Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung IW-Immobiliensymposium in Berlin Dr. Ralph Henger

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Transkript:

Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung 14.6.2018 IW-Immobiliensymposium in Berlin Dr. Ralph Henger

Agenda 1 Fehlanreize und Zielkonflikte des ländlichen Raums 2 Gespaltene Republik: Demografie und Wohnungsbedarf 3 Aktuelle Wohnungspolitik (und ihre Fehler) 4 3 mögliche Ansätze: Jung kauft alt, Flächenhandel und Bürgerfonds 5 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 2

Hintergrund: Wohnungspolitik ist (wieder) wichtig Zentrale Themen bis 2010: Schrumpfung, Alterung der Gesellschaft, Stadtumbau etc. Seither: durch starke Binnen- und Zuwanderung (und niedrige Zinsen) steigen Mieten und Preise in den Ballungszentren stetig und belasten zunehmend private Haushalte, Gravierender Wohnungsmangel, insbesondere im Geschosswohnungsbau und bei kleinen Wohnungen Reaktion der Politik: Einführung Mietpreisbremse (2015), Stetige Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, Milieuschutz (in Berlin) etc. Koalitionsvertrag CDU/CSU/SPD 2018: Wenig Ideen, kontraproduktive Maßnahmen (Baukindergeld, Baulandsteuer etc.) Zentral ist jedoch: Ausweitung des Wohnungsbaus (Nachverdichtung, Mobilisierung unbebauter baureifer Grundstücke, Ausweisung neuen Baulandes, Abbau administrativer Hürden und baurechtlicher Kostentreiber etc.) 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 3

Aber die Problemlage auf dem Land hat sich nicht verändert Gespaltene Republik Ländlicher Raum Zu viel Neubau, insbes. Ein- und Zweifamilienhäuser Teilweise steigende Leerstände Überschuss an Bauland, welches teilweise unter Preis angeboten wird Demografischer Wandel / Starke Binnenwanderungen führen zu steigenden Leerständen verödeten Dorfkernen / Innenstädten sinkenden Immobilienpreisen zersiedelten Landschaften steigenden Infrastrukturkosten (pro Kopf) 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 4

Nicht alle Entwicklungen lassen sich steuern Abwanderungsentscheidungen entziehen sich überwiegend politischer Einflussnahme Ländliche Räume haben naturgemäß unterdurchschnittliche Ausstattung Das Ansiedeln neuer Einwohner und Unternehmen gelingt vielerorts kaum, da sich bessere Infrastruktur, Ausbildungsplätze und bessere Arbeitsmarktchancen in den Städten befinden Zentrale Leitfragen Wie lassen sich die Wohnungsmärkte wieder ins Gleichgewicht bringen? Wie lassen sich die Immobilienmärkte schrumpfender Kommunen stabileren? Wie kann vermieden werden, dass die Attraktivität der ländlichen (und strukturschwachen) ländlichen Räume weiter sinkt? Wie lässt sich der ruinöse Wettbewerb unter benachbarten schrumpfenden Kommunen verhindern? Quelle: Siedentop 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 5

doch Fehlanreize führen zu Ineffizienzen im ländlichen Raum Das Ausweisungsdilemma Warum das Ausweisen von Flächen alternativlos erscheint? -> Ruinöser Wettbewerb zwischen den Kommunen -> Dumpingpreise für Bauland Die Kostenfalle Warum der Nutzen neuer Baugebiete überschätzt und die Kosten systematisch unterbewertet werden? -> Kommunen kalkulieren nicht -> Jedes dritte Baugebiet ist unwirtschaftlich Das Baulandparadoxon Warum trotz großer innerörtlicher Potentiale die Siedlungsfläche weiter zunimmt? -> Neubau wird gegenüber Altbau bevorzugt (Grüne Wiese günstiger als Innenentwicklung) Der Bruch des Verursacherprinzips Warum Alteingesessene rebellieren sollten? -> Ein Teil der Kosten neuer Baugebiete wird von der Allgemeinheit getragen Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, www.flächenhandel.de 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 6

Agenda 1 Fehlanreize und Zielkonflikte des ländlichen Raums 2 Gespaltene Republik: Demografie und Wohnungsbedarf 3 Aktuelle Wohnungspolitik (und ihre Fehler) 4 3 mögliche Ansätze: Jung kauft alt, Flächenhandel und Bürgerfonds 5 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 7

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Bautätigkeit hängt Bedarf hinterher Fertigstellungen und Baugenehmigungen seit 1991 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 Nachholbedarf / Bauüberhang 400.000 Prognosen von BBSR, empirica, Pestel, IW 272.000 0 Baugenehmigungen Baufertigstellungen Quelle: Statistisches Bundesamt 2018, Fertiggestellte Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden einschließlich Maßnahmen im Bestand 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 8

