Gesundheitsreform 2007 Tipps und Informationen für Versicherte

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Gesundheitsreform 2007 Tipps und Informationen für Versicherte

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2 Inhalt Zeitplan Gesundheitsreform...6 Was sich wann für Patienten und Versicherte ändert Die neuen Leistungen der Krankenkassen...9 Von Impfungen über Eltern-Kind-Kuren und. Rehabilitation für Ältere bis zu den neuen. Regelungen bei Arznei- oder Hilfsmitteln Zuzahlungen von A bis Z...20 Widerspruch...22 Was man tun kann, wenn man mit der Entscheidung. der Krankenkasse nicht einverstanden ist Versicherungsschutz...27 Die neuen Wahltarife von der integrierten Versorgung. bis zur variablen Kostenerstattung Versicherungsschutz für alle Wechsel der Krankenversicherung Reform der privaten Krankenversicherung...35 Finanzreform im Gesundheitswesen...37 Gesundheitsfonds, Zusatzbeitrag und Steuerzuschuss Perspektiven...41 Das Solidarprinzip lohnt sich für alle: Reformoptionen der Gewerkschaften Service und Kontakte...45 Stichwortverzeichnis Kontaktadressen

4 5 Vorwort Die am 1. April 2007 in Kraft getretene Gesundheitsreform löst die drängenden Herausforderungen nicht, sondern schafft eine Reihe von neuen Problemen. Aber allen Protesten von Experten und Versicherten, Krankenkassen und Gewerkschaften zum Trotz hat die große Koalition ihr Reformprojekt durchgezogen. Es gibt durchaus einige Leistungsverbesserungen und die Versicherungspflicht für alle. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht gelungen ist, das Grundproblem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den Griff zu bekommen. Die Einnahmeausfälle durch die hohe Arbeitslosigkeit und den Rückgang der sozialversicherten Beschäftigung werden durch die Reform und ihr Kernstück, den Gesundheitsfonds, der ab 2009 eingeführt werden soll, nicht gestoppt. Im Gegenteil: Die Reform wird die finanzielle Krise der GKV noch verschärfen, wenn der Fonds die Kosten nicht auf Dauer decken wird. Die Lücke belastet allein die Versicherten. Gleichzeitig wird das Solidarprinzip der GKV weiter unterlaufen. Statt einen Finanzausgleich zwischen privater und. gesetzlicher Krankenversicherung zu etablieren, halten Elemente der privaten Krankenversicherung in die GKV Einzug, etwa bei den neuen Wahltarifen. Hier soll Geld an Junge und Gesunde zurückfließen, das bei der Versorgung Kranker fehlt. Die Gewerkschaften werden weiter für ihre Reformalternativen streiten, denn eine faire Finanzreform im. Sinne der Bürgerversicherung und eine nachhaltige. Modernisierung des Gesundheitssystems sind möglich. und dringlicher denn je! Bereits seit 1. April 2007 gelten zahlreiche neue Regelungen für die Versicherten. Über 80 Prozent von ihnen hatten am Vorabend der Reform keine Ahnung, was sie erwartet, so eine Forsa-Umfrage. Deshalb zeigen wir in dieser Broschüre, welche neuen Leistungen und welche Risiken die Reform den Versicherten bringt. Annelie Buntenbach Geschäftsführender Bundesvorstand des. Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

6 Zeitplan Gesundheitsreform 7 1. April 2007 Was sich wann für die Versicherten und Patienten ändert Gesetzliche Krankenkassen müssen Nicht-Versicherte aufnehmen, die bereits früher gesetzlich versichert waren Die Kassen müssen Wahltarife für besondere. Versorgungsformen anbieten Neue Pflichtleistungen für alle Kassen: geriatrische Reha, Palliativversorgung, Impfungen, Eltern-Kind-Kuren Eingeschränkte Leistungen bei selbst verschuldeter Behandlungsbedürftigkeit (z.b. Schönheitsoperationen, Piercings, Tätowierungen) Selbstständige haben die Möglichkeit,. den Mindestbeitrag abzusenken Krankenhäuser können hoch spezialisierte ambulante Versorgung anbieten Finanzielle Verbesserungen für Träger von Kinderhospizen Mehr Wettbewerb bei der Verordnung von Hilfsmitteln Rabattverträge für Arzneimittel sind zwischen Kassen und Pharmaunternehmen möglich Bei der Bewertung von Arzneimitteln werden der Nutzen für die Patienten und die Kosten betrachtet Bei besonderen Arzneimitteln muss eine Zweitmeinung eingeholt werden Betriebskostenzuschuss bei ambulanten Geburten im Geburtshaus Häusliche Krankenpflege kann auch in Wohngemeinschaften und anderen neuen Wohnformen erstattet werden Private Krankenversicherungsunternehmen bieten Standardtarif an und müssen auf Antrag Nicht-Versicherte, die ihr zuzuordnen wären, in diesen Tarif aufnehmen Versicherte, die chronisch krank werden und nicht an. Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, müssen mehr zuzahlen Gesetzliche Festlegung eines allgemeinen, einheitlichen Beitragssatzes in den gesetzlichen Krankenkassen Versicherungspflicht für alle Gesetzliche Krankenkassen müssen Wahltarife. beim Krankengeld anbieten Private Krankenversicherungsunternehmen müssen. Basistarif einführen, der Standardtarif entfällt Privatversicherte können bei einem Wechsel der. Versicherung ihre Altersrückstellungen in Höhe des. Basistarifs mitnehmen Einheitlicher Beitragssatz für alle gesetzlichen Krankenkassen Start des Gesundheitsfonds Versicherte zahlen Zusatzprämie, wenn die Kosten der Kasse höher sind als die Pauschale aus dem Fonds Überschüsse können als Boni an die Mitglieder. ausgeschüttet werden 1. Juli 2007 1. Januar 2008 1. November 2008 1. Januar 2009

8 9 Die neuen Leistungen der Krankenkassen Neue Pflichtleistungen Die Regierungskoalition hat mit der Gesundheitsreform einige neue Pflichtleistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Die meisten Regelungen des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) gelten seit dem 1. April 2007. Impfungen für alle Alle Versicherten haben nach dem neuen Gesetz Anspruch auf Schutzimpfungen gegen ansteckende Krankheiten. Hier gilt eine Ausnahme: Wer für einen Auslandsurlaub spezielle Impfungen braucht, zahlt diese auch in Zukunft selbst. Wer eine Impfung aus beruflichen Gründen benötigt, weil er im Ausland arbeitet, bekommt die Kosten von der Kasse erstattet. Welche Impfungen in den Katalog aufgenommen werden, wird nach den Empfehlungen der ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut entschieden. Deren aktuelle Empfehlungen finden sich im Internet unter www.rki.de/cln_048/nn_195838/de/content/infekt/impfen/stiko Empfehlungen/Aktuelles/aktuelles node.html? nnn=true

