ERNÄHRUNGSSICHERHEIT DANK INLANDPRODUKTION
ERNÄHRUNGSSICHERHEIT Habe ich die Gewissheit, mich auch in Zukunft mit genügend Lebensmitteln versorgen zu können? Sind die Lebensmittel, welche ich konsumiere, von hochwertiger Qualität und gesund? Weiss ich, wie die Lebensmittel, die ich konsumiere, produziert worden sind? Diese Fragen betreffen die Ernährungssicherheit. Dabei gibt es qualitative und quantitative Aspekte. Die Schweizer Bauernfamilien sind die Basis für qualitativ hochwertige Lebensmittel aus einheimischer Produktion. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit. Ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad ermöglicht den Schweizer Konsumenten, sich mit regionalen Produkten einzudecken, die für Frische, Qualität und Sicherheit stehen. DEFINITION DER ERNÄHRUNGSSICHERHEIT Gemäss der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist Ernährungssicherheit dann gegeben, wenn «für alle Menschen zu jeder Zeit der physische, soziale und wirtschaftliche Zugang zu quantitativ und qualitativ angemessenen und sicheren Nahrungsmitteln gewährleistet ist, um ein gesundes und aktives Leben zu ermöglichen». Wir sind, was wir essen.
WIE WIRD DER SELBSTVERSORGUNGSGRAD BERECHNET? Für die Berechnung des Brutto-Selbstversorgungsgrades werden die Inlandproduktion sowie die Importe und Exporte in Energie (Joule oder Kalorien) berücksichtigt. Die Berechnungsformel lautet : SVG = Inlandproduktion / (Inlandproduktion + Importe Exporte) x 100 Die Schweizer Bevölkerung verbraucht im Schnitt 39 400 Terajoule verwertbare Energie pro Jahr. Die Schweizer Landwirtschaft produziert auf 1 000 000 ha Kul- turland rund 60 % des Bedarfs, d.h. 23 600 Terajoule pro Jahr. Wenn die für die inländische Tierproduktion importierten Futtermittel abgezogen werden, sinkt der Selbstversorgungsgrad auf 52 % (netto). Die fehlende Energie für die Ernährung der Bevölkerung und die Fütterung der Tiere importieren wir aus dem Ausland. Damit «belegen» wir irgendwo auf der Welt nochmals die gleiche Nutzfläche wie im Inland, also etwa 1 000 000 ha. Alles, was nicht in der Schweiz produziert wird, muss importiert werden. Brutto-Selbstversorgungsgrad in % Argentinien Australien Kanada Indonesien Vereinigte Staaten Russland Elfenbeinküste EU Burkina Faso China Ägypten Chile Marokko Schweiz Albanien Kuba Norwegen 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275
INLANDPRODUKTION UND KONSUM Der Anteil der Inlandproduktion ist vor allem bei den tierischen Produkten hoch. Als Grasland finden bei uns vor allem Wiederkäuer wie Kühe, Ziegen und Schafe, aber auch Pferde eine gute Futtergrundlage. Weil die Futtergetreideflächen zurückgingen, sank die Eigenversorgung mit Futtermitteln stetig und die Abhängigkeit vom Ausland nahm zu. Der Importanteil hängt auch von den Konsumgewohnheiten ab. Dank der hohen Kaufkraft essen die Schweizerinnen und Schweizer bevorzugt edles Fleisch. Zunehmend kommt es zu einem qualitativen Austausch mit dem Ausland : Wir exportieren Schlachtnebenprodukte (Zungen, Innereien usw.) und importieren im Gegenzug hochwertige Stücke wie Pouletbrust oder Nierstücke. Jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch in kg Pflanzliche Öle** Getreide* 59,5 Kartoffeln 48,1 10,1 Gemüse 104,6 Zucker 31,9 Kernobst 28,8 10,6 Steinobst Wein 34,8 Spirituosen 2,3 Schweinefleisch Rindfleisch Geflügelfleisch Eier Fisch 23,9 11,1 10,4 11,7 7,8 Konsummilch 57,2 Quark und Käse 86,7 Rahm 33,2 Butter 5,4
SELBSTVERSORGUNGSGRAD (SVG) 2013 2015 IN % Pflanzenproduktion SVG *Getreide 78,4 Kartoffeln 80,8 Zucker 93,8 Gemüse 49,6 Kernobst 94,6 Steinobst 23,9 Wein 31,4 Spirituosen 14,7 **Pflanzliche 40,8 Öle BRUTTO * menschlicher Verzehr ohne Hartweizen und Reis ** Raps und Sonnenblumen Tierproduktion SVG Rindfleisch 85,5 Schweinefleisch 94,4 Geflügelfleisch 52,3 Eier 51,5 Fisch 2,0 Konsummilch 95,7 Quark und Käse 116,8 Rahm 100,8 Butter 105,8 BRUTTO
KULTURLANDSCHUTZ Um Lebensmittel zu produzieren, braucht die Landwirtschaft Kulturland. Das Kulturland hat einen besonderen Status, da nur auf diesen Flächen direkt Nahrungsmittel für die menschliche Ernährung produziert werden können. Für alle Grünlandflächen ist eine Veredelung über Wiederkäuer notwendig. Auf die Anzahl Bewohner berechnet, beträgt die Kulturlandfläche der Schweiz 5 Aren. Somit verfügen die Schweizer über 17 Mal weniger Kulturland als Russland oder 11 Mal weniger als die USA. Dennoch geht der Kulturlandverlust in rasantem Tempo weiter. Jede Sekunde verschwindet 1m 2 Landwirtschaftsland (Bauprojekte, Verbuschung und Verwaldung). Innerhalb von 10 Jahren entspricht dies der Fläche des Kantons Schaffhausen Aren Kulturland pro Bewohner 2014 Russland USA Rumänien Brasilien Frankreich Österreich Deutschland Italien China Holland Schweiz Japan Internationaler Durchschnitt 86 48 44 39 28 16 15 11 8 6 5 3 20 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Kulturland schützen heisst unsere Zukunft sichern!
