Prof. Dr. Markus Kaltenborn, Universität Siegen



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Transkript:

Prof. Dr. Markus Kaltenborn, Universität Siegen Vergaberechtliche Strukturen im Recht der Gesetzlichen I. Einleitung II. Ausschreibungspflichten im SGB V III. Wettbewerbsschutz in der GKV durch Kartellvergaberecht

II. Ausschreibungspflichten im SGB V - Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung ( 73 b Abs. 2 SGB V) - Versorgungsaufträge, bei denen an die Leistungserbringer bestimmte qualitative und organisatorische Anforderungen gestellt werden ( 73 c Abs. 2 SGB V) - besondere Verträge mit Hilfsmittelerbringern ( 127 Abs. 2 SGB V) - Verträge mit Apotheken, die an speziellen vertraglich vereinbarten Versorgungsformen teilnehmen wollen ( 129 Abs. 5b SGB V)

III. Wettbewerbsschutz in der GKV durch Kartellvergaberecht 1. Ausschluss des Kartellvergaberechts durch 69 SGB V? - 69 Satz 1 SGB V: Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern und ihren Verbänden werden abschließend im 4. Kapitel des SGB V sowie in den 63 und 64 SGB V geregelt - 69 Satz 4 SGB V: Satz 1 gilt auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. - aber: Anwendungsvorrang des EG-Rechts teleologische Reduktion des 69 SGB V

III. Wettbewerbsschutz in der GKV durch Kartellvergaberecht 2. Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber ( 98 Nr. 2 GWB) - juristische Person, die gegründet wurde, um im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen - staatliche Beherrschung (1. Alternative): öffentlich-rechtliche Finanzierung hier: auf sonstige Weise (gesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft der Versicherten in der GKV) - staatliche Beherrschung (2. Alternative): Aufsicht über die Leitung der juristischen Person hier: Rechtsaufsicht, aber inhaltliche Nähe zur Fachaufsicht

III. Wettbewerbsschutz in der GKV durch Kartellvergaberecht 3. Verträge mit den Leistungserbringern als öffentliche Aufträge ( 99 Abs. 1 GWB) - öffentlicher Auftrag : entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen, der Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand hat, oder Auslobungsverfahren, das zu Dienstleistungsaufträgen führen soll - auch öffentlich-rechtliche Verträge

III. Wettbewerbsschutz in der GKV durch Kartellvergaberecht 3. Verträge mit den Leistungserbringern als öffentliche Aufträge ( 99 Abs. 1 GWB) - Entgeltlichkeit : dem beauftragten Unternehmer muss das Entgelt bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch den öffentlichen Auftraggeber definitiv zugeordnet werden (Gegenleistung muss bereits bei Vertragsschluss bestimmt worden sein oder sich zumindest bestimmen lassen) in der GKV i.d.r. (-): Entgeltzuordnung erfolgt erst durch die Entscheidung des Versicherten, die Dienste des Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen

1. Sozialer Ausgleich als Strukturelement der Sozialversicherung - Gefahr einer Aushöhlung des Solidarprinzips im Vertragswettbewerb - Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG): Strukturtypus, zu dessen konstitutiven Merkmalen u.a. der soziale Ausgleich zählt - morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich

2. Recht der Versicherten auf freie Arztwahl - Vertragswettbewerb führt zu Einschränkungen des Rechts auf freie Arztwahl (Art. 2 Abs. 1 GG) - verfassungsrechtliche Rechtfertigung Zielsetzung des Vertragswettbewerbs: Sicherung der Kostenstabilität bzw. Finanzierbarkeit der GKV

3. Berufsausübungsfreiheit der Leistungserbringer - Vertragswettbewerb beeinträchtigt Planungssicherheit und Entscheidungsunabhängigkeit der Ärzte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) - verfassungsrechtliche Rechtfertigung abhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung des Vertragswettbewerbs: 1. Option: Anwendung des allgemeinen Kartellvergaberechts (insbesondere 97 GWB und 8 Abs. 2, 17 VOF) 2. Option: Aufnahme spezieller, auf die besonderen Bedürfnisse der GKV ausgerichteter Vergaberegelungen in das SGB V

4. Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen - Mitwirkung der Kassenärztlichen Vereinigungen am staatlichen Infrastruktursicherungsauftrag im Bereich der ambulanten Krankenversorgung (Rechtfertigungsgrund für die Zwangsinkorporation der ärztlichen Leistungserbringer) entfällt im reinen Vertragswettbewerb, weil der Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen übergehen würde - Alternativmodell: Vertragssystemwettbewerb (individualvertragliche Modellvorhaben konkurrieren mit Kollektivvertragssystem) Pflichtmitgliedschaft in den Kassenärztlichen Vereinigungen bleibt verfassungsrechtlich gerechtfertigt

5. Demokratische Legitimation der mittleren Steuerungsebene in der GKV - Gemeinsamer Bundesausschuss: Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen - Regulierungsausschuss-GKV : interessenpluralistische Zusammensetzung, Mitglieder werden auf Vorschlag von Bundesregierung und Bundesrat durch den Bundespräsidenten berufen - Entscheidungsbefugnisse im grundrechtsrelevanten Bereich (z.b. Einschränkungen des Leistungskatalogs der GKV) - kein hinreichend strukturiertes Entscheidungsprogramm in 92 SGB V