10 Die neuen Leistungen der Krankenkassen 11 Leistungen für Eltern Pflichtleistung für Ältere Die erste Entscheidung über die zu zahlenden Impfungen will der Gemeinsame Bundesausschuss aus Krankenkassen und Leistungserbringern bis zum 30. Juni 2007 treffen. Nähere Auskünfte über empfohlene Impfungen erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse. Eltern-Kind-Kuren Alle Krankenkassen zahlen nun Eltern-Kind-Kuren, sofern sie als medizinisch notwendig erachtet werden. Zwar gab es auch bisher schon einen Anspruch auf Kuren für Mütter oder Väter gemeinsam mit ihren Kindern. Jetzt sind sie aber eine Pflichtleistung und liegen nicht mehr im Ermessensspielraum der Kassen. Der DGB begrüßt die Neuregelung. Da es sich jedoch in erster Linie um eine familienpolitische Entscheidung handelt, sollten Steuermittel verwendet werden, um diese Maßnahmen zu finanzieren. Entbindung in Geburtshäusern Viele Eltern entscheiden sich heute für eine Entbindung im Geburtshaus. Bisher wurden oft nur die Kosten für die Hebamme übernommen. Nach dem neuen Gesetz zahlen die Krankenkassen auch einen Zuschuss oder die gesamten Betriebskosten. Medizinische Rehabilitation für Ältere Medizinische Rehabilitation soll flexibler werden und sich mehr nach den Bedürfnissen aller Menschen richten auch der Älteren. So sollen Reha-Maßnahmen jetzt möglichst nahe der eigenen Wohnung in Anspruch genommen werden können oder mobile Pflegedienste nach Hause kommen. Gerade für ältere Menschen ist der Aufwand extrem hoch, wenn sie für ihre Reha-Maßnahmen weite Wege in Kauf nehmen müssen. Wenn sie diese Wege nicht mehr gehen können, heißt die Folge oft Pflegeheim. Das soll mit den mobilen Teams verhindert werden. Außerdem dürfen mobile Reha-Teams und die häusliche Krankenpflege Patienten jetzt auch in Einrichtungen wie betreuten Wohngemeinschaften oder anderen Wohnformen betreuen. Der Begriff zu Hause wird damit erweitert. Mobile Rehabilitation in Pflegeeinrichtungen wird zur Pflichtleistung. Integrierte Versorgung wird verbessert Seit 2004 wurden von den Kassen mit Krankenhäusern, Arztpraxen und weiteren Leistungserbringern über 3000 Verträge geschlossen, die die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zum Vorteil der Patienten verbessern sollten. Doch nicht alle Verträge wurden bisher diesem Anspruch gerecht. Ab 1. April 2007 soll mit Verträgen zur integrierten Versorgung ( Seite 27, 29) eine flächendeckende Verbesserung der Versorgungsangebote möglich werden. Solche Verträge sollen zum Beispiel für mehrere Stadt- oder Landkreise die umfassende Behandlung großer Volkskrankheiten wie Diabetes, Schlaganfallprävention oder Bandscheibenerkrankungen regeln oder in einer kleineren Region das gesamte oder einen Großteil des Krankheitsgeschehens. Neu ist, dass auch Pflegekassen mit Pflegeeinrichtungen und weiteren Vertragspartnern solche Verträge schließen oder ihnen beitreten können. Die Teilnahme an solchen Verträgen ist für die Versicherten freiwillig.

12 Die neuen Leistungen der Krankenkassen 13 Versorgungsmanagement Wer hat sich nicht schon einmal darüber geärgert, dass nach einem Krankenhausaufenthalt der Arztbrief lange auf sich warten lässt oder der Bericht des Facharztes erst Wochen später beim Hausarzt eintrifft? Eine zeitnahe und zielgerichtete Weiterbehandlung ist so oftmals nicht möglich. Seit dem 1. April 2007 haben Versicherte Anspruch auf ein Versorgungsmanagement. Die Leistungserbringer, etwa Krankenhäuser oder Arztpraxen, haben für eine sachgerechte Anschlussversorgung zu sorgen. Dazu müssen sie sich gegenseitig die erforderlichen Informationen übermitteln. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe werden sie von den Krankenkassen unterstützt. Ambulante Sterbebetreuung wird gestärkt Für die Sterbebegleitung ist ein neuer Paragraf ( 37 b SGB V) ins Gesetz eingeführt worden. Hier wird geregelt, welchen Anspruch Menschen auf ambulante sterbebegleitende Medizin in ihrer gewohnten Umgebung oder in stationären Pflegeeinrichtungen, z. B. Hospizen, haben. Damit soll möglich gemacht werden, dass sterbende Menschen in ihrer gewohnten Umgebung ambulant oder in einem von ihnen gewählten Hospiz betreut werden können. Für Hospize werden nach dem neuen Gesetz Zuschüsse gezahlt, wenn der Kranke nicht zu Hause oder bei Verwandten ambulant betreut werden kann. Wie hoch der Zuschuss ist, wird von den Krankenkassen festgelegt. Es soll besonders auf die speziellen Belange von Kinderhospizen eingegangen werden. Sie sollen mehr finanzielle Sicherheit bekommen, indem sie nur noch maximal fünf Prozent (vorher zehn Prozent) ihrer Ausgaben etwa durch Spenden selbst aufbringen müssen. Noch keine Modellprojekte Mobile Betreuung sterbender Menschen soll besonders gefördert werden. Allerdings gibt es gerade diese ambulanten Teams, die so genannten Palliative Care Teams, noch gar nicht. Hier werden zunächst Modellprojekte entwickelt werden müssen. Auch ist die flächendeckende Versorgung mit Hospizen noch nicht ausreichend. Wie die ambulante. Palliativversorgung im Einzelnen geregelt werden kann, wird der. Gemeinsame Bundesausschuss, das wichtigste Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung, bis zum 30. September 2007 festlegen. Krankheiten früh erkennen der Gesundheits-Check-Up Ab dem 35. Lebensjahr haben alle gesetzlich Versicherten Anspruch auf einen generellen Check ihrer Gesundheit. Untersuchungen zur Früherkennung sollen alle zwei Jahre stattfinden. Sie gelten besonders für die frühzeitige Erkennung von Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes. Besondere Regelungen gelten für die Krebsfrüherkennung: Frauen ab 20 Jahre und Männer ab 45 Jahre haben Anspruch auf jährliche Untersuchungen zur Krebsvorsorge. Für Früherkennungsuntersuchungen muss keine Praxisgebühr bezahlt werden. Die Krankenkassen können ihren Versicherten einen Bonus gewähren, wenn sie regelmäßig an den Früherkennungsuntersuchungen teilnehmen. Die Früherkennung

