Szenarien der Weltwirtschaft 2010 bis 2025 Gunther Tichy, Ewald Walterskirchen WIFO-Workshop 12.5.2011
Weltwirtschaftliches Basisszenario Zentraler Trend der letzten Jahrzehnte Wachstum lässt in den Industrieländern kontinuierlich nach Rasche Expansion der Schwellenländer hält jedoch das weltwirtschaftliche Wachstum relativ hoch Dieser Trend wird sich bis 2025 fortsetzen Great Moderation hat sich als Illusion herausgestellt auch in den kommenden 15 Jahren hohe Volatilität der Wirtschaft zu erwarten, aber keine neue schwere Finanzkrise unterstellt Wirtschaftlicher Aufstieg der BRICS hat stark steigende Rohstoff, Nahrungsmittel- und Energiepreise zur Folge Inflation durch billige Zulieferungen und Arbeitsmarktlage gebremst
Weltwirtschaftliches Basisszenario Wachstum der Weltwirtschaft wird in der ersten Hälfte der Prognoseperiode schwächer ausfallen Aufräumarbeiten nach der Finanzkrise Welt-BIP wächst seit 1980 um 3¼% pro Jahr Reale langfristige Zinssätze auf historisch niedrigem Niveau Überangebot an anlagesuchendem Kapital mit hohem Risiko der Bubble-Bildung Finanzspekulation verlagert sich von Immobilien zu Ressourcen und Währungen historisch immer niedrige Zinssätze beim Übergang von Industrie zu Finanzwirtschaft
USA USA verliert allmählich Hegemonie multipolare Welt (Aufstieg Chinas) US-Wachstum 2010-25 geringer Immobilien- und Bausektor bremst aber führend bei wichtigen Spitzentechnologien Bevölkerung steigt Abbau der twin deficits von Staatshaushalt und Leistungsbilanz als zentrale Aufgabe Hohe Verschuldung wird Nachfrage der öffentlichen und privaten Haushalte drücken Dollar wird wegen hohem Leistungsbilanzdefizit an Wert verlieren
China und die Schwellenländer Schwellenländer ziehen Finanzströme an und werden Zugpferd der Weltkonjunktur Überhitzung in China, danach Abkühlung China 2025 größte Volkswirtschaft Hohes Wachstum in den anderen BRICS besonders Indien und Brasilien Südostasien wird an Bedeutung gewinnen Polarisierung zwischen Südost- und Vorderasien Unruhen im arabischen Raum bremsen dort wirtschaftliche Entwicklung
Europa EU wird im multipolaren Weltsystem an Bedeutung verlieren Verlagerung der Weltwirtschaft zum pazifischen Raum schwerfällige Entscheidungsfindung in EU große Interessensgegensätze (Umschuldung) Divergenzen im Euro-Raum (Lohn/Preisentwicklung) bevorstehende Budgetkonsolidierungen Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung (anders als in den USA) und Fremdenfeindlichkeit
Österreich Gute Chancen, mäßigen Wachstumsvorsprung gegenüber Euro-Raum zu erzielen Exporte nach Südosteuropa hohe Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Südeuropa, aber Dollarabwertung BIP-Wachstum 2010 bis 2025 etwas unter 2% p.a. Nutzen der Arbeitsmarktreserven als Voraussetzung Budgetkonsolidierung als oberstes EU-Ziel in Österreich wahrscheinlich ohne tiefgreifende Verwaltungs- und Föderalismusreform unzureichende Zukunftsinvestitionen zu befürchten enge Grenzen für öffentliche Investitionen (Gemeinden, ÖBB)
Langfristiges Wirtschaftswachstum
Optimistische und pessimistische Szenarien Spielraum eher nach oben oder unten? Mehr Optimismus besonders für China und Schwellenländer angebracht Südamerika, Indien, Indonesien, Türkei Implizite OECD-Prognose für Rest der Welt (Schwellen- und Entwicklungsländer ohne China) unrealistisch (+2,4% p.a.) Die USA dürften nur dann rascher expandieren, wenn sie Finanz- und Immobilienmärkte sowie twin deficits schnell in den Griff bekommen Unwahrscheinlich. Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte ungenügend Zunehmender Protektionismus zu befürchten (nicht nur in USA)
Optimistische und pessimistische Szenarien Spielraum eher nach oben oder unten? Für Europa ist der Spielraum der Prognosen nach unten relativ groß schwer lösbare Probleme Südeuropas Budgetkonsolidierung gleichzeitig in allen Ländern Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der EU nur durch restriktive Maßnahmen verringert OECD-Prognose für EU bis 2020 (+2,6% p.a.) unrealistisch = höher als in letzten 15 Jahren und in USA
Langfristiges Wirtschaftswachstum
Budget- und Sparproblematik Weltweite Ungleichgewichte Budgetdefizit kann rein arithmetisch nur dann kleiner werden wenn das Ausland mehr Kredite aufnimmt, d.h. bessere Leistungsbilanz die Unternehmen mehr Kredite aufnehmen oder die privaten Haushalte weniger sparen Wohlhabende Länder haben normalerweise Leistungsbilanzbzw. Sparüberschüsse - in Schwellenländern angelegt USA/China: gerade umgekehrt Abbau der twin deficits in den USA setzt vor allem voraus: geringerer Leistungsbilanzüberschuss der Schwellenländer (China u.a.) höhere Kreditaufnahmen der Unternehmen
Gesamtwirtschaftliche Finanzierungssalden In % des BIP
Budget- und Sparproblematik Budgetproblem in Europa: Household saving is geared to a higher growth rate (Steindl) Für Europas Budgetkonsolidierung bedeutet das vor allem: geringere Sparquote der privaten Haushalte oder Leistungsbilanzverbesserung gegenüber Schwellenländern 2 typische Wege der Verringerung der Sparquote höhere Kredite der Haushalte (Immobilien) Einkommensumverteilung, die zu niedrigerer Sparquote der privaten Haushalte führt
Budget in Österreich und EU Österreich hat gute Chancen, langfristig die EU- Budgetziele zu erreichen Hoher Leistungsbilanzüberschuss (gegenüber Osteuropa) großer Spielraum zum Abbau der hohen Sparquote Chancen für EU weniger gut Leistungsbilanz wird eher ausgeglichen sein (Dollarabwertung) Extrem niedrige Sparquote in Großbritannien und Spanien (Immobilienpreisblase)
Gesamtwirtschaftliche Finanzierungssalden In % des BIP
Schlussbemerkungen Szenarien = educated guesses zur Koordination der Erwartungen grobe Annahmen über wichtige Trends Unsicherheiten Finanz-, Budget-, Umweltkrisen + Regulierung der Finanzmärkte und Begrenzung der Spekulation + politische Schocks + Protektionismus Konflikt zwischen Wachstum und Ökologie Hohes Wachstum der Weltwirtschaft = Knappheit an Ressourcen und hohe Energie-, Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise (soziale Unruhen) Geringes Wirtschaftswachstum in den Industrieländern = hohe Arbeitslosigkeit und massive Budgetdefizite