Strategische Ansätze zur Bekämpfung von Mykoplasmenmastitiden

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Transkript:

Open access DOI 10.2376/0032-681X-17-82 Hochschule Hannover, Fak. II, Mikrobiologie, Hannover 1 ; Quality Milk Production Services (QMPS), Cornell University, USA und Universität Mailand, Italien 2 Peer-reviewed Eingegangen: 30.10.2017 Angenommen: 30.07.2018 Strategische Ansätze zur Bekämpfung von Mykoplasmenmastitiden Volker Krömker 1, Paolo Moroni 2 Korrespondenzadresse: volker.kroemker@hs-hannover.de Zusammenfassung Mastitiden, die durch Mykoplasmen und insbesondere durch Mycoplasma (M.) bovis ausgelöst werden, sind ein ernstes tiergesundheitliches Problem für jede vor allem größere Milchviehherde. Infektionen der Milchdrüse mit Mykoplasmen entstehen nach Aufnahme sehr niedriger infektiöser Dosen. Die entstehenden Mastitiden sind kontagiös und gehen mit hoher Mykoplasmenausscheidung über die Milch einher. Dies kann in betroffenen Betrieben zu einer rasanten Ausbreitung der Infektionen führen. Infizierte Tiere erleiden einen ausgeprägten Milchleistungsrückgang. Nach Auftreten typischer klinischer Fälle kann es auch ohne Intervention in einem Zeitraum von wenigen Wochen bis Monaten zum Ausbleiben klinischer Symptome und auch zum Verschwinden subklinischer Infektionen kommen. Sicher ist, dass Infektionen der Milchdrüsen mit Mykoplasmen mit hoher Kontagiosität, aber auch mit einem spontanen Verschwinden der Infektionen trotz umfänglichen Gewebeschadens einhergehen können und erfolgreiche Therapiekonzepte bislang fehlen. Alle empfohlenen Bekämpfungsmaßnahmen basieren auf der Vermeidung von Neuinfektionen der Milchdrüsen durch die Identifikation und Entfernung infizierter Tiere aus der Herde. Unterschiede bestehen in der Auswahl der zu untersuchenden Tiere (alle Tiere der Herde oder Subgruppen) und in der Art der Entfernung der Tiere aus der Herde (Schlachtung oder Abtrennung). Da eine Einschätzung des mit den verschiedenen strategischen Maßnahmen einhergehenden Risikos nicht möglich ist, unterscheiden sich die strategischen Konzepte zur betrieblichen Sanierung. Dieser Artikel erläutert die verschiedenen Vorgehensweisen. Strategical approaches to control mycoplasma mastitis Summary Bovine mastitis caused by Mycoplasma and in particular by Mycoplasma (M.) bovis is a serious animal-health problem for (bigger) dairy herds. It is a highly contagious disease with low infectious doses and with high amounts of shedding. This can lead to a rapid dissemination of the infections in a herd followed by milk yield decline. After appearance of typical clinical cases the disease is often self-limiting, disappearing within months of outbreaks sometimes without intervention. Intramammary infections with Mycoplasma are largely untreatable by chemotherapy. All recommended control measures are based on the prevention of new infections of the mammary glands by identification and removal of infected animals from the herd. Differences exist in the selection of animals to be examined (all animals of the herd or subgroups) and in the type of removal of the animals from the herd (slaughter or separation). Because a risk assessment of different strategic measures is not possible yet, different strategic approaches are used in the world. The article explains the different approaches. Keywords Mycoplasma, mastitis, cattle, control Schlüsselwörter Mykoplasmen, Mastitis, Rind, Bekämpfung Vorkommen und Bedeutung Mykoplasmen sind Bakterien ohne Zellwand, die beim Rind verschiedene Erkrankungen verursachen (Pneumonie, Synovitis, Arthritis, Keratokonjunktivitis, Aborte und Fertilitätsstörungen). Sie verursachen auch intramammäre Infektionen. Verschiedene Spezies innerhalb der Gattung sind nachweisbar (z. B. M. californicum, M. canadense, M. bovigenitalium, M. alcalescens, M. arginini, M. bovirhinis, M. dispar) (Jasper 1981, Kumar und Garg 1991).. Abbildung 1 gibt die Verteilung der verschiedenen Mykoplasmenisolate (n = 954) wieder. In Deutschland traten in den letzten Jahren bei Mastitiden außer M. bovis vor allem M. californicum auf. Am häufigsten (>50 % aller Fälle) tritt M. bovis auf (Maunsell et al. 2011, Nicholas und Ayling 2003). 1072 Der Praktische Tierarzt 99, Heft 10/2018, Seiten 1072 1079

