Medikamentöse Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms



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UPDATE: FORTGESCHRITTENES MAMMAKARZINOM 45 Medikamentöse Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms Thalia Erbes, Elmar Stickeler, Senologie, Universitätsfrauenklinik Freiburg Die medikamentöse Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms ist primär palliativ intendiert, hat aber dessen ungeachtet in den vergangenen Jahren auch zu einer Überlebensverlängerung beigetragen. Der Beitrag stellt das aktuelle therapeutische Armamentarium beim fortgeschrittenen Mammakarzinom auf Basis einer endokrinen Therapie, Chemotherapie und zielgerichteten Behandlung vor. Bei etwa 20 30 % der Patientinnen mit einem Mammakarzinom treten trotz der heutigen modernen adjuvanten Behandlungen lokoregionäre Rezidive oder Fernmetastasen auf. Die Betroffenen stellen damit aufgrund der optimierten Vorbehandlungen eine schwieriger zu behandelnde Gruppe von Patientinnen dar. Die mediane Überlebenszeit beim metastasierten Mammakarzinom beträgt 18 bis 24 Monate und ist abhängig vom Tumorsubtyp, der Lokalisation und dem Ausmaß der Metastasierung. Prinzipiell stellt die Metastasierung eine inkurable Situation dar [1]; allerdings zeigen inzwischen einzelne zytotoxische Kombinationstherapien und innovative Konzepte neben einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) auch eine Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS) [2]. Die Ziele der Behandlung umfassen in der palliativen Situation die möglichst lange Krankheitskontrolle mit Erhalt der Lebensqualität und der Organfunktionen sowie Symptomfreiheit. Die Kriterien zur Therapiefindung sollten krankheitsadaptiert und individualisiert sein und richten sich nach den Erwartungen der Patientin, dem vorrangigem Beschwerdebild, dem Allgemeinzustand, der Tumorbiologie, der Vorbehandlung sowie dem vorherigen Ansprechen [3]. Folgende prognostische und prädiktive Fak- Quelle: BSIP_JOUBERT_RF Your Photo Today: 03/2013 ONKOLOGIE heute

46 UPDATE: FORTGESCHRITTENES MAMMAKARZINOM toren sollten in die Therapieentscheidung einfließen: Hormonrezeptorstatus, HER2-Status, vorheriges Ansprechen auf eine chemoendokrinen Therapie sowie die Lokalisation und Ausdehnung der Metastasierung [4]. Endokrine und endokrinzielgerichtete Therapien Behandlungssequenz nach adjuvantem TAM Behandlungssequenz nach adjuvantem AI Prämenopausaler Status GnRH + TAM (1. Wahl) Tamoxifen Ovarialsuppression GnRH + AI Siehe oben./. Die endokrine Therapie stellt in der metastasierten Situation des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms die Therapie der Wahl dar. Sie ist allerdings bei akut lebensbedrohlicher Erkrankung mit hohem Remissionsdruck und Vorliegen einer Hirnmetastasierung nicht indiziert. Da es in bis zu 18 % der Fälle durch eine Diskrepanz des Rezeptorstatus zwischen Primarius und Metastase zu einer Änderung der Behandlungsstrategie kommen kann, sollte, wenn möglich, eine Biopsie der Metastasen zur Evaluierung der Tumorbiologie vorgenommen werden [5]. Bei 60 % der Patientinnen unter endokriner Behandlung sind Remissionen zu erwarten. Die Therapie wird bis zur Progression fortgesetzt, dann auf weitere alternative endokrine Substanzen umgestellt. Erst nach Ausschöpfung aller endokrinen Maßnahmen oder bei Nichtansprechen sollte auf ein anderes Therapieprinzip umgestellt werden. Eine kombinierte