Juristische Hausarbeit



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Transkript:

Juristische Hausarbeit Fall-Lösung Fachgebiet: Bürgerliches Recht Dozenten: Universitätsprofessor Dr. M. Heinze Privatdozent Dr. R. Waltermann Dr. J. Wrobel vorgelegt von: Studiengang: Sascha Wingen Pfingstborn 21 45327 Essen Tel.: 0201/37 03 56 e-mail: s.wingen@web.de Internet: www.sascha-wingen.de XVIII. wirtschaftswissenschaftlicher Studiengang, Kurs B Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Bochum Ausgabetermin: 01.03.1994 Abgabetermin: 16.05.1994

- I - Sachverhalt V und K haben am 22. 12. 1993 einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Rennrad Marke "Basso" mit Campagnolo-Ausstattung geschlossen. Das Rad ist gut erhalten, der Preis günstig. K soll das Rad nach Weihnachten abholen und bezahlen. K erklärt nun aber nach Weihnachten, er könne das Rennrad nicht bezahlen. Er sei auch gar nicht gebunden, weil er - was stimmt - erst 16 Jahre alt sei. V, der von der Minderjährigkeit des K nichts wußte, teilt am 2. 1. der Mutter des K, M, den Sachverhalt mit; der Vater des K lebt nicht mehr. V fordert M auf, sich darüber zu erklären, ob sie den Kaufvertrag über das Fahrrad genehmigt. M gibt dem K daraufhin das Geld, weil sie den Vertrag für sehr günstig hält. Gleichzeitig schreibt sie dem V, sie erteile hiermit ihre Zustimmung. Der Brief wird V am 6. 1. zugestellt. Am 5. 1. erscheint K mit dem Geld bei V, um das Fahrrad abzuholen und zu bezahlen. Bevor K ein Wort herausbringen kann, erklärt V, er widerrufe das Geschäft. Ihm sei das ganze Hin und Her wegen der Minderjährigkeit des K lästig. In Wirklichkeit hat V am 4. 1. von A einen höheren Kaufpreis angeboten bekommen. Kann K von V Übergabe und Verschaffung des Eigentums an dem Fahrrad verlangen?

- II - Inhaltsverzeichnis Sachverhalt Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis I II III IV I. Anspruchsgrundlage 1 II. Prüfung der Entstehung des Anspruchs 1 A. Der Kaufvertrag nach 433 BGB 1 B. Das Zustandekommen des Kaufvertrages 1 1. Einigung 2 2. Wirksamkeit 2 a) Geschäftsfähigkeit 2 b) Gesetzliche Vertretung des K 3 c) Einwilligung 3 d) Genehmigung 4 III. Prüfung des Erlöschens des Anspruchs 4 A. Widerruf 4 1. Widerrufsrecht des V gem. 109 I 1 BGB 5 2. Wirksamkeit des Widerrufs von V 5 B. Grundsatz von Treu und Glauben gem. 242 BGB 5 1. Venire contra factum proprium 6 2. Grob unbilliger, rücksichtsloser Eigennutz 7 IV. Ergebnis 8 Versicherung 9

- III - Literaturverzeichnis Braunschneider, Hartmut Brox, Hans Ders. Ders. Das Skript BGB AT, 4. Auflage, Köln 1993 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 17. Auflage, 1993 Allgemeines Schuldrecht, 21. Auflage, München 1993 Besonderes Schuldrecht, 19. Auflage, München 1993 Ermann, Walter BGB Handkommentar Band 1, 9. Auflage, Münster 1993 Medicus, Dieter Ders. Palandt, Otto Allgemeiner Teil des BGB, 2. Auflage, Heidelberg 1985 Schuldrecht I Allgemeiner Teil, 5. Auflage, München 1990 Bürgerliches Gesetzbuch Kurz-Kommentar, versch. Bearbeiter, 49. Auflage, München 1990 (zitiert: Palandt-jew. Bearbeiter)

- IV - Abkürzungsverzeichnis BGB Bürgerliches Gesetzbuch AT Allgemeiner Teil gem. gemäß hm herrschende(r) Meinung S. Seite Rn. Randnummer Anm. Anmerkung Einf. v. Einführung von Bd. Band sog. sogenannte(n) i. S. im Sinne z. zum d. des Allg. Allgemein(e,es) Komm. Kommentar ders. derselbe jew. jeweilige versch. verschieden(e)