14 Die neuen Leistungen der Krankenkassen 15 TIPP Versicherte stärker in der Pflicht Ab 1. Januar 2008 gilt: Wer nicht an Vorsorgeuntersuchungen teilnimmt oder sich nicht gesundheitsbewusst verhält, muss im Krankheitsfall höhere Zuzahlungen leisten. Menschen, die keinen ausreichenden Zugang zu Informationen über Vorsorgeleistungen haben, sind dabei die Verlierer. Auf sie kommen im Krankheitsfall höhere Kosten zu. Negative Auswirkungen für chronisch Kranke Wieder nur fordern statt fördern mit dieser Formel können die Folgen für Chroniker zusammengefasst werden. Versicherte sollen selbst stärker in die Verantwortung genommen werden. Dieser Ansatz ist besonders bei chronisch Kranken umstritten. Bisher mussten chronisch Kranke Krankheitskosten bis maximal ein Prozent des Jahresbruttoeinkommens tragen. Ab 2008 werden sie nur noch dann von der Ein-Prozent-Belastungsgrenze profitieren, wenn sie sich therapiegerecht verhalten, regelmäßig zur Vorsorge gehen oder an speziellen Programmen für chronisch Kranke teilnehmen. Tun sie das nicht, gilt künftig auch für sie, dass sie jedes Jahr Krankheitskosten bis zur Höhe von zwei Prozent des Bruttoeinkommens selbst tragen müssen. Diese Regelung gilt für alle, die nach dem 1. April 1972 geboren sind. Behandlungsprogramme für Chroniker Eine Ausnahme gibt es: Wenn Versicherte die Vorsorgeuntersuchungen nicht gemacht haben, können sie im Falle einer chronischen Erkrankung an einem für ihre Erkrankung geeigneten Behandlungsprogramm, einem so genannten Disease Management Programm (Abkürzung: DMP), teilnehmen ( Seite 28). Dann gilt auch für sie die Ein-Prozent-Grenze. Unklare Empfehlungen, umstrittene Untersuchungen Bestrafen ist immer schlechter als belohnen auch wenn es um die Gesundheit geht. Darüber hinaus ist allerdings auch der Wert von Vorsorgeuntersuchungen umstritten. So hat das Gutachten des Sachverständigenrates bereits im Jahr 2001 festgestellt, dass Mammografie-Screenings als Vorsorge von Brustkrebs nur in wenigen Fällen erfolgreich sind. Hier kann es zu Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen kommen ( Seite 22 ff). Denn wer in Zukunft beispielsweise eine Darmspiegelung wegen ihrer möglichen Risiken ablehnt oder wem das Strahlenrisiko einer Mammografie zu hoch ist, könnte später finanziell schlechter gestellt werden. Unklar ist zudem, welche Vorsorgeuntersuchungen vorgeschrieben werden sollen. Es gibt bisher keinen Katalog. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird sich in Kürze damit beschäftigen. Wie die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen überprüft werden soll etwa durch ein Bonusheft wie bei bei der Zahnbehandlung werden die Kassen voraussichtlich individuell entscheiden. Spezielle ambulante Leistungen werden gestärkt Die bestehenden Möglichkeiten zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus sollen konsequenter umgesetzt werden. Von schweren oder seltenen Krankheiten betroffenen Patienten soll der Zugang zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus künftig erleichtert werden.

16 Die neuen Leistungen der Krankenkassen 17 Das gilt für: hoch spezialisierte Leistungen Behandlung seltener Erkrankungen Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen Die Krankheiten werden in einer Liste vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt. Dazu gehören unter anderem schwere Herz- und Atemwegserkrankungen, Krebs und AIDS. Geeignete Kliniken können mit ihrem ambulanten Versorgungsangebot künftig allen Versicherten zur Verfügung stehen. Welche Kliniken zugelassen werden, entscheiden die Bundesländer. Neue Regelungen Arzneimittel Eine Reihe neuer Regelungen gibt es bei den Arzneimitteln. Ziel ist es, die Versorgung mit Medikamenten wirtschaftlicher zu machen. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten werden Höchstgrenzen festgelegt. So wird es Apotheken möglich gemacht, flexible Preise anzubieten, die Versicherten können jedoch sicher sein, dass die Preise nicht unbegrenzt steigen. Liegt allerdings der Medikamentenpreis über der festgelegten Höchstgrenze, muss der Patient zahlen. Rabattverträge Krankenkassen und Pharmaunternehmen können nun Rabattverträge abschließen. Außerdem wird die so genannte Aut-Idem-Regelung erweitert: Apotheken sollen grundsätzlich bei wirkstoffgleichen Medikamenten die teuren durch preisgünstigere Medikamente ersetzen. Bisher galt: Kreuzt ein Arzt auf dem Rezept das Kästchen aut idem nicht an, so ist der Apotheker verpflichtet, entweder das auf dem Rezept verordnete Medikament oder eines der drei jeweils kostengünstigsten Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff abzugeben. Jetzt muss der Apotheker dem Versicherten ein Medikament des Herstellers geben, mit dem die jeweilige Krankenkasse einen Rabattvertrag geschlossen hat. Vorteil für die Versicherten: Sie können künftig von den Einsparungen profitieren, die sich aus den Rabattverträgen ergeben. Solche Medikamente können sie ganz oder zur Hälfte ohne Zuzahlung bekommen. Mögliches Risiko für Patienten: Sie haben keinen Zugang mehr zu allen Medikamenten.. Bereits seit Juli 2005 können die Versicherten von der Zuzahlung bei besonders günstigen Arzneimitteln befreit werden, deren Preis mindestens 30 Prozent unter dem Festbetrag liegt. Eine Übersicht über diese Arzneimittel findet sich unter:. www.die-gesundheitsreform.de/presse/pressethemen/avwg/pdf/liste_. zuzahlungsbefreite_arzneimittel.pdf Zweitmeinung Bei der Verordnung von Arneimitteln mit hohen Kosten bzw. hohen Risiken soll künftig eine Zweitmeinung eingeholt werden. Für diese zweite Meinung muss keine Praxisgebühr gezahlt werden, der behandelnde Arzt stellt eine Überweisung aus. Eine zweite Meinung einzuholen, bedeutet zwar weite Wege zu gehen, gleichzeitig bringt das aber auch mehr Sicherheit bei der Auswahl möglicher Therapien.