Foto: Bertocchi Grafik: Moroni Abb. 1: Prävalenz verschiedener Mykoplasmenspezies in Milchproben (n = 954 Proben aus 84 Milchviehbetrieben; die Proben wurden zwischen 2012 und 2016 an den Quality Milk Production Service [QMPS] der Cornell Universität [NY, USA] gesandt) Es handelt sich um einen kontagiösen Erreger, sodass die Übertragung zwischen den Tieren während des Melkens stattfindet (Royster und Wagner 2015). Die entstehenden Mastitiden können subklinisch, mild klinisch oder auch schwer sein (Pothmann et al. 2015). Aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten orientieren sich Bekämpfungsstrategien daran, Neuinfektionen zu vermeiden (Nicholas et al. 2016, Royster und Wagner 2015). Abb. 2: Sekret aus Milchdrüsenvierteln mit Mykoplasmenmastitiden (Bertocchi 2011) Diagnostik Häufig gehen der klinischen Mastitis eine Vorerkrankung durch andere Mastitiserreger und eine entsprechende Vorbehandlung voraus. Das Erstauftreten typischer klinischer Befunde findet häufig in Tiergruppen statt, die sich aufgrund anderer Mastitiden gerade in antibiotischer Behandlung befinden. Typisch ist die Zunahme von schweren Sekret- und Milchdrüsengewebsveränderungen ohne Störungen des Allgemeinbefindens der Kühe (Jasper 1981, Nicholas et al. 2016). Trotz frühzeitiger Therapie scheinen die Infektionen von Euterviertel zu Euterviertel der Kühe zu springen. Der Milchverlust ist erheblich. Das Sekret ist wässrig bis grießig, oft von rotbrauner Farbe und mit sandigen oder grobflockigen Bestandteilen (. Abbildung 2). Die klinische Heilungsrate in einem Zeitraum von zehn Tagen beträgt zwischen 30 und 80 %. Das Sekret einzelner Viertel bleibt über deutlich längere Zeiträume verändert. Klinisch geheilte Kühe bleiben häufig subklinisch auffällig. Weiterhin können betroffene Euterviertel atrophieren und die Milchproduktion des Tieres kann spontan sistieren. Auch das parallele Auftreten von Arthritiden oder Pneumonien kann Hinweise auf Mykoplasmenmastitiden geben (Bushnell 1984, Nicholas und Ayling 2003). Der klinische Verdacht muss durch ein mikrobiologisches Untersuchungsverfahren bestätigt werden. Zum Nachweis von Mykoplasmen in Milch existieren verschiedene Methoden, die auf unterschiedlichen Probenahmeebenen zur Anwendung kommen. Seit einigen Jahren nehmen Nachweise auf Herdenebene zu, da aufgrund der Entwicklung molekularbiologischer Untersuchungsverfahren Milchproben einfach, schnell und spezifisch untersucht werden können. Die Mykoplasmen-Ausscheidung infizierter Tiere ist insbesondere in frühen Stadien eines Ausbruchs sehr hoch (bis zu 10 6 KbE/ml; KbE: Kolonie bildende Einheiten). Deshalb kann es möglich sein, mit kulturellen oder molekularbiologischen Untersuchungen der Herdensammelmilch ein infiziertes Tier in 1074 Der Praktische Tierarzt 99, Heft 10/2018, Seiten 1072 1079

1000 Tieren einer Herde zu erfassen. Da jedoch insbesondere bei ansonsten stabiler Immunitätslage die Ausscheidungsraten gering sein können, kann die Sensitivität der Herdensammelmilchuntersuchung auch unter 75 % fallen. Dieser Nachteil kann durch entsprechend häufige Wiederholung der Untersuchungen kompensiert werden (Bicknell et al. 1983, Punyapornwithaya et al. 2012). Ein mögliches strategisches Vorgehen wäre nach einem positiven Befund der Herdensammelmilch die Untersuchung von Poolproben von jeweils fünf Tieren bis zur Identifikation eines positiven Pools und der Identifikation der