chemoendokrine Therapie wird nicht empfohlen, da diese mit einer gesteigerten Toxizität ohne Effektivitätsverbesserung (PFS oder OS) assoziiert ist [3]. Für die prämenopausale Patientin stellt Tamoxifen in Kombination mit GnRH-Analoga die Therapie der Wahl mit einem deutlichen Überlebensvorteil gegenüber der Monotherapie mit Tamoxifen dar (HR 0,78, p=0,02) [6,10]. Eine weitere Möglichkeit bietet die alleinige Ovarialsuppression (GnRH, Ovarektomie) oder Tamoxifengabe. Bei Progress der Erkrankung kann ein Aromatasehemmer in Kombination mit einem GNRH-Analogon eingesetzt werden [10]. In der Postmenopause stehen mit den Aromatasehemmern (AI) der 3. Generation (Anastrozol, Letrozol als nicht steroidale AI und Exemestan als steroidaler AI), Tamoxifen und dem Östrogenrezeptorantagonisten Fulvestrant (500 mg) drei potente Substanzgruppen zur Verfügung. Allerdings ist die adjuvante Vorbehandlung entscheidend. Nach Tamoxifen-Therapie sind die Aromatasehemmer die Therapie der Wahl und zeigen in einer Cochrane-Analyse bei über 9.000 Patientinnen einen signifikanten Vorteil Postmenopausaler Status AI (3. Generation) 1. Wahl TAM (vs. kein TAM) Fulvestrant 500 mg 1. Linie: AI 3. Generation 2. Linie: Fulvestrant 500 mg AI + Everolimus 1. Linie: TAM Fulvestrant 500 mg AI + Everolimus (Rez. < 12 Monate) 2. Linie: Fulvestrant 500 mg AI + Everolimus (Rez. > 12 Monate) Tab. 1: Endokrine Behandlungsoptionen des metastasierten Mammakarzinoms mit höchstem Evidenzniveau bezüglich des OS, des klinischen Benefits und der Ansprechraten [7]. Für die zunehmende Zahl der Frauen, die bereits einen AI in der Adjuvanz erhalten haben, stellen Tamoxifen und Fulvestrant die Medikamente der Wahl dar. Bei Progression unter endokriner Behandlung können die zur Verfügung stehenden Substanzen in adaptierter Sequenz eingesetzt werden (Tab. 1). In der Second-line- Situation zeigt hierbei Fulvestrant (500 mg alle 4 Wochen i.m. appliziert) gegenüber einer Dosierung von 250 mg (CONFIRM-Studie), aber auch gegenüber den Aromatasehemmern (FIRST-Studie) eine deutliche Überlegenheit hinsichtlich des PFS. Für die HER2/neu-negative, Hormonrezeptor-positive Patientin steht mit dem oralen mtor-inhibitor Everolimus in Kombination mit Exemestan eine innovative, zielgerichtete Therapie zur Verfügung wenn ein steroidaler AI versagt hat. mtor ist eine intrazelluläre Serin/Threoninkinase, die zentrale Aufgaben bei Zellwachstum, Neoangiogenese und Zellmetabolismus übernimmt. Sie ist in die Signalwege von p-akt, PI3K, HER2 und PTEN eingebunden, die in bis zu 40 % fehlreguliert/mutiert sein können. Die Daten der BOLERO-2-Studie zeigten im 18-Monats-Follow-up für die Kombination Exemestan/Everolimus gegenüber Exemestan plus Plazebo einen Vorteil des PFS von 11,0 vs. 4,1 Monaten (HR 0,38, p<0,001) (Abb. 1). Dabei kann bei einem Rezidiv innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung der adjuvanten endokrinen Therapie mit einem non-steroidalen AI eine Erstlinientherapie mit dieser innovativen Kombination durchgeführt werden; weitere Einsatzmöglichkeit ist Zweitlinientherapie bei Therapieversagen der First-line-Behandlung mit einem nicht-steroidalen AI (Tab. 1) [8]. ONKOLOGIE heute 03/2013

