Zwischen Fairness und Eigeninteresse: Intuition und Argumentation in einem ökonomischen Entscheidungsprozess Monika Keller Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin In Kooperation mit Michaela Gummerum, University of Plymouth, GB Masanori Takezawa, Tilburg University, NL Liqi Zhu, Chinese Academy of the Sciences, Bejing, PRC Patrick Lehman, Royal Holloway University, London, GB Philsophischer Hintergrund der Untersuchungen Ist der Mensch egoistisch (Hobbes) oder gerecht und altruistisch (Rousseau)? Ist moralisches Verhalten bestimmt durch Kognition und Rationalität (Kant) oder moralisch-empathische Gefühle (Smith)? / xx Gegenwärtige Diskussion: Moral im interdisziplinären Spannungsfeld Moral: was ist richtig (Gerechtigkeit) was ist gut (Fürsorge) Psychologie: Kognitive Entwicklung und logisches Denken vs Emotion und Intuition Ökonomie: Eigennutz-Orientierung (Homo oeconomicus) vs. Kooperatiion und Fairness Präferenzen Biologie / Neurowissenschaften: Genetisch evolutionär / neuro-biologische Verankerung (Moral grammatik Spiegelneuronen) Überblick Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zu einem moralrelevanten Verteilungsexperiment individuelle Entscheidungen soziale Verhandlungen und Argumentationen Folgerungen für Bedeutung von Kognition und Emotion Gerechtigkeit, Empathie und Eigennutz 3 / xx / xx Fragestellungen unserer Projekte Ein ökonomisches Fairness-Experiment Fairness-Orientierungen in unterschiedlichen Altersgruppen (,,5,7 & Erwachsene) Kulturen (BRD, GB, VRC) Sozialen Schichten (Gymnasium / Hauptschule) Kontexten (individuell, Gruppe, anonym, moralisch) Gruppenprozesse / Argumentationen Spieler (Diktator) bekommt eine Summe Geld kann (aber muss nicht) diese Summe mit einer anonymen anderen Person teilen Spieler (anonymer Empfänger) hat keine Wahl und muss das Angebot annehmen Bedeutung von kognitiven und affektiven Persönlichkeitsmerkmalen 5 / xx / xx
Vorhersagen der klassischen Ökonomie (Homo oeconomicus) Bedeutung der Gruppensituation Diktator Spiel Mensch ist Kosten- / Nutzenorientiert: Bieter sollte nichts geben Empirische Ergebnisse Entscheidungsprozesse unter Zeitdruck Emotional / intuitive Prozesse Entscheidungsheuristiken Erfahrungswissen Kreativität Fairnessorientierung: Erwachsene geben - 5% 7 / xx / xx Experimentelles Design Ergebnisse: Mittlere Angebote (Deutsche TeilnehmerInnen) 3 Personen gleiches Alter / Geschlecht Individualentscheidung Diktatorspiel Gruppenentscheidung Diktatorspiel 7 7 Teilen mit einer anonymen anderen Gruppe gleiches Alter / Geschlecht im Wert von / / / / Euro je nach Alter Jedes Gruppenmitglied erhält die Summe ausgezahlt, welche die Gruppe für sich behalten möchte 5 3 Altersklassen Jahre alt Jahre alt Jahre alt Jahre alt 7 Studenten Erwachsene < Kinder und Jugendliche 5 3 Altersklassen Jahre alt Jahre alt Jahre alt Jahre alt 7 Studenten -Jähríge & Erwachsene < übrige / xx Mittlere Angebote in verschiedenen Gruppen Ergebnisse: häufigste Verteilung (übergreifend) Chinesische Kinder und Jugendliche > Deutsche und Engländer Weibliche Teilnehmer > männliche Gymnasiasten > Hauptschüler ABER: starke individuelle Unterschiede innerhalb der Gruppen Gleichverteilung (:) ist das häufigste Angebot - in allen Altersgruppen - in allen drei Ländern - In allen sozialen Schichten - unter allen Bedingungen (häufiger im moralischen Urteil) Anwendung einer intuitiven Fairness /Gerechtigkeitsregel / xx / xx
