Didaktischer Leitfaden Inverted-/Flipped Classroom mit Moodle Dipl.-Ökonom Friedhelm Küppers, Hochschule Hannover, 2018
Didaktische Konzeption Inverted/Flipped Classroom (IC) Beim Inverted bzw. Flipped Classroom findet, anders als in klassischen Vorlesungen, die Wissensvermittlung nicht in der Präsenzzeit der Vorlesung statt, sondern wird in eine der Vorlesung vorausgehenden Selbstlernphase verlagert. In der Präsenzzeit erfolgt eine Vertiefung der Inhalte durch Übungen, Diskussionen etc. Vorteile der Methode sind: Selbstlernphase o Selbstgesteuerte Aneignung der Inhalte o Zeit- und ortsunabhängiges Lernen o Lerntypenbezogenes Lernen Veranstaltung o Vertiefung und Erweiterung des Wissens o Aktiver Austausch zwischen den Studierenden und mit den Lehrenden z.b. durch Gruppenarbeiten und vertiefende Diskussionen Lehrende o Keine Wiederholungen des Lernstoffes o Lernerzentrierte Lehre Entscheidend für das Gelingen der Methode sind folgende Punkte: 1. Selbstlernphase: Die Auswahl des Lernmaterials beeinflusst die Lernmotivation und die Tiefe der Wissensaneignung. Hierfür sollte das Material auf die Zielgruppe, den Inhalt und die Prüfungsform hin ausgerichtet und sequenziell und/oder explorativ verwendbar sein sowie verschiedene Lernmedien wie Videos, Texte etc. enthalten. Das heißt, die Lernenden können entsprechend ihres Wissensstandes, den Lernzielen und ihres Lerntyps das Material auswählen. Besonders bei großen Videosequenzen wird oft oberflächlich gelernt. Zwi- Friedhelm Küppers Hochschule Hannover 2
schengeschaltete Abfragen, Lückentexte zum Video u.ä. wirken dem entgegen, da sie den Lernenden Feedback zu ihrem Lernstand geben. 2. Ergebnissicherung: Auch wenn die aufgeführten Punkte in der Selbstlernphase berücksichtigt wurden, können Studierende zum Teil nicht sagen, wo sie im Lernstoff stehen bzw. wissen die Lehrenden nicht, wie das Wissensniveau der Gruppe ist. Hier kann eine der Vertiefung vorgeschaltete Ergebnissicherung ein Feedback ermöglichen und so einen guten Übergang von der Selbstlernphase in die vertiefende Übung gewährleisten. In dieser Phase, die je nach Fachinhalt und umfang 20 bis 40 Minuten umfassen kann, sollten anhand von Leitfragen wichtige Ausschnitte des Lernstoffes reflektiert werden. Als Methoden können hier z.b. Peer Instruction, Think-Pair-Share oder ein Poster Walk eingesetzt werden. Peer Instruction und Think-Pair-Share können durch Audience Response Systeme (Abstimmungstools) wie z.b. eduvote, ArsNova, evoting in Moodle oder TurningPoint unterstützt werden. Eine weitere Methode, die in dieser Phase genutzt werden kann, ist ein abgewandeltes Just-In-Time-Teaching (JITT). Die aufgeführten Methoden werden in eigenen didaktischen Leitfäden beschrieben. 3. Vertiefung: Um die Motivation aus der Selbstlernphase und die Aktivierung der Studierenden mit in die Vertiefung zu übernehmen, sollte in dieser Phase keine Vorlesung stattfinden, sondern Gruppenübungen oder Fachdiskussionen erfolgen. Ein besonderer Punkt ist hierbei die Gruppengröße. Gruppenübungen bei großen Kohorten stellen die Organisation dieser Phase und Unterstützung im Lernprozess vor besonderen Herausforderungen. Im Sinne der Aktivierung der Studierenden könnten die Arbeitsgruppen von studentischen Mentoren begleitet und Lösungen in Moodle hinterlegt werden. Zum Abschluss der Vertiefungsphase kann ein Lehrgespräch mit den Studierenden stattfinden, die mit den Übungen noch Probleme haben 4. Organisation des IC-Prozesses: die Akzeptanz des Inverted Classroom Prozess durch die Studierenden ist von Bedeutung für den Erfolg, besonders, da ein IC-Prozess aus der vereinfachten Sichtweise heraus ein Mehraufwand für die Studierenden bedeutet. Um die Akzeptanz zu steigern, ist neben motivierendem Lernmaterial und vertiefenden Übungen, eine gute Organisation und Kommunikation des Lernprozesses in Hinblick auf die Transparenz von Lernzielen und Vorgehen erforderlich. Eine Organisation des Prozesses über Moodle ermöglicht den Studierenden über die Moodle-App, alle Informationen zu Terminen etc. zeitnah per Push-Nachrichten auf dem Smartphone zu erhalten. Innerhalb der Präsenzphase ist es wichtig, eine Vorlesungssequenz mit Wiederholungen zu vermeiden. Weiterhin sollten die Studierenden im Prozess als Experten eingebunden sein. Friedhelm Küppers Hochschule Hannover 3