UPDATE: FORTGESCHRITTENES MAMMAKARZINOM 47 Chemotherapie nach Piccart M et al. ASCO 2012; Abstract 559 (Poster) Abb. 1: BOLERO-2-Studie (unabhängige Auswertung): medianes PFS bei HER2/neunegativen, Hormonrezeptor-positiven Patientinnen Die Entscheidung zur Wahl der zytotoxischen Therapie erfordert die Berücksichtigung palliativer Gesichtspunkte. Generell stellt eine lebensbedrohliche Progression oder Resistenz mit entsprechendem hohem Remissionsdruck oder aber auch das Vorliegen eines Hormonrezeptorund/oder HER2/neu-negativen Tumors eine Indikation zur Chemotherapie dar. Vorteile liegen in einem im Vergleich zur endokrinen Therapie schnelleren Ansprechen. Prinzipiell stehen mono- oder polychemotherapeutische Regime zur Verfügung, wobei der therapeutische Index eine wichtige Kenngröße zur Therapiefindung darstellt. Dieser beschreibt die Effektivität einer Behandlung in Relation zu den assoziierten Nebenwirkungen und der daraus resultierenden Lebensqualität. Die Monotherapien weisen einen günstigen therapeutischen Index auf und stellen deshalb bei langsamer Progression oder Versagen einer endokrinen Behandlung die Therapie der Wahl dar. Die Polychemotherapien erreichen zwar höhere Remissionsraten und eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls, sind jedoch durch einen deutlich ungünstigeren therapeutischen Index ohne beweisenden Überlebensvorteil im Vergleich zur Monochemotherapie charakterisiert [9]. Grundsätzlich gilt für alle Therapieregime, dass eine kontinuierliche Evaluation des Allgemeinzustandes, der Nebenwirkungen und des Therapieeffektes erfolgen muss. Letzterer sollte alle 2 bis 3 Zyklen beurteilt werden. Bei Progress, ausgeprägter Toxizität oder Verschlechterung des Allgemeinzustandes muss die Therapie abgebrochen und andere Optionen erwogen werden. Die Dauer der Chemotherapie ist ebenfalls vom therapeutischen Index abhängig [3]. Die Wahl des Zytostatikums wird neben dem Remissionsdruck auch durch die vorangegangenen Therapien, die Tumorbiologie, mögliche Kombinationen mit Biologicals, den Gesundheitsstatus, das Alter und die Erwartungen der Patientin bestimmt [10]. In der First-line-Behandlung zählen Anthrazykline und Taxane zu den wirksamsten Substanzen. Das Anthrazyklin stellt dabei für die anthrazyklinnaive Patientin die Substanzgruppe der Wahl dar, da unter dieser Behandlung die höchsten Remissionsraten (35 50 %) erreicht werden können [11,12]. Tab. 2 (S. 48) führt die Substanzen bzw. Kombinationstherapien der Wahl entsprechend den bestehenden Evidenzleveln auf [10]. In Analogie zu den endokrinen Algorithmen muss auch hier die Vorbehandlung berücksichtigt werden. Da bereits in der adjuvanten Situation ein Großteil der Patientinnen mit Anthrazyklinen vorbehandelt wurde, ist eine Reinduktion mit anthrazyklinbasierten Chemotherapeutika durch die potenzielle Kardiotoxizität (kumulative Höchstdosis 450 550 mg/m 2 für Doxorubicin und 900 mg/m 2 für Epirubicin) limitiert, so dass in dieser Situation anthrazyklinfreie Substanzen eingesetzt werden. Mit dem pegylierten, liposomalen oder rein liposomalen Doxorubicin stehen zwei Anthrazykline mit äquivalenter Effektivität zum Doxorubicin (60 mg/m 2 ) bei geringerer Kardiotoxizität in der First-line-Behandlung des metastasierten Mammakarzinom zur Verfügung. Das liposomale Doxorubicin ist nur in Kombination mit Cyclosphosphamid zugelassen, während die pegylierte Form auch als Monotherapie bei erhöhtem kardialem Risiko eingesetzt werden kann [13]. Taxane erzielen in der Erstliniensituation Remissionsraten von 30 42 % [14,15], wobei in einer Metaanalyse ein signifikanter Überlebensvorteil für die wöchentliche Taxolgabe im Vergleich zur dreiwöchentlichen gezeigt werden konnte mit deutlich geringerer Hämatotoxizität [16]. Docetaxel zeigt im Vergleich zu Taxol (q3w) einen wenn auch geringen Überlebensvorteil (15,4 vs. 12,7 Monate), ist jedoch durch ein deutlich stärkeres hämatologisches Toxizitätsprofil gekennzeichnet [17]. Seit kurzem steht auch das Nanopartikel-Albumin-gebundene Paclitaxel (nab-paclitaxel) zur Verfügung. Es hat im Vergleich zu Pacli- 03/2013 ONKOLOGIE heute

