Vorlesung Arbeitsrecht. 8 Leistungsstörungen. Unmöglichkeit ( 275 I; 280 I, III, 283 S. 1; 326 I 1)?

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Transkript:

Prof. Dr. R. Singer Wintersemester 2009/10 (26.1.2010, 8/Teil 1) Vorlesung Arbeitsrecht 8 Leistungsstörungen I. Leistungshindernisse auf Seiten des Arbeitnehmers: 1. Nichtleistung: Beispiel: AN erscheint nicht zur Arbeit. a) Art der Leistungsstörung: Verzug ( 280 I, II, 286) oder Unmöglichkeit ( 275 I; 280 I, III, 283 S. 1; 326 I 1)? Arbeitsleistung nicht nachholbar: absolutes Fixgeschäft Unmöglichkeit b) Konsequenzen: aa) AN von Leistungspflicht befreit ( 275 I)/Vergangenheit - auch bei Vertretenmüssen - bb) Verlust der Gegenleistung (Lohn)? 326 I 1 aber zahlreiche Ausnahmen: 615, 616 BGB; 3 I EFZG cc) Schadensersatzpflicht des AN? 280 I, III, 283 S. 1 wenn Unmöglichkeit zu vertreten Hauptproblem: Arbeitsvertragsbruch des AN 283 S. 1, 280 I, III BGB: Schadensersatz statt der Leistung - Inseratskosten i.d.r. nicht kausal, da diese bei wirksamer Kündigung auch entstanden wären (BAG NJW 1984, 2846) Ausnahme: AG kann darlegen, das er bei rechtzeitiger Kündigung durch innerbetriebliche Ausschreibung oder Umfragen in Fachkreisen Inseratskosten erspart hätte (BAG 38, 179, 182 f.). - Umsatzeinbußen: Kausalität schwer zu beweisen 1

2. Schlechtleistung a) Keine Lohnminderung! AN schuldet nach h.m. Arbeitsleistung im Rahmen seiner individuellen Leistungsfähigkeit ( 613 BGB) Aber AN muss individuelle Leistungsfähigkeit ausschöpfen; das ist prima facie nicht der Fall, wenn AN um mehr als ein Drittel hinter der durchschnittlichen Arbeitskraft vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleibt (BAG NJW 2004, 2545) Bsp.: Kommissionierer in Frischecenter hatte die Aufgabe, mit einem Flurförderfahrzeug Warengebinde aus den Regalen zu entfernen und in Behälter zu verladen (NJW 2004, 2545), und leistete 1/3 weniger als andere AN. Rechtsfolge: keine Minderung (s.o.), wohl aber verhaltensbedingte Kündigung (nach Abmahnung) Nach den Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast kann Arbeitnehmer dem entgegentreten und darlegen, dass er trotz objektiver Minderleistung seine persönliche Leistungsfähigkeit alters-, krankheits- oder betriebsbedingt ausgeschöpft hat. b) Vertragsstrafe, Betriebsbuße: aa) bb) Vertragsstrafen auch in Formulararbeitsverträgen wegen arbeitsrechtlicher Besonderheiten trotz 309 Nr. 6 BGB erlaubt (s.o. im Text 4 V 2 b aa) Betriebsbußen? Mitbestimmungspflichtig, 87 I Nr. 1 BetrVG; - keine Inhaltskontrolle ( 310 IV 1 BGB) - aber rechtsstaatliche Anforderungen an Bußordnung: Tatbestände müssen bestimmt sein Ordnung muss rechtsstaatliches Verfahren vorsehen (insbesondere rechtliches Gehör gewähren) Strafkatalog darf nur Verwarnung oder Geldbuße vorsehen, nicht Freiheitsstrafe Bsp.: LAG Frankfurt DB 1968, 987 Eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,- Euro ist verwirkt, wenn der Angestellte, 1. gegen Bestimmungen des Dienstvertrags verstößt, 2. gegen Weisungen des Arbeitgebers verstößt, 3. unberechtigt die Tätigkeit beendet oder 4. vorsätzlich eine dienstliche Schlechtleistung erbringt. LAG: Katalog zu unbestimmt (-) 2