- 1 - I. Anspruchsgrundlage K könnte gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Rennrades aus 433 I 1 BGB haben. II. Prüfung der Entstehung des Anspruchs A. Der Kaufvertrag nach 433 BGB Vorraussetzung für die Entstehung des Anspruchs von K gegen V aus 433 BGB wäre, daß es sich um einen Kaufvertrag zwischen K und V handelt. Fraglich ist, ob ein Kaufvertrag vorliegt. Durch einen Kaufvertrag nach 433 BGB wird der Verkäufer zur Übergabe und Übereignung einer Sache oder eines Rechtes und der Käufer zur Abnahme der Sache oder des Rechtes und Zahlung des vereinbarten Kaufpreises verpflichtet 1). V und K haben einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Rennrad geschlossen. Der Kaufgegenstand ist somit als Sache eindeutig bestimmt. Außerdem wurden der Kaufpreis sowie Liefer- und Zahlungstermin bei Vertragsabschluß festgelegt. Also handelt es sich hier um einen Kaufvertrag nach 433 BGB. B. Das Zustandekommen des Kaufvertrages Eine weitere Vorraussetzung für die Entstehung des Anspruchs von K gegen V wäre, daß der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen sein müßte. Zu prüfen ist also, ob der Kaufvertrag zwischen ihnen wirksam zustandegekommen ist. 1 vgl. Brox - Besonderes Schuldrecht, 1993, Rn. 2...2

- 2-1. Einigung Der Kaufvertrag als gegenseitiges Rechtsgeschäft kommt durch die Einigung zweier oder mehrerer Vertragspartner zustande. Die Einigung ist das Ergebnis zweier oder mehrerer inhaltlich übereinstimmender, mit Bezug aufeinander abgegebener Willenserklärungen, Angebot und Annahme, von Käufer und Verkäufer 2). Die Willenserklärung des V liegt in seinem Angebot, das gebrauchte Rennrad dem K zu verkaufen. Die Willenserklärung des K liegt in der Annahme des Angebots von V, denn K ist mit dem Kauf des Fahrrades einverstanden. Da beide Willenserklärungen kongruent sind und mit Bezug aufeinander abgegeben wurden, ist ein Kaufvertrag zwischen K und V am 22. 12. 1993 zustandegekommen. 2. Wirksamkeit Der zustandegekommene Kaufvertrag wäre wirksam, wenn die abgegebenen Willenserklärungen, Angebot und Annahme wirksam wären. Es stellt sich also zunächst die Frage nach der Wirksamkeit der Willenserklärungen von V und K. a) Geschäftsfähigkeit Grundsätzlich können Willenserklärungen nur von geschäftsfähigen Personen wirksam abgegeben werden 3). Aus der Vorschrift 106 BGB geht hervor, daß Minderjährige, die das siebente Lebensjahr vollendet haben und noch nicht volljährig nach 2 BGB, also jünger als 18 Jahre alt sind, als beschränkt geschäftsfähig bezeichnet werden. Willenserklärungen von beschränkt Geschäftsfähigen werden wirksam, wenn sie nach 107 BGB einen lediglich rechtlichen Vorteil für die minderjährige Person begründen. Im zu erörternden Sachverhalt ist K erst 16 Jahre alt und somit beschränkt geschäftsfähig. Die Wirksamkeit seiner Willenserklärung, das gebrauchte Fahrrad zu kaufen, ist also im folgenden zu prüfen. Da K sich durch den Kaufvertrag verpflichtet hat, das Rennrad anzunehmen und den vereinbarten Kaufpreis an V zu entrichten, wäre zwar einerseits der Eigentumserwerb an dem Rennrad bei Übergabe von V an K als ein rechtlicher Vorteil für K, andererseits aber der Eigentumsverlust an seinem Geld bei Zahlung des Kaufpreises als ein rechtlicher Nachteil für ihn anzusehen 4). Somit wird seine Willenserklärung durch den Abschluß des Kaufvertrages erst einmal nicht wirksam, sondern ist abhängig von einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach 107 BGB. Fraglich ist, ob eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegt. 2 siehe auch Brox - AT d. BGB, 1993, Rn. 76 3 ders., Rn. 222 4 vgl. Braunschneider - Das Skript/BGB-AT, 1993, S. 77...3