(Geschoss-)Wohnungsbau zeigt zu geringe Dynamik Fertigstellungen nach Gebäudearten seit 1995 600.000 500.000 400.000 300.000 MFH: +132 % seit 2010 EZFH: +13 % seit 2010 200.000 100.000 0 Ein-und Zweifamilienhäuser Mehrfamilienhäuser Quelle: Statistisches Bundesamt 2018 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 9

Das IW-Wohnungsbedarfsmodell Demografiebedingter Bedarf Ersatzbedarf Nachholbedarf Bestimmung des zukünftigen altersabhängigen Wohnflächenkonsums auf Individualebene Differenziert nach Wohnungstyp und Region (Quoten zw. 0,14% und 0,22% Prozent p.a.) Vergleich Bautätigkeit und Baubedarf auf Kreisebene der letzten 5 Jahre Veränderung der Bevölkerungszahl und -struktur (auf Kreisebene) Zusatzbedarf Umrechnung Wohnflächenbedarfe in Wohneinheiten (Auf Kreisebene, Fluktuationsreserve 2,5%) Bestimmung des zusätzlichen Wohnungsbedarfs durch erhöhte Zuwanderung Quelle: Demary/Voigtländer (2009), Henger et al. (2013), Deschermeier et al. (2016, 2017), Henger et al. (2017) 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 10

Langfristige Ausweitung des Wohnungsbaus erforderlich 500.000 400.000 385.000 300.000 200.000 159.832 183.110 200.466 214.817 245.325 247.722 277.691 284.816 283.000 262.000 253.000 100.000 0 Bautätigkeit Baubdearf Quellen: Bautätigkeit: Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden einschl. Maßnahmen im Bestand, Statistisches Bundesamt; Baubedarf: IW-Wohnungsbedarfsmodell (Stand: Februar 2017), Deschermeier et al., 2017 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 11

Pro Jahr müssen 385.000 Wohnungen gebaut werden Baubedarf in Deutschland differenziert nach Ursache bis 2020 (in Wohneinheiten) Zusatzbedarf durch erhöhte sonstige Migration 62.100 (16%) Demografiebedingter Bedarf 159.600 (41%) Zusatzbedarf durch Asylsuchende 70.200 (18%) Grundbedarf vor Flüchtlingskrise 252.900 (66 %) Nachholbedarf 21.500 (6%) Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, IW-Wohnungsbedarfsmodell 2017 Ersatzbedarf 71.600 (19%) 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 12

Am Bedarf vorbei und hinterher Gedeckter Bedarf an Wohneinheiten 2011 2015 Bestandsänderungen im Verhältnis zum Wohnungsbedarf Neubau im Bundesdurchschnitt bei 88% der benötigten Wohnungen Ballungszentren und Großstädte In Großstädten lag die Quote oft nur zwischen 40 60% Gravierender Wohnungsmangel, insbesondere im Geschosswohnungsbau und bei kleinen Wohnungen Gründe: Baulandmangel, administrative Hürden, baurechtliche Kostentreiber Ländlicher Raum Zu viel Neubau, insbesondere von Ein- und Zweifamilienhäuser, teilweise steigende Leerstände Gründe: Baulandüberschuss, inneffiziente Flächennutzung Quelle: IW Köln, Karte: ArcGis 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 13

Starke Zuwanderung in die Städte Zuwanderung in kreisfreie Großstädte und die restlichen Kreise 1.250.000 1.000.000 750.000 500.000 250.000 0-250.000 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Kreisfreie Großstädte (n=72) Sonstige Kreise (n=330) Quelle: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Deschermeier et al., 2017 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 14

Junge Menschen schwärmen in die kreisfreien Großstädte Gesamt- und Binnenwanderungssaldo der kreisfreien Großstädte im Jahr 2015 nach Alter 250.000 200.000 150.000 100.000 Ausbildungsmigration Arbeitsmigration 50.000 0-50.000 unter 18 18 bis 25 25 bis 30 30 bis 50 50 bis 65 65 u. älter -100.000 Gesamtwanderung Binnenwanderung Quelle: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 15

Haushalte müssen wieder ins Umland ziehen Binnenwanderung zwischen kreisfreien Großstädten und restlichen Kreisen (im Saldo) 200.000 150.000 100.000 -------- Konzentrationsphase -------- 50.000 0-50.000-100.000-150.000-200.000 ---------- Dekonzentrationsphase ---------- 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Kreisfreie Großstädte (n=72) Sonstige Kreise (n=330) Quelle: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Deschermeier et al., 2017 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 16

Agenda 1 Fehlanreize und Zielkonflikte des ländlichen Raums 2 Gespaltene Republik: Demografie und Wohnungsbedarf 3 Aktuelle Wohnungspolitik (und ihre Fehler) 4 3 mögliche Ansätze: Jung kauft alt, Flächenhandel und Bürgerfonds 5 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 17

Beispiel #1: Einführung des Baukindergeld Familien erhalten bei Ersterwerb einer selbstgenutzten Wohnung je Kind über einen Zeitraum von 10 Jahren jeweils 1.200 Euro pro Jahr Einkommensgrenze: 75.000 Euro pro Haushalt zuzüglich 15.000 Euro je Kind Soll als prioritäre Maßnahme bis zur Sommerpause beschlossen werden Ziel Förderung von Haushalten mit mittleren Einkommen bei der Eigentumsbildung Deutschland ist in Europa Schlusslicht bei der Eigentumsquote (46 Prozent) Kritik Baukindergeld ähnelt der Eigenheimzulage, die 2006 zurecht abgeschafft wurde Neubau wird auch in Regionen angeregt, in denen kein Baubedarf vorliegt (Zersiedelung) Aufgrund des festen Betrags wird die Wirkung in ländlichen Räumen deutlich größer als in den gefragten Ballungsräumen Sehr teure Maßnahme, da Bauträger das Baukindergeld einpreisen können 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 18

Beispiel #2: Beschleunigte Verfahren für den Außenbereich Lockerung des Freiflächenschutzes Mai 2017: Einführung 13b BauGB: Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren Hierdurch entfallen verschiedene Pflichten der Bauleitplanung (frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, Umweltprüfung, Entwicklung aus Flächennutzungsplanung, Eingriffsregelung) Voraussetzung Wohnbaugebiet bis max. einem Hektar bebauter Grundfläche (= mehrere Hektar Bruttobauland) Wohnbaugebiet müssen an bebaute Ortsteile anschließen Regel bis Ende 2019 befristet Kritik Instrument führt zu unnötigen Flächenentwicklungen in ländlichen Räumen ohne Flächenknappheit Konterkarierung bestehender Leitsätze des öffentlichen Bau- und Planungsrechts (30-Hektar-Ziel, Bodenschutzklausel, Vorrang der Innenentwicklung etc.) angedeutete Verlängerung im Koalitionsvertrag von CDU/CSU/SPD 2018 -> Abschaffung wäre besser! 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 19

Flächen sind bei fehlendem Bedarf restriktiver auszuweisen Jährliche Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung in ha/tag 140 120 120 129 114 100 80 60 87 81 74 73 69 66 Ziele 40 20 30 20 0 1996 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2020 2030 Quelle: Statisches Bundesamt, Umweltbundesamt, Das 30-ha-Ziel wurde im Jahr 2002 für das Jahr 2020 formuliert. Das 20-Hektar-Ziel stammt aus de m integrierten Umweltprogramm des BMUB aus dem Jahr 2017. 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 20

Agenda 1 Fehlanreize und Zielkonflikte des ländlichen Raums 2 Gespaltene Republik: Demografie und Wohnungsbedarf 3 Aktuelle Wohnungspolitik (und ihre Fehler) 4 3 mögliche Ansätze: Jung kauft alt, Flächenhandel und Bürgerfonds 5 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 21

Beispiel #1: Jung kauf alt Kommunale Initiativen Wurde seit 2017 in einigen Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW eingeführt Ziele Förderung von Wohneigentum junger Familien Leerstand vermeiden Ortskerne beleben Flächenverbrauch reduzieren Werteverfall bei Immobilien stoppen Infrastruktur auslasten Förderung am Bsp. Hiddenhausen (NRW) Gutachten (Altbau mindestens 25 Jahre alt) 600 Grundbetrag 300 mehr je Kind Höchstbetrag: 1.500 Erwerb (auch Abriss und Ersatzbau) eines Altbaus über 6 Jahre mit jährlichem Förderbetrag 600 Grundbetrag 300 mehr je Kind Höchstbetrag: 1.500 Quelle: Gemeinde Hiddenhausen (NRW), JUNGE MENSCHEN KAUFEN ALTE HÄUSER 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 22

Beispiel #2: Flächenzertifikatehandel Planspiel Flächenhandel: Modellversuch des Umweltbundesamtes Erprobung in der Praxis mit 87 Kommunen in einem bundesweiten Feldversuch von 2012 bis 2017 Vorteile Freiflächen bekommen ein fairen Preis Sichere Zielerreichung ( Cap ) bei Erhaltung kommunaler Spielräume ( Trade ), Planungsautonomie der Gemeinden bleibt erhalten Jede Drittes neues Baugebiet ist fiskalisch unrentabel -> Vermeidungsstrategien zielen auf Baugebiete mit negativen Fiskalwert und unsichere Gewerbegebiete Es entsteht ein fairer Lastenausgleich zw. ausweisenden und Flächen schonenden Kommunen Quelle Photo: Süddeutsche Zeitung 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 23

Beispiel #2: Flächenzertifikatehandel Wie funktioniert der Flächenhandel? Wer / Wo? Kommunen handeln Zertifikate auf bundesweiter Flächenbörse ohne Restriktionen Mit was? Zertifikaten berechtigen zur Ausweisung von neuen Siedlungsflächen im Außenbereich, Rückplanungen werden mit Weißen Zertifikaten belohnt; Die Zertifikate werden nach einem Bevölkerungsschlüssel zu Beginn jedes Jahres auf die Kommunen kostenlos verteilt; Zertifikate können von den Kommunen für spätere Aktivitäten angespart werden Ziel? Ein Flächensparziel (z. B. 30-ha-Ziel ab 2020) wird in Form von Zertifikaten verbrieft und auf die Kommunen verteilt Planungsrahmen? Die Regelungen des Raumordnungs- und Naturschutzrechts bleiben unverändert. Lockerung bestehender Mengenvorgaben möglich -> Ergänzung der bewährten planungsrechtlichen qualitativen Steuerung mit einem Flächenhandelssystem zur quantitativen Steuerung! Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, Weitere Infos finden Sie auf www.flächenhandel.de 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 24

Beispiel #3: Bürgerfonds FONA-Projekt, gefördert durch das BMBF Bürgergruppen werden zunehmend aktiv historisch wertvolle Gebäude zu erhalten Revitalisierung der Zentren in kleinen Städten durch bürgerschaftliche Initiativen für lokale Stadtentwicklungsprojekte Bürgerfonds zur finanziellen Unterstützung und fachliche Beratung Idee: Übertragung der Immobilien in den Fonds und Einnahmeerzielung aus Erbbaurecht etc. Aufbau eines neuen selbsttragenden und interventionsfähigen Träger- und Finanzierungsmodells erfordert neben Crowd Funding auch öffentliche Förderung (EU, Bund, Ländern, Kommunen) Quelle: Kommunen innovativ Bürgerfonds, geleitet durch Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fachwerkstädte e.v.; Fotos: StadtLand UG 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 25

Schlussfolgerungen Die Probleme der Wohnungsmärkte in den Ballungszentren und des ländlichen Raums bedingen einander! Bund: Doppelstrategie Mehr Wohnungsbau in den Ballungszenten (Innenentwicklung und Baulandentwicklung) Ausbau der Infrastruktur in ländlichen Räumen (Ärzte, Breitband, ÖPNV) Bund: Neue Konzepte für Umland und ÖPNV Entlastung der Großstädte Stärkere Förderung durch Bund für ÖPNV Ländlicher Raum: Bestände besser nutzen Brachflächen und Leerstände vermeiden (Großes Innenentwicklungspotenzial: 5-7% der GF-Fläche) Relative Preise des Wohnungsbaus im Bestand müssen zugunsten des Wohnungsbaus auf der grünen Wiese verändert werden (Förderung der Innenentwicklung, Einführung Flächenzertifikate) Ländlicher Raum: Interkommunale Kooperation Abstimmung von Planungsvorhaben und kooperative Planungsansätze Stärkung der (kommunalisierten) Regionalplanung 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 26

Backup 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 27

Umgang mit Schrumpfung & Leerstand 10 Thesen Wirtschaftsförderung neu denken Neue Flächen restriktiver ausweisen Schrumpfung akzeptieren Regionale Zentren stärken Neue Ideen entwickeln Gemeindekooperationen und -fusionen forcieren Strategie Gemeindefinanzen reformieren Rückbau systematisch planen Infrastrukturkosten neu verteilen Strukturellen Leerstand sanktionieren Quelle: Henger / Schier / Voigtländer, 2014, Wohnungsleerstand Eine wirtschaftspolitische Herausforderung, IW-Positionen 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 28

Bessere Nutzung des Bestands Flächenbestand Enormes Innenentwicklungspotenzial aus Baulücken und Brachflächen (5 7% der Gebäude- und Freiflächen) keine (geringe) Infrastrukturkosten, aber Restriktionen durch Eigentümer Wohnungsbestand Um- und Ausbau von bestehenden Gebäuden Erschließung von Einliegerwohnungen und Untervermietungen Verbesserung der Allokation durch Umzüge 14.06.2018 Berlin Schrumpfung als wohnungspolitische Herausforderung Dr. Ralph Henger 29