Arbeitsrecht am Abend, 10. März 2010 -Wahlanfechtung- Sabine Feichtinger Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nürnberg
Anfechtungsfrist 2 Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG entscheidend ist der Eingang der Antragsschrift beim Arbeitsgericht, nicht die Zustellung an Betriebsrat keine Verlängerung, keine Wiedereinsetzung Fristablauf erst mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe im Sinne des 18 WO, d.h. die Wahlniederschrift ( 16 WO) ist in gleicher Weise im Betrieb durch Aushang bekannt zu machen wie das Wahlausschreiben. Ferner ist dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften unverzüglich je eine Abschrift der Wahlniederschrift zu übersenden. Wird die Bekanntgabe des Wahlergebnisses unterlassen oder verzögert oder erfolgt sie nicht ordnungsgemäß, so kann die Frist nicht zu laufen beginnen. Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 2
Anfechtungsberechtigung 3 wahlberechtigte Arbeitnehmer: Jeder einzelne Arbeitnehmer handelt aus eigenem Recht; sie müssen sich nicht zu einer Gruppe zusammenschließen; es genügt, wenn mindestens drei Wahlberechtigte innerhalb der Anfechtungsfrist unabhängig voneinander beim Arbeitsgericht die Wahl anfechten (vgl. LAG München v. 17.07.2008 4 TaBV 20/08) eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft der Arbeitgeber im gemeinsamen Betrieb sind die Unternehmen gemeinsam bzw. nur die einheitliche Leitung anfechtungsberechtigt Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 3
Anfechtungsverfahren Antrag an das zuständige Arbeitsgericht Entscheidung im Beschlussverfahren Anfechtungsgegner ist grundsätzlich der Betriebsrat, außer es wird nur die Wahl einzelner Betriebsratsmitglieder angefochten Anfechtung aller Betriebsratswahlen, wenn Anfechtung darauf gestützt wird, dass in einem einheitlichen Betrieb (ggf. auch Gemeinschaftsbetrieb) unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte gewählt worden sind (ständige Rechtsprechung: BAG v. 31.05.2000 7 ABR 78/98) Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 4
Anfechtungsgrund Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren keine Berichtigung erfolgt nur bei rechtzeitiger Berichtigung, so dass weiterer Wahlablauf ordnungsgemäß außer Verstoß konnte Wahlergebnis nicht ändern oder beeinflussen entscheidend ist, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu dem selben Wahlergebnis geführt hätte es muss sich konkret feststellen lassen, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre (ständige Rechtsprechung zuletzt BAG v. 21.01.2009 7 ABR 65/07) Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 5
Anfechtbarkeit wegen Mängel bzgl. der Wahlberechtigung Teilnahme nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer is des 7 BetrVG (z.b. BAG v. 07.05.2008 7 ABR 17/07 Rahmenvereinbarung mit Aushilfskräften ; BAG v. 16.04.2003 7 ABR 53/02 Altersteilzeitler in der Freistellungsphase (Blockmodell) ; BAG v. 19.11.2008 10 AZR 658/07 1-Euro-Job isd SGB II Verweigerung der Wahlteilnahme gegenüber Wahlberechtigten (z.b. Arbeitnehmer in Elternzeit, während der Wehrdienstes etc.) Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 6
Anfechtbarkeit wegen Mängeln bzgl. der Wählbarkeit Nichtzulassung eines wählbaren Arbeitnehmers zur Wahl, obwohl (nach Ablauf der Kündigungsfrist) über die Wirksamkeit der Kündigung noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist (BAG v. 10.11.2004 7 ABR 12/04) Zulassung von Leiharbeitnehmer als Wahlkandidaten gewerbsmäßig überlassene Leiharbeitnehmer sind trotz Wahlberechtigung gem. 7 S. 2 BetrVG gem. 14 Abs. 2 S. 1 AÜG im Entleiherbetrieb nicht wählbar ( BAG v. 16.04.2003 7 ABR 53/02 - ). auch nicht gewerbsmäßig überlassene Leiharbeitnehmer und Konzernleihe nach 1Abs.3 Nr.2 AÜG haben nach dem Beschluss des BAG v. 10.03.2004 (-7 ABR 49/03-) haben kein passives Wahlrecht im Entleiherbetrieb und zählen bei 9 BetrVG nicht mit. Diese Rspr. ist in der Literatur sehr umstritten. Derzeit ist erneut eine Rechtsbeschwerde insoweit anhängig (vgl.lag Schleswig-Holstein v. 02.07.2009 4 TaBV 7/09-). Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 7
Anfechtbarkeit wegen Mängeln des Wahlverfahrens Fehlen oder nicht ordnungsgemäße Bekanntgabe des Wahlausschreibens isd. 3 Abs. 4 S. 1 WO (BAG v. 21.01.2009 7 ABR 65/07) Verletzung der Pflicht des Wahlvorstandes nach 7 Abs. 2 S. 2 WO auf unverzügliche Prüfung der Wahlvorschläge (BAG v. 21.01.2009 7 ABR 65/07) unrichtige Angabe der Mindestsitze für das Geschlecht in der Minderheit im Wahlausschreiben (BAG v. 10.03.2004 7 ABR 49/03; LAG Hamm v. 17.12.2008 v. 17.12.2008 10 TaBV 137/07) Nichteinhaltung der Fristen der WO zur Einreichung der Wahlvorschläge nicht ordnungsgemäße Unterrichtung ausländischer Arbeitnehmer gem. 2 Abs. 5 WO über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe (BAG v. 13.10.2004 7 ABR 5/04) Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 8
Rechtsfolgen Erklärt das Gericht die Wahlanfechtung für zulässig und begründet muss noch vor Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung der BR geschlossen zurücktreten und Neuwahlen einleiten; durch Bestellung eines Wahlvorstandes. Der zurückgetretene BR bleibt geschäftsführend im Amt längstens bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Die Anfechtung wirkt nur für die Zukunft, d.h. -Handlungen des angefochtenen BR bleiben wirksam -Kündigungsschutz fällt nicht rückwirkend weg, sondern entfällt erst mit Rechtskraft der Anfechtungsentscheidung Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 9
Abgrenzung zur Nichtigkeit der Wahl keine Bindung an ein bestimmtes gerichtliches Verfahren; z.b. Feststellung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder als Vorfrage im Rahmen einer Kündigungsschutzklage keine Frist, insbesondere keine Bindung an 19 BetrVG kann von jedermann geltend gemacht werden, der Feststellungsinteresse hat Begründetheit nur bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche gesetzliche Wahlvorschriften, Nichtigkeit muss der Wahl auf die Stirn geschrieben sein Folgen: rückwirkende Nichtigkeit der Betriebsratswahl alle Handlungen des Betriebsrats sind unwirksam Verlust des Kündigungsschutzes gem. 15 KSchG Sabine Feichtinger, Fachanwältin für Arbeitsrecht 10