- 3 - b) Gesetzliche Vertretung des K Laut 1629 BGB umfaßt die elterliche Sorge auch die Vertretung des Kindes, wobei die Eltern diese Aufgabe gemeinschaftlich übernehmen. Aus dem zu erörternden Sachverhalt geht hervor, daß dies nicht möglich ist, da der Vater des K tot ist. In diesem Fall greift 1681 I BGB, welcher festlegt, daß bei Versterben eines Elternteils die elterliche Sorge auf das andere Elternteil übergeht. Somit bedarf der Kaufvertrag zwischen V und K nur der Einwilligung durch M, um wirksam zu werden. c) Einwilligung Die Einwilligung ist in 183 BGB definiert als vorherige Zustimmung bis zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Sie läßt sich in zwei Varianten unterteilen, nämlich in eine ausdrückliche und eine stillschweigende oder auch konkludente Einwilligung. Eine ausdrückliche Einwilligung läge vor, wenn der gesetzliche Vertreter dem beschränkt Geschäftsfähigen vor Abschluß des Rechtsgeschäftes mitteilt, daß er dieses abschließen dürfe. Eine konkludente Einwilligung wäre dann gegeben, wenn man aus dem Verhalten des gesetzlichen Vertreters eine Zustimmung zum Abschluß eines Rechtsgeschäftes schließen kann. Ein Spezialfall der konkludenten Einwilligung wird im sog. "Taschengeldparagraph" 110 BGB geregelt, welcher einen Vertrag rückwirkend als von Anfang an wirksam werden läßt, wenn der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen Mittel zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung überlassen hat und dieser die vertragsmäßige Leistung mit diesen Mitteln bewirkt 5). Im zugrundeliegenden Fall hat die Mutter des K ihrem Sohn keine ausdrückliche Einwilligung zum Kauf des Rennrades erteilt. Fraglich ist, ob eine konkludente Einwilligung der M vorliegt. K erklärt nach Weihnachten dem V gegenüber, daß er das Fahrrad nicht bezahlen könne und auch aufgrund seines Alters nicht an den Vertrag gebunden sei. K hat also keine Mittel zur Verfügung, um seiner Verpflichtung aus dem Kaufvertrag, der Zahlung des Kaufpreises, nachzukommen. Außerdem gibt es keinerlei Hinweise auf das Verhalten der M vor Abschluß des Kaufvertrages, so daß hier auch keine konkludente Einwilligung vorliegt. Der Vertrag wird also nach den Vorschriften 107; 110 BGB nicht wirksam, sondern bleibt zunächst schwebend unwirksam nach 108 I BGB 6). Dieser Schwebezustand könnte aber durch eine Genehmigung des gesetzlichen Vertreters beendet und der Vertrag damit wirksam werden. Zu prüfen ist im folgenden, ob eine Genehmigung des gesetzlichen Vertreters vorliegt. 5 vgl. Braunschneider - Das Skript/BGB-AT, 1993, S. 82-83 6 vgl. Palandt-Heinrichs, Komm. z. BGB, 1990, 108 Anm. 1...4

- 4 - d) Genehmigung Die Genehmigung ist gem. 184 I BGB eine nachträgliche Zustimmung, die bewirkt, daß der Vertrag von Anfang an wirksam wird 7). Nach 182 I BGB kann die Zustimmung eines Dritten zu einem Rechtsgeschäft beiden Vertragspartnern gegenüber erklärt werden und ist grundsätzlich formfrei gem. 182 II BGB. Wenn der andere Vertragspartner den gesetzlichen Vertreter zur Genehmigung auffordert, kann diese nach 108 II BGB aber nur ihm gegenüber innerhalb von zwei Wochen erklärt werden. Ein Schweigen des Vertreters bis zum Ablauf der Frist gilt als Verweigerung der Genehmigung. Im zu erörternden Sachverhalt informiert V am 2. 1. M, die Mutter des K, über den geschlossenen Kaufvertrag zwischen ihm und K, womit die Willenserklärung des V, nämlich der Verkauf des Rennrades an K, erst zu diesem Zeitpunkt gem. 131 II BGB an den gesetzlichen Vertreter zugegangen und damit wirksam geworden ist 8). Gleichzeitig fordert V die M zur Genehmigung auf. Daraufhin gibt die Mutter dem K das Geld für das Rennrad und schickt dem V ihre nachträgliche Zustimmung zum Kaufvertrag zwischen V und ihrem Sohn. Diese Zustimmung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und wird als solche erst wirksam gem. 130 i 1 BGB, wenn sie dem Empfänger zugeht 9). V wird dann die Genehmigung der M am 6. 1. zugestellt und der Vertrag könnte zu diesem Zeitpunkt wirksam nach 108 I BGB geworden sein. Allerdings könnte V aus 109 BGB ein Widerrufsrecht bis zum Empfang der Genehmigung haben und der Kaufvertrag unwirksam werden, wenn V wirksam seinen Widerruf vor Erhalt der Genehmigung einlegen würde. III. Prüfung des Erlöschens des Anspruchs A. Widerruf Der Anspruch des K gegen V auf Übergabe und Übereignung des Rennrades könnte aufgrund eines wirksamen Widerrufs des V gem. 109 BGB erloschen sein. Fraglich ist, ob ein solcher Widerruf vorliegt. 7 ders., 108 Anm. 2a 8 vgl. Medicus - AT d. BGB, 1985, Rn. 287 9 ders., Rn. 1016; Palandt-Heinrichs, Komm. z. BGB, 1990, Einf. v. 182 Anm. 2 sowie 130 Anm. 3...5