18 Die neuen Leistungen der Krankenkassen 19 Neue Regelungen Hilfsmittel Die Versorgung und Anfertigung von Hilfsmitteln wie Hörgeräten, Prothesen, Rollstühle oder Gehhilfen erfolgt in Zukunft über die Vertragspartner der jeweiligen Krankenkasse. Wer Vertragspartner wird, entscheidet sich nach einer Ausschreibung. Ziel dieses Wettbewerbs ist, dass über die gesetzliche Zuzahlung keine weiteren Zahlungen anfallen. Da es nicht möglich sein wird, für alle Fälle Verträge abzuschließen, sind Einzelvereinbarungen möglich. Der DGB meint: Einzelverträge müssen auch möglich sein, wenn Hilfsmittel individuell zugeschnitten sein müssen. Denn für die meisten behinderten Menschen gilt, dass Hilfsmittel von der Stange nicht ausreichend sind. Selbst verschuldete Folgekosten? Dann zahlt die Kasse nicht Wird ein Versicherter infolge einer Behandlung krank, die medizinisch nicht notwendig war, liegt es im Ermessen der Krankenkasse, ob und in welcher Höhe die Folgebehandlungen gezahlt werden. Achtung: Das gilt auch für eventuell schon gezahltes Krankengeld. Folgekosten zum Beispiel von Schönheitsoperationen, Piercings oder Tätowierungen sollen von den Versicherten selbst getragen werden. Das klingt einleuchtend, ist es aber nicht in jedem Fall. Denn es gibt beispielsweise auch für Schönheitsoperationen Gründe, die nicht allein darin liegen, dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen, etwa bei Unfallopfern. Und nicht immer kann die Ursache für eine Folgeerkrankung zweifelsfrei bestimmt werden. Zusätzliche Leistungen Weiterhin gibt es Leistungen, die nicht zum Pflichtkatalog zählen. In den meisten Wartezimmern wird bereits für sie geworben: ärztliche Untersuchungen, die von der Kasse nicht übernommen werden. Aufgepasst nicht jede Untersuchung, die ein Arzt und eine Ärztin anbietet, muss notwendig sein. Ruhen der Leistungsansprüche Bei wiederholtem Nichtzahlen der Beiträge wird nun ein Ruhen des Leistungsanspruchs gesetzlich angeordnet. Im Klartext: Wer nicht zahlt, obwohl er dazu in der Lage wäre, erhält nur noch Leistungen für unaufschiebbare Behandlungen etwa bei akuten Schmerzen oder Schwangerschaft. Darüber hinaus entstehen Säumniszuschläge für die offenen Beiträge. Das gilt auch für bisher Nichtversicherte, wenn sie der neuen Versicherungspflicht nicht nachkommen ( Seite 36). Kein Anspruch auf Krankengeld für kurzzeitig Beschäftigte Einige Versicherte haben nach dem neuen Gesetz keinen Anspruch mehr auf Krankengeld. Künftig soll Krankengeld nur noch derjenige erhalten, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Diesen Anspruch haben Beschäftigte erst, wenn sie mindestens vier Wochen in einem Betrieb arbeiten. Die Folge: Kurzzeitig befristet Beschäftigte bekommen kein Krankengeld. Im Gegenzug gilt für sie ein um den Krankengeldanteil ermäßigter Beitragssatz. Zwar könnten diese Versicherten auch einen Tarif mit Krankengeldbezug wählen (Pflicht-Wahltarif für alle Kassen ab 2009). Doch es ist zu befürchten, dass viele prekär Beschäftigte von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch machen werden. Werden sie krank, sind sie ohne ausreichende Absicherung. Auch entfällt der bislang bestehende Krankengeldanspruch für HeimarbeiterInnen.

20 Die neuen Leistungen der Krankenkassen 21 Zuzahlungen von A bis Z Die Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen im Überblick. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sind generell von Zuzahlungen befreit. Anders als bei der Gesundheitsreform 2004 wurden 2007 die Zuzahlungen nicht erhöht im Gegenteil: Bei den Arzneimitteln können sie durch die neuen Rabattverträge auch geringer ausfallen. Leistung Anschlussheilbehandlung (an einen Krankenhausaufenthalt) Arztbesuch Zuzahlung 10 pro Tag, für höchstens 28 Tage pro Kalenderjahr 10 pro Quartal Praxisgebühr jeweils beim Arzt, beim Zahnarzt und beim Psychotherapeuten. Ausnahmen: Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen, Überweisungen zu einem anderen Arzt Arzneimittel 10% des Preises, mindestens 5, höchstens. 10 jedoch nicht mehr als der Preis des Medikaments. Bei Rabattverträgen zwischen Krankenkasse und Arzneimittelhersteller Reduzierung oder Wegfall der Zuzahlung, ebenso bei besonders günstigen Medikamenten ( Seite 14 f) häusliche Krankenpflege Haushaltshilfe 10% der Kosten, zuzüglich 10 je Verordnung, für höchstens 28 Tage pro Kalenderjahr 10% der Kosten je Kalendertag, mindestens 5, höchstens 10 Leistung Heilmittel (z.b. Krankengymnastik) Hilfsmittel (z.b. Hörgerät, Gehhilfe) Krankenhaus medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter (Kuren) Rehabilitation und stationäre Vorsorge Soziotherapie (Beratung für schwer psychisch Kranke) Zuzahlung 10% der Kosten, zuzüglich 10 je Verordnung 10% des Preises, mindestens 5, höchstens. 10 jedoch nicht mehr als den vollen Preis 10 pro Tag, für höchstens 28 Tage pro Kalenderjahr 10 pro Tag ohne Begrenzung 10 pro Tag ohne Begrenzung 10% der Kosten je Kalendertag, mindestens 5, höchstens 10 Verbandmittel 10% des Preises, mindestens 5, höchstens 10

22 Widerspruch 23 TIPP Was tun, wenn ich mit der Entscheidung meiner Krankenkasse nicht einverstanden bin? Wer kennt das nicht? Der Brief der Krankenkasse ist da. Im Bürokratie-Deutsch werden Aussagen aneinander gereiht, von denen nur die eine zählt: Steht vor dem genehmigen dieses kleine Wörtchen nicht? Wenn ja, was tun? Widerspruch einlegen, aber wie? Wer unterstützt mich, wenn ich mit der Entscheidung der Kasse nicht einverstanden bin? Das Plus der Selbstverwaltung AnsprechpartnerInnen für die Belange der Versicherten sind vor allem die VertreterInnen der Gewerkschaften in der Selbstverwaltung der Kassen. Sie werden von den Versicherten in die Verwaltungsräte gewählt und wirken dort ehrenamtlich. Kontaktadressen für die Verbände der Krankenkassen finden Sie im Serviceteil dieser Broschüre ( Seite 47). Infos zu weiteren gewerkschaftlichen VertreterInnen erhalten Sie auch über Ihre jeweilige Krankenkasse. Etwa durch einen Telefonanruf fragen Sie nach einem Kontakt zu den VertreterInnen der Versicherten. Oder schauen Sie ins Internetangebot Ihrer Kasse. Infos und Rechtsberatung Grundsätzlich ist es erstmal gut, sich zu informieren. Hilfestellung bieten zum Beispiel Selbsthilfegruppen im Internet. Auch unabhängige Beratungsstellen können helfen. Leider hat deren Zahl aber wegen mangelnder Finanzierung in den vergangenen Jahren stark abgenommen.. Auch die Gewerkschaften bieten Rechtsberatung. Wenden. Sie sich dazu am besten an Ihre Gewerkschaft vor Ort. ( Seite 46 f). Für Mitglieder der DGB-Gewerkschaften gibt es den gewerkschaftlichen Rechtsschutz, der auch bei Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse einspringt. Zu den kostenlosen Leistungen der DGB Rechtsschutz GmbH für Mitglieder gehören unter anderem Beratung, Unterstützung und Vertretung vor Gericht in sozialrechtlichen Auseinandersetzungen mit den Trägern der Krankenversicherung von der I. bis zur III. Instanz. Widerspruch einlegen Wenn Sie mit einer Entscheidung ihrer Krankenkasse nicht. einverstanden sind, können Sie Widerspruch einlegen. Das muss innerhalb eines Monats geschehen, weil sonst der Bescheid rechtskräftig ist. Die Kasse muss ihre Entscheidung dann überprüfen. Wichtig ist, dass Sie sich die beantragte. Leistung nicht schon besorgen, also beispielsweise das Hörgerät schon bestellen. Die Krankenkasse zahlt nicht im Nachhinein! Das gilt auch für Anträge beim Sozialamt. Der Widerspruch kostet Sie nichts außer der Briefmarke, es entstehen keine Verfahrenskosten. kann formlos schriftlich gestellt werden. muss keine Begründung enthalten. Diese kann. nachgereicht werden. In Ihrer Begründung sollten Sie. auf die Ablehnungsgründe der Kasse eingehen.

