Ich bin gefragt (Teil 1/5): Und freue mich! Dr. Matthias Walter, 18.03.2018 Predigttext: Hoheslied 7,11 Liebe Gemeinde, ich bin gefragt, diese kleine Reihe von fünf Sonntagen bis Pfingsten ist der Versuch, unseren Glauben noch mal aus einem anderen Blickwinkel zu erkunden. Nicht was wir glauben oder wie wir leben, soll da zuerst die Frage sein. Nicht also um Inhalte und Taten, Dogmatik oder Ethik soll es gehen. Sondern um den Glauben als Beziehung. Und natürlich kommen dann auch irgendwann die Fragen, was denke ich über dich, Gott, und wie lebe ich, wenn ich mit dir zusammen bin. Aber dann kläre ich Dogmatik und Ethik in der Beziehung zu ihm. Nicht am grünen Tisch. Ich bin gefragt und am Anfang steht die Freude darüber, gefragt zu sein. Vor jeder Antwort, die ich gebe, steht die Freude, gefragt zu sein. Weil ich merke: Hier werde ich nicht etwas gefragt, sondern hier bin ich gefragt. Ich bin ein gefragter Typ. Am Anfang aller meiner Reaktionen darauf, am Anfang all dessen, was dann noch kommt im Glauben, am Anfang von all dem steht die Freude. Die Freude, ein gefragter Mensch zu sein. Ein von Gott gefragter Mensch zu sein. Ein bei Gott gefragter Mensch zu sein. Nicht mehr wie im Schulsport, wenn zwei sich ihre Mannschaften auswählen, und am Ende ist man immer der, der übrig bleibt. Aber auch nicht mehr wie beim I want you der amerikanischen Armee: bloß in die Pflicht genommen zu werden und als Kanonenfutter zu enden. Sondern einfach so gefragt zu sein. Ja, regelrecht zu wissen: die Schöpfung hat Gott geschaffen, damit ich in der Welt leben kann, ans Kreuz ist Jesus gegangen, damit ich aus der Ewigkeit leben kann. Für mich all das! Wow, bin ich bei Gott ein gefragter Mensch! Und das einfach, weil ich bin, wer ich bin! Ich bin vor einiger Zeit an einer etwas entlegenen Stelle in der Bibel auf einen Vers gestoßen, der mir das irgendwie vollkommen zusammenfasst. Und zwar im Hohelied der Liebe. Dieses kleine Gedichtbändchen in der Bibel ist irgendwie schillernd. Je nachdem, wie man es ins Licht hält, beschreibt es mal die Liebe zwischen Mann und Frau, mal die Liebe zwischen Gott und seinem Volk beziehungsweise die Liebe zwischen Christus und der Seele. Das Hohelied. Schon in frühen Jahrhunderten beklagten sich fromme Sittenwächter, dass die Zeilen des Hohelieds von alkoholisierten Kneipengängern anzüglich gegrölt wurden, wenn die Kellnerin an den Tisch kam. Und zugleich haben sich in vielen Jahrhunderten Mystiker von diesen Texten in eine tiefere Liebe zu Gott führen lassen. Ganz schöne Bandbreite der Anwendung, würde ich sagen. 1 / 5
Zuletzt hat ein Erforscher des Alten Testaments aufgezeigt, wie sehr die Bilder dieses außergewöhnlichen Bibelbuchs Strophe für Strophe aus den Bildern der anderen Bibelbücher gespeist sind. Die eben die Geschichte Gottes mit seinem Volk erzählen. Für den Dichter des Hohelieds ist diese Geschichte Gottes und seiner Menschen also eine Geschichte vom Suchen und Finden zweier Liebender. Halten wir also dieses Büchlein einmal so ins Licht, dass wir da die Liebesgeschichte zwischen Christus und der Seele sehen. Dann sehen wir da eine Beschreibung dieser geistlichen Erfahrung, dass Gott und die Seele beide mal eng zusammen sind und dann auch gefühlt wieder fern voneinander. Kurz vor Ende dieses Gedichtbändchens aber steht die Seele einmal da und kann nur noch staunend festhalten oder vor Freude ausrufen: Meinem Freund gehöre ich, nach mir steht sein Verlangen. Meinem Freund gehöre ich, nach mit steht sein Verlangen. Das Fazit eines Lebens mit Gott. Oder die staunende Entdeckung am Anfang, und dann wage ich mich in diese Beziehung. Ein kleiner Vers nur. Lasst ihn uns mal in seinen Teilen genauer ansehen. Da wäre zum Beispiel das Wörtchen gehören. Ich gehöre. Kann das so für sich stehen? Wie: ich laufe, ich gehe, ich sitze, ich telefoniere? Ich gehöre. Wenn der Satz nicht weitergeht, dann ist das wie im vollen Lauf festgehalten werden. Sag den Satz mal zu Ende! Du gehörst, ja, wohin, zu wem? Ich gehöre egal erst mal noch, wohin, zu wem. Einfach erst mal das Gefühl fühlen. Ich gehöre. Ich bin irgendwie mit was verbunden. Oder mit wem. Da gibt es eine Verbindung von mir rüber zu Das an sich ist gut zu hören. Selbst wenn wir uns in unserer Welt oft so unverbunden fühlen wie ein Astronaut beim Weltraumspaziergang. So lange ich nur wie der verbunden bin mit. Ich gehöre. Zu den Tipps, wie man sich verhalten soll, wenn ein Mensch in der U-Bahn belästigt wird, gehört, dass man ein vertrautes Gespräch mit ihm anfängt. Selbst wenn man ihn gar nicht kennt. Dann ist er nämlich nicht mehr allein. Und ist damit kein Freiwild mehr. Dann ist da einer, der signalisiert: Die gehört zu mir. Das ist ein Schutz. So einer, der sagt: Die gehört zu mir!, ist Jesus. In einer Welt, die uns nur zu oft kein Zuhause ist, die keine Behausung bietet, in der Beziehungen auf Zeit laufen, schauen wir mal; in einer Zeit, in der die Umstände und Verhältnisse schnell wechseln, Arbeitsverhältnisse heute bestehen und morgen nicht mehr, die Gesundheit gestern noch kein Problem war, heute aber schon, ich die Wohnung heute noch bezahlen kann, aber morgen wohl nicht mehr, weil sie dann teuer saniert ist; in Zeiten, in denen sich Freundschaften von einem Augenblick auf den anderen als Zweckbündnisse entpuppen, und wem ich eben noch genutzt habe, der lässt mich heute fallen in solchen Zeiten ist es Gold wert (wie man manchmal lieber in Gold anlegt und nicht in Aktien), in solchen Zeiten ist es Gold wert, einen Ort zu wissen, bei dem man sagen kann: Da gehöre ich hin; noch besser: einen Menschen zu wissen, von dem ich sagen kann: zu dem gehöre ich. 2 / 5
Und die gute Nachricht ist: Diesen einen gibt es. Dieser eine will Jesus für uns sein. Der wird niemals das Verhältnis zu uns aufkündigen. Der hat eine Wohnung für uns, aus der wir nie geworfen werden. Der will uns. Komme, was wolle. Und dann: Bei dem muss ich nicht lange drum betteln. Denn der will mich. Den verlangt nach mir. Meinem Freund gehöre ich, nach mir steht sein Verlangen. Der geht durch die Welt und verlangt nach mir. Wie man in Filmen von früher sieht, dass der Ober an den Tisch kommt und sagt Sie werden am Telefon verlangt. Da fragt einer nach mir. Da fragt mich einer an. Und zwar einfach, weil ich es bin. Natürlich: Man kann auch bei den falschen Leuten gefragt sein. Es kann auch die falschen Leute nach mir verlangen. Jedes Stalking-Opfer kann davon ein Lied singen. Und dann heißt es auch noch in der Bibel, dass der Teufel brüllend umhergeht wie ein Löwe und sucht, wen er verschlingen könnte. Der Markt verlangt nach uns als Konsumenten. Der Vermieter verlangt nach uns, wenn wir einen soliden Gehaltszettel vorweisen können. Der Chef verlangt nach unserer Arbeitszeit und Arbeitskraft. Überhaupt, Der Chef verlangt nach dir : Seufzen, Augenrollen, Angstschweiß. Aber wenn es der Freund ist, der nach mir verlangt? Der mich fragt, ob ich zu seiner Feier komme, mit ihm auf eine Reise gehe? Oder wenn es den Partner nach mir verlangt, der mich nach meiner Geschäftsreise wieder zuhause willkommen heißt, und die Blumen auf dem Tisch und die Umarmung sagen: Ich habe mich so auf dich gefreut! Wer ist Gott für mich? Wie ein Arbeitgeber? Und wenn ich höre, der verlangt nach mir, reagiere ich mit irgendwas zwischen Augenrollen und Angstschweiß? Oder ist Gott wie der Partner, wie der Freund / die Partnerin? Letzteres will Jesus für uns sein. Unser Freund. Unser guter Freund. Der eine also, der sich schützend vor mich stellt und sagt: Die gehört zu mir! Der gehört zu mir! Der eine, der mich meint, einfach wie ich bin. Der eine, der sich nichts sehnlicher wünscht, als mit mir zusammenzusein. Kleine Übung für den Morgen. Mir vorstellen: Wenn ich aufwache, ist er da und freut sich, dass ich wach bin. Und ich entdecke, dass er die ganze Nacht auf dem Stuhl in der Ecke gesessen und gewacht hat. Und die ersten Augenblicke des Tages gehören der Freude übereinander und einem kurzen Zwiegespräch. Bevor wir dann gemeinsam in den Tag starten. Damit das eine wunderbare Vorstellung und Erfahrung wird, braucht es nun noch einen Blick auf das dritte Entscheidende hier in diesem kleinen Satz. Meinem Freund gehöre, nach mir steht sein Velangen. Nach dem Gehören und nach dem Verlangen nun also noch mal, wir hatten das ja auch schon: der Freund. Jesus sagt seinen Jüngern: Nennt mich euren Freund, denn ich will eurer sein! Das Theologische Nachtgespräch hat am Freitag darüber gesprochen, was wir so für Bilder von Gott 3 / 5
haben. Und wie die darüber bestimmen, was für eine Beziehung wir zu Gott haben. Wenn wir in unserer kleinen Reihe auch noch über das Gebet sprechen werden, dann hängt daran viel: Komme ich zu Gott wie in eine Dientsbesprechung, um zu hören, was ich tun soll? Komme ich zu Gott wie in eine Audienz, in der ich meine Wünsche abliefere und dann mal sehen, was draus wird? Oder gehe ich ins Gebet wie in ein Rendezvous, in dem wir beide einfach genießen, zusammenzusein? Wer ist Gott für mich? Und wer hat dieses Bild geprägt? Meine Eltern, sicherlich. Die Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin. Oder gerade aufwachse. Die Art und Weise, mit was für einer Brille ich die Bibel lese. Auch was für ein Typ ich bin, ob mir Beziehungen wichtig sind oder eher Aufgaben. Und wie gut ich meine Sehnsucht kenne. All das prägt das mit, was ich für ein Bild von Gott habe. Aber egal, wie ich so ticke, einen Freund können wir alle haben. Und Jesus hat die Größe, sich in seiner Freundschaft mit uns auch darauf einzustellen, was für ein Freund er uns wird. Und sich einstellen auf uns will er auch, weil er eben das eine unbedingt will: unser Freund sein. Und am liebsten wäre er unser Freund in dem Sinne, wie es das Hohelied besingt. Der nämlich, den meine Seele liebt. Der, von dem meine Seele weiß, dass er sie liebt. Der also, der der eine Grund dafür ist in meinem Leben, dass ich weiß, was Freude ist. Weil ich mich über ihn freue. Weil ich weiß und erlebe, wie er sich über mich freut. Und wenn diese Beziehung entsteht, diese Beziehung der Freude, wenn ich anfange, mich so über Jesus zu freuen, wie er sich immer schon über mich und auf mich gefreut hat dann nennen wir das Glauben. Glauben ist noch nicht über Gott nachdenken. Über das, was er sein könnte, und über das, was er wohl will, wie wir leben sollen. Sondern glauben ist sich anvertrauen. Glauben kommt im Deutschen von geloben, in anderen Sprachen von treu sein, von sich anvertrauen. Das alles ist die Sprache der Liebe. Die Sprache der Freude aneinander. Und dass diese Freude nie aufhören möge. Zwischen Menschen würde man jetzt sagen: Dann wäre es Zeit für die Hochzeit! Bei Jesus sagen wir: Dann wird es Zeit für die Taufe. Dieses Freudenfest der Liebe zwischen Jesus und uns. Und weil die Freude so groß ist, will sie geteilt werden. Feiert alle mit mir! Lasst uns ein großes Tauffest feiern. Dass vor allen besiegelt werde: Dieser Jesus und ich, wir gehören zusammen! Wer schon getauft ist, der erinnere sich noch einmal an diesen Augenblick. Und wenn uns auf dem Weg ein wenig die Freude aus diesem Fest abhandengekommen ist, dann fühlen wir sie jetzt noch mal dazu, wenn wir uns erinnern. Fühlen wir auch noch mal die Freude Jesu. Können wir das, jetzt? Und wer noch nicht getauft ist, der frage sich das: Freue ich mich so über Jesus, dass ich unsere Freundschaft gerne besiegeln möchte? Dann wäre es Zeit für die Taufe! 4 / 5
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org) baptisten gemeinde steglitz Staunende Entdeckung, am Anfang, am Ende und immer wieder zwischendurch, immer wieder diese Freude, tief und still oder laut und fröhlich: Meinem Freund Jesus gehöre ich, nach mir steht sein Verlangen! Wow! Und Amen. 5 / 5