Besonderheiten der Psychosen-Psychotherapie

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Transkript:

Besonderheiten der Psychosen-Psychotherapie Hamburg IfP 28.4.2018 Prof. Dr. Thomas Bock Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, Irre menschlich Hamburg e.v.

Psychose und Sprache Zitate Studie Naturgeschichten Ich glaube, dass man auf (einige) Medikamente verzichten könnte, wenn man die Sprachdimension erweitern würde, also versucht die psychotischen Elemente noch mehr in Sprachen und Bildern rüberzubringen... Das Eindimensionale, das halten wir Psychotiker nicht aus!...psychiater sollten nicht Manuale lesen, sondern Weltliteratur (Bock, Lichtjahre, 2003)

Ausgangsthesen zur Psychosenpsychotherapie Beziehung ist entscheidend bei jeder Therapieform. Subjektivität ist wirksam auch bei Medikation. Jede/r kann psychotisch werden nur die Schwelle ist verschieden. Niemand wird alleine psychotisch Trialog ist alltagstauglich und notwendig. Sensibilität und Toleranz sind Voraussetzung für Prävention und Inklusion Wir brauchen kreative Strukturen

Übersicht 1. Verschiedene Annäherung an seelisches Leid Pathologische und Anthropologische Aspekte 2. Eigensinn und Psychose Gibt es ein Sinnbedürfnis 3. Umgang mit Zeit Chronizität u. Negativsymptome 4. Familiensetting, Angehörigenperspektive 5. Strukturelle Aspekte Workshop Geschichten: Stimmenhörerin, Parasiten aus dem All und Kellergeist

(1) Annäherung an seelisches Leid Pathologisch Was ist besonders, fremd, anders? Vorteil: Ordnung Risiko: Reduktionismus Ausweitung Anthropologisch Was ist uns gemeinsam, zutiefst menschlich? Vorteil: Antistigma Aneignung Risiko: Verharmlosung

Wie gesund ist krank? Ängste: zunächst (Selbst)Schutz vor Gefahr, Risiko: Handlungs-Unfähigkeit, Panik Zwänge: Rituale geben Halt, Schutz vor Zerfall Gefahr: Einengung, Blockade, Gefängnis Depressionen: emotionaler Totstellreflex, Schutz aber: ohne Zeitgefühl Verzweiflung, Leere... Manien: Flucht nach vorne, aus Überanpassung, aber: Selbstgefährdung, sozialer Schaden Borderline: Grenzgänger, Analogie-Pubertät aber: Selbstverletzung, Fremdgefährdung Psychosen: Reizoffenheit/ Dünnhäutigkeit, Traum ohne Schlaf, Analogie kindliche Wahrnehmung aber: Verlust v. eigenen Grenzen, Selbstschutz

Psychosen anthropologisch verstehen Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen um ihr Selbstverständnis/-gefühl ringen. Es gehört zu unseren Möglichkeiten, an uns zu zweifeln und dabei auch zu verzweifeln, über uns hinaus zu denken und uns dabei auch zu verlieren... Wer darüber psychotisch wird, ist also kein Wesen vom anderen Stern, sondern zutiefst menschlich. (trialogischen blauen Broschüre: Es ist normal, verschieden zu sein )

Anthropologische Aspekte (schizophrenen) Psychosen Jeder kann psychotisch werden (Schwelle verschieden) Jede Psychose anders Reizoffenheit/ Dünnhäutigkeit in beide Richtungen Eher in Zeiten, die für jeden kritisch sind Traum ohne Schlaf Angst- und Wunschanteile! Rückgriff auf kindliche Wahrnehmung

(2) EigenSinn und Psychose Sinne gehen eigene Wege Nerven im Hörzentrum nur zu 1/3 vom Ohr... Suche nach Eigenheit und Sinn Verbindung von Psychotherapie und Sozialpsychiatrie eigener Sinn der Psychose Subjektive Bedeutung, Sinn-Bedürfnis Psychose als bes. Form des Eigensinns Unverständlichkeit als letzter Hort von Eigenheit Bipolare Störung Form der Überanpassung Eigensinn als therapeutisches Ziel Ist Eigensinn für Sie liebenswert/anstrengend? Empfinden Sie sich als eigensinnig?