24 Widerspruch 25 kann auch mündlich bei der Kasse erklärt werden, die Ihren Widerspruch dann schriftlich aufnimmt. muss bei der Krankenversicherung innerhalb von drei Monaten entschieden werden. Was heißt formlos? Ein formloser Brief könnte so aussehen: Ihrem Bescheid vom... mit dem Geschäftszeichen... widerspreche ich. Sobald ich alle Unterlagen zusammen habe, werde ich Ihnen meinen Widerspruch ausführlich begründen... Bitte senden Sie mir Kopien aller ärztlichen Zeugnisse und Gutachten einschließlich der abschließenden Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes zu, die Grundlage für Ihren Bescheid waren. Der Widerspruchsausschuss Über den Widerspruch entscheidet der Widerspruchsausschuss. Das heißt: Nicht der gleiche Sachbearbeiter, der die Leistungsübernahme zunächst abgelehnt hat, entscheidet, sondern ein unabhängiges Gremium innerhalb der Krankenkasse, zu dem in der Regel gewerkschaftliche Selbstverwalter gehören. Auch hier gibt es einen schriftlichen Bescheid. Ist der wiederum negativ, bleibt der Weg zum Sozialgericht. Welches Sozialgericht in Ihrer Nähe zuständig ist, erfahren Sie im Internet unter www.sozialgerichtsbarkeit.de Wichtig! Falls Sie das Sozialgericht anrufen wollen, müssen Sie das innerhalb eines Monats nach Erhalt der Ablehnung durch den Widerspruchsausschuss tun. Das Sozialgericht ist außerdem zuständig, wenn über den Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden wurde. wenn ein Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten bearbeitet wurde. wenn die Leistung schnell erforderlich ist, die Kasse aber auf sich warten lässt. In diesen Fällen können Sie eine Untätigkeitsklage einreichen. Gerichtskosten werden beim Sozialgericht nicht fällig. Klage zu erheben ist auch möglich, ohne einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Für Gewerkschaftsmitglieder tritt der Rechtsschutz ein. Wenden Sie sich für Fragen dazu an Ihre Gewerkschaft vor Ort. Sie können sich auch an die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, wenden. Nähere Informationen gibt es im Internet: www.patientenbeauftragte.de. Hier finden Sie auch Hinweise zu Selbsthilfegruppen, die vielleicht schon Erfahrung mit Ihrem Problem haben. TIPP

26 27 Versicherungsschutz Die neuen Tarife Den Stromversorger kann jede/r längst wählen, den Telefonanbieter ebenfalls. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung führen erstmals flächendeckend alle gesetzlichen Krankenkassen Wahltarife für die Versicherten ein. Einen Teil dieser Wahltarife müssen alle Kassen anbieten, andere können aufgenommen werden. Während die Tarife zu besonderen Versorgungsformen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern, bringen die freiwillig offerierten Tarife vom Selbstbehalt bis zur variablen Kostenerstattung einige Risiken für die Versicherten ( Seite 30 f). Beispielsweise binden sich die Versicherten damit für mindestens drei Jahre an den entsprechenden Wahltarif. Und die Krankenkasse darf vor Ablauf dieser Frist auch nur in absoluten Härtefällen gewechselt werden. Hier gilt also allergrößte Vorsicht! Besondere Versorgungsformen Allen Versicherten, die an einer besonderen Versorgungsform teilnehmen, muss ein spezieller Wahltarif angeboten werden. Die Entscheidung für einen entsprechenden Tarif ist freiwillig. Zu den besonderen Versorgungsformen gehören: integrierte Versorgung besondere ambulante ärztliche Versorgung

28 Versicherungsschutz 29 Wahltarife, die alle gesetzlichen Krankenkassen seit 1. April 2007 anbieten müssen strukturierte Behandlungsprogramme bei. chronischen Krankheiten Modellvorhaben hausarztzentrierte Versorgung Versicherte, die sich für einen der entsprechenden Wahltarife entscheiden, erhalten von ihrer Krankenkasse entweder eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen. Die Versicherten müssen sich für die besonderen Versorgungsformen einschreiben und verpflichten sich, länger im Programm zu bleiben. Diese Wahltarife sind auch für Versicherte offen, deren Krankenversicherungsbeiträge komplett von Dritten gezahlt werden, etwa BezieherInnen von Arbeitslosengeld I und II. Programme für chronisch Kranke Einige Krankenkassen bieten strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke (Disease Management Programme) schon seit längerem an. Jetzt werden bei allen Kassen Wahltarife für diese Leistung eingeführt. Diese Programme gibt es für Diabetes mellitus, Brustkrebs, koronare Herzkrankheit, Asthma bronchiale und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen. Dabei werden jeweils individuelle Therapiepläne erarbeitet, anhand derer Haus- und Facharzt, Krankenhaus und andere Beteiligte eng kooperieren. Die PatientInnen lernen in Kursen, wie sie mit ihrer Krankheit besser leben können ( Seite 14 f). Integrierte Versorgung Seit der Gesundheitsreform von 2000 können Krankenkassen mit ÄrztInnen und Kliniken Verträge zur integrierten Versorgung abschließen. Die Kassen bieten dabei ihren Versicherten eine abgestimmte Versorgung an, bei der Haus- und Fachärzte, Reha-Einrichtung, ambulanter und stationärer Bereich sowie gegebenenfalls Apotheken koordiniert zusammenwirken ( Seite 11). Bis Ende 2006 haben die Krankenkassen insgesamt mehr als 3000 Einzelverträge abgeschlossen. Die Verträge sind in der Mehrzahl auf eine bestimmte Indikation begrenzt, zum Beispiel auf eine Operation mit Vor- und Nachsorge. Selten wurden Verträge für die umfassende Gesundheitsversorgung in einer ganzen Region abgeschlossen. Diese Versorgungsformen werden jetzt verstärkt gefördert. Hausarztmodell Ebenfalls bereits von einigen Kassen erprobt ist das Hausarztmodell. Ärzte und Ärztinnen, die sich daran beteiligen, müssen besondere Qualifikationen vorweisen und sich regelmäßig fortbilden. Die. Krankenkassen haben ihre Versicherten umfassend über die. hausarztzentrierte Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren. Wer einen entsprechenden Tarif wählt, verpflichtet sich, im Krankheitsfall immer zuerst zum Hausarzt zu gehen, der gegebenenfalls eine Überweisung zum Facharzt ausstellt. Ohne Überweisung können Kinder-, Frauen- und AugenärztInnen aufgesucht werden. Mit der Entscheidung für diesen Wahltarif bindet sich der Versicherte für ein Jahr an das Hausarztmodell. Für die Teilnahme können die Krankenkassen einen Bonus einräumen.