Sequenziell/Explorativ Video/Audio/Text Testfragen Feedback/Reflexion Zusatzmaterial Video Annotation Lernmaterial in Moodle Welche Form des Lernmaterials gewählt und damit auch welche Möglichkeiten in Moodle genutzt werden können, hängt vom Fach, der speziellen Situation und den vorhandenen Moodle- Aktivitäten ab. In der folgenden Tabelle wird eine kleine Auswahl zusammengestellt mit der unterschiedliche Lernmedien bereitgestellt werden können. Kriterien zur Auswahl der jeweiligen Aktivität hinsichtlich Motivation und Lernerzentrierung könnten folgende Punkte sein: Sequenziell/Explorativ: das Lernmaterial sollte in einer didaktisch sinnvollen Reihung sequenziell bzw. explorativ nach dem eigenen Vorwissen bzw. den inhaltlichen Erfordernissen bearbeitet werden können. Video/Audio/Text: Online-Lernmedien sollten die unterschiedlichen Lerntypen berücksichtigen und daher verschiedene Lernobjekte (Text, Video, Audio, etc.) bereitstellen. Übungen: Übungen regen zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Lernstoff an und wirken somit aktivierend. Feedback/Reflexion: Feedback und Reflexion des Lernprozesses sind für Lehrende und Lernende gleichermaßen wichtig. Sie dienen zur Steuerung des Lernprozesses und ebenfalls zur Aktivierung und Motivierung der Lernenden. Zusatzmaterial: Besonders im explorativen und/oder forschenden Lernprozess ist es wichtig, den Lernenden weitere Lernmöglichkeiten zu eröffnen und z.b. alternatives Lernmaterial bzw. Hinweise dazu zur Verfügung zu stellen. Videoannotation: wie schon im ersten Abschnitt beschrieben, kann es gerade bei längeren Videos zur Nachhaltigkeit der Wissensaneignung sinnvoll sein, Fragestellungen, kleine Übungen, etc. in die Videos einzuarbeiten. Ein weiterer Punkt wäre auch den Lernenden die Möglichkeit zu bieten, Fragen an bestimmten Stellen im Video anzuheften. Einzelaktivitäten mit Abschlussverfolgung und Voraussetzung X X X X X 1) Buch 2) X 3) 3) X - Lektion X X X X X - Lernmodule z.b. Storyline über Lernpakt X X X X X X 4) H5P X X X X 3) X 4) 1) Nur in Verbindung mit z.b. H5P 2) Über die Gliederung 3) Nur in Verbindung mit anderen Aktivitäten 4) Geht meines Wissens bisher nur für Lehrende bei der Content-Erstellung. Friedhelm Küppers Hochschule Hannover 4
Organisation der Durchführung mit Moodle Neben den Moodle Aktivitäten, über die das Lernmaterial bereitgestellt werden kann, bietet Moodle eine Vielzahl von Tools, die im IC-Prozess eine organisatorische bzw. lernbegleitende Rolle übernehmen können. Im Einzelnen werden hier exemplarisch einige Möglichkeiten aufgelistet. Moodle Kalender: Termine wie Start der Selbstlernphase, Start und Ende möglicher JITT- Aufgaben. evoting: In der Phase der Ergebnissicherung können über evoting (Alternativen eduvote, Pingo, ArsNova) Abstimmungen erfolgen bzw. evoting kann im Rahmen eines Peer Instruction oder Thin-Pair-Share eingesetzt werden. Test: JITT-Aufgaben können im Test abgebildet werden Forum: Um eine Diskussion in Arbeitsgruppen bzw. dem Gesamtkurs zu ermöglichen, sollte ein Forum eingerichtet werden. Hier ist jedoch zu beachten, dass das Forum eingeführt und begleitet werden muss, da sonst die Beteiligung sehr gering ist. Bewertung: in Kombination mit den JITT-Aufgaben oder Übungsaufgaben im Lernmaterial Feedback: Feedback zu fertigen Übungen oder zum Veranstaltungsverlauf Moodle-App: die Moodle-App ermöglicht die obenstehenden Moodle-Aktivitäten in der Organisation zu bündeln und auf dem Smartphone abzubilden. Friedhelm Küppers Hochschule Hannover 5