Gibt es ein Sinnbedürfnis? Gegenpositionen: Psychosen sind sinnlos und zufällig. Hirnstoffwechsel entgleist ohne Bezug zum Erleben. Symptome zu hinterfragen, sinnlos und schädlich. Psychotische Erfahrung verschafft ungewohnten und überwältigenden Zugang zu unbewussten Erlebnissen und Konflikten. Aufarbeitung notwendig für nachhaltige Stabilisierung. Symptomreduktion mit Medikamenten kann helfen, doch nur im Rahmen einer tragenden, reflektierenden Beziehung, um das Erlebte zu integrieren. (D.Buck)

Aufbau des Fragebogens: Subskalen Positives Erleben Meine Psychose Verstehbarkeit hat mit meiner der Entstehung bisherigen Lebenserfahrung d. Biografie zu tun. In meiner Positives Psychose fühle ich Symptomerleben mich viel lebendiger. Ich habe in meiner Positive Psychose Auswirkungen einiges fürs Leben gelernt. Negatives Erleben Unverständnis/ Meine Psychose ist Unbelastete vom Himmel Vergangenheit gefallen In meiner Negatives Psychose war ich Symptomerleben stark verunsichert. Seit meiner Psychose bin ich gleichgültiger Negative mir selbst und dem Auswirkungen Leben gegenüber geworden. Krankheitsverlauf Vergangenheit: Entstehung der Psychose Gegenwart: Symptomerleben Zukunft: Auswirkungen der Psychose

Hamburger SuSi-Projekt Antworttendenzen Ca.?? sehen Lebensereignisse in Zusammenhang mit Entstehung der Psychose. Knapp?? erleben die Psychose auch positiv.?? betonen auch konstruktive Veränderungen, die mit der Psychose einhergehen.

Hamburger SuSi-Projekt Antworttendenzen Ca. 80% sehen Lebensereignisse in Zusammenhang mit Entstehung der Psychose. Knapp 50% erleben die Psychose auch positiv. 60% betonen auch konstruktive Veränderungen, die mit der Psychose einhergehen.

Zusammenhänge Wer Bezug zu Lebensereignissen herstellt, sieht aktuelle Symptome und Zukunft eher optimistisch. Psychotherapie: Salutogenese/Kohärenz Wer Symptome als belastend erlebt, befürchtet auch eher negative Auswirkungen. Psychiatrie: Beistand, Entlastung

Zitat Gwen, Genesungsbegleiterin Ich möchte in meiner Gewordenheit verstanden, in meinem So-Sein akzeptiert und in meinen Hoffnungen bestärkt werden. Dieser eigene Wunsch bestimmt meine Haltung als Genesungsbegleiterin. (Gwen Schulz, Genesungsbegleiterin, UKE)

Zitat zu Sinn und Leid Ist der Mensch 'auf der Suche nach Sinn fündig geworden, dann wird er glücklich. Auf der anderen Seite wird er dann aber auch leidensfähig. Leiden bringt nämlich den Menschen nicht an und für sich zur Verzweiflung. Sondern nur Leiden, das ohne Sinn zu sein scheint, führt zur Verzweiflung. VIKTOR FRANKL

(3) Umgang mit Zeit Recovery-Orientierung in der Bibel Alles hat seine Stunde und jedes Geschehen unter dem Himmel hat seine Zeit: eine Zeit zum Leben und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen, eine Zeit zum krank sein und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Bauen und eine zum Niederreißen, eine Zeit zum lachen und eine Zeit zum Weinen, eine Zeit zum Trauern und eine Zeit zum Tanzen... (Bibel - Prediger 3, 1-7)

Zeit-Wahrnehmung Chónos oder kairós? Chronische Psychose Dauerhaft? Unheilbar? Gesund leben? Enttäuschung festigen kairistische Psychose richtiger Moment? Lohnende Krise? Hinter sich lassen? Gelegenheit nutzen? Langzeitbehandlung Gelingende Begegnung

Psychose und Erfahrung Beim zweiten Mal hatte ich nur die Erfahrung vom ersten mal, beim 14. Mal die Erfahrung von 13 Psychosen. Die Angst wurde immer kleiner.... Die großen Dinge im Leben - Geburt, Heirat, Trennung, Kündigung - habe ich hinter mir. Was kann jetzt noch kommen, das eine Psychose wert ist? aus: Lichtjahre - unbehandelte Psychosen 2007

Negativsymptomatik iatrogen Rückfallvermeidung um jeden Preis - Psychose und Leben pathogen Vermeidung sozialer Erfahrung. Teufelskreis Selbst-Stigmatisierung Schutzmechanismus? Positiv withdrawal?

