Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen



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Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen von Simon Sauter und Werner Sauter (Blended Solutions GmbH Berlin) Dieser Beitrag basiert auf dem Werk»Workplace Learning Integrierte Kompetenzentwicklung mit kooperativen und kollaborativen Lernsystemen«, erschienen 2014 beim Springer Verlag Berlin Heidelberg. Kompetenzentwicklung Personalentwicklung Führungskräfteentwicklung kollaboratives Lernen arbeitsplatzorientiertes Lernen selbstgesteuertes Lernen Schlagworte Die Autoren entwickeln einen pragmatischen Lösungsansatz für Unternehmen, die Workplace Learning implementieren und ermöglichen wollen. Im Rahmen einer Fallskizze zeigen sie konkret auf, wie dieses innovative Lernsystem gestaltet und implementiert werden kann, so dass Lernen immer dann stattfindet, wenn eine Aufgabe am Arbeitsplatz zu lösen ist. Überblick Einen Grundlagentext zum Thema»Workplace Learning«finden Sie in Gruppe 7, Beitrag 7.24. 1 Ausgangslage 2 2 Anforderungen, Ziele und Rollen 2 3 Entwicklungskonzeption 3 4 System des Workplace Learning 5 5 Prozess des Workplace Learning 9 6 Bewertung 13 Literaturhinweise 13 Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 1 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 37 03.02.2014 13:02:04

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 1 Ausgangslage Personalentwicklung in einer»enterprise 2.0«Paradigmenwechsel notwendig Entwicklung einer kompetenzorientierten Konzeption Ein internationales Handelsunternehmen hat sich in den vergangenen Jahren in Richtung Social Business entwickelt, so dass es immer mehr dem Konzept der Enterprise 2.0 entspricht. Der Personalentwicklungsbereich hat sich jedoch in der gleichen Zeit nur unmerklich verändert. Zwar werden immer mehr Themen aus dem Bereichen»Social Media«und»Web 2.0«angeboten, aber meist in Form von Seminaren und Workshops. Es dominieren weiter die klassischen, fremdorganisierten Lernangebote, vom Präsenzseminar bis zum E-Learning. Im Rahmen des aktuellen Strategieentwicklungsprozesses wurde deshalb ein Paradigmenwechsel beschlossen. Es wurde entschieden, dass in einem ersten Schritt die Führungskräfteentwicklung in Hinblick auf die grundlegend veränderten Anforderungen des Social Business verändert werden sollte. Die anderen Bereiche sollten dann zeitnah in einem zweiten Schritt folgen, nachdem die erste Stufe evaluiert worden ist. Vorgegeben wurden vor allem die Eckpunkte»Kompetenzentwicklung«,»Workplace Learning«und»Social Learning«, die in einem integrierten Lernkonzept zusammengeführt werden sollten. Auch die Rolle und die Struktur der bisherigen Personalentwicklung sollte entsprechend verändert werden. Weiterhin wurde in einer intensiven Diskussion ein Werterahmen entwickelt, der als Leitfaden der zukünftigen Bildungsarbeit dienen sollte. Die Leitung der Personalentwicklung war in diesen Strategieprozess von Anfang an mit einbezogen und wurde konkret mit den strategischen Herausforderungen für die Führungskräfte konfrontiert. Für diese Anforderungen entwickelte das Team der Personalentwicklung gemeinsam mit ausgewählten Fach- und Führungskräften und Lernbegleitern unter externer Moderation eine kompetenzorientierte Konzeption, die selbstorganisierte Lernprozesse am Workplace und im Netz integriert. 