positiven Tiere im Pool (Murai et al. 2014). Um infizierte Tiere sicher zu identifizieren, kann auch eine Viertelgemelksuntersuchung erfolgen. Eine viertelgenaue Identifikation ist aber in der Regel nicht erforderlich, da die Strategien nur auf Tierebene Konsequenzen fordern. Der kulturelle Nachweis kann in Abhängigkeit von der gewählten Strategie eine sinnvolle Möglichkeit sein. Für den kulturellen Nachweis von Mykoplasmen aus Milchproben ist es entscheidend, dass die verwendeten Proben einen ph-wert von 6,6 nicht unterschreiten (Krömker 2009). Aus diesem Grund bietet es sich an, möglichst sehr frische Milchproben zu untersuchen oder zumindest die Entwicklung von säurebildenden Mikroorganismen in der Milchprobe durch sofortige Kühlung zu vermindern. Auch aus gefrorenen Milchproben kann der Nachweis von Mykoplasmen gelingen (Pinnow et al. 2001). Da die osmotische Toleranz von Mykoplasmen beschränkt ist, sollte auf den Zusatz von konservierenden Substanzen zu den Proben verzichtet werden. Die kulturelle Anzucht der Mykoplasmen erfordert spezielle Nährmedien und Bebrütungsbedingungen, die in der Mastitiserregerdiagnostik ansonsten keine Verwendung finden. Bis zur Identifikation der typisch spiegeleiförmigen Kolonien unter der Stereolupe/ dem Mikroskop können sieben Tage vergehen, da das Wachstum von Mykoplasmen selbst unter idealen Kultivierungsbedingungen sehr langsam verlaufen kann. Seit einigen Jahren steht auch der Nachweis von Mykoplasmen mit immunologischen oder molekularbiologischen Methoden in vielen Laboren zur Verfügung. Insbesondere die in vielen Laboren in Deutschland verfügbaren molekulardiagnostischen Techniken (z. B. PathoProof [Finnzymes Diagnostics, Keilaranta, FI] oder Mastit4 [DNA Diagnostic A/S, Risskov, DK]) erlauben die schnelle Identifikation infizierter Tiere. Einschränkend gilt, dass bei Anwendung der kommerziellen PCR-Tests nur für Mycoplasma bovis eine Artidentifikation möglich ist. Ansonsten wird über Gattungsprimer lediglich die Diagnose Mykoplasmen möglich sein. Auch indirekte ELISA sind zum Nachweis von M. bovis v. a. auf Herdenebene kommerziell verfügbar (z. B. von Bio-X Diagnostics [Rochefort, F] und Biovet [Saint-Hyacinthe, CA]) (Maunsell et al. 2011). Epidemiologie Daten zur Prävalenz von Mykoplasmenmastitiden sind in Deutschland bislang nicht verfügbar. Die meisten Nachweise in der wissenschaftlichen Literatur beschreiben Ausbrüche in großen Herden in den USA, Europa, dem mittleren Osten und Neuseeland. Da der Nachweis von Mykoplasmen in Milch nur mit speziellen diagnostischen Techniken gelingt, werden diese in der Standarddiagnostik von Viertel- oder Einzelgemelksproben nicht diagnostiziert. In den Der Praktische Tierarzt 99, Heft 10/2018, Seiten 1072 1079 1075

TAB. 1: STRATEGISCHE MASSNAHMEN AUF HERDENEBENE ZUR BEKÄMPFUNG VON MYKOPLASMENMASTITIDEN (VORSCHLÄGE DER AUTOREN) STRATEGIE 1 STRATEGIE 2 (Vorschlag Paolo Moroni) Diese Vorgehensweise basiert auf der These, dass eine Eradikation von Mykoplasmeninfektionen der Milchdrüsen durch Identifikation und Entfernung infizierter Tiere dauerhaft möglich ist. (Vorschlag Volker Krömker) Diese Vorgehensweise basiert auf der These, dass die intramammäre Mykoplasmeninfektion selbstlimitierend ist und eine wirkliche Eradikation von Mykoplasmen aus Milchviehbetrieben kaum möglich ist. Diagnostisches Ziel Identifikation aller infizierten Tiere Identifikation der stärksten Mykoplasmenausscheider Diagnostik nach Erkennung (klinische Fälle oder Herdensammelmilch) 1. Einzelgruppenproben mit anschließenden Einzelproben oder Gesamtbestandsuntersuchung kulturell oder 2. Untersuchung klinischer Mastitisfälle oder/und frühlaktierender Tiere bei Zellzahlen >200.000 Zellen/ ml in der ersten Milchkontrolle nach der Abkalbung auf Mykoplasmen (z. T. Poolproben mit max. fünf Tieren) Untersuchung aller klinischen