30 Versicherungsschutz 31 Wahltarife, die die gesetzlichen Krankenkassen seit dem 1. April 2007 anbieten können Neue Wahltarife In diese Kategorie fallen Bonus- und Prämienangebote, die an die Offerten der privaten Krankenversicherungen angelehnt sind. Obwohl viele dieser Tarife auf den ersten Blick lukrativ erscheinen, sollten Versicherte genau prüfen, ob sich ein entsprechender Wechsel für sie wirklich rechnet. Denn ein kurzfristiger finanzieller Vorteil kann die Versicherten später teuer zu stehen kommen. Außerdem: Tarife, die für junge, gesunde Singles attraktiv scheinen, schaden insgesamt der Versichertengemeinschaft. Durch die Prämien oder Beitragsnachlässe verringern sich die Einnahmen, aber kaum die Kosten für die Kassen, da diese Versichertengruppe sowieso selten Leistungen in Anspruch nimmt. Und das kann dann dazu führen, dass die Kasse mittelfristig mit ihrem Beitragsaufkommen nicht auskommt und beispielsweise später Zusatzbeiträge für alle Versicherten erheben muss ( Seite 37 f). Die freiwilligen Wahltarife im Überblick: Selbstbehalttarife: Der Versicherte verpflichtet sich, einen Teil der Kosten zu übernehmen, die sonst komplett von der Krankenkasse getragen werden. Im Gegenzug erhält er dafür eine Prämie. Tarife für die Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen: Dabei verpflichten sich die Versicherten, außer Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen ein Jahr lang keine Leistungen der Krankenkasse in Anspruch zu nehmen. Sie erhalten dafür eine Prämie, die allerdings auf ein Zwölftel des Jahresbeitrages begrenzt ist. Variable Kostenerstattungstarife: Das Prinzip: Der Patient zahlt die Arzt- oder Krankenhausrechnungen wie bei der Privatversicherung zunächst selbst und reicht sie dann bei der Kasse zur Erstattung ein. Risiko für die Versicherten: Falls der Leistungserbringer mehr in Rechnung stellt, als die Kasse zahlt, trägt er die Mehrkosten. Tarife mit erweitertem Leistungsanspruch: Wer sich etwa homöopathisch behandeln lassen und entsprechende Arzneimittel von der Kasse bezahlt bekommen möchte, kann sich gegen eine Zusatzprämie für diesen Wahltarif entscheiden. Nachteile überwiegen Die Nachteile überwiegen meist die vermeintlichen Vorteile. So gilt für die freiwilligen Wahltarife jeweils die Bindungspflicht von mindestens drei Jahren. Das bedeutet zum Beispiel: Wer sich verpflichtet, ein Jahr lang keine Leistungen in Anspruch zu nehmen und dann möglicherweise zum Ende des Jahres einen schweren Unfall oder einen akuten Blinddarmdurchbruch hat, muss den höheren Beitrag nachzahlen und eine Prämie gibt es selbstverständlich auch nicht. Außerdem kann er/sie die Tarifvereinbarung mit der Krankenkasse erst nach weiteren zwei Jahren kündigen. Und auch die Krankenkasse selbst kann erst nach Ablauf der Wahltarifvereinbarung gewechselt werden. Die Prämienzahlungen an die Versicherten sind generell begrenzt: Sie dürfen 20 Prozent der vom Krankenkassenmitglied pro Jahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und als Betrag maximal 600 Euro jährlich betragen. Versicherte, die nicht selbst für ihre Beiträge aufkommen, also etwa die BezieherInnen von Arbeitslosengeld I und II, sind von den freiwilligen Wahltarifen ausgeschlossen.

32 Versicherungsschutz 33 TIPP Versicherungsschutz für alle Ab dem 1. Januar 2009 sind alle BundesbürgerInnen verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen, wenn kein ausreichender anderer Schutz existiert. Das ist ein Novum in der deutschen Sozialgesetzgebung. Wer den Krankenversicherungsschutz verloren hat, kommt in seine letzte Kasse zurück. Diese Regelung gilt sowohl für die gesetzliche wie für die private Krankenversicherung. Ein Minus erhält diese an sich gute Regelung, weil keiner überprüft, ob sich tatsächlich alle versichern ( Seite 19). Seit dem 1. April 2007 müssen die gesetzlichen Krankenkassen Nichtversicherte wieder aufnehmen, die bereits früher gesetzlich versichert waren. Versicherte, für die die private Krankenversicherung zuständig ist, können sich ab 1. Juli 2007 wieder privat versichern. Zunächst gilt ein Standardtarif (ab 1. Januar 2009: Basistarif) zu verbesserten Bedingungen ( Seite 35 f). Wechsel der Krankenversicherung Jede/r gesetzlich Krankenversicherte kann die Kasse wechseln, sei es, weil der Beitragssatz überdurchschnittlich erhöht worden ist oder das Leistungsangebot und der Service einer anderen Kasse besser sind. Gekündigt werden kann außer bei Beitragserhöhungen allerdings erst nach 18-monatiger Zugehörigkeit zu der entsprechenden gesetzlichen Krankenkasse. Kündigungsfrist ist zum Ende des übernächsten Monats. Damit der Übergang reibungslos funktioniert, sollte der Versicherte alle Schreiben an die Krankenkasse kopieren, um beispielsweise eine fristgerechte Kündigung auch dokumentieren zu können. Erst wenn die neue Krankenkasse den Eintritt schriftlich bestätigt hat, wird die Kündigung der alten Kasse wirksam. Wenn die nötigen Bestätigungen nicht zügig zugesandt werden, sollte man telefonisch nachfragen. Sonderkündigungsrecht Bei Beitragssatzerhöhungen besteht ein Sonderkündigungsrecht. Innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der Erhöhung kann dann gekündigt werden. Die 18-monatige Bindungsfrist gilt in diesen Fällen nicht. Wie finde ich die richtige Krankenkasse? Wer nur nach der Beitragshöhe schaut, kann schnell böse Überraschungen erleben. Gerade bei der Entscheidung für eine Krankenkasse zählen auch andere Aspekte: Welche Leistungen bietet die Kasse über die gesetzlich vorgegebenen hinaus? Benötige ich solche Zusatzleistungen, wie etwa Akupunktur? Nutze ich spezielle Angebote wie beispielsweise Ernährungsberatung? Wie ist die Kasse zu erreichen? Gibt es Niederlassungen in der Nähe meines Wohnortes? Wie sind die Sprechzeiten persönlich und telefonisch? Gibt es eine/n persönliche/n Ansprechpartner/in? Reicht es mir möglicherweise, mit der Krankenkasse ausschließlich per E-Mail, Brief und Telefon zu kommunizieren und dafür einen geringen Beitrag zu zahlen? Möchte ich über Leistungsänderungen umgehend schriftlich informiert werden oder sind Informationen in der Mitgliederzeitschrift ausreichend für mich? TIPP

34 Versicherungsschutz 35 TIPP Im Lauf der Jahre können sich die Antworten auf diese Fragen ändern. Eine Krankenkasse, die für eine junge, alleinstehende, nichtrauchende, Sport treibende Frau einen optimalen Versicherungsschutz bietet (da sie ohnehin selten eine/n Arzt/Ärztin aufsucht), kann für eine Familie mit zwei Kindern viel weniger geeignet sein. Der Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse sollte gut vorbereitet werden. Zusatzversicherungen Privatversicherungen sichern gegen Prämien die unterschiedlichsten Gesundheitsrisiken ab, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht oder nicht mehr getragen werden. Dazu zählen Brillen, Zahnzusatzversicherungen, homöopathische Behandlungen und vieles andere mehr. Ob eine oder mehrere Zusatzversicherungen sinnvoll sind, lässt sich nur individuell entscheiden. Teilweise haben die gesetzlichen Krankenkassen für ihre Mitglieder günstige Gruppentarife bei privaten Versicherungsunternehmen ausgehandelt. Übersicht über gesetzliche und private Krankenversicherungen sowie das Angebotsspektrum an Zusatzpolicen:. www.stiftung-warentest.de/online/versicherung_vorsorge.html Reform der privaten Krankenversicherung Ab 1. Januar 2009 müssen alle privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Basistarif anbieten. Risikozuschläge und -ausschlüsse gibt es in diesem Tarif nicht. Der Basistarif entspricht in Leistungsumfang und -katalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung darf nicht überschritten werden. Ab 1. Januar 2009 können auch alle freiwillig gesetzlich Krankenversicherten innerhalb von sechs Monaten nach Ende der Versicherungspflicht in den Basistarif eines privaten Krankenversicherungsunternehmens wechseln. Wer schon Kunde eines privaten Krankenversicherungsunternehmens ist, kann bis zum 30. Juni 2009 in den Basistarif eines anderen privaten Versicherungsunternehmens seiner Wahl wechseln. Wer 55 Jahre oder älter ist oder wer die Versicherungsprämie nachweislich nicht mehr aufbringen kann, darf auch nach diesem Zeitpunkt den Basistarif wählen; dann jedoch nur den des Unternehmens, bei dem die Versicherung bereits besteht. Wer ab 1. Januar 2009 einen Neuvertrag bei einer privaten Krankenversicherung abschließt, hat das Recht, in den Basistarif jeder privaten Krankenversicherung zu wechseln. Die privaten Krankenversicherungen werden nicht in einen Finanzausgleich mit den gesetzlichen Krankenkassen einbezogen. Außerdem fehlt es in der Neuregelung an Wettbewerbsanreizen zwischen den Privatversicherern um Bestandskunden. So dürfte es

36 Versicherungsschutz 37 dabei bleiben, dass attraktive Angebote und Prämien allein jungen Neukunden offeriert werden. Erschwert wird immerhin der Wechsel in die private Krankenversicherung: Nun muss man drei Jahre in Folge die Versicherungspflichtgrenze überschreiten. Bisher reichte dazu ein Jahr. Ein Wechsel sollte gut überlegt sein Auch mit der Einführung des Basistarifs ab 2009 bleibt die private Krankenversicherung weiterhin eine recht exklusive Veranstaltung. Mit Ausnahme der Beamtinnen und Beamte hier ergänzt die private Krankenversicherung die staatliche Beihilfe waren und sind junge, gesunde und gut verdienende Singles die Hauptzielgruppe. Ältere, Kranke und Familien zahlen hohe Prämien. Menschen mit Behinderungen wurden teilweise gar nicht als Kunden angenommen. Der Basistarif wird bis zu 500 Euro monatlich betragen, entsprechend dem Höchstbetrag in der gesetzlichen Krankenkasse. Wer durch diese üppige Prämienzahlung hilfsbedürftig im Sinn der Sozialgesetzbücher II oder XII wird, muss nur die Hälfte zahlen. Besteht auch dann noch Hilfsbedürftigkeit, gibt es einen Zuschuss in Höhe von ca. 125 Euro durch den zuständigen Träger. Sollte ein/e Versicherte/r die Prämie nicht zahlen, ruhen die Ansprüche, so ist es im geänderten Gesetz über den Versicherungsvertrag geregelt. Allerdings muss die Versicherung auch in dieser Phase der ruhenden Mitgliedschaft für alle Kosten aufkommen, die durch akute Erkrankungen, Schmerzen, Schwangerschaft und Mutterschaft entstehen. Finanzreform im Gesundheitswesen Der Gesundheitsfonds Zum 1. Januar 2009 soll der Gesundheitsfonds eingeführt werden. Die Bundesregierung soll mit einer Rechtsverordnung einen einheitlichen Beitragssatz festlegen. Mitwirken wird dabei ein Schätzerkreis, der neu eingerichtet wird. Nach dem Gesetz bleibt es bei den Versicherungsbeiträgen bei der bestehenden Lastenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern: Danach tragen allein die Versicherten einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten, wodurch das bewährte Prinzip der Parität und Solidarität unterlaufen wurde und wird. Zusatzbeitrag Krankenkassen, die mit ihren Mitteln nicht auskommen, müssen sparen, indem sie etwa Geschäftsstellen schließen, Satzungsleistungen streichen oder ab 2009 einen Zusatzbeitrag erheben, der pauschal oder prozentual in Bezug auf das Einkommen erhoben werden kann. Kassen, die Überschüsse erwirtschaften, können diese an die Mitglieder auszahlen.

38 Finanzreform 39 Es wird erwartet, dass Zusatzbeiträge nicht prozentual erhoben werden, weil davon gerade einkommensstarke Versicherte am stärksten betroffen wären und diese dann möglicherweise die Kasse wechseln würden. Stattdessen ist anzunehmen, dass die Kassen Zusatzbeiträge pauschal erheben werden eine schleichende Einführung von Kopfprämien, die die BezieherInnen kleiner Einkommen überproportional belastet. Kopfpauschale Das Gesetz sieht vor, dass niemand mehr als ein Prozent seines beitragspflichtigen Einkommens für den Zusatzbeitrag aufwenden muss. So sollen soziale Härten vermieden werden. Doch die Einkommen werden erst geprüft, wenn der Zusatzbeitrag acht Euro monatlich übersteigt. Und damit müssen ausgerechnet die Versicherten mit besonders geringen Einkommen von 800 Euro und weniger mehr als ein Prozent davon für diesen Beitrag aufwenden. Steuerzuschuss In den Fonds fließen außerdem Steuermittel für gesamtgesellschaftliche Leistungen. Nach heutigem Stand soll der Bundeszuschuss 2007 und 2008 jeweils 2,5 Milliarden Euro sowie 2009 4 Milliarden Euro betragen (schon 2006 erhielten die gesetzlichen Krankenversicherungen allerdings 4,2 Milliarden Euro aus Steuermitteln). In den Folgejahren ist eine jährliche Steigerung um jeweils 1,5 Milliarden Euro geplant, bis die jährliche Gesamtsumme von 14 Milliarden Euro erreicht ist. Bisher ist nicht geklärt, wie dieser Zuschuss finanziert wird. Risikostrukturausgleich Die Krankenkassen sollen aus dem Gesundheitsfonds eine einheitliche Grundpauschale pro Versicherten bekommen, außerdem einen alters-, geschlechts- und risikoabhängigen Zuschlag. Ein morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich innerhalb des Gesundheitsfonds soll die zwischen den Kassen ungleich verteilte Krankheitsbelastung der Versicherten ausgleichen. Konvergenzklausel Die Konvergenzklausel soll sicherstellen, dass aus keinem Bundesland durch die Einführung des Gesundheitsfonds mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr in andere Länder abfließen. Das Bundesversicherungsamt geht davon aus, dass diese Höhe von keinem der Bundesländer erreicht wird. Beitragseinzug Bis zum 31. Dezember 2010 bleibt es beim bisherigen Beitragseinzug über die Krankenkassen. Ab Anfang 2009 ziehen die Kassen allerdings die Beiträge nicht mehr für sich selbst, sondern für den Gesundheitsfonds ein. Ab 1. Januar 2011 sollen die Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten, ihre Beiträge, Beitragsnachweise und Meldungen gesammelt an eine einzelne Krankenkasse zu schicken. Die leitet wiederum die Beiträge an alle Sozialversicherungsträger weiter. Ein neuer Spitzenverband Bund der Krankenkassen soll eine bundesweit einheitliche Einzugspraxis gewährleisten.

40 41 Perspektiven Das Solidarprinzip lohnt sich Das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung lohnt sich für alle! Davon sind die Gewerkschaften überzeugt. Doch die Gesundheitsreform 2007 tendiert in eine andere Richtung. So finden sich immer mehr Bestandteile der privaten Krankenversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung wieder, etwa bei Tarifangeboten wie Selbstbehalt und variable Kostenerstattung. Von solchen Maßnahmen profitieren die Gesunden und Einkommensstarken, der Solidargedanke bleibt auf der Strecke. Etwa 200 000 Menschen sind in Deutschland ohne Krankenversicherung. Mitgezählt sind da noch nicht diejenigen, die illegal in Deutschland leben und daher ein Schattendasein führen müssen. Die Gesundheitsreform hatte den Anspruch, alle Menschen in Deutschland zu versichern. Übrig geblieben von diesem Anspruch ist zunächst ein Rückkehrrecht für ehemalige Versicherte in ihre frühere Krankenversicherung. Erst ab 1. Januar 2009 gibt es eine Versicherungspflicht für alle. Aber es wird nicht mal überprüft, ob sich wirklich alle versichern. Die Versicherungspflicht für alle ist das einzige Element, das vom Reformgedanken der Bürgerversicherung, die lange in der Debatte

42 Perspektiven 43 war, übrig geblieben ist. Die Gewerkschaften werden sich dennoch weiterhin für dieses Konzept engagieren, denn: Die Bürgerversicherung ist solidarisch Die einseitige Finanzierung des Gesundheitssystems in Deutschland ist in Europa einmalig. Ausgerechnet die finanziell Stärksten nehmen am System nicht teil, denn zur Finanzierung werden nur Löhne und Gehälter herangezogen. Andere Einkommensarten wie Zins- und Kapitaleinkünfte, Mieteinnahmen, Einkommen aus selbstständiger Arbeit werden nicht oder nur marginal herangezogen. Darüber hinaus gilt: Wer mehr als 3937,50 Euro brutto monatlich (Versicherungspflichtgrenze 2007) verdient, kann sich privat versichern. Die Folge ist: Dem solidarischen Gesundheitssystem fehlen 15 Prozent der Mitglieder und zwar ausgerechnet die Leistungskräftigsten. Der DGB schlägt vor: eine Bürgerversicherung, bei der alle Einkommensarten in die Finanzierung des Gesundheitssystems einbezogen werden. die Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze (2007: 3937,50 Euro Bruttomonatseinkommen). Alle BürgerInnen sollen ihre Kasse frei wählen können. Zwischen privaten und gesetzlichen Kassen wird ein Wettbewerb unter gleichen Bedingungen. hergestellt. eine bessere Zusammenarbeit zwischen Berufen und Einrichtungen im Gesundheitswesen (Angebot aus einer Hand), mehr medizinische Versorgungszentren und mehr strukturierte Behandlungsprogramme für die großen Volkskrankheiten. Das bringt weniger Bürokratie, mehr Transparenz und die Vermeidung von Unter-, Über- und Fehlversorgung. Die Bürgerversicherung kommt vor allem Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen zugute. Sie würden entlastet, gut Verdienende müssten dagegen mehr zahlen. Zur Reform 2007 fordert der DGB: Verzicht auf den Gesundheitsfonds oder zumindest die 100- statt 95-prozentige Finanzierung der GKV-Ausgaben durch den Fonds Verzicht auf den Zusatzbeitrag, der die Versicherten einseitig belastet eine verlässliche Steuerfinanzierung für familienpolitische Leistungen der Krankenkassen (z.b. Mutterschutz, Krankengeld bei der Betreuung eines kranken Kindes) Wir setzen uns für einen gerechteren Risikostrukturausgleich ein.

44 Stichwortverzeichnis 45 A Ambulante Behandlung. im Krankenhaus... 15 f Ambulante. Sterbegleitung... 12 f Arzneimittel...16 f, 20 Aut-idem-Regelung... 16 f B Basistarif... 35 f Beitragssatz... 32 f, 37 f Belastungsgrenze... 14 f Besondere. Versorgungsformen...27 ff Bürgerversicherung...41 ff C Check-up... 13 Chronisch Kranke...14 f, 28, 43 D Disease Management. Programme (DMP)...14 f, 28 E Eigenverantwortung...13 ff Eltern-Kind-Kuren... 10 Erweiterter. Leistungsanspruch... 31 F Finanzausgleich... 35, 39, 43 Früherkennung...13 ff G Geburtshäuser... 10 Gesundheitsfonds... 37 ff, 43 H Hausarztmodell... 29 Hilfsmittel... 18, 21 I Impfungen... 9 f Integrierte. Versorgung...11, 27, 29, 43 K Kassenwechsel... 32 f Kinderhospize... 12 Kopfpauschale... 38 Konvergenzklausel... 39 Kostenerstattungstarife... 30 f Krankengeld... 19 M Medizinische. Rehabilitation...10 f, 21 N Neue. Versorgungsformen...27 ff P Prämien... 28 Private Kranken-. versicherung... 35 f R Rabattverträge... 16 f Reha für Ältere... 10 f Risikostruktur-. ausgleich... 39, 43 Ruhen der Ansprüche... 19, 36 S Schönheitsoperationen... 18 Selbstbehalt... 30 Selbstverwaltung... 13, 22 Solidarprinzip... 41 Steuerzuschuss... 38, 43 Strukturierte. Behandlungs-. programme...14f, 28, 43 V Versichertenbonus... 13, 27 ff Versicherungspflicht... 32, 41 f Versicherungs-. pflichtgrenze... 36, 42 Versorgungsmanagement... 12 Vorsorgeleistungen...13 ff W Wahltarife...27 ff Widerspruch...22 ff Z Zusatzbeitrag... 37 f Zusatzversicherungen... 34 Zuzahlungen...20 f, 16 f, 28 ff Zweitmeinung... 17