Deutschlands Exportüberschuss und die Rolle der M+E-Industrie

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04.09.2017 Stellungnahme Deutschlands Exportüberschuss und die Rolle der M+E-Industrie 1. Das Thema Exportüberschuss bleibt in der Diskussion Die deutsche Wirtschaft hat 2016 ihren Außenhandels- und Leistungsbilanzüberschuss weiter erhöht und ist damit wieder verstärkt in die Kritik internationaler Organisationen (IWF u.a.), europäischer Nachbarländer (u.a. Frankreich), Politiker (D. Trump) und Wissenschaftler geraten. Der Vorwurf lautet, dass Deutschland durch relativ moderate Lohnerhöhungen und durch den günstigen EURO-Kurs seine Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der Handelspartner gesteigert hat. Auch nach den Maßstäben der EU-Kommission ist ein Außenhandelsüberschuss Deutschlands wie 2016 in Höhe von 252 Mrd. Euro oder etwa 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich zu hoch und langfristig nicht tragbar, die Stabilitätskriterien der EU- Kommission sehen maximal 6 Prozent vor. (Allerdings ist der Ölpreisverfall allein für rund 2 Prozentpunkte des Überschusses in 2016 verantwortlich.) Als wichtigste Exportbranche steht die M+E-Industrie (unausgesprochen) im Fokus der Kritik. Mit Exporten von 723 Mrd. Euro und Importen von M+E-Gütern über 453 Mrd. Euro erwirtschaftete die M+E-Industrie 2016 einen Überschuss in Höhe von etwa 270 Mrd. Euro. Das ist mehr als der gesamtwirtschaftliche Exportüberschuss (252 Mrd. Euro), weil andere Branchen mit Defiziten im Außenhandel abschließen (Bsp. Ölimporte). Wenn Maßnahmen zur Verringerung der Überschüsse darauf abzielen sollten, die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure aus Deutschland zu schwächen, dann wäre davon in erster Linie die M+E-Industrie betroffen. M+E-Außenhandel Exportüberschuss 2016 auf Rekord-Niveau Entwicklung des M+E-Außenhandels, in Mrd. 800,0 700,0 640 657 647 600 600,0 568 665 Exporte Importe Exportüberschuss 711 723 500,0 400,0 376 467 375 410 401 391 403 440 453 300,0 200,0 223 303 164 194 230 256 255 262 271 270 100,0 0,0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Statistisches Bundesamt. GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.v. Voßstr. 16 10117 Berlin Postfach 06 02 49 10052 Berlin Tel. 030 55 150-0 Fax 030 55 150-400 E-Mail: info@gesamtmetall.de www.gesamtmetall.de

2. Die M+E-Industrie braucht den Weltmarkt Der Exportüberschuss mit M+E-Gütern aus Deutschland ist Ergebnis der spezifischen Struktur und Differenziertheit der M+E-Industrie und ihrer Branchen: die Unternehmen produzieren in Märkten, die nur im weltweiten Maßstab eine rentierliche Produktion erlauben. Deshalb ist die Struktur der M+E-Industrie traditionell auf die internationalen Märkte ausgerichtet. Gleichzeitig ist die M+E-Industrie der Lieferant von Investitionsgütern schlechthin und hat damit in den vergangenen Jahren (und Jahrzehnten) von den Investitionskonjunkturen in den Schwellenländern (allen voran China) und zuletzt bei deren Schwächephase von der anziehenden Konjunktur und Investitionstätigkeit in den USA profitiert. Hinter den Exportüberschüssen Deutschlands und der M+E-Industrie in Deutschland stehen millionenfache Entscheidungen von investierenden Unternehmen und Kunden aus aller Welt, die sich für Produkte aus Deutschland entscheiden. Basis der deutschen Exportstärke ist offensichtlich die Konkurrenzfähigkeit ihrer Produkte, die auf der Innovationsstärke der Unternehmen und der Qualifikation der Fachkräfte in Deutschland aufbaut. 3. Exportstark wegen bester Produkte und trotz hoher Löhne Deutschland gehört zu den weltweit teuersten Produktionsstandorten, was die industriellen Arbeitskosten angeht. 2015 hatte M+E-Industrie Arbeitskosten in Höhe von fast 43 Euro je Stunde zu zahlen. Der hieraus resultierende durchschnittliche Bruttoverdienst eines Stammbeschäftigten (Vollzeit) in der M+E-Industrie lag 2016 bei mehr als 55.600 Euro im Jahr. Allein diese Zahlen widerlegen bereits den Vorwurf, die deutsche Exportstärke beruhe auf Billiglöhnen, die ausländische Konkurrenz vom Markt verdrängen würden. Ganz offensichtlich ist die M+E-Industrie nicht wegen ihrer Lohnhöhe international wettbewerbsfähig, sondern trotz ihrer Lohnhöhe. Es sind die Qualität der deutschen Produkte und die hohe Kundenzufriedenheit, die für den Exporterfolg sorgen. Arbeitskosten International 51,3 Deutschland teurer als wichtige Wettbewerber Arbeitskosten je Stunde in der M+E-Industrie 2015* (in Euro) 46,4 43,1 42,8 42,6 39,5 39,2 39,2 33,0 28,9 24,3 *Werte der Arbeitskostenerhebung 2012 mit der Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe fortgeschrieben. 12,9 11,4 11,1 10,5 8,9 8,5 8,5 8,0 7,6 5,7 4,3 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Ursprungsdaten: Eurostat, Deutsche Bundesbank 2