Wie konsistent sind Angebot und moralisches Urteil? Gruppenentscheidungen: Von der Ergebniszur Prozessorientierung Konstistenz Stärke der Abweichung Black-box! 7 -,5-5 % 3 faktisch mehr konsistent faktisch weniger -,5 - -,5-3 -3,5 - -,5??? Alter Jahre Jahre Jahre Jahre 7 Studenten Jahre Jahre Jahre Jahre 7 Studenten 3 / xx / xx Beispieldiskussion 3. Klasse Argumente: Präferenzen Mehr geben Weniger geben Fairness Es ist fair / demokratisch / gerecht" Eigennutz Ich brauche das Geld, Ich bin / jeder ist ein Egoist 5 / xx / xx Argumente: Zuschreibungen Bewertungen von Argumenten Positiv: mehr geben Negativ: weniger geben Reziprozität Sie würden uns auch die Hälfte geben" Sie würden uns auch wenig / nichts geben" Mehr geben Weniger geben Macht Bedürftigkeit Ähnlichkeit Wir können entscheiden, haben Verantwortung für sie Sie sind vielleicht arm und brauchen das Geld" Sie sind so wie wir Sie sind nett Sie können nichts sagen" Sie brauchen es nicht vielleicht haben sie reiche Eltern Sie sind unfreundlich Die sind doof Ich finde das gut (hohes Angebot) Ich finde das gemein (niedriges Angebot) Ich finde das Mist (hohes Angebot) Ich finde das in Ordnung (niedriges Angebot) Soziales Ansehen Was halten die von uns, wenn wir nichts geben Die können von mir denken, was sie wollen Leistung Die opfern genauso ihre Zeit wie wir Wir haben hier die Arbeit 7 / xx / xx
Beispiele Kinder Beispiel Erwachsener Britisches Kind ( Jahre alt) Ich finde wir sollten 3 geben, weil 3 ist so eine schöne Zahl Chinesischer Jugendlicher ( Jahre alt) Ich glaube derjenige, der abgibt, wird einmal ein großer Funktionär werden - großzügig und mächtig Deutscher Erwachsener Wir haben überlegt, zwischen und 5 [von ] zu geben, das war unser Ausgangspunkt. Letztendlich haben wir uns auf 3 geeinigt, weil wir so gedacht haben: Wir haben eine extrem schwierige Aufgabe, da wir eine moralische Verpflichtung haben, mit unserem schlechten Gewissen umgehen müssen und hier unsere Zeit opfern. Aus diesem Grund hielten wir ein Verhältnis von : [= ] für zu gemein und haben noch eine mehr gegeben. / xx Entwicklungsunterschiede im Gebrauch von Argumenten Fairness vs. Eigennutz: Argumente in Gruppen mit Gleich- und Ungleichverteilung Argumentgebrauch nach Angebotsty Mit zunehmendem Alter mehr Argumente und mehr unterschiedliche Argumente Komplexere und kreativere Argumente Mehr wechselseitiger Bezug aufeinander 7 5 3 Gleich Ungleich Fairness Egoismus Negative Evaluation Negative Attributionen Gesamt Negativ Gesamt Positiv / xx Kategorie / xx Fairness vs. Eigennutz: Argumente in Gruppen mit Gleich- und Ungleichverteilung Diskussion I: Verhalten Argumentgebrauch nach Angebotsty Ist der Mensch egoistisch oder fair? Anzahl Kategorie Variabilität Gleich Ungleich Ergebnisse bestätigen die Theorie des Homo oeconomicus nicht Dominanz einer kulturellen Fairness Norm in allen untersuchten Gruppen und experimentellen Bedingungen > Gleichverteilung als einfache Fairness-Heuristik Erwachsene weniger an Fairness Norm gebunden > Fähigkeit zur Relativierung von Normverstößen 3 / xx / xx
Diskussion II: Prozesse Kognition und Emotion in moralrelevanten Argumentationen Pluralität individueller Motive (Fairness Eigeninteresse) Argumentationen in Gruppensituationen beeinflussen das Verhalten (kognitiver und emotionaler Aspekt) Nicht nur die Qualität der Argumente (kognitiv) sondern auch Bewertungen sind wichtig (emotionaler Aspekt) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.mpib-berlin.mpg.de (Mitarbeiter: Keller) Dank auch an alle die in diesen Projekten mitgearbeitet haben 5 / xx / xx