ERNÄHRUNGSSICHERHEIT IN DER SCHWEIZ Bundesbeschluss über die Ernährungssicherheit, am 24. September 2017 zur Volksabstimmung unterbreitet : Art. 104a Ernährungssicherheit Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln schafft der Bund Voraussetzungen für : a. die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere des Kulturlandes ; b. eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion ; c. eine auf den Markt ausgerichtete Land- und Ernährungswirtschaft ; d. grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen ; e. einen ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln. Umsetzung des Konzepts der Ernährungssicherheit in der Schweiz Erwartungen der Landwirtschaft : Faire Produzentenpreise Die Bauernfamilien sollen mit ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit ein Einkommen erzielen können, das ihnen ermöglicht, von ihrer Arbeit zu leben. Bei gewissen landwirtschaftlichen Produkten sind hierzu angemessene Grenzschutzmassnahmen erforderlich. Reduzierung des administrativen Aufwandes Die Bauernfamilien müssen sich in erster Linie um ihre Tiere und Felder kümmern können. Der administrative Aufwand im Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung darf nicht laufend zunehmen und ein Hindernis werden. Verbesserte Rahmenbedingungen für junge und innovative Bauernfamilien Die staatlich festgelegten Rahmenbildungen müssen den Generationenwechsel auf den Betrieben erleichtern und innovativ handelnde Bauernfamilien fördern. Schutz des Kulturlandes Fruchtbares Kulturland ist ein zentraler Produktionsfaktor der Landwirtschaft, das durch sorgfältigen Schutz auch für zukünftige Generationen erhalten werden muss.
LAND GRABBING UND AGROBUSINESS Um ihre Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern, kaufen und «mieten» gewisse Länder wie Malaysia, Singapur oder Saudi-Arabien grosse fruchtbare Landflächen in Entwicklungsländern. Der am stärksten betroffene Kontinent ist Afrika. In den Zielregionen des Land Grabbing herrscht meistens ein schwaches Bodenrecht. Die Konsequenzen für die lokale Bevölkerung sind dramatisch: Menschen werden ohne Entschädigung oder soziale Absicherung aus ihren Lebensräumen vertrieben. Bei Lebensmittelimporten müssen wir uns daher kritisch die Frage stellen, ob diese nicht die Ökosysteme im Herstellungsland zerstören und dort Hungersnöte und Armut hervorrufen. Regionen mit dem höchsten Ausmass an Land Grabbing: Quelle: Land Matrix 2016 Mehr Informationen: http ://www.landmatrix.org Unsere Lebensmittelimporte belegen landwirtschaftliche Flächen im Ausland, auch in Gegenden, wo die Versorgung der lokalen Bevölkerung gefährdet ist. Herausgeber: SALS-Schweiz/ASSAF-Suisse c/o AGORA, Av. Jordils 5 1006 Lausanne Tel. 021 614 04 79 www.sals-schweiz.ch www.assaf-suisse.ch info@assaf-suisse.ch Gestaltung und Realisierung : Agence d information agricole romande (AGIR) ; SALS-Schweiz Übersetzung und Anpassung : SBV ; AGIR Mitarbeit : Schweizerische Vereinigung für einen starken Agrar- und Lebensmittelsektor (SALS-Schweiz) ; Schweizer Bauernverband (SBV) Quellen : BFS ; BLW ; TSM Treuhand ; GEO ; FAO ; Agristat (SBV) Fotos: AGIR ; SBV ; AOP-IGP ; le Gruyère AOP Grafik/Print : Imprimerie Saint-Paul (Freiburg) Auflage : 15 000 Exemplare Juni 2017