Niedriglohnsektor und Armutsrisiko Dr. Markus M. Grabka (DIW Berlin / SOEP) Niedriglohnsektor Chance zum Einstieg oder Sackgasse? Gesprächskreis Arbeit und Qualifikation Friedrich-Ebert-Stiftung und DGB, Berlin 11. Juni 2012 1
Datenbasis Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) Seit 1984 jährliche Erhebung / konsistente Zeitreihe 2010: rd. 20.000 Befragungspersonen Personen in Privathaushalten Working-Poor < 2/3 des Median des aktuellen Bruttostundenlohns aller abhängig Beschäftigten ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten (ohne Selbständige) Armutsrisiko < 60% des Median der bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommen der Gesamtbevölkerung OECD-Äquivalenzskala ohne den Mietwert selbstgenutzten Wohneigentums 2
Working-Poor 2000-2010 Anteil der Working-Poor* an allen abhängig Beschäftigten 28,0 26,0 24,0 Anteil in % 22,0 20,0 18,0 16,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Brenke K&W Grabka (mit Auszubildenden) Grabka * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 3 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor 2000-2010 Anteil der Working-Poor* an allen abhängig Beschäftigten 28,0 26,0 24,0 Anteil in % 22,0 20,0 rd. 7,5 Mio. 18,0 16,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Brenke K&W Grabka (mit Auszubildenden) Grabka * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 4 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor 2000-2010 Anteil der Working-Poor* an allen abhängig Beschäftigten 28,0 26,0 24,0 Anteil in % 22,0 20,0 rd. 7,5 Mio. 18,0 16,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Brenke K&W Grabka (mit Auszubildenden) Grabka * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 5 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung 6
Relative Einkommensarmut 2000-2010 14,0 13,5 rd. 11 Mio. 13,0 Armutsrisikoquote in % 12,5 12,0 11,5 11,0 10,5 10,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Armutsrisikoquote Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung (rd. 800 Euro) Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten 7
Relative Einkommensarmut 2000-2010 14,0 13,0 rd. 11 Mio. 12,0 Armutsrisikoquote in % 11,0 10,0 9,0 8,0 7,0 Anteil der armen abh. Beschäftigten an allen Armen : rd. 58% rd. 2,8 Mio. 6,0 5,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Gesamtbevölkerung abhängig Beschäftigte Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten 8
Armutsrisiko von Working-Poor 9
Working-Poor* und Einkommensarmut Anteil an allen Working-Poor* in % 17,0 16,0 15,0 14,0 13,0 12,0 11,0 10,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 rd. 1,2 Mio. Working poor* + Armutsrisiko Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 10 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Armutsrisiko von Working-Poor: Haushaltskontext 11
Working-Poor*... nach Zahl der Erwachsenen im Haushalt 50 40 Insgesamt 78,5% mit weiteren Erwachsene (55,9 % mit weiteren Erwerbstätigen) Anteil in % 30 20 10 0 21,5 Ein Zw ei Drei Vier u.m. Zahl der Erw achenen * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 12 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor* und Einkommensarmut... nach Haushaltstyp Anteil der "armen" Working-Poor* in % 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 1-P-HH Paar-HH ohne Kinder Alleinerziehende Paar-HH mit Kindern Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 13 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Armutsrisiko von Working-Poor: Geleistete Arbeitszeit 14
Working-Poor* & Arbeitszeitumfang 2010 geleistete Arbeitsstunden/Woche (Mittelwert) keine festgelegte Arbeitszeit festgelegte Arbeitszeit und regelmäßige Überstunden festgelegte Arbeitszeit ohne Überstunden Vollzeit- Beschäftigte Working- Poor* Teilzeit- Beschäftigte Mini-Jobber & geringfügig Beschäftigte Working- Nicht- Poor* Niedrig- Nicht- Niedrig- Working- Poor* Nicht- Niedriglohnsektor lohnsektor lohnsektor 49,0 47,2 25,9 21,6 12,7 9,2 45,8 43,6 29,7 27,3 15,2 13,1 39,2 38,9 24,0 22,7 11,7 8,0 Insgesamt 44,9 42,9 28,1 25,7 12,8 9,6 * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 15 Quelle: Brenke DIW-WB 21-2012
Working-Poor* und Arbeitszeit Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 16 Quelle: Brenke DIW-WB 21-2012