48 UPDATE: FORTGESCHRITTENES MAMMAKARZINOM taxel q3w signifikant bessere Ansprechraten und ein verbessertes PFS [18]. Zudem entfallen durch das Fehlen der sonst notwendigen Lösungsvermittler die damit verbundenen allergischen Reaktionen. Nab-Paclitaxel ist für die Zweitlinientherapie von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom zugelassen, bei denen eine Anthrazyklintherapie nicht indiziert ist. Nach Anthrazyklin- und Taxanvorbehandlung stehen verschiedene Substanzgruppen wie z.b. Capecitabin, Vinorelbin, pegyliertes liposomales Doxorubicin und Eribulin zur Verfügung. Eribulin, ein nicht taxanbasierter Inhibitor der Mikrotubuli-Polymerisation, ist für stark vortherapierte Patientinnen zugelassen, die mindestens zwei vorangegangene taxan- und anthrazyklinhaltige Chemotherapien in der metastasierten Situation erhalten haben. In einer Phase-III-Studie (EMBRACE) konnte ein signifikanter Überlebensvorteil im Vergleich zur einer frei gewählten Standardtherapie gezeigt werden (13,1 vs. 10,6 Monate)[19]. Dosisintensivierte und Hochdosischemotherapien haben bisher keinen Benefit in der metastasierten Situation gezeigt. Ihr Einsatz wird nur unter Studienbedingungen empfohlen [10]. Monochemotherapie Anthrazykline (Doxorubicin, Epirubicin liposomales Doxorubicin) Docetaxel (q3w), Paclitaxel (q1w) nach A-Vorbehandlung: Docetaxel (q3w) Paclitaxel (q1w) Capecitabin 1.Wahl Nab-Paclitaxel nach A+T Vorbehandlung: Capecitabin Eribulin Vinorelbin Zielgerichtete Therapien Für HER2/neu-positive Mammakarzinome stehen mehrere zielgerichtete und innovative Therapieoptionen zur Verfügung. Essentiell ist der Nachweis der HER2/neu-Überexpression durch Immunhistochemie bzw. FISH- oder CISH-Test [10]. Trastuzumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an die extrazelluläre Domäne des HER2-Moleküls bindet, und die HER2/neu-abhängige Signaltransduktion inhibiert, die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität aktiviert und ein Abspalten von HER2 von der Zelloberfläche verhindert. Die Verträglichkeit von Trastuzumab ist insgesamt gut, wobei eine meist reversible Kardiotoxizität mit Verminderung der Pumpfunktion die Hauptnebenwirkung darstellt. Daher wird eine echokardiographische Kontrolle der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) empfohlen [10]. Wie in der Adjuvanz ist eine wöchentliche wie dreiwöchentliche Applikation möglich. Durch den Einsatz als Monotherapeutikum oder durch Kombination mit einer zytotoxischen, aber auch endokrinen Therapie wird die Überlebenszeit in der Metastasierung signifikant verlängert [2]. Polychemotherapie Anthrazyklin (A)+Taxan (T) nach A-Vorbehandlung: Taxan + Gemcitabin (F) + Anthrazyklin + Cyclophophamid A lip + C Tab. 2: Mono- und Polychemotherapien für HER2/neu-negative Tumoren in der Erstlinienbehandlung mit höchstem Evidenzniveau Bei positivem Hormonrezeptorstatus und gleichzeitiger HER2/neu- Überexpression kann eine