1 Behandlung des Freizeitausgleichs für Ruhezeiten nach Bereitschaftsdiensten Berechnung von Arbeitszeithöchstgrenzen und Stellen /Personalbedarf Ursula Wessel, München Freizeitausgleich für Ruhezeiten Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 78/09 den Freizeitausgleich wie folgt charakterisiert [...] Freizeitausgleich wird dadurch gewährt, dass der Arbeitgeber den Arzt von seiner vertraglich bestehenden Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, freistellt und so dessen Sollarbeitszeit reduziert. [...]... Der nach 12 Abs. 2 und Abs. 3 TV Ärzte/VKA bei Ableistung von Bereitschaftsdienstzeiten entstehende Entgeltanspruch wird also erfüllt, indem der Arbeitgeber gegenüber dem Arzt auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und damit die entsprechende Arbeitspflicht des Arztes zum Erlöschen bringt. [...] Fazit: Der Freizeitausgleich reduziert die dienstvertragliche Arbeitszeit. Das monatliche Entgelt bleibt davon unberührt. Die bezahlte Freistellung wird durch die Verrechnung der Vergütungsansprüche aus Bereitschaftsdiensten finanziert. Durch diese Kompensation werden geleistete Bereitschaftsdienststunden auf die dienstvertragliche Arbeitszeitstunden angerechnet. Wie wird die Reduzierung der Regelarbeitszeit bei der Berechnung des Stellen /Personalbedarfs berücksichtigt? Unabhängig verschiedener Berechnungsmethoden für den Stellen /Personalbedarf, ob über Anhaltszahlen, Arbeitsplatzmethode oder leistungsanalytische Methode etc., wird jeweils der Bedarf (Kapazitätsbedarf) in Stunden für die Erbringung der Arbeitsleistungen während der Regelarbeitszeit ermittelt, d.h. die Leistungen im Bereitschaftsdienst werden gegenüber den Leistungen während der Regelarbeitszeit abgegrenzt; Gegenstand der Personalbedarfsermittlung sind die Leistungen im Regeldienst. Dabei bleibt ein in Betracht kommender Stundentausch, d.h. Anrechnung von Bereitschaftsdienststunden auf Stunden der Regelarbeitszeit zunächst außen vor. Berechnungsvorgang Schritt 1: Ausfallzeiten Die jährliche Bruttoarbeitszeit eines Beschäftigten wird durch Tarifverträge oder durch einzelvertragliche Vereinbarungen bestimmt. Gemäß 6 TV Ärzte (Universitätskliniken) beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen durchschnittlich wöchentlich 42 Stunden. Diese Stunden könnten ganzjährig aber nur dann geleistet werden, wenn keine Ausfallzeiten anfielen, etwa Ausfallzeiten für bezahlte Abwesenheitszeiten, wie z.b. Krankheit, Urlaub, Fort und Weiterbildung etc. Der Freizeitausgleich wird nicht der Ausfallzeit zugerechnet. Zwar wird die Zeit des Freizeitausgleichs vergütet, aber die Vergütung ist hier anders als bei Ausfallzeiten, keine Arbeitgeberleistung. Die Vergütung basiert auf einer Verrechnung von durch Bereitschaftsdienst erworbenem Entgeltanspruch. Folglich wird Freizeitausgleich für Ruhezeiten in die Berechnung der verfügbaren Nettoarbeitszeit (nach Abzug von Ausfallzeiten) nicht eingerechnet.
2 Berechnungsschema: Bruttojahresarbeitszeit Ausfallzeit = Nettojahresarbeitszeit 1 Bruttojahresarbeitszeit 2 bei einer 42 Stundenwoche = 2.190 Stunden Ausfallquote als Abschlag auf die Bruttojahresarbeitszeit i.h.v. 19,5% Nettojahresarbeitszeit 1.764 Stunden Ermittelte Arbeitsstunden des Personalbedarfs : Nettojahresarbeitszeit = Stellenbedarf SOLL Berechnungsschritt Schritt 2: Zusatzrechnung Freizeitausgleich Nachdem die w.o. ermittelte verfügbare Nettoarbeitszeit den Freizeitausgleich nicht enthält, ist eine Zusatzrechnung i.s. einer Korrekturrechnung zur Vermeidung einer Kapazitätslücke erforderlich. Die Lücke wird durch Umrechnung der Freizeitausgleichsstunden in Vollkräfte beseitigt. Beispiel für die Berechnung der Vollkräfte für Freizeitausgleich für Ruhezeiten im Anschluss an Bereitschaftsdienst: Arbeitszeiten Mo Di Mi Fr Sa So / Feiertage 07:30 17:00 07:30 16:00 Anzahl FZA Stunden/Tag 9,0 8,0 Tage im Kalenderjahr 100 150 52 63 Montag (50) 450 Dienstag (50) 450 Mittwoch (50) 400 Donnerstag (49) 392 Freitag (51) 408 Samstag (52) So/Feiertage (63) Summe Stunden 900 1.200 2.100 erforderliche Vollkräfte für den Freizeitausgleich bei 1.764 Nettojahresarbeitsstunden 1,2 1 im Ergebnis der Berechnung der Nettoarbeitszeit ist es unbeachtlich, ob die Bruttojahresarbeitszeit bereits um die Feiertage, die auf einen Werktag entfallen, gekürzt wird oder ob diese Feiertage in die Ausfallquote eingerechnet werden. Je nach Vorgehensweise differiert die Ausfallquote aber auch die Basis der Bruttojahresarbeitsstunden. Bei der Beurteilung der Höhe der Ausfallquote ist daher die Berechnungsmethode mit einzubeziehen. 2 365 Kalendertage 104 Samstage und Sonntage
3 Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, wie verändert dies den Stellen /Personalbedarf? Regelarbeitszeiten und Bereitschaftsdienstzeiten sind Arbeitszeiten mit unterschiedlicher Arbeitsintensität und erfordern unterschiedliche Methoden zur Berechnung des Kapazitätsbedarfs. Beim Personalbedarf geht es um die Berechnung bedarfsnotwendiger Stunden für die Erbringung der Leistungen während der regelmäßigen Vertragsarbeitszeit. Der ermittelte Stundenbedarf wird in Vollkräfte (Stellen) auf der Grundlage der Nettoarbeitszeit umgerechnet. Dagegen kommt es beim Bereitschaftsdienst und den damit verbundenen Arbeitsstunden darauf an, neben der Anzahl der erforderlichen Dienste und der Bereitschaftsdienststufe zu prüfen, ob die für Bereitschaftsdienste zur Verfügung stehende Anzahl der Ärzte die errechneten Stunden unter der Maßgabe arbeitszeitschutzrechtlich zulässiger Höchstarbeitszeiten leisten können. Wenn die beiden unterschiedlichen Zwecken dienenden Berechnungen, Stellen /Personalbedarf für den Regeldienst einerseits und andererseits Prüfung der Stunden für Bereitschaftsdienste im Hinblick auf die Einhaltung der zulässigen Höchstarbeitszeiten, miteinander vermischt werden, entstehen daraus systematische Fehler. Diese beruhen darauf, dass bei der Vermischung der Rechenzwecke die Stunden für Bereitschaftsdienste in die Kapazitätsrechnung des Stellenbedarfs mit einbezogen werden bei gleichzeitiger Erhöhung der Nettoarbeitszeit für Regeldienst um die möglichen Opt Out Stunden. Das ist sachlich nicht gerechtfertigt. Opt Out Stunden sind Stunden, die über die regelmäßig durchschnittlich Wochenarbeitszeit zusätzlich zur Verfügung stehen. Sie erhöhen deshalb nicht die Stunden der Nettojahresarbeitszeit, die dem Stellen /Personalbedarf zugrunde liegt. Mit dem folgenden von uns entwickelten tabellarischen Prüfschema lässt sich das neben der regelmäßigen Vertragsarbeitszeit (durchschnittlich regelmäßige Wochenarbeitszeit) zusätzliche für Bereitschaftsdienste verfügbare Stundenkontingent ermitteln. Das Beispiel unterstellt jährlich 5.760 Bereitschaftsdienststunden (250 Tage x 12 Stunden + 115 Sa, So und Feiertage x 24 Stunden = 5.760).
4 Beispiel: Stundenkontigent für Bereitschaftsdienste Bereitschaftsdienststunden/Jahr 5.760 Arbeitszeit (AZ) Höchstgrenzen Std. Std. Std. AZ ohne opt out Woche 48 42 1) 6 AZ mit opt out Woche 54 2) 42 12 Arbeitswoche für Durchschnittsberechnung 3) 42 Std. ohne opt out 42 x 6 252 Std. mit opt out 42 x 12 504 Anzahl Mitarbeiter in Vollkräften (VK) Anzahl Mitarbeiter (MA) gesamt 4) 9,5 Anzahl MA ohne opt out Vereinbarung 3,0 x 252 756 Anzahl MA mit opt out Vereinbarung 6,5 x 504 3.276 Verfügbare Stunden außerhalb der Regelarbeitszeit 4.032 VK Bereitschaftsdienststunden 5.760 Freizeitausgleichsstunden für Ruhezeiten 5) 2.100 Zeitbedarf für Bereitschaftsdienste 6) 3.660 1) 6 Abs. 1 Tarifvertrag für Ärzte/TdL (Universitätskliniken) 2) Bereitschaftsdienststufe II, 7 Abs. 5 Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken 3) Ausfallquote Abschlag 19,5 % (52,1 Wochen x 0,195 = 42 Wochen) 4) am Bereitschaftsdienst teilnehmende Mitarbeiter, Umrechnung von Teilzeitkräften in anteilige Vollkräfte 5) Anrechnung auf die regelmäßige Arbeitszeit 6) Verfügbare Stunden außerhalb der Regelarbeitszeit Zeitbedarf für Bereitschaftsdienste = verfügbare Stunden für bezahlte Überstunden Im Zusammenhang mit der Anrechnung von Bereitschaftsstunden auf die regelmäßige Arbeitszeit ist die Unterscheidung in arbeitsschutzrechtliche und vergütungsrechtliche Arbeitszeit zwingend zu beachten, wenn es nicht zu einer sachlich fehlerhaften Berechnung des Stundenbedarfs für
5 Bereitschaftsdienste kommen soll. Vergütungsrechtlich ist für Freizeitausgleich für Ruhezeiten von einer faktorisierten Arbeitszeit auszugehen, während arbeitszeitschutzrechtlich eine Bereitschaftsdienststunde eine Stunde Arbeitszeit bleibt. Bei der arbeitszeitschutzrechtlichen Berechnung des Freizeitausgleichs für Ruhezeiten dürfen die Bereitschaftsdienststunden nicht faktorisiert werden. Fehlende Stundenkontigente für Bereitschaftsdienste Stehen für die geplanten Bereitschaftsdienstzeiten die erforderlichen Arbeitsstunden im Rahmen der Höchstarbeitszeitgrenzen nicht zur Verfügung, wenn also die ermittelten Stunden im Vergleich zu den verfügbaren Stunden größer sind, ist z.b. eine Modifizierung des Dienstplans angezeigt. Dazu ist die Regelarbeitszeit durch zeitliche Versetzung von Beginn und/oder Ende zu erweitern, um die Zeitspanne der Bereitschaftsdienste zu vermindern. Diese Veränderungen gehen in die Abgrenzung der Leistungen während des Regeldienstes gegenüber dem Bereitschaftsdienst und damit in die Neu Berechnung des Stellen /Personalbedarfs ein. Die Überprüfung der Bereitschaftsdienststufe ist davon unabhängig gesondert durchzuführen. Ursula.Wessel@pragma online.de