Positive withdrawal Ellen Corin Untersuchung an chron. US-Patienten Ein Teil schnell rehospitalisiert, ein Teil nicht Welche Gründe: Soziale Daten, Tiefeninterviews Einziger Unterschied: Ein Teil Mittelschichtsorientiert hinsichtl sozialer Kontakte, Verein, Wünsche Ein Teil eher eigenbrötlerisch Wer schneller rückfällig?

Ein Zustand tiefer Erschöpfung. Wer keine Psychosen kennt, kann sich das Ausmaß der Anstrengung kaum vorstellen. Notwendig sind Liebe und Geduld. Es ist nur manchmal so wahnsinnig schwer, sich neue Erfolgserlebnisse zu schaffen und auch kleinste Schritte als positiv zu erkennen.... Aus Stimmenreich Übersetzung ICD 10

Eigensinn und Psychose Was verstehen Sie unter Eigensinn? Kennen Sie viele eigensinnige Patienten? Wie gehen Sie mit Ihnen um? Mögen Sie Eigensinn? Für wie eigensinnig halten Sie sich selbst?

Eigensinn und Psychose Höllenhunde am Eingang der Psychiatrie Krankheitseinsicht Patient denkt wie Arzt Vorleistung des Patienten? oder primär unsere Aufgabe? Wer nimmt Einsicht in was? Compliance Patient tut, was Arzt will Unterwerfungsritual des Patienten? oder Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen? Wieviel Eigensinn tut gut?

Noncompliance oder Eigensinn? Noncompliance Krankheitsmerkmal? Misslungene Kooperation Schlechte Prognose? Eigensinn Herausforderung Ringen um Autonomie Lebensqualität Andere Kooperationskultur: Unbedingter Gehorsam - schlechtes Zeichen Eigensinn, Ringen um Identität - gute Prognose Besonderes Beziehungsangebot

(4) Viele Angehörige mit betroffen_ Verschiedene Perspektiven der Angehörigen: Eltern: Was haben wir falsch gemacht? Balance zw. Bindung und Autonomie, Gleichzeitigkeit,Trialog Geschwister: Warum er/sie, nicht ich? Überlebensschuld, Enttäuschung - Einbindung, Katalysatorfunktion! Partner: Warum tut er mir das an? Krankheit o. Beziehung? Was kann ich tragen? Balance Nähe und Distanz, Grenzen Kinder: Wie kann ich Mama/Papa retten? mystische Sicht. Entlastung von Schuldgefühlen, Beistand in Krisen Freunde: Wieso verändert er sich? Passt sie noch zu uns? Funktion der Peer-group? - Aktive Info + Einbeziehung

(5) Eigensinnige Strukturen: Psychiatriereform auf halbem Weg Beseitigung inhumaner Zustände in Anstalten! Sozialpsychiatrische Institutionen! Tageskliniken, Ambulanzen, Komplementäre Einrichtungen Personenzentrierung! vom Wohnheim zu Betreutem Wohnen, von WfB zu geschützter Arbeit aber Politische Grenzen? Macht großer Institutionen, Probleme mit Wohnraum, Arbeit, Stigma Beziehungsqualität, - kontinuität? Reduktionistisches oder anthropologisches Verständnis Brücke zw. Selbst- und Fremdhilfe Peerarbeit und Hometreatment

Strukturelle Voraussetzungen Netzwerke inkl. Psychotherapie Kontinuität und Flexibilität (Regionales Budget, Jahrespauschalen) Integrierte Versorgung inkl. Psychotherapie Informelle Netzwerke PiA und Praxis Gemeinschaftspraxen, MVZ... RECOVER-Projekt in Hamburg: Anlaufstelle mit 4 Pfaden inkl. StäB, Peers, Supported Employment, Psychotherapie