Kombinationstherapie mit einem Aromatasehemmer und Trastuzumab gewählt werden. Die TAnDEM-Studie zeigte, dass durch die zusätzliche Gabe von Trastuzumab zur antihormonellen Therapie die mittlere progressionsfreie Überlebenszeit verdoppelt werden kann (2,4 vs. 4,8 Monate; p=0,0016) [20]. Grundlage hierfür ist der Cross-talk zwischen dem Östrogenreptor und dem HER2-Signalweg, der für endokrine Resistenz bei HER2-neu-Überexpression verantwortlich ist [11]. Diese Studiendaten führten zur Zulassung von Trastuzumab in Kombination mit einem Aromatasehemmer bei postmenopausalen Hormonrezeptor-positiven metastasierten Patientinnen, die noch nicht mit Trastuzumab behandelt wurden. Aktuell wird Trastuzumab als Monotherapie nur nach zytostatischer Vorbehandlung (mindestens zwei Chemotherapieregime in der metastasierten Situation) im Rahmen einer Erhaltungstherapie empfohlen. Generell besteht nämlich ein synergistischer Effekt mit zahlreichen Chemotherapeutika und einer daraus resultierenden signifikanten verbesserten Effektivität. Die optimalen Kombinationspartner in der Erstlinienbehandlung stellen Taxane, Paclitaxel/Carboplatin und Vinorelbin dar [10]. Mehrere Phase-II-Studien belegen für die Kombinationstherapien von Trastzumab mit anderen Chemotherapeutika, wie Capecitabin, Platinderivaten, liposomalem Doxorubicin und Gemcitabin ebenfalls ein verbessertes Gesamtüberleben im Vergleich zur Monochemotherapie [11]. Bei Trastuzumab-Versagen, d.h. bei bereits vorbehandelten Patientinnen oder Progress unter primärer Kombinationstherapie existieren evidente Daten zur Fortführung der ONKOLOGIE heute 03/2013

UPDATE: FORTGESCHRITTENES MAMMAKARZINOM 49 Trastuzumab-Therapie in Kombination mit Capecitabin als treatment beyond progression. Die Phase-III-Multicenterstudie zeigte hier im Vergleich zur Capecitabin-Monotherapie ein signifkant verlängertes PFS (8,2 vs. 5,6 Monate) zugunsten dieses Konzeptes [21]. Für schwer vorbehandelte Patientinnen mit Trastuzumab-Versagen stellt die reine zielgerichte Behandlung durch die Kombination von Trastuzumab mit Lapatinib ebenfalls eine evidente Alternative dar [22]. Lapatinib ist ein oraler Tyrosinkinaseinhibitor, der an die intrazelluläre HER2-Domäne bindet und auf diese Weise die Signaltransduktion blockiert. Die Interimsanalyse einer Phase-III-Studie mit Anthrazyklin, Taxan und Trastuzumab vortherapierten progredienten Mammakarzinom-Patientinnen erbrachte eine Verdopplung der PFS für die Kombinationstherapie von Lapatinib mit Capecitabin im Vergleich zu Capecetabin-Monotherapie (8,4 vs. 4,4 Monate) [23]. Für diese Kombinationstherapie liegt in der Secondline-Behandlung nach Trastuzumab- Versagen die Zulassung vor. Das Vorgehen bei Progression unter Lapatinib-Therapie ist aufgrund der spärlichen Datenlage nicht eindeutig zu beantworten. Einzelne Studien sehen eine Effizienz für die Re-Induktion mit Trastuzumab. Allerdings ergeben sich durch die neuesten Entwicklungen mögliche weitere Alternativen: Hier ist der neue monoklonale Antikörper Pertuzumab zu nennen. Er bindet an eine differente Domäne als Trastuzumab und agiert dort als HER2-Dimerisierungs-Inhibitor, der zudem wie das Trastuzumab die HER2-abhängige Signaltransduktion blockiert und ebenfalls die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) aktiviert. In der CLEOPATRA-Studie, die als Firstline-Phase-III-Studie konzipiert war, Anteil progressionsfreier Patienten 