- 5-1. Widerrufsrecht des V gem. 109 I 1 BGB Nach 109 I 1 BGB ist der andere Teil bis zur Genehmigung des Vertrages berechtigt, Widerruf einzulegen und den Vertrag somit endgültig unwirksam werden zu lassen. Dieses Widerrufsrecht hat er aber nur, wenn er nach 109 II BGB nichts von der Minderjährigkeit des Vertragspartners wußte, denn sonst hätte er bei Vertragsabschluß von der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages ausgehen müssen und bedürfte dann auch keinen Schutz als gutgläubiger Vertragspartner 10). V wußte bei Vertragsschluß nichts von der Minderjährigkeit des K, so daß er nach 109 I 1 BGB berechtigt ist, Widerruf bis zum Empfang der Genehmigung einzulegen. V übt sein Widerrufsrecht aus, indem er seinen Widerruf am 5. 1. gegenüber K erklärt, als dieser erscheint, um das Fahrrad zu bezahlen und abzuholen. Zu prüfen ist, ob der Widerruf des V am 5. 1. wirksam erklärt wurde. 2. Wirksamkeit des Widerrufs von V Nach 109 I 1 BGB kann der Widerruf auch, entgegen 131 II BGB, dem Minderjährigen gegenüber erklärt werden. Dies hat V am 5. 1. getan. Da die Genehmigung der M erst am 6. 1. in den Empfangsbereich des V gelangte, könnte dieser das Geschäft wirksam am 5. 1. widerrufen haben. Jedoch hat V zuvor am 2. 1. die Genehmigung des Vertrages von M angefordert und dann vor Empfang derselben seinen Widerruf gegenüber K erklärt. Desweiteren hat V am 4. 1. von A einen höheren Kaufpreis für das Rennrad angeboten bekommen. Möglicherweise liegt der wahre Grund für den Widerruf des V am 5. 1. nicht darin, daß ihm "das ganze Hin und Her wegen der Minderjährigkeit des K lästig" sei, sondern in dem besseren Angebot von A am 4. 1.. Somit könnte von V ein Verstoß gegen Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nach 242 BGB vorliegen. B. Grundsatz von Treu und Glauben gem. 242 BGB Die Vorschrift des 242 BGB besagt, daß die Leistung vom Schuldner so zu erbringen ist, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. In diesem Sinne hat der Schuldner "alles zu tun, um seine Leistung erbringen zu können und alles zu unterlassen, was den Leistungszweck gefährden oder vereiteln könnte." 11) Die hm sieht den Grundsatz von Treu und Glauben als eine Generalklausel, die an die Spitze des Schuldrechts gestellt wurde und darüber hinaus allen einzelnen Rechtsvorschriften übergeordnet ist 12). 10 vgl. Brox - AT d. BGB, 1993, Rn. 247 11 vgl. Ermann - BGB Handkomm. Bd. 1, 1993, S. 507 Rn. 50 12 vgl. Medicus - Schuldrecht I AT, 1990, S. 68-69; Brox - AT d. BGB, 1993, Rn. 32; Erman - BGB Handkomm. Bd. 1, 1993, S. 501 Rn. 1...6

