Sprachliche Bildung Mehrsprachigkeit in der Kita Berlin, DJI-Jahrestagung 2016 Ganz ähnlich ganz anders.

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Transkript:

Sprachliche Bildung Mehrsprachigkeit in der Kita Berlin, DJI-Jahrestagung 2016 Ganz ähnlich ganz anders. Prof. in Dr. Anke König Deutsches Jugendinstitut e.v., München

Thesen Sprache ist verwoben mit Partizipation und Teilhabe an der Kultur. In der Kita darf keine Sprache ausgeblendet werden. 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 2

Grundverständnis sozialer Identifikation Intuitives imitieren von Gesten und Mimik zwischen 12 und 21 Tagen Aufbau von Empathie und Verständnis für andere 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 3

Grundverständnis von anderen und sich selbst als handelnde Subjekte: Zeigen - Joint attention Entwickelt sich zwischen 9-15 Monaten Gilt als Ausgangspunkt für kulturelles Lernen mittels: Kooperation und geteilter Aufmerksamkeit 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 4

Sich die Welt zu eigen machen Zeigen ist der Ursprung der menschlichen Kommunikation (Michael Tomasello) Damit rückt die Agency der Kinder in den Mittelpunkt der Pädagogik das Kind wird als Akteur bzw. Akteurin seiner Entwicklung wahrgenommen. 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 5 5

Wortschatz (28 Monate) Volitionskategorie z.b. wünschen: 96% Physiologie z.b. müde: 69% Perzeptuelle Begriffe z.b. fühlen: 64% Emotionsbegriffe z.b. traurig: 46% Kognitive Prozesse z.b. denken: 28% Zweistufiger Entwicklungspfad der Sprache: Wünsche vor Überzeugungen Quelle: zit. nach Sodian et al. 2014 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 6

Soziale Kognition und Sprachentwicklung Die Beziehung zwischen der sozialen Kognition und Sprache ist bei Kindern also keine Einbahnstraße. Sie benötigen bestimmte sozial-kognitive Fähigkeiten, um eine Sprache zu erwerben. Ihre Beteiligung an sprachlicher Kommunikation führt aber wiederum dazu, dass sie neue sozial-kognitive Fähigkeiten ausbilden. Man kann den Spracherwerb somit als Ausdruck der grundlegenden Dialektik betrachten, nach der Kinder biologisch für die Teilhabe an Kultur vorbereitet sind, aber ihre Teilhabe an Kultur deren Werke ja das Können, die Einstellungen und die Sichtweisen anderer Menschen verkörpern schließlich ihre kognitiven Fähigkeiten auch zu neuen Ufern führt. Quelle: Tomasello 2008, 31 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 7

Translanguaging Knüpfen an der Agency der Kinder an Im Fokus steht die gelebte Mehrsprachigkeit und damit die subjektive Weltaneignung Der natürliche Mehrspracherwerb verläuft dynamisch und komplementär Sprachpragmatik Kinder sprechen quer durch Sprachen hindurch in Abhängigkeit vom sozialen Kontext Herausforderung: Überformung der Mehrsprachigkeit durch monolinguale Bildungswelten Quelle: Panagiotopoulou, Agyro (2016). Mehrsprachigkeit in der Kindheit. Perspektiven für die frühpädagogische Praxis. Weiterbildungsinitiative frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Expertisen, Band 46. München 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 8

Vignette Britta: Ja, davon gehen wir aus, denn die müssen sich ja auch zuhause verständigen, dies kann ja nicht nur so ein Kauderwelsch sein. Zuhause die Muttersprache und hier deutsch. Da vergeht ja kein Tag fast, wo wir das nicht mal den Eltern, auch nicht mal kurz in der Garderobe kurz ein Gespräch im Vorbeigehen ( ) zuhause bitte Muttersprache, hier sprecht ihr jetzt deutsch, ja ja. (Einrichtung in Deutschland) Quelle: Panagiotopoulou, Agyro (2016). Mehrsprachigkeit in der Kindheit. Perspektiven für die frühpädagogische Praxis. Weiterbildungsinitiative frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Expertisen, Band 46. München, S. 22 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 9

Herausforderungen Überwinden von: Mehrsprachigkeit als Risikofaktor Sprachliche Bildung begrenzt auf Deutschförderung 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 10

Mehrsprachigkeit Kinder mit Migrationshintergrund sind nicht qua Mehrsprachigkeit der Gefahr einer beeinträchtigten kognitiven Entwicklung ausgesetzt (Grantefort & Roth 2010; Haberzettl 2014; Panagiotopoulou 2016) Bildungssprache: Konzeptionelle Schriftlichkeit ist für L1 und L2 Lerner eine Herausforderung. Gruhn & Haberzettl (2013) finden keinen Unterschiede anhand von Schreibaufgaben zu verschiedenen Textsorten ähnliche Befunde bei (Siekmeyer 2013; Petersen 2013; Schindler-Siebert- Ott 2011) Mehrsprachigkeit kann den Erwerb der konzeptionellen Schriftlichkeit unterstützen (Varietätenreichtum) (Ossner 2008) Vielfalt der Mehrsprachigkeit (Chilla & Haberzettl 2014) Zeitökonomisches Problem ( Spracherosion) Herausforderung: Erkennen von Sprachförderbedarf bei mehrsprachigen Kindern (Chilla 2014) 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 11

Expertengruppe WW: Inklusive Sprachliche Bildung A Handlungsfeld Gruppe A1 Wohlbefinden aller Kinder in der Kita sicher stellen A2 Jedes Kind in der Vielfalt seiner sprachlichen Kompetenzen wahrnehmen, wertschätzen und anerkennen A3 Jedes Kind in seinem kommunikativen Handeln beobachten, dokumentieren, einschätzen und im Sinne von Inklusion weiter verfolgen A4 Die Inklusive Sprachliche Bildung gemäß der Interessen der Kinder planen und die Gruppenaktivitäten hierauf beziehen A5 Als Gesprächspartner und angemessenes sprachliches Modell agieren A6 Kommunikation bei und zwischen den Kindern anbahnen, ihre Fortsetzung anregen und unterstützen sowie weitere Kinder einbeziehen A7 Adaptive Unterstützung der Sprach(en)aneignung der Kinder A8 Regelmäßige sprachbildende Aktivitäten durchführen und auf den Einbezug einzelner Kinder achten A9 Literacy im Alltag anbahnen A10 Im Alltag auf Anzeichen verzögerter oder gestörter Sprach(en)aneignung reagieren A11 Verschiedene Sprachstandserhebungsverfahren kennen, anwenden, auswerten und interpretieren können 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 12

Fazit Sprach(en)aneignung ist sozial motiviert (Zusammenhang von Sprachaneignung und sozialer Kognition) Zeigen ist der Ursprung menschlicher Kommunikation und Ausgangspunkt für kulturelles Lernen (geteilte Aufmerksamkeit, geteilte Interessen) Sprachen sind Teil unserer Identität und Repertoire für Weltaneignung Monolingual geprägte Einrichtungen sind herausgefordert sprachliche Bildung daran auszurichten Teilhabe und Partizipation an der Kultur hat einen sozialen Ursprung und führt über Sprachaneignung zu einem vertieften Verständnis 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 13

besten Dank! 30.11.2016 DJI-Jahrestagung 2016 Seite 14