Die tariflich vereinbarten Entgelterhöhungen in der M+E-Industrie haben das Tarifniveau von 2006 bis 2017 um mehr als 32 Prozent erhöht. Seit Sommer 2008 vor dem Krisen- Einbruch sind die Lohnkosten der M+E-Industrie in Deutschland um etwa 23 Prozent gestiegen. Allein die Kostenbelastungen aus den Abschlüssen der letzten vier Tarifrunden seit 2012 summieren sich auf 19,5 Prozent. Von 2012 bis 2015 sind die Arbeitskosten in der M+E-Industrie in Deutschland um knapp drei Prozent pro Jahr gestiegen. Bei wichtigen europäischen Wettbewerbern lag der Anstieg deutlich darunter (Tabelle): Kostenentwicklung Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit Arbeitskosten (M+E-Industrie) Ø Veränderung 2012 bis 2015 pro Jahr Lohnstückkosten (Industrie) Ø Veränderung 2012 bis 2015 pro Jahr Deutschland 2,9% 2,3% (M+E: 2,8%) Frankreich 1,2% -0,4% Finnland 1,7% -1,0% Belgien 1,0% -3% Italien 0,9% 0,4% Schweden -0,2% -2% Quelle: IW Köln, Gesamtmetall-Berechnungen 4. Rolle des Euro für den Exportüberschuss Deutschland ist Teil der europäischen Währungsunion und profitiert von der zeitweiligen Schwäche des Euros gegenüber den Währungen wichtiger Handelspartner: Eine Abwertung des Euros macht die Güter der M+E-Industrie aus dem EURO-Raum in Dollar gerechnet für die Kunden in den Empfängerländern günstiger. Allerdings gilt dieser Vorteil für alle Länder der Währungsunion. Und vor allem: Deutschland ist nicht dafür verantwortlich zu machen. Hinter der Entwicklung des Euros steht maßgeblich die Politik der unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB). Ein schwächerer EURO ist aber nur ein Vorteil auf Zeit, wie sich an der aktuellen Entwicklung des EURO-Dollar-Kurses zeigt: Seit seinem Tiefpunkt im Dezember 2016 hat der Euro bis Ende August 2017 gegenüber dem US-Dollar bereits wieder um etwa 15 Prozent an Wert gewonnen und damit die Kostenwettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Euro-Raum entsprechend belastet. 5. Exportüberschuss mit den Euro-Ländern hat sich verringert Ein Blick auf die regionale Aufteilung der M+E-Exportüberschüsse verrät, welche Länder in den letzten Jahren verstärkt unsere Produkte gekauft haben. Demnach haben sich die Exportüberschüsse vor allem nach Asien sowie nach Amerika erhöht. Neben den USA sind hierunter auch viele Schwellenländer zu finden, die für den Aufbau ihrer Industrie genau die 3

Investitionsgüter nachfragen, welche die M+E-Industrie anbietet. Die Exportüberschüsse mit den Euro-Ländern haben sich seit den Krisenjahren 2008/2009 deutlich verringert. Allerdings: Nach einer Studie des IW Köln profitieren die EU-Nachbarn von der deutschen Exportstärke: Wenn die deutschen Exporte um 10 Prozent steigen, nehmen die Exporte der EU-Partner an Vorleistungen nach Deutschland um 9 Prozent zu. Deutschland ist somit zunehmend Stütze für die Wirtschaft in der Euro-Zone, ist aber für den eigenen Exporterfolg immer weniger auf die Euro-Zone angewiesen, dieser wird im Rest der Welt erwirtschaftet. M+E-Exportüberschüsse Asien und Amerika gewinnen an Bedeutung Regionale Verteilung der M+E-Exportüberschüsse in Zweijahresperioden; Anteile in Prozent Euro- Raum 39,8 Asien 1,2 Afrika und Ozeanien 7,3 Amerika 15,5 Euro- Raum 27,1 Asien 11,5 Afrika und Ozeanien 6,5 EU- Länder ohne Euro 18,6 restl. Europa 16,3 EU- Länder ohne Euro 19,5 restl. Europa 10,5 Amerika 24,8 2008+2009 2015+2016 Quelle: Statistisches Bundesamt. 6. Investitionen im Ausland als Kehrseite der Medaille Mit dem Exportüberschuss der deutschen Wirtschaft geht per Saldo ein Kapitalexport einher: die Handelspartner verdienen mit ihren Exporten nach Deutschland (den deutschen Importen) weniger als sie für die Finanzierung der deutschen Exporte brauchen, sie müssen sich verschulden. Gerade für die M+E-Unternehmen gilt dabei, dass sie ihre Exporterlöse im Ausland investieren (= Kapitalexport). So lag der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen der M+E-Industrie 2015 bei 204 Mrd. Euro (Grafik S.5). Eine aktuelle Umfrage des DIHK bei den Unternehmen in Deutschland zeigt, dass 58 Prozent der M+E-Unternehmen Auslandsinvestitionen planen, während es in der Industrie insgesamt nur knapp 50 Prozent der Unternehmen sind. Im Ausland bauen die Unternehmen vor allem ihre Vertriebsaktivitäten aus und stärken den Kundendienst; ein weiterer Schwerpunkt ist die Erschließung von neuen Märkten. 4

Direktinvestitionen (Bestand) Auslandsengagement wieder deutlich ausweitet 200 150 Direktinvestitionsbestand der M+E-Industrie im Ausland, in Mrd. Euro 203,7 184 173,7 178,9 174 160,1 100 50 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quellen: Deutsche Bundesbank, IW Consult 7. Binnennachfrage stärken heißt Investitionsbedingungen verbessern Wie lassen sich die Exportüberschüsse verringern? Ein Teil der Kritiker fordert kräftige Lohnerhöhungen, um sowohl die Konsumnachfrage im Inland zu stärken als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland unmittelbar zu schmälern. Allerding sind die Entgelte gerade in den exportorientierten Branchen wie der M+E-Industrie in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen (s.o. unter 3.) und die private und staatliche Konsumnachfrage ist bereits der eindeutige Treiber der inländischen Konjunktur. Ohnehin bleibt der Weg einer bewussten Schädigung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen durch allzu kräftige Entgelterhöhungen einer Minderheit an Experten vorbehalten. Deshalb setzen die seriöseren Vorschläge zum Abbau der Exportüberschüsse bei den Importen an: Es geht um die Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland und dabei in erster Linie um die Belebung der Investitionen. In dieser Sichtweise wird der Exportüberschuss mit einer nun schon länger anhaltenden Investitionsschwäche der staatlichen wie auch privaten Investitionen in Deutschland verbunden. Denn die zu schwache inländische Investitionstätigkeit trägt spürbar zur Unwucht der Leistungsbilanz bei. Offensichtlich investieren deutsche Unternehmen einen Teil ihrer Erträge aus dem Export in ausländische Standorte und schaffen dort auch zusätzliche Arbeitsplätze. Wenn die Politik in Deutschland den Leistungsbilanzüberschuss reduzieren will, sollte sie Investitionen in Deutschland durch angebotsseitige Reformen interessanter machen. Die Ursachen für die inländische Investitionsschwäche liegen zumindest zum Teil auch in der Politik, die in der jüngsten Legislaturperiode nahezu nichts zur Verbesserung Standortbedingungen beigetragen hat ( Mehr Wirtschaft wagen als Forderung für Bundestagswahl 2017). 5

8. Exportüberschuss und alternde Bevölkerung Ein längerfristiges und grundlegendes Argument darf bei der Beurteilung der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse nicht fehlen: Leistungsbilanzüberschüsse sind immer auch Kapitalexport und Transfer von Ersparnissen ins Ausland. Es werden mit den Exportüberschüssen Forderungen aufgebaut, die eines Tages bei Bedarf wieder gegen Güterimporte eingelöst werden können. Ein solcher Bedarf nach höheren Importen könnte beispielsweise von einer alternden Bevölkerung ausgehen, die auch im Ausland rentable Anlagemöglichkeiten für ihre wachsenden Ersparnisse sucht. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland schätzt in seiner Expertise über den demografischen Wandel (2011), dass von der Bevölkerungszusammensetzung her noch bis 2035 ein expansiver Einfluss auf den deutschen Leistungsbilanzüberschuss ausgehen wird - und erst danach die Entwicklung den Leistungsbilanzüberschuss bremst. 6