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 0 wurde als dualer HER2/neu-Inhibitionsansatz Pertuzumab in Kombination mit Trastzumab und Docetaxel vs. Docetaxel und Trastuzumab getestet. Die dualen Blockade des HER2/neu- Rezeptors zeigte nach einem medianen Follow-up von 30 Monaten eine signifikante Verlängerung des mittleren progressionsfreien Intervalls von 6,3 Monaten (18,7 vs. 12,4, HR 0,69; p<0,0001). Bezüglich des Gesamtüberlebens ergab sich ebenfalls ein signifikante Verbesserung, wobei hier der Median für die duale Kombination noch nicht erreicht wurde. Die Zulassung für Europa durch die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) wurde am 5. März 2013 in der genannten Kombination erteilt [24]. Einen weiteren innovativen HER2/neu-gerichteten Therapieansatz stellt das Antikörper-Wirkstoff- Konjugat T-DM1 (Trastuzumab Emtansin) dar. Die Kombination aus selektiver HER2-Blockade durch Trastuzumab und Freisetzung des Chemotherapeutikums, ein Derivat von Maytansin, in der Tumorzelle wurde in der EMILIA-Studie als Secondline-Therapie des HER2/neu-positiven Mammakarzinoms nach Vorbehandlung und Therapieversagen mit Trastuzumab und Taxan gegen Median Anzahl (Monate) Ereignisse Cap + Lap 6,4 304 T-DM 1 9,6 265 Stratifizierte HR=0,650 (95 % Kl: 0,55-0,77) p < 0,0001 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Zeit (Monate) Abb. 2: EMILIA-Studie: Das mediane PFS, erster koprimärer Endpunkt, ist in der T-DM1-Gruppe signifikant länger als in der Kontrollgruppe (unabhängige Auswertung) (Cap: Capecitabin, Lap:Lapitinib, T-DM1: Trastuzumab Emtansin) die Kombination Lapatinib plus Capecitabin als zugelassene Standardtherapie evaluiert. Die Analysen zeigten einen signifikanten Benefit hinsichtlich des PFS (9,6 vs. 6,4 Monate; HR=0,65; p<0,001) und auch OS (30,9 vs. 25,1 Monate; HR=0,682; p=0,0006) für T-DM1 im Vergleich zum Standardarm. Auch im Bezug auf das Nebenwirkungsprofil war T-DM1 der Kombinationstherapie deutlich überlegen [25]. Für diese Substanz wird eine Zulassung in Europa für 2013 erwartet. Für das HER2/neu-negative Mammakarzinom sind die Möglichkeiten der zugelassenen zielgerichteten Therapien deutlich limitierter. Das Konzept der mtor-inhibition wurde bereits vorgestellt. Der monoklonale Antikörper Bevacizumab ist spezifisch gegen den zirkulierenden vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF gerichtet, der bei der Neoangiogenese proliferierender Tumoren von Bedeutung ist. In der Erstlinienbehandlung des metastasierten Mammakarzinoms kann die zusätzliche Gabe von Bevacizumab zu Paclitaxel oder Capecetabin zu erhöhten Ansprechraten und zur Verlängerung des PFS führen [10]. Insbesondere adjuvant mit 30 03/2013 ONKOLOGIE heute

50 UPDATE: FORTGESCHRITTENES MAMMAKARZINOM Taxanen vortherapierte Patientinnen scheinen hiervon zu profitieren [11]. Ein Benefit bei späterem Einsatz von Bevacizumab ist derzeit nicht belegt [10]. Hauptnebenwirkung ist die Hypertension sowie ein erhöhtes Blutungsrisiko [11]. Bisphosphonate und Denosumab Die häufigste Metastasenlokalisation sind in 65 75% der Fälle die Knochen. Neben einer dem Risikoprofil der Metastasierung adaptierten, individuellen endokrinen oder zytotoxischen Behandlung, gegebenenfalls in Kombination mit einer zielgerichteten Therapie, werden in dieser Situation Bisphosphonate und neuerdings auch Antikörper gegen den RANK(receptor-activator of nuclear factor kappa B)-Liganden