterme abgeschätzt. Unter Benutzung der beiden vorangegangen Lemmata ergeben sich sofort u u h Xh 2 inf v h V h u v h Xh + K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.66) 26

3 Die stationären Stokes-Gleichungen und mit denselben Bezeichnungen wie in Lemma 3.2 u u h L 2 () 2 sup q L 2 () 2, q L 2 () 2 =1 { u u h Xh u q u q,h Xh + K h{ u q H 2 () 2 + p q H 1 ()} u u h Xh + K h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} u q u q,h Xh }. (3.67) Um die erme proportional zu u q H 2 () 2 + p q H 1 () abschätzen zu können, sei auf Satz 3.5 aus [7, Kap.3] verwiesen. Auf Grund der Konvexität von garantiert der Satz, dass diese erme durch K 1 q L 2 () für ein K 2 1 R nach oben abgeschätzt werden können. Als nächstes wird 2 inf vh V h u v h Xh nach oben abgeschätzt. Dazu sei der Operator E h : X X h wie in Satz 3.4 und der Interpolationsoperator I h : X H 2 () 2 (X h C( ) H0 1)2 wie in Satz 3.5 deniert. Wegen u V, ist E h u V h und es gilt folglich inf vh V h u v h Xh u E h u Xh. Da der Interpolationsoperator in den Raum X h abbildet, dessen Funktionen stückweise linear sind, gilt E h I h u = I h u. Damit ergibt sich u E h u Xh u I h u Xh + I h u E h u Xh = u I h u Xh + E h (I h u u) Xh. (3.68) Gleichung (3.33) aus dem Beweis des Satzes 3.4 ergibt dann u I h u Xh + E h (I h u u) Xh u I h u Xh + I h u u H 1 () 2. (3.69) Da auÿerdem u I h u Xh = u I h u H 1 () 2, folgt u E h u Xh 2 u I h u H 1 () 2 K 2 h u H 2 () 2, (3.70) wobei im letzten Schritt wieder auf [7, Kap.1,Abschn.4] verwiesen wird. Insgesamt ergeben sich bei Zusammenfassung aller Abschätzungen die beiden Ungleichungen und u u h Xh K 3 h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.71) u u h L 2 () 2 K 2h 2 { u H 2 () 2 + p H 1 ()}. (3.72) Die Geschwindigkeitsabschätzungen sind damit bewiesen. Nun muss noch der Fehler des Drucks abgeschätzt werden. Hierzu bezeichne zunächst π h : Y Y h die L 2 -Projektion wie in Satz 3.5. Die Dreiecksgleichung ergibt p p h L 2 () p π h p L 2 () + π h p p h L 2 () (3.73) 27

3 Die stationären Stokes-Gleichungen und mit Verweis auf die Voraussetzung an p sowie [7, Kap.1,Abschn.4] gilt p π h p h L 2 () K 4 h p H 1 (). (3.74) Für die weiteren Schritte sei auf die inf-sup-bedingung des Satzes 3.4 erinnert. Die Konstante aus der inf-sup-bedingung sei c, dann gilt c sup v h X h \{0} b h (v h, π h p p h ) v h Xh π h p p h L 2 () und nach Multiplikation mit p π h p h L 2 () bzw. Division durch c (3.75) π h p p h L 2 () b h (v h, π h p p h ) sup = sup 1 c v h X h \{0} v h Xh 1 c v h X h \{0}, v h Xh =1 b h (v h, π h p p h ), (3.76) das heiÿt, es reicht aus, die rechte Seite der letzten Ungleichung abzuschätzen. Sei dazu v h X h mit v h Xh = 1. Es ist b h (v h, π h p p h ) = b h (v h, π h p p) + b h (v h, p p h ). (3.77) Mit der Cauchy-Schwarz Ungleichung und wie in den Abschätzungen zuvor gilt b h (v h, π h p p) = (π h p p) div v h dµ div v h L 2 ( ) π h p p L 2 ( ) 2ab a 2 +b 2 2 1 2 v h H 1 ( ) 2 π h p p L 2 ( ) v h Xh π h p p L 2 () K 5 h p H 1 (). (3.78) Für den zweiten Summanden gilt unter Benutzung von f = u + p b h (v h, p p h ) = b h (v h, p) + a h (u h, v h ) l h (v h ) = a h (u h u, v h ) + u, v h + u, v h p div v h p, v h dµ. (3.79) Der Vergleich mit den Gleichungen (3.47), (3.49) und (3.50) zeigt unter Zuhilfenahme der Geschwindigkeitsabschätzungen zunächst die Abschätzung der rechten Summe durch 28

3 Die stationären Stokes-Gleichungen u, v h p div v h p, v h dµ K 6 h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.80) unter Verwendung der atsache, dass v h Xh = 1 gilt. Der linke erm kann wegen der Stetigkeit von a h durch a h (u h u, v h ) u h u Xh K 7 h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.81) abgeschätzt werden. Damit ist schlieÿlich die Abschätzung von p π h p h L 2 () ebenso bewiesen. Nimmt man das Maximum über die bei allen Abschätzungen benötigten Konstanten, so kann das Hauptergebnis nochmals zusammengefasst werden. Es gelten und u u h Xh + p p h L 2 () K 1 h{ u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.82) u u h L 2 () 2 K 2h 2 { u H 2 () 2 + p H 1 ()} (3.83) für zwei Konstanten K 1, K 2 R. Es sei angemerkt, dass die zweite Gleichung impliziert, dass die L 2 -Norm im Limes h 0 gegen 0 konvergiert. Demnach gibt es eine eilfolge (u h ) von u h, die sogar punktweise f.ü. gegen die Lösung u des kontinuierlichen Problems konvergiert (zu beachten ist hierbei, dass im Rahmen dieser Arbeit bisher immer h = 1 l für ein l N angenommen wurde). 3.2.2 Numerische Studie der Methode Die Fehlerabschätzungen aus Satz 3.6 des vorangegangen Abschnitts sollen nun anhand dreier Beispiele mit numerisch erhaltenen Ergebnissen überprüft werden. Es sei zunächst an die schwache Formulierung des Stokes-Problems erinnert. Sei R 2 ein beschränktes Lipschitz-Gebiet und f L 2 () 2. Dann nde u H 1 0 ()2 und p L 2 0 (), so dass für alle v H1 0 ()2 und alle w L 2 0 () u, v dµ div v p dµ = f, v dµ div u w dµ = 0 (3.84) gilt. Das hier gewählte Gebiet sei wie im vorherigen Abschnitt = (0, 1) (0, 1). Vorbereitend auf Kapitel 4 sei weiterhin eine Dention und folgender Satz gegeben (siehe [3, Kap.2]) Denition 3.1. Der Operator curl : H0 1() L2 () 2 ist für v H0 1 () deniert durch curl v := ( 2 v, 1 v). (3.85) 29

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Es gilt folgender Satz 3.7 (Helmholtz-Zerlegung). Seien R 2 ein beschränktes Lipschitz-Gebiet und v L 2 () 2. Dann lässt sich v schreiben als und es gilt ϕ H 1 () mit sowie ψ H0 1 () mit v = ϕ + curl ψ, (3.86) ϕ, µ L 2 () = v, µ L 2 () für alle µ H 1 () (3.87) curl ψ, curl χ L 2 () = v ϕ, curl χ L 2 () für alle χ H 1 0 (). (3.88) Jedes Vektorfeld aus L 2 () 2 setzt sich also aus einem Gradienten- und einem Rotationsanteil zusammen. In den folgenden drei Beispielen sollen sich die rechten Seiten 4 f i, i {1, 2, 3}, der Stokes-Gleichungen nur im Gradientenanteil unterscheiden. Die Funktionen werden genau so konstruiert, dass die exakten Lösungen der klassischen Stokes- Gleichungen sofort bekannt sind, d.h. f i wird für zwei gegebene Funktionen als u+ p i deniert. Zunächst wird dazu eine divergenzfreie, vektorwertige Funktion u konstruiert. Es wird folgender Ansatz gemacht: u := curl r. (3.89) Dabei ist r(x, y) = x 2 (1 x) 2 y 2 (1 y) 2 ein Polynom 8-ten Grades. Durch diesen Ansatz ergibt sich für die Divergenz von u div u = 1 ( 2 r(x, y)) + 2 ( 1 r(x, y)) = 1 2 r(x, y) 1 2 r(x, y) = 0, (3.90) weil r glatt ist und die (klassischen) partiellen Ableitungen i ( ) somit vertauscht werden dürfen. Als nächstes wird eine Funktion für den Druck p konstruiert, die in L 2 0 () liegt. Auch hier soll p der Einfachheit halber ein Polynom sein. Die Bedingung, dass p L 2 0 () ist, kann auf einfache Weise dadurch erfüllt werden, in dem zunächst ein Polynom-Ansatz p gemacht wird. Die Druckfunktion p wird dann erhalten, in dem p(x, y) := p(x, y) p dµ deniert wird. Im ersten Beispiel sei 1 und im zweiten bzw. dritten Beispiel sei p 1 (x, y) := 0 (3.91) bzw. p 2 (x, y) := 100 (x(1 x)y(1 y) 1/36) (3.92) 4 Im Folgenden wird hiermit abkürzend die Funktion f des Integranden der rechten Seite der Stokes- Gleichungen gemeint. 30

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Mit dem Satz von Fubini folgt p 3 (x, y) := 10 6 (x(1 x)y(1 y) 1/36). (3.93) p i dµ = 0 für i {1, 2, 3}. (3.94) Schlieÿlich werden die Funktionen f i, i {1, 2, 3}, der rechten Seite des Stokes-Problems wie oben bemerkt deniert: f i := u + p i. (3.95) Die Funktionen (u, p i ), i {1, 2, 3}, entsprechen damit den Lösungen der klassischen Stokes-Gleichungen mit rechten Seiten f i. Da alle Funktionen hinreichend glatt sind, entsprechen die Lösungen (u, p i ) auch den schwachen Lösungen. Es ergibt sich für die Komponenten der rechten Seiten (f i ) 1 = 4 (2y 1) (y 2 + 6x 2 y 2 6xy 2 y 6x 2 y + 6xy + 3x 2 6x 3 + 3x 4 ) + c i (1 2x) y (1 y) (f i ) 2 = 4 (2x 1) (x 2 6x 2 y + 6x 2 y 2 x + 6xy 6xy 2 + 3y 2 + 3y 4 6y 3 ) + c i x (1 x) (1 2y), (3.96) wobei c 1 = 0, c 2 = 100 und c 3 = 10 6 sind. Die numerische Lösung wird durch die Lösung der Diskretisierung des Stokes-Problems gemäÿ Abschnitt 3.2.1 bestimmt. Die Funktionen u h bzw. p h werden im Lösungsansatz als Linearkombinationen der in Abschnitt 3.2.1 beschriebenen Basisfunktionen der Räume X h bzw. Y h dargestellt. Um die Koezienten der Linearkombinationen zu bestimmen, wird dann ein lineares Gleichungssystem gemäÿ mit a h (u, v) + b h (v, p) = l h (v), b(u, w) = 0. (3.97) a h (u h, v h ) = b h (u h, p h ) = l h (u h ) = u h, v h dµ, div u h p h dµ, (3.98) u h, f dµ (3.99) 31

3 Die stationären Stokes-Gleichungen (a) Exakte Geschwindigkeit u. (b) Numerische Lösung u h mit rechter Seite f 1. (c) Numerische Lösung u h mit rechter Seite f 2. (d) Numerische Lösung u h mit rechter Seite f 3. Abbildung 3.2: Exakte Geschwindigkeit u und numerisch berechnete Geschwindigkeitsfelder u h mit Gitterweite h = 1 16. aufgestellt. Anschlieÿend können die Normen u u h Xh, p p h L 2 () und u u h L 2 () 2 numerisch berechnet werden. Die Implementationen aller im Rahmen dieser Arbeit benötigten Methoden erfolgte mit MALAB. Die Quelltexte der wichtigsten benutzten Methoden benden sich im Anhang 6. Gleichungssysteme werden in den Methoden mit dem MALAB-Befehl "\"(Backslash) gelöst. Integrale wurden für die in diesem Kapitel dargestellten numerischen Ergebnisse mit Hilfe von Quadraturformeln 5. Ordnung berechnet (siehe [9, Kap.9]). Bevor die Ergebnisse der Fehlernormen diskutiert werden, sollen zunächst die numerisch bestimmten Geschwindigkeitsfelder der drei Beispiele im Vergleich zur exakten Geschwindigkeit gezeigt werden. Diese benden sich für die Gitterweite h = 1 16 in Abbildung 3.2. Die Bilder lassen bei dem Vergleich zwischen exakter und numerisch bestimmter Geschwindigkeit deutlich erkennen, dass die Abweichung zwischen exakter und numerischer Lösung mit steigendem Druck zunimmt. Dies ist in Übereinstimmung mit den Fehlerabschätzungen aus Satz 3.6. Da die obere Schranke der Fehler von der H 1 -Norm des 32