Mastitiden per PCR Sanierungsende Alle positiven Tiere gemerzt oder notfalls separiert Keine typischen klinischen Mastitiden mehr Diagnostik nach Sanierung Maßnahmen Monatliche Untersuchung der Herdensammelmilch oder der klinischen Mastitisfälle und der frühlaktierenden Tiere (wenigstens für sechs Monate) Separation und Merzung aller Tiere mit Mykoplasmennachweis Untersuchung der Herdensammelmilch (z. B. monatlich) Vorteile Höhere Sicherheit Geringere Kosten Nachteile Kostenintensiv Höheres Rezidivrisiko Unmittelbare Merzung aller Tiere mit klinischen Mastitiden und Mykoplasmennachweis Jahren 2014 bis 2018 wurden Herdenmastitisprobleme durch Mykoplasmen insbesondere in (größeren) Betrieben, die auf Tierzukauf angewiesen waren oder deren Herdeneutergesundheit unzureichend war (geringer Anteil eutergesunder Tiere, hohe Neuinfektionsraten, hoher Anteil chronisch euterkranker Tiere) oder die nennenswerte Atemwegsprobleme bei ihren Kälbern hatten oder die insgesamt eine unzureichende innerbetriebliche Biosicherheit aufwiesen, den Autoren in der täglichen Beratungspraxis bekannt. Herdenprävalenzen von M. bovis lagen bei 1,8 % (Herden bis 100 Kühe) bis 14,4 % (Herden >500 Kühe) in den USA, 1,5 % in Belgien, 3,4 % in Kanada (Provinz Quebec), 19,6 % in Estland und bis zu 62,4 % in Australien (Francoz et al. 2012, Ghadersohi et al. 1999, Passchyn et al. 2012). Im Rahmen einer Longitudinalstudie in Israel wurde eine Zunahme der Milchviehbetriebe mit M. bovis von 2008 bis 2014 ermittelt (Lysnyansky et al. 2016). Zur Anzahl infizierter Tiere in einer Herde liegen nur wenige Daten vor. So fanden Murai et al. (2014) eine Prävalenz infizierter Tiere innerhalb einer Herde von 2,8 % (n = 1210). Kühe in unterschiedlichen Laktationsstadien erkranken unterschiedlich häufig an Mykoplasmenmastitiden. Zumeist folgt die laktationsabhängige Verteilung derjenigen, die auch bei anderen Mastitiserregern in einem Milchviehbetrieb zu finden ist (Abnahme der klinischen Fälle im Laktationsverlauf). Bekämpfung Prophylaxe Da in den meisten dokumentierten Fällen die Einschleppung von Mykoplasmen in eine Milchviehherde über den Zukauf infizierter Kälber oder Färsen erfolgt, kann die Führung eines geschlossenen Milchviehbestandes das Risiko für das Auftreten von Mykoplasmenmastitiden maßgeblich verringern (Nicholas et al. 2016). Grundsätzlich steigt das Risiko bei einer hohen Tierdichte und bei dem Auftreten von durch Mykoplasmen verursachten Erkrankungen bei Kälbern wie Pneumonien, Arthritiden und Otitiden. Sinnvoll ist in jedem Fall die Untersuchung von Zukaufstieren auf Mykoplasmenausscheidung mit der Milch. Auch folgende Faktoren sind entscheidend zur Vermeidung von Mykoplasmenmastitiden: innerbetriebliche Biosicherheit (keine Übertragung von Kälbern zu melkenden Kühen durch den Mensch als Vektor), keine Übertragung über das Kolostrum (Pasteurisierung), Melkhygiene zum Schutz vor kontagiösen Mastitiden (Melkreihenfolge, Handschuhe, Predipping, Zitzenreinigung [ein Tuch pro Tier], Postdipping, Melkzeugzwischendesinfektion), eine gute Eutergesundheit der Herde (hoher Anteil eutergesunder Tiere in der Laktation [Ziel: >65 %], geringe Neuinfektionsraten [Ziel: <15 %], geringer Anteil chronisch euterkranker Tiere [Ziel: <2 %]). Weiterhin wird auch eine hämatogene Ausbreitung im Tier diskutiert (Krömker 2009, Nicholas et al. 2016, Ruegg 2017). Therapie Wirksame Therapiekonzepte existieren bislang nicht. Jüngere Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere bei M. bovis-isolaten aus Milch ein hohes Maß an Resistenzen gegenüber Makroliden und eingeschränkt auch gegenüber Fluorquinolonen zu finden ist (Barberio et al. 2016). Vakzination Nach intramammären Infektionen mit Mykoplasmen ist eine Antikörperbildung nachweisbar. Allerdings sind Mykoplasmen in der 1076 Der Praktische Tierarzt 99, Heft 10/2018, Seiten 1072 1079

Fazit für die Praxis Der Ausbruch von Mykoplasmenmastitiden erfordert unverzüglich Maßnahmen auf Bestandsebene zur Begrenzung des Schadens. Der klinischen Verdachtsdiagnose folgt die bakteriologische Bestätigung. Hieran schließen sich Maßnahmen zur Neuinfektionsprävention an, die aus folgenden Schritten bestehen: Entfernung der (wichtigsten) Ausscheider (klinisch mastitiskranke Tiere) aus dem Bestand, Verbesserung der Übertragungsvermeidung beim Melkprozess, begleitendes diagnostisches Monitoring. Für die Wirksamkeit antibiotischer Therapien oder der Vakzination fehlt bislang jede Evidenz (Nicholas et al. 2009, 2016). Lage, den Bekämpfungsmaßnahmen des Wirtes durch Veränderung ihrer Oberflächenproteine auszuweichen und immunmodulierend zu wirken. Trotz breiter Anwendung von (bestandsspezifischen) Vakzinen im Feld liegen bislang keine evidenzgesicherten Studien zur Wirksamkeit von Mykoplasmenvakzinen bei Mastitiden vor (Fox 2012, Nicholas et al. 2009). Strategie Auf der Basis des zuvor beschriebenen aktuellen Wissensstandes zur Bekämpfung von Mykoplasmenmastitiden werden verschiedene Bekämpfungsstrategien in Milchviehherden durchgeführt. Alle basieren auf der Vermeidung von Neuinfektionen der Milchdrüsen durch die Identifikation und Entfernung infizierter Tiere aus der Herde (Nicholas et al. 2016, Pfützner und Sachse 1996). Detaillierte Angaben zur Auswahl der zu untersuchenden Tiere (alle Tiere der Herde oder Subgruppen) und der Art der Entfernung der Tiere aus der Herde (Schlachtung oder Abtrennung) fehlen zumeist. Die Autoren dieses Beitrages empfehlen unterschiedliche Vorgehensweisen, die in. Tabelle 1 skizziert werden. Ein grundlegendes Problem in der Sanierung von Milchviehbetrieben mit Mykoplasmenmastitiden besteht darin, dass bislang aufgrund unzureichender Daten unsicher ist, ob, wann und unter welchen Bedingungen eine Selbstlimitierung der intramammären Infektion sicher erfolgt. In den meisten Betrieben gelingt dies innerhalb weniger Wochen. Ob damit oder durch intensive Identifikation, Separation und Merzung infizierter Tiere eine echte Eradikation dieser Bakterien aus den Milchdrüsen oder aus dem Betrieb möglich ist, bleibt fraglich. In einer Herde in den USA, in der intensiv gemerzt wurde, dauerte es vier Monate bis zum Verschwinden klinischer Symptome (Punyapornwithaya et al. 2012). Mit Mykoplasmen infizierte Kälber und Färsen sind ein Risiko für die Eutergesundheit von Milchviehherden. Aufgrund der geringen infektiösen Dosis sind alle Maßnahmen zur Infektionsprävention (Minimierung der Ausscheidung durch Separierung und/oder Merzung der Ausscheider, hervorragende Melkhygiene, Reduktion der besonders anfälligen Tiere durch Verbesserung der Herdeneutergesundheit) geeignet, um das Risiko der Verbreitung von Mykoplasmen in einem Bestand zu minimieren. Conflict of interest Die Autoren erklären, dass keine geschützten, finanziellen, beruflichen oder anderweitigen Interessen an einem Produkt oder einer Firma bestehen, welche die in dieser Veröffentlichung genannten Inhalte oder Meinungen beeinflussen können. W Literatur Barberio A, Flaminio B, De Vliegher S, Supré K, Krömker V, Garbarino C, Arrigoni N, Zanardi G, Bertocchi L, Gobbo F, Catania S, Moroni P (2016): In vitro antimicrobial susceptibility of Mycoplasma bovis isolates identified in milk from dairy cattle in Belgium, Germany, and Italy. J Dairy Sci 99: 6578 6584. Bicknell SR, Gunning RF, Jackson G, Boughton E, Wilson CD (1983): Eradication of Mycoplasma bovis infection from a dairy herd in Great Britain. Vet Rec 112: 294 297. Bushnell RB (1984): Mycoplasma mastitis. Vet Clin North Am (Large Anim Pract) 6: 301 312. Fox LK (2012): Mycoplasma mastitis: causes, transmission, and control. Vet Clin North Am Food Anim Pract 28: 225 237. 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