- 6 - Der 242 BGB soll dazu dienen, in bestimmten Fällen, in denen der eine oder andere Teil "in einer offenbar unbilligen, dem Sinn des Rechtsverhältnisses widersprechenden Weise benachteiligt" 13) würde, einen gerechten Interessenausgleich herbeizuführen. Fraglich ist, ob der 242 BGB im vorliegenden Fall zugunsten des K angewendet werden könnte. Sonst hätte V durch seinen rechtzeitigen wirksamen Widerruf gegenüber K das Geschäft zwischen V und K endgültig unwirksam gemacht und sich selbst damit von seiner Leistungsschuld befreit. Der Anspruch des K auf Übergabe und Übereignung des Fahrrades wäre dann erloschen. Es besteht aber bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften eine gegenseitige Treuepflicht während des Schwebezustandes, aufgrund derer die Beteiligten alles tun müssen, um die Genehmigung herbeizuführen und alles vermeiden, um sie in Frage zu stellen oder zu vereiteln 14). Der vorliegende Sachverhalt enthält zwei wichtige Faktoren, die im Hinblick auf einen Verstoß von V gegen 242 BGB im folgenden zu überprüfen sind. Zunächst ist auffällig, daß V sich mit seinem Verhalten, nämlich der anfänglichen Aufforderung zur Genehmigung gegenüber M und der um nur drei Tage später folgenden Erklärung seines Widerrufs gegenüber K, selbst in Widerspruch setzt. Schließlich könnte das bessere Angebot von A am 4. 1. ein weiteres Indiz für einen möglichen Verstoß gegen Treu und Glauben von V sein. 1. Venire contra factum proprium Nach hm ist die Rechtsausübung eines Berechtigten unzulässig, wenn dieser sich damit zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzen würde und durch sein früheres Verhalten für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, auf den er sich verlassen konnte 15). Ein derart widerspruchsvolles Verhalten -Venire contra factum proprium- "würde gegen Treu und Glauben verstoßen und das Vertrauen im Rechtsverkehr untergraben" 16). Im vorliegenden Fall forderte V, nachdem er von der Minderjährigkeit des K erfahren hatte, am 2. 1. die Mutter des K zur Genehmigung des Kaufvertrages auf. Am 5. 1. erklärte V dann gegenüber K seinen Widerruf, womit er sich in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten, nämlich der Aufforderung zur Genehmigung am 2. 1., setzt. Außerdem hat K, nachdem die Mutter ihm das Geld für das Fahrrad gegeben und dem V die Genehmigung zugeschickt hatte, darauf vertraut, das Fahrrad endgültig von V übergeben und damit auch das Eigentum an diesem verschafft zu bekommen, sobald K den Kaufpreis entrichtet hätte. Der Widerruf des V würde also das Vertrauen des K 13 vgl. Brox - Allg. Schuldrecht, 1993, Rn. 76 14 zitiert nach Ermann - BGB Handkomm. Bd. 1, 1993, S. 513 Rn. 67 15 vgl. Brox - Allg. Schuldrecht, 1993, Rn. 87; Palandt-Heinrichs, Komm. z. BGB, 242 Anm. 4Be Ermann - BGB Handkomm. Bd. 1, 1993, S. 515 Rn. 79 16 vgl. Ermann - BGB Handkomm. Bd. 1, 1993, S. 515 Rn. 79...7

- 7 - enttäuschen und ist als ein Verstoß gegen Treu und Glauben gem. 242 BGB unwirksam. 2. Grob unbilliger, rücksichtsloser Eigennutz Ein weiterer Grund für eine unzulässige Rechtsausübung ist, wenn ein Berechtigter ein Recht aufgrund von übermäßigem Eigennutz oder einer unverhältnismäßigen Überbewertung des eigenen Interesses geltend machen will 17). Im zu prüfenden Sachverhalt hat V von A am 4. 1. ein besseres Angebot für das gebrauchte Rennrad erhalten. Diese Tatsache spricht dafür, das V nur aufgrund einer starken Überbewertung des eigenen Interesses, nämlich der möglichen Erzielung eines höheren Kaufpreises für das Fahrrad durch den Verkauf an A, das Geschäft zwischen V und K mit Hilfe seines Widerrufs am 5. 1. unwirksam werden lassen wollte. Somit ist auch aufgrund dieses Tatbestandsmerkmals sein Widerruf unwirksam, da er gegen Treu und Glauben gem. 242 BGB verstößt. 17 ders., S. 516 Rn. 83...8

- 8 - IV. Ergebnis K hat gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Rennrades aus 433 I 1 BGB....9

- - 9 Versicherung Hiermit versichere ich, daß die vorliegende Arbeit von mir selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt worden ist, insbesondere, daß ich alle Stellen, die wörtlich oder annähernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen sind, durch Zitate als solche kenntlich gemacht habe.