Neue Option: StäB Stationsäquivalente Akutbehandlung zuhause Komplexleistung der Klinik nicht nur stationär Komm-Struktur bedeutet Selektion Für alleingelassene potentielle Zwangspatienten Auch in Wohneinrichtungen (Jugend-/Altenhilfe), auch ohne festen Wohnsitz... Strukturelle Voraussetzung: Politische Kontrolle (Vermeidung, Zielgruppe, Qualität) Kooperation PiA-Station-StäBTeam (Bremer Modell!) Kooperation Klinik ASP (wg. Zeitbegrenzung)

Hometreatment stationsäquivalente Akutbehandlung...eine neue Intervention, die uns hilft, Akutbehandlung zu leisten, ohne die Nachteile der Hospitalisierung und mit der Chance Ressourcen besser wahrzunehmen. (Profi-Perspektive)... Chance, auch die Patienten zu erreichen, die bisher nur die Hilfe der Angehörigen haben aus Angst vor Psychiatrie oder wegen schlechter Erfahrung. (Angehörigen-Perspektive) Wenn die Psychiatrie zu mir nach hause kommt, muss es eine andere sein, als die, die ich von der Akutstation kenne. (Erfahrenen-Perspektive)

Peerarbeit und Psychotherapie Ergebnisse Psychenet-, BAESCAP-Projekt bei Erfahrenen: mehr Selbstwirksamkeit u. Lebensqualität, weniger Rehospitalisierung - vor, nach und statt Psychotherapie bei Angehörigen: weniger Belastung, mehr Lebensqualität (= Prävention) bei Peers selbst: Inklusion, Empowerment in Institution: weniger Stigma, mehr Akzeptanz

Psychosen lehren Beziehung VT lernt: Wahn nicht weg zu konditionieren - Kognitive Muster, biographische Schemata GT lernt: Enthaltsamkeit reicht nicht Präsenz, gegenüber sein, Person sein TP lernt: Liegendes Setting her fraglich Augenkontakt, auch Manuale System.Ther. lernt: Überheblich Mangen geht nicht, (All)Parteilichkeit und Zurückhaltung

Das Einzige, das mich von meinen psychotischen Patienten unterscheidet, ist meine Fähigkeit, sie gesünder zu sehen, als sie das z.z. können. Prof. Thea Schönfelder, Pionierin der Familientherapie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Koordinierte Versorgung - RECOVER-Projekt Evidenz Gesteuerte Versorgung ( Managed Care ) Sektorenübergreifendkoordinierte Versorgung ( Collaborative Care ) Schweregrad-gestufte Versorgung ( Stepped Care ) Individuelle Behandlungsunterstützung ( Case Management ) Aufsuchende Krisenintervention ( Home Treatment ) Integrierte aufsuchende Behandlung ( Assertive Community Treatment ) Koordinierte Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen (alle Diagnosen, alle Schweregrade) Innovation Telemedizin (Beratung, Diagnostik, Therapie, Fortbildung) Unterstützte Arbeit (Supported Employment) Peer-Begleitung (in Beratung, Therapie, Forschung)

Keine psychische Schwererkrankte (anhaltend-deutlicher Erkrankung Beratung Therapeutisches ACT-Team Ggf. weiterführende 24h/365d Krisenintervention Hilfen erleichterter Zugang Psychotherapie In allen Bereichen Telemedizin, unterstütze Arbeit, Peer-Begleitung Leicht Erkrankte Soziotherapie, Telemedizin, unterstützte Arbeit Beratung (3h) Soziotherapie, Telemedizin unterstützte Arbeit niedrigschwellige Angebote und Begleitung aus dem Versorgungssystem Koordinierte Versorgung Funktionsverlust) 4 Behandlungsarme Koordinierte Versorgung Koordinierte Versorgung plus Behandlungsunterstützung Integrierte aufsuchende langfristige Behandlung mäßig Schwererkrankte (deutlicher Funktionsverlust) Koordination in der Regelversorgung Mittelgradig Erkrankte Zentren (geringer für Diagnostik, Individuelle Indikationsstellung Behandlungsunterstützung und (Case Funktionsverlust) ambulante zeitbegrenzte m.) Krisenintervention Koordination in der Regelversorgung Förderung Therapiemotivation Kurzzeitpsychotherapie Erleichterter Zugang zu Psychotherapie Gruppenpsychotherapie Soziotherapie, Telemedizin, unterstützte Arbeit Soziotherapie, Telemedizin, Gesteuerte unterstützte und koordinierte Arbeit Versorgungsorganisation mit sektorenübergreifender Qualitätssicherung