3 Die stationären Stokes-Gleichungen Drucks p abhängt und die Drücke p i der Beispiele mit zunehmendem i gröÿer werden, ist zu erwarten, dass auch die Fehler zwischen der exakten und den numerisch bestimmten Geschwindigkeiten zunehmen. Die berechneten Fehler der drei Beispiele in Abhängigkeit der Gitterweite h benden sich in den abellen 3.1, 3.2 und 3.3. Bei allen Beispielen lässt sich die lineare Konvergenzordnung der Geschwindigkeit in der X h -Norm und die quadratische Konvergenzordnung der L 2 -Norm beobachten, was gemäÿ den Fehlerabschätzungen aus Satz 3.6 erwartet wird. Auch die lineare Konvergenzordnung des Druckfehlers wird deutlich. Exemplarisch sind die Fehler der beiden feinsten Gitter des ersten Beispiels graphisch in Abbildung 3.3 zu sehen. Die Geraden entsprechen mit MALAB berechneten linearen Regressionen. Die Darstellung ist doppellogarithmisch, so dass die Steigungen der Graphen die Konvergenzordnungen angeben. Wie schon bei der graphischen Darstellung der Geschwindigkeitsfelder deutlich wurde, nimmt der Geschwindigkeitsfehler mit gröÿer werdendem Druck in Übereinstimmung mit den Fehlerabschätzungen aus Satz 3.6 zu. Die exakte Geschwindigkeit u des Stokes-Problems ist jedoch in allen Beispielen dieselbe. Interpretiert man die Beispiele als Modellierungen bestimmter physikalischer Systeme, bedeutet dies, dass die Methode die Situationen nicht verlässlich simulieren kann. Dies stellt ein praktisches Problem dar, welches nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Wünschenswert wäre es, eine Methode angeben zu können, bei der zwar die Konvergenzordnungen für die Fehler der Geschwindigkeit wie in den Abschätzungen aus Satz 3.6 erhalten bleiben, bei der aber die Geschwindigkeitsfehler nicht mehr von dem Fehler des Drucks abhängen. Ein Ansatz für solch eine Methode wird in Kapitel 4 vorgestellt und numerisch anhand der hier behandelten Beispiele untersucht. 33

3 Die stationären Stokes-Gleichungen h u u h L 2 () 2 u u h Xh p p h L 2 () 0.25 0.008948571284762 0.098288462658135 0.095452656839553 0.125 0.002788386373344 0.053982408333072 0.048091048122534 0.0625 7.658052298114011e-04 0.027921667034641 0.022922406628642 0.03125 1.971181882944330e-04 0.014101310103717 0.011161214632537 0.015625 4.967007640367334e-05 0.007069460842952 0.005531672497883 abelle 3.1: Fehler zwischen analytischer Lösung (u, p) und numerischer Lösung (u h, p h ) mit rechter Seite f 1. h u u h L 2 () 2 u u h Xh p p h L 2 () 0.25 0.087351803133336 0.926591775404715 0.950908605938613 0.125 0.027347480104010 0.511735469207213 0.478954204627889 0.0625 0.007523006530653 0.265243365779622 0.228271152103115 0.03125 0.001937261066399 0.134040514946990 0.111143929435318 0.015625 4.882076900466271e-04 0.067210383123744 0.055083870812980 abelle 3.2: Fehler zwischen analytischer Lösung (u, p) und numerischer Lösung (u h, p h ) mit rechter Seite f 2. h u u h L 2 () 2 u u h Xh p p h L 2 () 0.25 8.732998248628583e+02 9.260057029989490e+03 9.508719906364078e+03 0.125 2.734200840670421e+02 5.114438761217760e+03 4.789344034937319e+03 0.0625 75.216300625882525 2.650984638892394e+03 2.282615064131007e+03 0.03125 19.369154013438578 1.339682334606627e+03 1.111391899088516e+03 0.015625 4.881211475426340 6.717426698166273e+02 5.508151372889553e+02 abelle 3.3: Fehler zwischen analytischer Lösung (u, p) und numerischer Lösung (u h, p h ) mit rechter Seite f 3. 34