cc) Vertragsstrafen für Fußballspieler wegen vereinsschädigenden Verhaltens (z.b. Alkoholexzesse, Trainerkritik) Thüsing/Bodenstedt AuR 2004, 369: zulässig, da sich Fußballspieler fit halten müssen und Mannschaftsharmonie nicht stören dürfen aa Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 160 Rn. 17: moderne Leibeigenschaft ; Verstoß gegen Art. 2 I GG. II. Leistungshindernisse auf Arbeitgeberseite 1. Nicht- oder Schlechterfüllung von Arbeitgeberpflichten: a) Beispiele: - AG zahlt Lohn nicht ( 611) - AG heizt nicht ( 618) b) Rechtsfolgen: (1) Zurückbehaltungsrecht des AN gem. 273 BGB (nicht: 320; Grund: Vorleistungspflicht AN) (2) Macht AN von 273 Gebrauch, befindet sich Arbeitgeber in Annahmeverzug: 295 S. 2, 296, 615 S. 1 BGB 2. Vom Arbeitgeber verschuldete Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 326 II AN behält Vergütungsanspruch Beispiel: Arbeitgeber zündet Fabrik an; Mitarbeiter verursacht Stromausfall ( 278) 3. Beiderseits nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Bsp.: Stromausfall, Zerstörung Fabrik nach Naturkatastrophe): a) 326 I: Gegenleistung (Arbeitsentgelt) entfällt - nicht interessegerecht b) Vorrang besonderer Gefahrtragungsregeln: aa) 615 S. 1: Annahmeverzug des Arbeitgebers Entgeltfortzahlung (Beispiel: rechtswidrige Kündigung) 615 S. 3 Entgeltfortzahlung, wenn AG Betriebsrisiko für unmöglich gewordene Leistung trägt (Beispiel: Fabrik abgebrannt) 3

bb) 616: persönliche Verhinderung des Arbeitnehmers (Beispiel: Autopanne, Kind erkrankt) Entgeltfortzahlung cc) 3 I EFZG: Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit Entgeltfortzahlung für 6 Wochen dd) 1, 11 BUrlG: Urlaubsentgelt -------------------------------------------------------------------------- Fall 21: Annahmeverzug des Arbeitgebers B A 31.3. 30.6. 626 ab 1.7. neue Arbeit 2.4. 21.4 Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit B A 611, 614, 615 S. 1: rückständige Vergütung? Anspruchsgrundlage: 611 BGB I. Entstanden: wirksamer Arbeitsvertrag II. Erloschen? Fristlose Kündigung unwirksam (Urt. v. 30. 9.) III. Fälligkeit? 614 Ohne Arbeit kein Lohn IV. Ausnahme: Annahmeverzug gem. 615 1. Annahmeverzug trotz Fixschuld? ja, sonst 615 S. 1 ohne Bedeutung 4

2. Abgrenzung: Annahmeverzug = Annahmeunwilligkeit Unmöglichkeit = Annahmeunmöglichkeit (Fabrik abgebrannt) für Annahmeunmöglichkeit gilt nicht 326 I, sondern 615 S. 3, wenn AG Betriebsrisiko trägt hier: Annahmeunwilligkeit 3. Voraussetzungen des Annahmeverzugs: a) Nicht-Annahme der angebotenen und fälligen Leistung: 293 ( + ) b) Tatsächliches Angebot ( 294): ( - ) c) Wörtliches Angebot ( 295 S. 1) - Annahmeverweigerung des Gläubigers - Mitwirkungshandlung des Gläubigers BAG: Arbeitgeber muss AN einen funktionsfähigen Arbeitsplatz anbieten Wörtliches Angebot: Spätestens Kündigungsschutzklage Nachteil: - bis zu 3 Wochen kein Annahmeverzug - wörtliches Angebot des AN unzumutbar d) Entbehrlichkeit des Angebots ( 296 S. 1) wenn Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers (Arbeitsplatzangebot) kalendermäßig bestimmt ist (+) Ergebnis: AG ab 1. 4. im Annahmeverzug 4. Beendigung des Annahmeverzugs Ende durch Arbeitsunfähigkeit (arg.: 297) Aber: während Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung vom 2. 4. 21. 4. ( 3 I EFZG) 5. Erneuter Annahmeverzug AG nach Ende Arbeitsunfähigkeit AN? a) 296 S. 1: wörtliches Angebot an sich entbehrlich b) Aber: nicht, wenn für AG nicht erkennbar ist, dass er erneut - in Annahmeverzug gerät AN muss daher AG gem. 295 S. 2 auffordern, Arbeitsplatz anzubieten c) Entbehrlich, wenn AG Annahme verweigert hat? 5

hier: AG hat deutlich gemacht, dass er auf Arbeitsleistung durch AN keinen Wert legt (AU-Bescheinigung) Aufforderung gem. 295 S. 2 wäre dann unzumutbare Förmelei Ergebnis: A bekommt vom 1. 4. 30. 6. Entgeltfortzahlung. ------------------------------------------------------------------------- Fall 22: Betriebsrisikolehre Dachs Zulieferung Spritzgussteile 60 % BMW (Ingolstadt) 611, 614 Streik Lohn A IG Metall A D: Lohn (17. 3. 15. 4.) I. Entstanden: 611 BGB II. Fällig: 614 (ohne Arbeit kein Lohn) III. 615 S. 1: Annahmeverzug des Arbeitgebers? 1. 615 S. 1: Annahmeverzug bei Annahmeunwilligkeit Absatzprobleme: keine Annahmeunmöglichkeit 2. seit 1.1. 2002 615 S. 3: auch bei Annahmeunmöglichkeit Vergütungsanspruch AN, wenn AG sog. Betriebsrisiko trägt. 6

a) RGZ 106, 272: Kieler Straßenbahnstreik Stromausfall Straßenbahn Kraftwerk d. Betriebs nicht streikende AN (Lohn) AN (Streik) RG: BGB zu individualistisch; 615 S. 1 nicht sachgerecht, da die Leistungsstörung auf Streik der Arbeitnehmerschaft beruhe und Folgen des Arbeitskampfes aus Solidarität von den Arbeitnehmern zu tragen sei. Kritik: Klassenkampf-Argumente; Zurechnung des Streiks durch andere AN nicht begründbar b) BAG NJW 1981, 937: neue Grundsätze zur Verteilung des Arbeitskampf- und Betriebsrisikos aa) Arbeitgeber trägt Betriebs- und Wirtschaftsrisiko (= 615 S. 3) - Ausfall Betriebsanlagen - Absatzprobleme - Zulieferprobleme - Rohstoffmangel - Naturkatastrophen bb) Arbeitnehmer tragen Arbeitskampfrisiko, wenn Entgeltfortzahlung Kampfparität der Verbände erheblich beeinflussen würde (1) arg.: - sonst Übergewicht der Gewerkschaften - Streik in Schlüsselbetrieben würde AG erheblich unter Druck setzen (2) Wann wird Kampfparität beeinflusst? - Streiks im gleichen Betrieb (Unternehmen), RGZ 106, 272 7

- Streik in Drittbetrieben: nur bei koalitionsmäßiger Verflechtung der Parteien (AN = gleiche Gewerkschaft/AG gleiche Branche); Grund: dann macht AG bei seinem Verband Druck und schwächt AG-Position - Fallbezogen: AG gleiche Branche, AN IG Metall ( + ) cc) Unternehmerische Fehldisposition? ( 615 S. 2) - Abhängigkeit von Haupt-Abnehmer (wohl) unvermeidlich Ergebnis: AN trägt Kampfrisiko; kein Vergütungsanspruch -------------------------------------------------------------------------- Exkurs: 146 III SGB III (dtv 24) Neutralität der BfA bei Arbeitskämpfen hat engere Voraussetzungen: Betrieb muss räumlich und fachlich dem Geltungsbereich des umkämpften TV angehören oder den Tarifvertrag aus einem anderen Tarifbezirk voraussichtlich übernehmen Nach BAG sind Neutralitätsanforderungen an BfA jetzt Bundesagentur - nicht vergleichbar, weil auf diese kein Druck ausgeübt wird. Wenn Entgeltfortzahlung dazu führt, dass AG unter Druck gerät, ist dagegen Kampfparität betroffen und sollte Entgeltfortzahlung unterbleiben. ------------------------------------------------------------------------- Variante: Arbeitsunfähigkeit des AN? 1. 3 I EFZG verlangt Verhinderung infolge Krankheit 2. Bei Streikteilnahme fehlt es an Kausalität a) Allerdings bejaht BAGE 68, 299 Entgeltfortzahlung, wenn AN nicht am Streik teilgenommen hat AN erlitt Ski-Unfall während des Urlaubs und machte für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit EFZ geltend; während AU hat AN nicht gestreikt, erst wieder nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit BAG: AN hat Streikteilnahme weder ausdrücklich noch konkludent erklärt; daher war AU alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung b) Fallbezogen: Fall anders gelagert; selbst wenn AN hätte arbeiten wollen, hätte er nicht arbeiten können; es fehlt Kausalität zwischen Arbeitsunfähigkeit und Krankheit Ergebnis: A erhält keine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit, weil er auch als Gesunder keinen Entgeltanspruch gehabt hätte. 8