2 Anforderungen, Ziele und Rollen Führungskräfte Personalentwicklung Führungskräfte spielen in der Schnittmenge zwischen den Mitarbeitern und der oberen Führung eine zentrale Rolle. Im Social Business besteht ihre zentrale Aufgabe darin, ihren Mitarbeitern und Teams Rahmbedingungen zu schaffen, in denen sie hoch motiviert und effizient selbstorganisierte Lösungen für die Herausforderungen in der Praxis entwickeln können. Dies werden die Führungskräfte nur dann erreichen, wenn sie eine zentrale Rolle in den Kompetenzentwicklungsprozessen der Mitarbeiter, aber auch in organisationalen Lernprozessen spielen. Deswegen ist es zwingend notwendig, diese Zielgruppe mit den Lernmethoden zu entwickeln, die sie auch bei ihren eigenen Mitarbeitern ermöglichen sollen (»Doppeldecker-Prinzip«). Gleichzeitig erfordert ihre Führungsaufgabe die Kompetenz, schwierige und überraschende Herausforderungen im Führungsprozess, von der Personalauswahl bis zum Konfliktmanagement, zu bewältigen. In diesem Entwicklungsprozess wird rasch deutlich, dass sich die Rolle der Personalentwicklung fundamental verändert, sodass dieses Team zukünftig vorrangig Aufgaben im Rahmen des Kompetenzmanagements verantwortet. Das Entwicklungsteam ging im Konzeptionsprozess von folgender Definition der Führungskompetenz aus: 2 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 38 03.02.2014 13:02:04

Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 Führungskompetenz ist die Fähigkeit, in unerwarteten, (zukunfts-)offenen Führungssituationen kreativ und selbstorganisiert handeln zu können (ERPENBECK 2012, S. 113). Führungskompetenz beruht damit auch auf Persönlichkeitseigenschaften, wird durch sie aber nicht vorhersagbar bestimmt. Es bestehen zwar zwischen Persönlichkeitseigenschaften und der Führungskompetenz einer Führungspersönlichkeit statistische Zusammenhänge. Im Führungsalltag nützen uns diese Bezüge aber wenig, da sich Führungskompetenz viel mehr an der in der bisherigen Führungstätigkeit manifest gewordenen Fähigkeit, kreativ und selbstorganisiert Führungsaufgaben zu lösen, offene Entscheidungssituationen schnell zu erkennen, sie rational wie emotional zu werten und schnell akzeptable Entscheidungen zu treffen, zeigen. Zielgruppe dieser Kompetenzentwicklungsmaßnahme sind alle Führungskräfte im Unternehmen, aber auch Führungsnachwuchskräfte, die ihre erste Führungsaufgabe übernehmen. In einem gemeinsamen Entwicklungsprozess mit Personalentwicklern und ausgewählten Führungskräften wurde ein unternehmensspezifisches Soll-Profil für die Führungskräfte entwickelt, das die Basis für die Kompetenzmessung mittels KODE X bildet. Definition: Führungskompetenz Kompetenzentwicklungsmaßnahme Abb.1: Kompetenzprofil der Führungskräfte Beispiel der Kompetenzerfassung (Quelle: KODE X, www.competenzia.de) Für diese Kompetenzanforderungen wurde vom Kompetenzmanagement- Team ein Ermöglichungsrahmen gestaltet, der laufend aufgrund der Erfahrungen und Rückmeldungen weiter entwickelt wird. Die individuellen Lernprozesse werden von den teilnehmenden Führungskräften innerhalb dieses Lernrahmens selbstorganisiert gestaltet. Ihre Entwicklungsprozesse werden dabei von Lernpartnern und E-Mentoren (meist obere Führungskräfte der 2. und 3. Ebene) im Rahmen des Co-Coaching begleitet. Bei Bedarf können sich die Führungskräfte Lernberatung im Kompetenzmanagement oder E- Coaching für komplexe Problemstellungen holen. Gestaltung eines Ermöglichungsrahmens 3 Entwicklungskonzeption Mit diesem Lernsystem wird das Ziel verfolgt, allen Führungskräften im Unternehmen die Möglichkeit zu geben, im Prozess der Arbeit ihre Managementkompetenzen in einem Netzwerk aus Lernpartnern, Trainer und Tuto- Ziel des Lernsystems Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 3 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 39 03.02.2014 13:02:04

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen ren sowie Coaches weitgehend selbstorganisiert zu entwickeln. Eine besondere Bedeutung erlangen dabei Social-Software- Kommunikationsinstrumente. Didaktische Analyse Strategieumsetzende Kompetenzentwicklung Aufbau notwendigen Wissens Methodische Analyse In der didaktischen Analyse werden auf der Grundlage von Kompetenzprofilen und systematisch erfassten Kompetenzentwicklungsmöglichkeiten Richtziele definiert, die Kompetenzen anstreben und damit deutlich über die bisherigen, wissensbezogenen Curricula hinausgehen. Diese bilden den Rahmen für die individuellen Zielformulierungen der Führungskräfte, die jeweils auf ihren persönlichen Kompetenzmessungen basieren. Persönliche Kompetenzziele und individuelle Lerninhalte werden jeweils durch die Lerner in Abstimmung mit ihren Lernpartnern und ihrer eigenen Führungskraft festgelegt. Dabei spielt die regelmäßige Erfassung der Kompetenzentwicklung, sowohl durch Selbst- als auch durch diverse Fremdeinschätzungen, eine besondere Rolle, da damit erst eine dynamische Anpassung der persönlichen Kompetenzziele und Aufgaben ermöglicht wird. Die Lerninhalte ergeben sich in einem dynamischen Prozess aufgrund der aktuellen Herausforderungen, die im Führungsprozess zu bewältigen sind, sowie der Vereinbarungen mit dem jeweiligen Vorgesetzten. Führungskompetenzen können grundsätzlich auch durch die Übernahme einer herausfordernden Aufgabe zusätzlich zu den laufenden Führungsaufgaben aufgebaut werden (HEYSE 2012, S. 231). Das Ziel der strategieumsetzenden Kompetenzentwicklung im Unternehmen kann beispielsweise unterstützt werden, indem die Führungskräfte ein einheitliches»korridorthema«(schwerpunktthema) bearbeiten. Sie definieren gemeinsam, evtl. in Abstimmung mit der Geschäftsführung, strategisch bedeutsame Themen, mit denen sie sich kollaborativ über einen meist längeren Zeitraum beschäftigen (vgl. STIEFEL 2010). Ein Beispiel dafür kann die Entwicklung der Lernkultur sein, die bei den Führungshandlungen aller Führungskräfte konsequent weiter entwickelt werden soll. Mit einem gemeinsam entwickelten Handlungsraster werden sie sensibilisiert, in möglichst allen Führungshandlungen kulturfördernden Elemente zu integrieren. Die Erfahrungen in diesen Lernprozesses werden in einem gemeinsamen Kommunikationsprozess, z. B. über Lerntagebücher, aufgearbeitet und über das kompetenzorientierte Wissensmanagement dokumentiert. Rein inhaltsorientierte Lernziele verlieren in diesem Lernsystem an Bedeutung. Die aktuelle Lernkultur, aber auch Vorgaben von Führungskräften oder zentraler Institutionen machen es jedoch meist erforderlich, nach wie vor den Aufbau eines bestimmten (Fach-)Wissens, evtl. sogar nachweisbar, sicherzustellen. Formelles Lernen findet dabei über viele kleine, problemorientierte»web Based Trainings«(WBT) oder Lern-Videos (Microlearning) statt, mit denen die Lerner das notwendige Führungswissen aufbauen können und die über entsprechende Aufgaben Reflexionen und den ersten Praxistransfer initiieren. Die Führungskräfte können diese Inhalte damit bei der Lösung ihrer Praxisherausforderungen bedarfsorientiert abrufen. Über praxisorientierte Freitextaufgaben, die in das jeweilige E-Portfolio der Lerner integriert sind, bauen die Lerner eine Datei persönlicher Lösungen auf, die mit Kommentaren und Ergänzungen durch ihre Lernpartner erweitert sind. Die methodische Analyse wird vor allem durch die Anforderung geprägt, selbst organisierte Lernprozesse zu fördern und das Lernen im Netzwerk zu 4 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 40 03.02.2014 13:02:04

Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 ermöglichen. Hierbei ist ein zielgruppengerechtes Gleichgewicht zwischen steuernder Unterstützung der Lernprozesse durch die Lernbegleiter und der Eigenverantwortung der Lerner zu finden. Das Gleiche gilt für die soziale Flankierung der Lernprozesse. 4 System des Workplace Learning Das System des Workplace Learning wird in diesem Verständnis durch folgende Elemente gekennzeichnet: Elemente des Workplace Learning Abb. 2: System des Workplace Learning Diese Lernprozesse am Workplace in den selbstorganisierten Phasen sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Kompetenzziele: Die Optimierung der Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter in der Praxis und damit ihres Beitrages zum Unternehmenserfolg ist das Richtziel. Dies erfordert individuelle, selbst definierte Lernziele, die sich konsequent an den Kompetenzentwicklungsmöglichkeiten jedes Lerners orientieren. Kompetenzorientiertes Lernen: Die Kompetenzentwicklung wird regelmäßig aus verschiedenen