Facit insgesamt Jede/r Mensch, Psychose, Behandlung anders Eigensinn ist Herausforderung und Chance Suche nach Sinn stiftet Beziehung zu sich/anderen Anthropologische Sicht reduziert Stigma und stärkt Aneignung Versorgung oft noch hochschwellig und zersplittert Trialog und Peerarbeit fördern einen anderen Umgang mit Eigensinn

Besonderheiten der Psychosen-Psychotherapie WORKSHOP Hamburg IfP 28.4.2018 Prof. Dr. Thomas Bock Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, Irre menschlich Hamburg e.v.

Beispiel Junge Stimmenhörerin

Erfahrungsschatz NeSt vergleichbar einer gesprächspsychother. Haltung? Die Stimmen sind wahr, du hörst sie ja Akzeptanz Reden wie mit einem Nachbarn Selbstverständlichkeit Nicht alles gefallen lassen Antwort statt nur Empfang Jede Erklärung ist besser als keine Toleranz Nicht allein mit den Stimmen bleiben Triangulierung Wieder Herr im eigenen Haus werden bestimmte Stimmen Focussieren, Ort, Zeit, Setting Spiegel der eigenen Befindlichkeit? Stimmung? Stimmen integrieren und entkräften Enträtseln

Beispiel Besetzung aus dem Weltall aus Eigensinn und Psychose-Noncompliance als Chance (Paranusverlag)

Besetzung aus dem Weltall Junger Mann, Ende 20 Student Kulturwissenschaften Von SpD und Polizei geschickt Extrem beengte Wohnverhältnisse Vater: berentet, verbittert, aus Polen geflohen Mutter: muss aus nichts noch etwas schaffen Brüder: einer psychisch erkrankt, einer arbeitslos

Beispiel Der Kellergeist aus Eigensinn und Psychose-Noncompliance als Chance (Paranusverlag)

(2) EigenSinn und Psychose Sinne gehen eigene Wege Nerven im Hörzentrum nur zu 1/3 vom Ohr... Suche nach Eigenheit und Sinn Verbindung von Psychotherapie und Sozialpsychiatrie eigener Sinn der Psychose Subjektive Bedeutung, Sinn-Bedürfnis Psychose als bes. Form des Eigensinns Unverständlichkeit als letzter Hort von Eigenheit Bipolare Störung Form der Überanpassung Eigensinn als therapeutisches Ziel Ist Eigensinn für Sie liebenswert/anstrengend? Empfinden Sie sich als eigensinnig?

Anthropologische Aspekte von Manie und Depression Was haben Bipolare Störungen mit dem Mensch-sein zu tun? Depression ungleich Trauer, Manie ungleich Glück Leere und Verzweiflung - zwei Seiten einer Medaille Zeitgefühl geht verloren Depression u. Manie ewig, - Verzweiflung/Leichtsinn umso größer Depression - Ausdruck von Überanpassung? Unmöglichkeit, allen zu genügen Verzweiflung an Sinnverlust Kreisen um sich selbst, Hungern nach Bedeutung

Beispiel Die Bettelkönigin Hildegard Wohlgemuth

Doppelstrategie Kinderstimmen Am Leben halten Kompromiss mit Realität Selbstverständl. Umgang Künstlerische Gestaltung Medikation ohne Wirkung Stimme des Krieges Todesangst, Suizidalität Einholen d. Vergangenheit Unmittelbare Bedrohung Inanspruchnahme Hilfe Medikation entlastet Übertragung auf Psychiatrie Pharma-Wirkung abhängig von Subjektivität Balance zw. Verstehen und Entängstigen

Das Glück der Bettelkönigin Engagierte Betreuerin Flexible Ärztin Künstlerin Eigene Ressourcen: Kunst/Kreativität Zugewandte Nachbarn Kirchenkreis Lurup

Das Einzige, das mich von meinen psychotischen Patienten unterscheidet, ist meine Fähigkeit, sie gesünder zu sehen, als sie das z.z. können. Prof. Thea Schönfelder, Pionierin der Familientherapie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit