Was sind die kommunikativen Herausforderungen für die in der Onkologie tätigen Berufsgruppen?

Ähnliche Dokumente
Qualifikation Arzt-Patienten-Kommunikation

Kommunikation in der Palliativmedizin

Frauenselbsthilfe nach Krebs e.v. Information und Entscheidungshilfen für PatientInnen

Informierte Entscheidung / Shared Decision Making Herausforderungen bei der Umsetzung

Ziele des Nationalen Krebsplans - NKP (aus 2008)

117. DÄT 2014 Tagesordnungspunkt IV Schmerzmedizinische Versorgung stärken

Breaking Bad News oder Wie wollen Patienten aufgeklärt werden? und wie werden Sie aufgeklärt!

Patienten-zentrierte Versorgungskonzepte in der Krebsbehandlung

Psychische Krisen und schwierige Übergänge im Verlaufe unheilbarer Erkrankungen.

Psychologische Faktoren im Krankheitsverlauf. Myelomtage Heidelberg Patiententag

Was müssen Ärzte der Zukunft können?"

Und wo bleibt da die Ethik?

AWMF-Delegiertenkonferenz 7. November 2015 TOP 13

Wertigkeit von Patientenverfügungen aus ärztlicher Sicht

Anlage 1a zum Vertrag über ein strukturiertes Behandlungsprogramm (DMP) zur Verbesserung der Versorgungssituation von Brustkrebspatientinnen

Psychosoziale Onkologie - quo vadis?

Das offizielle Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft e.v. Kommunikative Kompetenz der Leistungserbringer in der Onkologie

WHO Definition von "Palliative Care

KLINIK SCHLOSS MAMMERN Dr. A. O. Fleisch-Strasse CH-8265 Mammern Telefon +41 (0) Fax +41 (0)

Auswahlrunde Name: Medizinstudium seit: In der Auswahlrunde 2014 wurden 5 Bewerber in das Programm aufgenommen.

Patientenbefragung im Krankenhaus. Dr. Sabine Löffert

Unsere Vision zieht Kreise... Das Leitbild der NÖ Landeskliniken-Holding.

Gewinnen durch Verzichten? oder: Die Kunst des Unterlassens

einer besseren Medizin

Tumorkrank und trotzdem fit!

Mit-Entscheiden Wie findet ein Krebspatient seinen Arzt?

Spital Wattwil. Akutgeriatrie

Europa Uomo Switzerland. Pressekonferenz Zürich, den 22. Oktober 2010

Klinikum der Universität München Medizinische Klinik und Poliklinik III Großhadern

Ärztliche Therapiefreiheit in der Onkologie quo vadis? Die Sicht kompetenter Patienten

FERTILITÄT, KINDERWUNSCH & FAMILIENPLANUNG

Aktualisierung des Expertenstandards. Pflege von Menschen mit chronischen Wunden im ambulanten Bereich. Katherina Berger

Konflikte bei der Therapiebegrenzung am Lebensende

Advance Care Planning: Grundlagen und Ziele

Anlage 1a zum Vertrag über ein strukturiertes Behandlungsprogramm (DMP) zur Verbesserung der Versorgungssituation von

2. Brandenburger Krebskongress

Patientenbefragung zur Zufriedenheit mit der Beratung und Begleitung durch den Sozialdienst. am Universitätsklinikum Münster

Weiterbildung gestalten Verantwortung übernehmen

Patiententag 2014 Krebs was tun? Antworten auf Patientenfragen Stellenwert der Selbsthilfegruppen aus Sicht des Onkologen

Körperliche Aktivität bei Tumorerkrankungen

Die Chancen einer integrierten Versorgungsorganisation. Dr. Philippe Groux, MPH Gesamtprojektleiter NSK Bern, 29. Juni 2016

Dr. med. Christa K. Baumann

Laufbahnplanung des Bereichs Pflege/MTT der Insel Gruppe Bern

Workshop Ärzteausbildung in St. Gallen. Ärztinnen und Ärzte für die zukünftigen Versorgungsanforderungen ausbilden!

Zentrum für Palliativmedizin

Beschluss der Steuerungsgruppe des Nationalen Krebsplans am 15. Dezember 2016

Wahrnehmen Verstehen

Ethik, Recht Entscheidungsfindung

Inhalt Das Arztbild der Zukunft Intentionen und Empfehlungen des Murrhardter Kreises Hermann Heimpel. Executive Summary.

Integrierte, sektorenübergreifende Psychoonkologie (ispo) Stationäre Psychoonkologie: Zugang zur psychoonkologischen Versorgung

Zertifizierte Organkrebszentren führen sie zu einer Qualitätsverbesserung?

Ethische Grundlagen! Dr. Wallnöfer W. J. Arzt für Allgemeinmedizin Prad am Stilfserjoch!

Wie eröffne ich die Diagnose?

Psychoedukationsgruppe für Patienten mit Psychose im SRT

Patientenkoordination

Zertifizierung nach den Qualitätskriterien der DKG Gemeinsamkeiten mit der DGHO?

Kommunikation. Matthias Volkenandt (

Der belastete Patient Aktuelle Daten und Fakten der Psychoonkologie. Susanne Singer

Klaus Rupp, Leiter FB Versorgungsmanagement, Berlin, 26. Februar 2015

Informierte Entscheidung - Wunsch und Wirklichkeit Was bietet unser Versorgungssystem? David Klemperer

Szenarien einer zukünftigen Gesundheitsversorgung Faktoren der Bedarfsänderung und Folgen für das Angebot an Versorgungsleistungen: Ethische Sicht

spitäler schaffhausen Breast Care Nurse Pflegerische Beratung und Begleitung für Frauen mit Brusterkrankungen

Was wird aus den Medizinstudierenden? Ergebnisse zum Medizinstudium aus der Bayrischen Absolventenstudie MediBAP

PALLIATIVE CARE MEDIZINISCHE & PFLEGERISCHE ASPEKTE. Heike Duft & Renate Flükiger Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn, Bern 24.

Zielsetzung des Projektes

Wie können ethisch gut begründete Entscheidungen am Lebensende getroffen werden?

STRUKTURIERTE INTERPROFESSIONELLE FALLBESPRECHUNGEN

DAS PALLIATIVZENTRUM HILDEGARD: AUF KOMPLEXE KRANKHEITEN SPEZIALISIERT.

1 Jahr SAPV in Bayern Entwicklung und Ausblick

Die richtige Behandlung zur richtigen Zeit Sicht der Palliativmedizin

Psychoonkologie am Comprehensive Cancer Center in Würzburg

Gesprächsführung mit Patientinnen und Patienten Grundorientierung, Nutzen und praktische Ansatzpunkte für Gesundheitsberufe

DARMZENTRUM ZIELE, LEISTUNGSSPEKTRUM UND KOOPERATIONSPARTNER

Psychoonkologische Behandlungsmöglichkeiten. glichkeiten. Dr. med. A.Petermann-Meyer FÄ Allgemeinmedizin/ Psychotherapie, psychosoziale Onkologie

Männer : Frauen :

Patientenfragebogen zur Bedeutung der Betreuung durch den Hausarzt

Leitbild des Klinikums der Johannes Gutenberg- Universität Mainz

Wie kommuniziere ich mögliche Vor- und Nachteile einer Screening-Untersuchung dem Patienten?

Simulationspatienten und Blended-Learning Konzepte in der Weiter- und Fortbildung

Weiterbildung mit Hirn «Neuro-logisch»

Bessere Versorgung von Patientinnen mit Brustkrebs

Neue Versorgungsmodelle

Therapiebegrenzung am Lebensende: Ethische (und rechtliche) Grundlagen der Entscheidungsfindung

Gewinnen durch Verzichten? Ethische Grundlagen von Entscheidungen zur Therapiebegrenzung

Bedingungen des Sterbens in deutschen Krankenhäusern

STUDIENBUCH für die Ausbildung für Gesprächsführung im Rahmen der Turnusausbildung

Migrationssensitive Palliative Care: Leitlinien, Anamnese Tool und Erfahrungen in der Praxis

Indikationsqualität und Mindestmengen Organzentren in der Onkologie

PRESSEMITTEILUNG 149/2011

Patientenverfügungen in der klinischen Praxis

Dr. med. Christa K. Baumann

Modul 2: Pflege des Menschen mit chronischen Wunden. Norbert Matscheko 2010 Foliennummer: 1

Integrierte, sektorenübergreifende Psychoonkologie (ispo) Stationäre Psychoonkologie: Zugang zur psychoonkologischen Versorgung

Welche Pflegenden braucht die Gesundheitsversorgung heute und morgen?

Workshop Vielfalt und Durchlässigkeit des Bildungsangebotes Health Professions in der Schweiz

Onkologische Pflege vor großen Herausforderungen 6/22/2018

Studien zur Immuntherapie und Kommunikation bei metastasiertem Lungenkarzinom:

foederatio Paedo-medicorum helveticorum fpmh Ärztliche Union für Kinder und Jugendliche Union des Médecins d Enfants et d Adolescents

Informationen für Patienten und Interessierte

Transkript:

Was sind die kommunikativen Herausforderungen für die in der Onkologie tätigen Berufsgruppen? Prof. Dr. med. Jana Jünger, MME (Bern) Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen 31.05.2017

Ich will Chemotherapie! Ich will kämpfen! I.R. 57 J. Ich will keine Chemotherapie! Ich möchte nicht dahinsiechen H.R. 56 J.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf! Und Sie dürfen mir die Hoffnung nicht nehmen! Es gibt ja auch Entwicklungen in der Medizin, man weiß ja nie M.S. 60 J. Ich habe in dieser Zeit sehr viele interessante Menschen kennengelernt und sicherlich auch Erfahrungen gemacht, die ich ohne die Krankheit nicht gemacht hätte. A.S. 59 J.

Patientenerwartungen an Chemotherapie bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen 1193 PatientInnen mit metastasiertem (Stadium IV) Lungen- oder Darmkrebs 69 % der Patienten mit Lungenkrebs und 81% mit Darmkrebs haben nicht verstanden, dass die Chemotherapie den Krebs nicht heilen wird Weeks et al, NEJM, 2012 4

Diskrepanz zwischen Patientenwunsch und klinischem Alltag 80% der PatientInnen wünschen, dass die Option auf intensive oder belastende Behandlung zu verzichten, von den ÄrztInnen möglichst früh angesprochen wird. aber Nur bei 25 % der Patienten wurde (Prognose, vorausschauende Planung, Therapiebegrenzung) besprochen Fragebogenstudie mit 194 PatientInnen mit Prostata-, Brust-, Lungen- oder Darmkrebs 75% metastasiertes Stadium, Prognose bei 51% < 12 Monate Winkler et al, J Clin Oncol, 2014 5

Aufgaben der in der Onkologie tätigen Berufsgruppen Den PatientInnen die Prognose und Optionen zur Behandlung erläutern: Was bedeutet das für mich? Verständnis für die Erkrankung und somit eine gemeinsame Entscheidungsfindung zu Therapiezielen ermöglichen die Belastung, Ängste und Depressionen reduzieren die Lebensqualität verbessern 6

Ethische Probleme im klinischen Alltag wichtigste ethische Problembereiche: Behandlungsbegrenzung/-abbruch (79,7 %) Aufklärung und Einwilligung (62,7 %) Konflikt zwischen Fürsorgepflicht und Respekt vor der Patientenautonomie (61,0 %) Hauptursachen für ethische Probleme: medizinischer Fortschritt (76,3 %) Kommunikationsprobleme (64,4 %) ökonomische Rahmenbedingungen (50,8 %) Selbstbestimmungsrecht der Patienten (42,4 %) Rivalität zwischen den Berufsgruppen (18,6 %) Befragung aller Ärztlichen Direktoren und Pflegedirektoren der 36 deutschen Universitätskliniken (Rücklaufquote 82%) Vollmann et al, DMW, 2004 7

Worüber ist es am schwierigsten zu sprechen? Über Diagnose 4.0% Rezidiv der Erkrankung 26.4% Beendigung tumorspezifischer Therapie und alleinige symptomorientiere Behandlung 45.2% Entscheidungen gegen Wiederbelebung 19.5% Einbeziehung der Familie 4.9% Baile et al, Oncologist, 2000 8

Wie werden die in der Onkologie tätigen Berufsgruppen darauf vorbereitet? Ist-Analyse des BMG zur Vermittlung kommunikativer Kompetenzen in der ärztlichen und pflegerischen Aus-, Weiter- und Fortbildung 2010-2012 (Klöpfer, Spieser & Weis) Medizinische Ausbildung: Vermittlung kommunikativer Kompetenzen erfolgt überwiegend theoretisch, zu einem verspäteten Zeitpunkt oder mit fehlender Kontinuität Nur ca. 1,7 % der Weiterbildungsangebote sind kommunikativen Kompetenzen gewidmet. durchschnittliche Summe des Umfangs aller Weiterbildungsangebote zu kommunikativen Kompetenzen liegt bei 4 UE (1 UE = 45 min.)! Fortbildungen werden meist innerhalb der Kliniken oder durch private Fortbildungsanbieter vermittelt, Teilnahme ist überwiegend optional. Der größte durchschnittliche Anteil an Fortbildungen wird verwendet: für die ärztliche Gesprächsführung (0.67 UE/ Jahr) für die Vermittlung von patientenzentrierter Kommunikation (0.49 UE/ Jahr)!

Wie können wir das verbessern? Kommunikative Kompetenzen sind lern- und lehrbar Fallowfield et al., 2002; Jünger et al., 2011; Yedidia et al., 2003 aber Mangel an umfassenden und strukturierten Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich kommunikativer Kompetenzen und insbesondere auch an qualifizierten Trainern, die andere ausbilden können

Masterplan Medizinstudium 2020 Maßnahme <8> Ziel ist, das Mustercurriculum Nationales longitudinales Kommunikationscurriculum in der Medizin in den Curricula der Hochschulen umzusetzen und spezielle Prüfungsformate hierfür zu entwickeln.

Longitudinales Mustercurriculum Kommunikation in der medizinischen Ausbildung Baustein I Baustein II Baustein III Kerncurriculum Ärztliche Kommunikation Interprofessionelle Kommunikation Spezialisierung/ Vertiefung Kommunikation Ein Projekt des Nationalen Krebsplans 300 UE 50 UE 100 UE Alle Studierende Wahlpflichtangebot https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/3_downloads/n/nationaler_krebsplan/beschluss_annahme_der_unsetzungsem pfehlungen_zu_ziel_12a_der_steuerungsgruppe_des_nkp_vom_15._dezember_2016.pdf

Nationaler Krebsplan Handlungsfeld 4 Patientenorientierung Ziel 12a/12b/13 - Stärkung der kommunikativen Kompetenz der Leistungserbringer und der Patientenkompetenz Ziel 12a: Alle in der onkologischen Versorgung tätigen Leistungserbringer verfügen über die notwendigen kommunikativen Fähigkeiten zu einem adäquaten Umgang mit Krebspatientinnen bzw. -patienten und ihren Angehörigen: In der Aus-, Weiter- und Fortbildung der Gesundheitsberufe wird die Vermittlung adäquater Kommunikationskompetenzen verbessert. Die Kommunikationsfähigkeiten werden im Rahmen der Qualitätssicherung laufend überprüft und trainiert. 13 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/nationaler-krebsplan/was-haben-wir-bisher-erreicht/ziel-12a12b13.html

Nationaler Krebsplan Medizinische Weiterbildung Baustein I: 40 UE Ärztliche Kommunikation in der Weiterbildung Baustein II: 80 UE Spezifische Kommunikation für Ärzt*innen, die ihren Schwerpunkt in der onkologischen Tätigkeit haben Modul I Modul II Modul III Modul IV Grundlagen Interprofessionalität Informierte und Patientensicherheit Kommunikation und und Konflikt- partizipative und Fehler- Professionelles management im Entscheidungs- kommunikation im Handeln in der onkologischen Team findung in der onkologischen Team Onkologie Onkologie https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/3_downloads/n/nationaler_krebsplan/beschluss_annahme_der_unsetzungsem pfehlungen_zu_ziel_12a_der_steuerungsgruppe_des_nkp_vom_15._dezember_2016.pdf

Nationaler Krebsplan Spezifische Fortbildungen in der Medizin: Ärztliche/r Kommunikationstrainer*in Modul I Modul II Modul III Modul IV Grundlagen Inter- Informierte und Patient*innen- Kommunikation und Professionelles Handeln professionalität und Konfliktmanagement im Team partizipative Entscheidungsfindung sicherheit und Fehlerkommunikation im Präsenzzeit 200UE Team Arbeitsplatz- Training Praxis Lehre: Eigene Lehrtätigkeit (Individuelle) Evaluation der Qualifizierung am Arbeitsplatz https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/3_downloads/n/nationaler_krebsplan/beschluss_annahme_der_unsetzungsem pfehlungen_zu_ziel_12a_der_steuerungsgruppe_des_nkp_vom_15._dezember_2016.pdf

Wir sind nicht verantwortlich dafür, was wir zu vermitteln haben, sondern wie wir es tun!