Blickwinkeln, der des Lerners, seines Lernpartners, des Lernbegleiters oder der Führungskraft, gemessen, analysiert und ausgewertet. Der gesamte Lernprozess wird mit Hilfe des Kompetenzerfassungssystems KODE und KODE X konsequent auf die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten der Führungskräfte hin ausgerichtet. Deshalb werden nach der Selbsteinschätzung (90 o -Messung) Kompetenzmessungen unter Einbeziehung der Lernpartner (180 o -Messung), des Vorgesetzten (270 o -Messung) und bei- Kompetenzziele Kompetenzmessung und Lernstrategie Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 5 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 41 03.02.2014 13:02:05

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen spielsweise des E-Mentors (360 o -Messung) durchgeführt. Im Abgleich dieser individuellen Kompetenzen, aber auch der Ergebnisse aus Learning Analytic Tools, mit den Rahmenbedingungen und den Möglichkeiten des Lernsystems definiert jeder Lerner seine persönlichen Kompetenzentwicklungsziele. Dies erfolgt meist in einem Diskussionsprozess mit dem Lernpartner und evtl. der Führungskraft. Auf dieser Grundlage werden die Lernziele bei Bedarf immer wieder angepasst und die Lernprozesse in einem dynamischen Prozess durch die Mitarbeiter selbst in Abstimmung mit ihren Lernpartnern und evtl. dem E-Mentor laufend optimiert. Damit entwickelt jeder Teilnehmer seine individuelle Lernstrategie. Selbstorganisierte Lernprozesse Individueller und kontextsensiviter Wissensaufbau Austausch in Workshops Selbstorganisiertes Lernen: Innerhalb des Ermöglichungsrahmens, den die Führungskraft über die soziale Lernplattform nutzen kann, organisiert sie ihren Kompetenzentwicklungsprozesse in Abstimmung mit ihren Lernpartnern und evtl. des E-Mentors selbst. Dabei orientiert sie sich an den Vereinbarungen mit ihrer eigenen Führungskraft und an dem verbindlichen Werterahmen des Unternehmens. Mit Hilfe ihrer E-Portfolios können die Führungskräfte ihre persönlichen Lernprozesse planen und dokumentieren. Neben den Ergebnissen der regelmäßigen Kompetenzerfassung mit den Messinstrumenten KODE und KODE X dokumentieren sie dort ihre wichtigsten Lernunterlagen, Ausarbeitungen oder Präsentationen. Sie können selbst entscheiden, wer Einsicht in diese Lernsammlung nehmen darf. Einzelne Führungskräfte nutzen auch die Möglichkeiten von Open Resources oder tauschen sich in freien Communities in der Praxis aus. Das E-Portfolio ist auch direkt mit den Web Based Trainings verknüpft, sodass die Lernergebnisse aus den Übungen und Transferaufgaben des E-Learnings, aber auch die frei formulierten Antworten der Lerner aus der Bearbeitung von problemorientierten Freitextaufgaben sowie die Rückmeldungen der Lernpartner dazu in ihrem persönlichen Bereich dokumentiert werden. Individueller Wissensaufbau und Qualifizierung: Dieser Bereich wird über eine Vielzahl stark modularisierter Web Based Trainings und Lernvideos (Microlearning) ermöglicht, die das erforderliche systematische und aktuelle Managementwissen kontextsensitiv zur Verfügung stellen. Die Lerner bearbeiten in ihren WBT kooperativ problembezogene Aufgabenstellungen aus der Führungspraxis zum Wissensaufbau, aber auch Reflexionen und Fallstudien. Jeder Lerner eignet sich damit gezielt das fehlende Wissen»on-demand«an, das er zur Lösung der Aufgaben in der Praxis und in Praxisprojekten benötigt. Hierbei können sie auch Mobile-Learning-Systeme nutzen, sodass sie räumlich ungebunden sind. Lernmethodik und -geschwindigkeit, aber auch Ort und Zeitpunkt der Bearbeitung der Lernprogramme und Aufgabenstellungen werden von jedem Lerner selbstverantwortlich festgelegt. Orientierung und Reflexion in Workshops: In einem Blended-Learning-Konzept können die Führungskräfte ihre Erfahrungen regelmäßig in Workshops reflektieren und anwenden. Offene Fragen aus der Praxis, den Projekten oder Transferaufgaben werden bei Bedarf mit Experten und oberen Führungskräften bearbeitet. Es wird immer wieder weiterführendes Wissen ausgetauscht, vor allem zu 6 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 42 03.02.2014 13:02:05

Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 aktuellen Inhalten oder aus der unternehmensbezogenen Führungspraxis. In diversen Übungen werden Methoden und Führungstechniken im»labor«, z. B. mittels Rollenspielen, trainiert. Darüber hinaus erhalten die Lerner in der Diskussion Hilfen für die Zeit des selbstorganisierten Lernens. Schließlich werden jeweils verbindliche Vereinbarungen für die jeweils nächste Selbstlernphase getroffen. Weiterhin werden in die Workshops Elemente mit Event-Charakter, wie z. B. Kaminabende mit oberen Führungskräfte oder Outdoor-Übungen, integriert. Kompetenzaufbau über Transferaufgaben: Neben dem Wissensaufbau und der Qualifizierung übernehmen die Lernprogramme auch die Aufgabe, über offene Transferaufgaben, die sich an realen Problemstellungen aus der Führungspraxis orientieren, erste Kompetenzentwicklungsprozesse zu initiieren. Diese Lernprozesse können durch weitere kurzfristig vereinbarte Transferaufgaben verstärkt werden. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden mit Lerpartnern und in der Community of Practice ausgetauscht und diskutiert. Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit und in realen, herausfordernden Projektaufträgen: Nicht mehr Seminartermine oder E-Learning-Angebote, sondern die aktuellen, herausfordernden Aufgaben in der Führungspraxis, wenn beispielsweise herausfordernde Planungsaufgaben, Auswahlentscheidungen, Delegation von Aufgaben oder schwierige Mitarbeitergespräche zu bewältigen sind, initiieren und bestimmen die selbstorganisierten Lernprozesse. Diese werden regelmäßig durch die Vorgesetzten der Teilnehmer im Rahmen der Mitarbeitergespräche unter Einbeziehung der Kompetenzmessungen sowie evtl. weiterer Kennzahlen aus dem Learning Analytics System analysiert und bewertet. Lernen ist damit von der eigenen Kompetenzentwicklung nicht mehr zu trennen und erfolgt bevorzugt kollaborativ im Prozess der Arbeit selbst (vgl. KARLHUBER/WAGENEDER 2013). Formelle Lernangebote, z. B. Web Based Trainings, Lernvideos oder Podcasts, werden innerhalb des Ermöglichungsrahmens bei Bedarf vom Lerner aktiv gesucht und zeitnah in seinen Lernprozess mit einbezogen, bilden aber nicht das Zentrum des Lernens. Kompetenzorientiertes Wissensmanagement: Das Erfahrungswissen, das die Führungskräfte in ihren Lernprozessen aufbauen, tauschen sie mit ihren Lernpartnern über Lerntagebücher (Blogs) aus und entwickeln es im Rahmen der Community of Practice zu gemeinsamem Wissen weiter.die Gruppenmitglieder verpflichten sich, diese Lerntagebücher zu lesen und zu kommentieren, bei Bedarf Hilfestellung zu Anregungen zu geben. Dadurch entsteht ein netzbasierter Entwicklungsprozess, der alle Gruppenmitglieder an dem gewonnen Erfahrungswissen teilhaben läßt. Gleichzeitig wird Lernen im Netz initiiert, geübt und systematisch optimiert. Die Weblogs werden damit zu Instrumenten der Selbstbeobachtung und Selbstreflexion der jeweiligen Lösungen im eigenen Führungsprozess der Teilnehmer, aber auch der individuellen Lernprozesse (vgl. WAHL 2013, S. 46 ff.) Die Führungskräfte können durch Verfolgen der Weblogs am Lernprozess anderer Führungskräfte teilhaben. In Verbindung mit Suchfunktionen werden Weblogs wichtige Elemente eines kompetenzorientierten Wis- Transferaufgaben Praxislernen Lerntagebücher Selbstbeobachtung und -reflexion Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 7 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 43 03.02.2014 13:02:05