Working-Poor* und Einkommensarmut... nach Erwerbsumfang 28,0 Anteil der "armen" Working-Poor* in % 24,0 20,0 16,0 12,0 8,0 4,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 VZ TZ Geringfügig Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 17 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Armutsrisiko von Working-Poor: Weitere Einkommen 18
Working-Poor* und Einkommensarmut... nach Einkommensarten 30 25 Anteil in % 20 15 10 Nicht-Working-Poor Working-Poor 5 0 Kindergeld Kinderzuschlag ALG-2 Pflege-Versicherung HLU Grundsicherung Wohngeld Unterhalt Rente * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 19 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor und relative Einkommensarmut: Deutschland im internationalen Vergleich 20
Arm trotz Arbeit in der EU 21
Langfristige Auswirkungen 22
Altersarmut Die monatliche Netto-Rente nach 45 Beitragsjahren beträgt bei einem Brutto-Stundenlohn (38,5 h-woche) von... Arbeitnehmer Grundsicherung im Alter Brutto-Stundenlohn 7,50 9,47 Bruttolohn pro Monat 1252,50 1581,49 SGB XII Gesamtbedarf bestehend aus... Entgeltpunkte pro Jahr 0,4867 0,6146 Regelleistung: 359,00 Aktueller Rentenwert 24,45 24,45 Wohnkosten: 317,00 Rentenhöhe 535,49 676,21 676,00 Berechnet mit den im 2. Halbjahr 2009 gültigen Werten für einen allein lebenden Arbeitnehmer ohne Kinder in Westdeutschland Quelle: Böckler-Impuls 8/2009, S. 3. 23
Fazit Der Niedriglohnsektor wächst Armut bei abh. Beschäftigten und unter Working-Poor nimmt zu Armut in der Gesamtbevölkerung und bei abhängig Beschäftigten entwickelt sich parallel Working-Poor... leisten überdurchschnittlich viele Arbeitsstunden... leben häufig mit anderen (erwerbstätigen) Erwachsenen... beziehen weitere Einkommen (Renten, Unterhaltsleistungen, staatliche Transfers (insbesondere bei Mini-Jobs)) D. im internationaler Vergleich: überdurchschnittlicher Zuwachs Derzeit relativ geringes Armutsrisiko, künftig droht Altersarmut 24
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 25
Reallöhne der Working-Poor* Bruttomonatslohn 2000 = 100 105 103 101 99 97 95 93 91 89 87 85 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Nicht-Working-Poor Working-Poor * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 26 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Im Niedriglohnsektor gebe es inzwischen Auswüchse, "die man beschäftigungspolitisch nicht rechtfertigen kann" (Joachim Möller in der ZEIT vom 19. Juli 2011) Nur rd. 1/3 der Working-Poor schafft in einem 5-Jahreszeitraum einen Aufstieg (Schnitzlein/Stephani 2012) 27
1,3 Mio. SGB-2 Bezieher sind auch erwerbstätig 973.000 Personen in geförderten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (Mai 2012, IAB Monatsbericht) 28
Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen 75 73 71 Anteil in % 69 67 65 63 Arbeitnehmerentgelt 61 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Quelle: VGR, Statistisches Bundesamt 29
Reallohnentwicklung in ausgewählten Ländern, 2000-2009 (in %) Norwegen Finnland Korea Australien Irland Großbritannien Dänemark Schweiz Frankreich Spanien Niederlande Kanada Italien USA Japan Deutschland -4,5-1,8 4,8 4,7 3,8 2,2 10,7 9,3 8,6 7,5 14,0 15,5 15,2 18,3 22,0 25,1-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 NOR, FR, JP nur privater Sektor / DK nur Vollzeitbeschäftigte Quelle: ILO Global Wage database 2010/11 30
Working-Poor* und Einkommensarmut... nach Altersgruppen 25,0 Anteil der"armen" Working-Poor* in % 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 17-30 30-50 50-65 Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 31 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor* und Einkommensarmut... nach Region 25 23 Anteil der "armen" Working-Poor* in % 21 19 17 15 13 11 9 7 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 West-D Ost-D Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 32 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor*... nach Geschlecht 35,0 Anteil der Working-Poor* in % 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Männer Frauen * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 33 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten
Working-Poor* und Einkommensarmut... nach Geschlecht Anteil der "armen" Working-Poor* in % 20,0 18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Männer Frauen Armutsrisiko: < 60% Median des bedarfsgewichteten monatlichen HH-Nettoeinkommens * ohne Auszubildende, ABM-Beschäftigte, Wehr- und Zivildienst, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten) 34 Quelle: SOEP v27, Personen in Privathaushalten