Flexible Arbeitszeiten Teilzeit, Arbeit auf Abruf, Home Office 3. Wiesbadener Arbeitsrechtstag 29. August 2018 Thomas Dick Rechtsanwalt
Agenda Arbeit 4.0 Mobile Office Home Office Bring Your Own Device Arbeit auf Abruf Teilzeit 2
Arbeit 4.0 die vierte industrielle Revolution Von der Dampfmaschine über Fließband und Elektronik hin zur vierten industriellen Revolution Arbeit ohne Grenzen: Arbeitsort des Leistungserbringers ohne Bedeutung Beruf und Freizeit verschwimmen: Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch Risiken ( always on ) Mobiles Arbeiten vs. Arbeitsschutz Digitalisierung als Jobkiller? Ortsflexibles Arbeiten im Mobile Office (Abgrenzung zum Home Office: Dauerhaftigkeit und Gebäudebezogenheit) Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Unfällen als Arbeitsunfall wird schwieriger Keine Lockerungen im Koalitionsvertrag 2018 vorgesehen, lediglich Experimentierräume über Tariföffnungsklausel im ArbZG geplant 3
Mobile Office Arbeitsleistung unabhängig von festem Arbeitsplatz, also auf Reisen, im Park, im Hotel, auf der Couch Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers gem. 16 Abs. 2 ArbZG Flexibilisierung der Arbeitszeit erfordert Delegation der Aufgabe an den Arbeitnehmer, enthebt aber nicht von der Verpflichtung zur Kontrolle durch Arbeitgeber Vorgaben zur Trennung von Arbeitszeit und Freizeit machen und kontrollieren Allgemeine Pflichten des Arbeitsschutzes beachten, 3 I 1 ArbSchG, 4 ArbSchG Gefährdungsbeurteilung 5 ArbSchG Regelmäßige Unterrichtung und Unterweisung der Arbeitnehmer, 12 ArbSchG Haftung des Arbeitgebers gem. 618 BGB möglich 4
Home Office Telearbeit Legaldefinition 2 Abs. 7 ArbStättV: 1 Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. 2 Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die be-nötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln ein-schließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist. Wesentlicher Vorteil: Zeitsouveränität; Wegfall Wegezeit = Work-Life- Balance Risiken: always on Verlust des Kontakts zum Betrieb 5
Home Office Regelungsbedarf Eignung der Arbeitsstätte (Unfallverhütung, Arbeitssicherheit, ArbeitsstättV, BildschirmarbeitsplatzV usw.) Außerbetriebliche Zugangsrechte Ausstattung mit Arbeitsmitteln Erstattung von Aufwendungen Haftung für Schäden an Arbeitsmitteln Unterrichtung und Unterweisung der Arbeitnehmer über Gefährdungspotenziale gem. 12 ArbSchG Gefährdungsanalyse gem. 5 ArbSchG Datenschutz Beendigung Home Office Tätigkeit Insbesondere: Arbeitszeit (folgende Folie) 6
Home Office Arbeitszeit ArbeitszeitG gilt auch hier ( 3 Höchstarbeitszeit, 5 Ruhezeit, 16 Aufzeichnungspflicht) Erfordernis der Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten? Flexibilisierungsmöglichkeiten, aber Vorgaben zur Trennung von Freizeit Zeitliche Festlegung durch AN (Zeitsouveränität), z. B. teilweise Arbeitszeiten (z. B. Beantwortung von E-Mails) in die Abendstunden verlegen Beispiel: Arbeitnehmer arbeitet von 21 bis 23 Uhr. Ruhezeit gem. 5 Abs. 2 ArbZG mindestens 11 Stunden. Arbeitsbeginn also frühestens ab 10 Uhr nächster Tag Vereinbarung mehrmonatiger jährlicher Arbeitsvolumen, flexibel nutzbar bei Vereinbarung durchschnittlicher wöchentlicher oder monatlicher Arbeitszeit ( 2 Abs. 2 MiLoG für Arbeitszeitkonten beachten) Ermöglicht flexibleren Kundenservice, erhöht Familienfreundlichkeit, eröffnet Beschäftigungsmöglichkeit für behinderte Menschen 7
Bring Your Own Device BYOD Beschäftigte arbeiten mit ihrem privaten Gerät (Smartphone, Tablet, PC) Spart Anschaffungskosten, erhöht die Arbeitszufriedenheit Erhöht Wahrscheinlichkeit der Arbeit in Freizeit. Themen: u.a. Datenschutz, Lizenzen u. Nutzungsrechte, gesetzliche Aufbewahrungspflichten, Ersatzpflichten usw. Aber auch: Arbeitszeit Nutzung am Sonn- oder Feiertag, Nachtarbeit Ruhezeit (Problem: Unterbricht kurzes Lesen von Mails die Ruhezeit nach 5 ArbZG?) Technische Vorkehrungen, die dienstliche Aktivitäten zu bestimmten Zeiten blockieren (z. B. Abschaltung der Mail-Server)? Auf jeden Fall: klare Anweisungen und deren Kontrolle! 8
Arbeit auf Abruf Flexible Arbeitszeitvereinbarung, nach der der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nach dem Arbeitsanfall zu erbringen hat ( 12 TzBfG). Möglichkeit des Arbeitgebers, die Lage der Arbeitszeit jeweils einseitig konkret zu bestimmen (kein abstrakter Wochenturnus ). Der Umfang der Arbeitszeit ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Die Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit muss arbeitsvertraglich festgelegt werden. Ansonsten gilt gem. 12 TzBfG eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden bzw. eine tägliche Arbeitszeit von 3 Stunden als vereinbart. 9