eingesetzt. Ziel ist es, durch diese Behandlung skelettale Komplikationen (pathologische Fraktur, Verringerung der Notwendigkeit operativer oder strahlentherapeutischer Maßnahmen), eine Hyperkalzämie und Knochenschmerzen zu verringern [10]. Die Therapie sollte auch nach Progression weiter fortgeführt werden [10]. Für die Bisphosphonate sind Clodronat (1600 mg/die), Ibandronat (50 mg/die) per os zugelassen, Prof. Dr. med. Elmar Stickeler Senologie Universitätsfrauenklinik Freiburg 79106 Freiburg elmar.stickeler @uniklinikfreiburg.de Wachstumsfaktoren, Hormone, Zytokine OPG (Osteoprotegerin) RANK-Ligand RANK RANK-Ligand Osteoblast OPG während als intravenöse vierwöchentliche Infusionen Clodronat (1500 mg), Pamidronat (90 mg), Ibandronat (6 mg) und Zoledronat (4 mg) zugelassen sind. Durch eine große Phase-III-Studie konnte im direkten Vergleich mit Zoledronsäure der subkutan applizierte RANK- Ligand-Antikörper Denosumab (120 mg alle 4 Wochen) eine signifikante Reduktion der skelettassoziierten Er- eignisse sowie die Verlängerung des Intervalls bis zum Auftreten der ersten skelettalen Komplikationen zeigen [26]. Der Antikörper bindet den RANK-Liganden RANKL), der eine wesentliche Rolle in der Osteoklastenaktivierung einnimmt und damit Knochenabbau induziert (Abb. 2). Neuere Daten demonstrieren, dass möglicherweise eine Umstellung von Bisphosphonaten bei Progression auf Denosumab einen günstigen Effekt auf den weiteren Krankheitsverlauf haben könnte. Für beide Substanzen müssen als potenzielle Nebenwirkungen die Kieferosteonekrose (<2 %) und Akute-Phase-Reaktionen mit grippeähnlichen Symptomen (10 30 %) genannt werden. Für die intravenös applizierten Bisphosphonate sind Nierenfunktionsstörungen beschrieben, sodass bei Patientinnen Knochen CFU-M Osteoblast vor der Fusion mehrkerniger Osteoblast reifer Osteoblast Abb. 2: Der RANK-Ligand (RANKL) spielt eine wesentliche Rolle in der Osteoklastenaktivierung und induziert damit den Abbau von Knochensubstanz (CFU-M: colony forming unit macrophage) adaptiert nach Boyle et al., Nature 2003; 423: 337-342 mit eingeschränkter Nierenfunktion Denosumab eine verträgliche Alternative darstellt. Fazit: Die medikamentöse Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms basiert auf den Prinzipien der Palliation, hat allerdings in den letzten Jahren zu einer Verlängerung der Überlebenszeiten führen können. Das Armamentarium der Optionen umfasst die endokrine, Chemound zielgerichtete Therapie. Therapie der Wahl für das Hormonrezeptor-positive Mammakarzinom ist die endokrine Behandlung, die inzwischen durch eine zielgerichtete mtor-inhibition in der Zweitlinienbehandlung ergänzt werden kann. Die Chemotherapie wird vor allem bei hohem Remissionsdruck und Hormonrezeptor-Negativität eingesetzt. Wenn möglich, ist wegen des therapeutischen Index die Monochemotherapie zu präferieren. Das am besten definierte und therapeutisch beeinflussbare Target ist der HER2/neu-Rezeptor. Als innovatives Konzept steht die duale Inhibition durch die beiden monoklonalen Antikörper Trastuzumab und Pertuzumab in der First-line-Therapie ab sofort zur Verfügung. Die Zulassung für das Antikörper-Wirkstoff Konjugat T-DM1 für die Second-line-Behandlung wird in Kürze erwartet. Für die ossäre Metastasierung steht neben den klassischen Bisphosphonaten der RANKL-Antikörper Denosumab zur Verfügung. Literatur: www.onkologie-heute.info ONKOLOGIE heute 03/2013