Fledermäuse und Windkraft Lösungsansätze Felicitas Rechtenwald, Artenschutzreferentin NABU Baden-Württemberg Radolfzell, den 06.01.2018
Der Konflikt ist groß Wandernde Arten sind am stärksten betroffen dies betrifft Fledermäuse aus ganz Europa Zusätzlich Arten, die im hohen Luftraum jagen Hinzu kommen: lokale Fledermauspopulationen, hier möglicherweise vor allem Weibchen 2 Gefährdung am größten für Arten mit schlechtem Erhaltungszustand und mit abnehmendem Populationstrend Kollisionsrisiko bei bestimmter Witterung und zu bestimmten Zeiten besonders hoch (Juli September, > 10 C und < 8m/s) die Lösung: Abschaltalgorithmen 2 Roeleke, M., T. Blohm, S. Kramer-Schadt, Y. Yovel & C. Voigt (2016): Habitat use of bats in relation to wind turbines revealed by GPS tracking. Scientific Reports 6, Article number: 28961; doi: 10.1038/srep28961 2
Abschaltalgorithmen Ein Allheilmittel? Pauschal: (oft im 1.-2. Betriebsjahr) Abschaltung bei Temperaturen über 10 C und Windgeschwindigkeiten unter 6 m/s (Empfehlung LfU) es gibt Standorte (in Mittelgebirgen) an denen 1/3 der Fledermausaktivität außerhalb dieses Bereiches stattfindet Kältetolerante Arten fliegen auch bei 4 C und bei Windgeschwindigkeiten bis 8 m/s Aktivitäten innerhalb eines Windparks können sehr verschieden sein Anlagenspezifische Abschaltalgorithmen ( fledermausfreundlich ): (oft ab 3. Betriebsjahr) Nach Festlegung eines Schwellenwertes werden anlagenspezifisch Abschaltungsalgorithmen ermittelt häufiger Schwellenwert: max. 2 tote Tiere pro Anlage und Jahr 3
Abschaltalgorithmen Ein Allheilmittel? Aber: Meist keine artspezifische Festlegung der Schwellenwerten egal ob seltene oder häufige Art betroffen sind Und: keine Festlegung des Schwellenwertes für Gesamtwindpark, sondern je Anlage 3 WEA x 2 tote Fledermäuse = 6 tote Fledermäuse / Jahr Grafik: NABU/C. Lindemann Die paar Fledermäuse? Aktuell 27.270 WEAs (Stand Dez. 2016) 4
Verlust Lebensraum Funktioniert der Ausgleich? ANLIEGEN NATUR 39(1), 2017 online preview, 9 p. 5
Verlust Lebensraum Funktioniert der Ausgleich? Ausgleich mittels Fledermauskästen Verlust von Lebensstätten soll als CEF-Maßnahmen über Fledermauskästen ausgeglichen werden abzulehnen Fräsen von Baumhöhlen nicht sofort wirksam Ausgleich von Lebensraumverlust durch Aufwertung und Sicherung Zu beachten ist hier: Befindet sich Ausgleich sehr nah an WEAs oder im Revier anderer Kolonien? BfN empfiehlt: Abstand von 200m um Quartierzentren der waldbewohnenden Arten Abstand von 50m zwischen Kronendach und Rotorkante 6
Mangelndes Wissen Wir wissen zu wenig oder ignorieren bestehendes Wissen Populationsgrößen aller Fledermausarten in D sind unbekannt Lebensraumverlust ist unzureichend untersucht Auswirkungen von erhöhter Mortalität ist unbekannt Langzeitwirksamkeit von Abschaltalgorithmen ist unbekannt Störwirkung ist unbekannt Wirksamkeit von CEF-Maßnahmen ist unzureichend untersucht bzw. wird als wenig wirksam erachtet 7
Gutachten - ein genauerer Blick lohnt sich Im Zuge des Immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens: Bewertung von Anlagenstandorten erfolgt durch Gutachterbüros Von Projektierern beauftragt Keine Qualitätsstandards (der Beruf des Gutachters ist nicht geschützt) Keine bundesweiten Methodenstandards und Bewertungsstandards Untersuchungen der Universität Trier zur Qualität von Gutachten 3 Welchen Einfluss haben Arbeitshilfen und welche Faktoren beeinflussen die Qualität In welchem Umfang erfolgt eine Konfliktbewertung und gibt es Beziehung zwischen einem nachgewiesenen Fledermausbestand und der Stärke des Konflikts? 3 8
Gutachten - ein genauerer Blick lohnt sich Länderspezifische Arbeitshilfen haben nur einen begrenzten positiven Effekt auf die Qualität der Fachgutachten Die durchschnittliche Gesamtqualität der Gutachten gemessen an den Mindestanforderungen (!) ist zwar hoch (Median: 78%), bei Teilaspekten z.t. aber erhebliche Mängel Bei knapp 10% der Gutachten keine Konfliktbewertung Keines der analysierten 156 Gutachten führte zu einer Ablehnung einer WEA fraglich, ob Gutachten den strengen Vorschriften des europäischen Artenschutzrechts in der Vorhabenzulassung gerecht werden 9
Gutachten - ein genauerer Blick lohnt sich Gutachten sind nicht pauschal als objektiv zu bezeichnen Behörden müssen daher Gutachten sorgfältiger prüfen Kam es zur objektiven Standortbewertung? Sind Gutachter gut ausgebildet und erfahren? Werden Gutachten den strengen Vorschriften des europäischen Artenschutzrechts in der Vorhabenzulassung gerecht? Problem ist oft: zu umfassende Abschaltungen werden von Projektierern nicht akzeptiert Konflikt wird runtergeredet (Feigenblatt: Abschaltung) 10
Lösungsansätze Kurzfristig Vermeidung kritischer Standorte Vorsorgeprinzip: Kumulation von Anlagen an weniger Standorten Vereinheitlichung von Methoden- und Bewertungsstandards deutschlandweit Minimierungsmaßnahmen konsequent anwenden und Schwellenwerte für gesamte Windparks fordern Langfristig Änderungen im Gutachterwesen Forschung: Minimierungs- und CEF-Maßnahmen deutschlandweites Fledermausmonitoring 11
Lösungsansätze Standortwahl/Vermeidungsmaßnahmen Tabubereiche in Wäldern sind u.a. Alte Laub- und Laubmischwälder mit einem Bestandsalter von über 140 Jahren Waldrefugien nach dem Alt- und Totholzkonzept Naturnahe Nadelwälder mit großem Quartierpotenzial Bann- und Schonwälder ( 32 LWaldG) Naturschutzgebiete ( 23 BNatSchG) / Nationalparke ( 24 BNatSchG) Zusätzlich sind WEAs auszuschließen bzw. Anlagen abzuschalten In der Nähe bekannter Schwarmquartiere In den Hauptzugrouten ziehender Arten 12
Lösungsansätze Lebensstättenverlust/Ausgleichsmaßnahmen Nutzungsaufgabe von Waldbeständen Naturnahe Waldbewirtschaftung Wiederaufforstung Habitatvernetzung durch Leitstrukturen Nur zusätzlich: (denn Wirksamkeit gering oder nicht ausreichend bewiesen) Aufhängen von Nistkästen Schaffung von künstliche Quartieren Eckhard Grimmberger / Großer Abendsegler 13
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit NABU Baden-Württemberg Felicitas Rechtenwald Tübinger Str. 15 70178 Stuttgart Tel. 0711.966 72-0 Fax 0711.966 72-33 NABU@NABU-BW.de www.nabu-bw.de 14