Arbeit auf Abruf Tipp: Zusätzliche Flexibilisierungsmöglichkeiten durch Vereinbarung sog. Bandbreitenregelung (situationsabhängige Erhöhung oder Reduzierung) Aber: Grenzen beachten! Maximale Erhöhung der abrufbaren Arbeitszeit 25%, maximal zulässige Reduzierung um 20% Fraglich, ob Kombination zulässig, also grds. 10 Std. Wochenarbeitszeit vereinbart, bedarfsabhängig im Einzelfall Erhöhung bis 12,5 Std. oder auch Absenkung bis zu 8 Std. (Spanne dann immerhin 45%!) 10
Arbeit auf Abruf Allgemeine Einschränkungen: Festsetzung im Rahmen billigen Ermessens Ankündigungsfrist beachten: Arbeitgeber muss Lage der Arbeitszeit mind. 4 Tage im Voraus mitteilen ( Planungssicherheit vs. Flexibilisierungsinteressen ) Bei verspäteter Ankündigung besteht ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers nach 12 Abs. 2 TzBfG Annahmeverzugsrisiko bei Unterschreitung des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitumfangs Mitbestimmungsrecht gem. 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Beginn, Ende und Verteilung der Arbeitszeit) gilt auch bei Abrufarbeit Mitbestimmung, ob und unter welchen Voraussetzungen Abrufarbeit eingeführt wird (Kollektive Maßnahme) Keine Mitbestimmung hinsichtlich konkreter Festlegung des jeweiligen Einsatzes 11
Arbeit auf Abruf Koalitionsvertrag 2018 Anteil abzurufender Arbeit darf die wöchentlich vereinbarte Arbeitszeit um höchsten 20% unterschreiten und maximal 25% überschreiten (also Übernahme der bisherigen Rechtsprechung) Wird Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht vereinbart, soll zukünftig eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden gelten (bisher 10 Stunden) Im Krankheitsfall richtet sich die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruches nach dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate (Frage: auch dann, wenn der Durchschnitt der letzten drei Monate die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit unterschreitet?) 12
Teilzeitarbeit - Grundlagen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, 8 TzBfG Arbeitsverhältnis muss mindestens sechs Monate bestanden haben Arbeitnehmer muss Anspruch spätestens drei Monate vor Beginn geltend machen, 8 TzBfG Bei Unterschreitung gilt Antrag hilfsweise für nächstzulässigen Zeitpunkt Arbeitgeber kann auch auf Frist verzichten Antrag auch mündlich möglich (anders 16 BEEG für Elternzeit) Bindung an Antrag bis Ablauf der Überlegungsfrist gem. 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG Ablehnung durch Arbeitgeber bis einen Monat vor gewünschtem Termin in Schriftform. Fax oder E-Mail genügen nicht Bei Versäumung der Ablehnung tritt Genehmigungsfiktion ein, 8 Abs. 5 S. 2 u. 3 TzBfG 13
Teilzeitarbeit - Ablehnungsgründe Arbeitgeber kann gem. 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG entgegenstehende betriebliche Gründe geltend machen Hohe Anforderungen der Rechtsprechung: Liegt ein betriebliches Organisationskonzept vor, z. B.: Pädagogisches Konzept zur umfassenden Kinderbetreuung Servicekonzept: nur ein Verkäufer pro Kunde Einheitlicher Marktauftritt durch eine Art Directorin statt mehrerer Kein Konzept: Callcenter oder Kassentätigkeit Steht die gewünschte Arbeitszeitregelung diesem Konzept entgegen? Wird die unternehmerische Entscheidung durch die Teilzeit wesentlich beeinträchtigt? 14
Teilzeitarbeit - Gesetzesvorhaben Rechtsanspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit, 9a TzBfG Gilt für Unternehmen mit mehr als 45 regelmäßig Beschäftigten nach 6 Monaten Beschäftigung Ablehnungsrecht, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen Zumutbarkeitsgrenze für Unternehmen mit 46 bis 200 Mitarbeitern - Anspruch nur für jeweils einen aus 15 Mitarbeitern Zeitraum mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre Nach Ablauf befristeter Teilzeitarbeit kann erneute Verringerung frühestens nach einem Jahr verlangt werden Gesetzesentwurf: https://www.bmas.de/shareddocs/downloads/de/pdf- Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-weiterentwicklungteilzeitrecht.pdf? blob=publicationfile&v=2 15
... und wenn Sie an weiteren Neuigkeiten interessiert sind: Thomas Dick, Rechtsanwalt thurn-und-taxis-platz 6 (nextower) 60313 frankfurt am main t +49 [0]69. 913 301 134 f +49 [0]69. 913 301 180 t.dick@avocado.de avocado rechtsanwälte: berger, figgen, gerhold, kaminski, voß rechtsanwälte part mbb die partnerschaft sowie deren partner sind im partnerschaftsregister des amtsgerichts berlin-charlottenburg unter pr 331 b eingetragen.