Kindeswohlgefährdung Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung.
Kindeswohlgefährdung Leitgedanken Jedes Kind oder jeder Jugendlicher soll vor Gefahren für sein Wohl wirksam geschützt werden. Jeder Hinweis auf Kindeswohlgefährdung soll Beachtung finden und hinreichend aufgeklärt werden. Jeder Fall von Kindeswohlgefährdung soll in einem Team aus mindestens zwei Fachkräften bearbeitet werden, das heißt keine Fachkraft soll solche Fälle auf sich allein gestellt bearbeiten.
Was ist Kindeswohlgefährdung? Eigene Vorstellungen Rechtliche Grundlagen
Eigene Vorstellungen Individuelle bzw. gesellschaftlich vermittelte Vorstellungen von gelingender Erziehung und Förderung
Rechtliche Grundlagen Staatliches Wächteramt Das besondere Schutzrecht von Kindern ist grundlegend in Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz geregelt. Hiernach sind Pflege und Erziehung der Kinder... das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Weiter ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG bzw. SGB VIII) in 8a ein ausdrücklicher Schutzauftrag des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung festgeschrieben.
Rechtliche Grundlagen 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
Rechtsprechung Das Kindeswohl im Sinne von 1666 Abs. 1 BGB ist gefährdet, wenn eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für seine Entwicklung vorliegt, die so ernst zu nehmen ist, dass sich eine erhebliche Schädigung seines- körperlichen, geistigen oder seelischen- Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, wenngleich die zu erwartenden schädigenden Folgen nicht unmittelbar bevorstehen müssen Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen, vielmehr gehören die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes dass kein Kind Anspruch auf Idealeltern und optimale Förderung und Erziehung hat und sich das staatliche Wächteramt auf die Abwehr von Gefahren beschränkt. Keinesfalls kann es für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ausreichen, dass es andere Personen oder Einrichtungen gibt, die zur Erziehung und Förderung eventuell besser geeignet wären
Rechtsprechung Hier wird nochmals deutlich, wie hoch die Anforderungen an die Situationsanalyse im Einzelfall sind, insbesondere um Kindeswohlgefährdung von nicht förderlichem Erziehungsverhalten und damit Gefahr für das Kindeswohl von vorliegendem erzieherischen Bedarf sauber zu trennen.
Wie äußert sich Kindeswohlgefährdung? Anhaltspunkte/Indikatoren Von entscheidender Bedeutung ist, dass nicht abschließend festlegt werden kann, was Kindeswohlgefährdung (und was demzufolge keine Kindeswohlgefährdung) ist. Vielmehr handelt es sich um Anhaltspunkte, die im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und unter Betrachtung des jeweiligen Kontextes genau überprüft und bewertet werden müssen.
Erscheinungsformen von Kindeswohlgefährdung Körperliche Gewalt Psychische Gewalt Vernachlässigung Sexuelle Gewalt Risikofaktoren
Körperliche Gewalt dazu gehören z. B. folgende Handlungen: kalt Abduschen Schlagen Treten Verbrennen Verbrühen
Psychische Gewalt dazu gehören z. B. folgende Handlungen bzw. Verhaltensweisen dem Kind oder Jugendlichen gegenüber: Ignorieren Beschimpfen und Niederbrüllen Bloßstellen/der Lächerlichkeit preisgeben Erniedrigen Entwerten Einsperren Isolieren Beschuldigungen/Schuldzuweisungen Verhinderung altersgemäßer Entwicklung/in Unselbständigkeit halten/überfürsorge Kontaktsperre zu wichtigen Bezugspersonen Aufhetzung gegen den anderen Elternteil sprunghaftes und willkürliches Erziehungsverhalten häusliche Gewalt
Vernachlässigung Kind wird unbeaufsichtigt bzw. allein gelassen (alters- und entwicklungsabhängig) Kind wird mangelhaft versorgt: witterungsunangemessene Kleidung mangelnde Körperhygiene mangelnde Ernährung mangelnde Förderung des Kindes mangelnde Gesundheitsfürsorge lückenhafter Schulbesuch (alters- und entwicklungsabhängig)
Sexuelle Gewalt Anhaltspunkte bzw. beobachtbare Anzeichen sind: sexualisiertes Verhalten des Kindes auffällige Distanzlosigkeit plötzliche Verhaltensänderungen Nachstellung sexueller Handlungen durch das Kind Schilderungen von sexueller Gewalt durch das betroffene Kind/den betroffenen Jugendlichen, die betroffene Jugendliche oder durch Dritte bildliche Darstellung sexueller Gewalt entsprechende Verletzungen beim Kind/Jugendlichen
Risikofaktoren Hierunter sind Faktoren zu verstehen, die zu den oben genannten Gefährdungslagen führen können. Dies bedeutet, dass durch das Vorliegen solcher Faktoren eine Kindeswohlgefährdung nicht oder noch nicht zwangsläufig gegeben ist, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von Kindeswohlgefährdung als Folge der jeweiligen Problem- oder Risikosituationen jedoch erheblich begünstigt oder erhöht wird (z. B. Sucht der Eltern, die zur Vernachlässigung der Kinder führen kann). Dazu gehören beispielsweise: Suchterkrankung der Eltern oder eines Elternteiles Psychische Erkrankung der Eltern oder eines Elternteiles Behinderung der Eltern oder eines Elternteiles Sektenzugehörigkeit der Eltern oder eines Elternteiles Ver- bzw. Überschuldung der Eltern Ständige Wohnortwechsel Obdachlosigkeit Strukturlosigkeit fortdauernde Delinquenz der Eltern oder eines Elternteiles
Was ist der gesetzliche Auftrag? Schutzauftrag beim Jugendamt
Schutzauftrag beim Jugendamt Aus 8 a SGB VIII 1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten.
Verfahrensweise beim Jugendamt Handlungsebene Dokumentation
Handlungsebene Vieraugenprinzip Kriteriengeleitete Einschätzung Handlungs- und Zeitplanung
Einschätzung des Gefährdungsrisikos Informationslage Bewertung Hypothesenbildung Prognose
Situationsanalyse im Einzelfall Art und Schwere der Gefährdung Alter und Schutzbedürftigkeit des Kindes Soziales Umfeld Rolle der Eltern Hilfeangebote
Prognose Weiterentwicklung der Situation Geeignetheit von Hilfen Veränderungs- Mitwirkungsbereitschaft Grundlegende Problematik von Vorhersagen
Spannungsfeld Kontrolle / Hilfe Balance Einleitung von Hilfen Angemessenheit der Intervention
Dokumentation Wichtig bei all diesen Prozessen ist eine zeitnahe und aussagekräftige Dokumentation der Vorgänge im Rahmen der Bearbeitung von Meldungen von Kindeswohlgefährdung. Eine solche Dokumentation muss folgende Kriterien erfüllen: Informationen / Inhalte festhalten Beteiligte Personen und Institutionen festhalten Absprachen und Arbeitsaufträge festhalten Entscheidungsgrundlage bilden Entscheidungen und Entscheidungsträger festhalten Handlungs- und Zeitplanung wiedergeben Überblick im Fallgeschehen gewährleisten Struktur schaffen und wiedergeben Reflexion ermöglichen Zeitverläufe verdeutlichen (was war wann, wer wusste wann was, wer hat wann wie auf welcher Wissensgrundlage entschieden, was wurde wann und von wem umgesetzt)