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen sensmanagementsystems, so dass man neben Quellen mit Fach- und Erfahrungswissen auch Personen für die Lösung von Problemstellungen findet. Ein Netzwerk aus Weblogs bildet wiederum eine inhaltliche Grundlage für das Lernen im Netz. Planung individueller Lernprozesse Rückmeldungen Vergleich der Ergebnisse Lerntandems Vernetzes Lernen Communities of Practice Strukturierungshilfen für individuelles Lernen: Das Lernsystem unterstützt die Führungskräfte bei der Planung ihrer individuellen Lernprozesse. Sie optimieren damit im Laufe der Zeit gemeinsam mit ihren Lernpartnern und evtl. Lernbegleitern ihre individuellen Lernprozesse. Feedback: Selbst organisiertes Lernenerfordert zwingend regelmäßige Rückmeldungen. Die Führungskräfte werden dadurch in die Lage versetzt, ihre Lernstrategien laufend zu optimieren, Kompetenzentwicklungsmöglichkeiten zu erkennen und diese Lücken gezielt zu schließen. Deshalb kommt dem Austausch und der Diskussion von Erfahrungswissen mit Lernpartnern, Experten und Führungskräften eine zentrale Bedeutung zu. Im formellen Lernbereich spielen Rückmeldungen aus standardisierten Aufgaben der Lernprogramme durch den Computer, verbunden mit einem Scoringsystem, eine Rolle. Learning Analytic Tools bereiten die Lernerdaten individuell auf und geben den Lernen damit wichtige Hinweise zur Optimierung ihrer individuellen Lernprozesse. Vergleichsmaßstäbe: Selbst organisiertes Lernen erfordert Vergleichsmaßstäbe. Deshalb werden Arbeitsergebnisse aus der Führungspraxis und Projektergebnisse in der Community of Practice, Ausarbeitungen zu Übungen und Transferaufgaben in der Learning Community präsentiert und diskutiert. Diese Prozesse werden mit Hilfe von Social Software optimiert. Lernwegflankierung durch Co-Coaching: Lerntandems unterstützten sich emotional, motivational und lernstrategisch. Die Tandemtreffen werden über Telefon, Skype, E-Mail, Zweier- Chat oder auch über persönliche Treffen gestaltet. Jedes Tandem bringt seine Arbeitsergebnisse in die jeweilige Lerngruppe sowie evtentuell den Kurs ein. Zu den Ergebnissen gibt es wieder Rückmeldungen durch die Lernpartner oder die Lerngruppe. Lerngruppen entwickeln Lösungen bzw. Präsentationen für komplexe Herausforderungen aus der Führungspraxis. Außerdem tauschen sich die Mitglieder der Lerngruppen intensiv über ihre Projektfortschritte, aber auch ungelöste Probleme aus und unterstützen sich gegenseitig in ihren individuellen und organisationalen Lernprozessen. Lernen im Netz mit Social Software: Soziales Lernen setzt eine qualitativ höhere Vernetzung von Lern- und Kooperationspartnern voraus, über Kanäle, die nicht nur Sachwissen, sondern es auch ermöglichen, Urteile und emotional-motivationale Bewertungen zu kommunizieren. Hierfür wird eine soziale Lernplattform benötigt, die kollaboratives Arbeiten und Lernen ermöglichen. Communities of Practice: Die Lerner bauen ihr Netzwerk systematisch auf, indem sie eine Community of Practice bilden. Regelmäßig treffen sich die neuen und die schon 8 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 44 03.02.2014 13:02:05

Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 bisher in dieser Gruppe tätigen Mitarbeiter selbstorganisiert in virtuellen Workshops. Das Ziel ist vor allem, das gemeinsame Wertesystem weiterzuentwickeln, das Lernen in Netzwerken zu ermöglichen und die Motivation für die selbstorganisierten Kompetenzentwicklungsprozesse zu fördern. Deshalb werden spannende Diskussionen oder Übungen eingefügt, die letztlich zu interessanten Vorsatzbildungen führen. Soziale Lernplattform: Die Lern- und Kommunikationsprozesse in dieser Lernkonzeption der dargestellten Fallstudie erfordern eine spezifische Lerninfrastruktur, eine soziale Lernplattform. Diese ermöglicht den Aufbau von E-Portfolios, unterstützt sowohl formelles und informelles Lernen und synchrone und asynchrone Kommunikation mit Web-1.0- und Web-2.0-Instrumenten. Dieser Lernraum sollte durch den Lerner zunehmend personalisiert werden können, sodass sich das System zu einem PLE Personal Learning Environment entwickelt. Soziale Lernplattform 5 Prozess des Workplace Learning Die individuellen Lernprozesse der Führungskräfte haben folgenden grundlegenden Ablauf, den wir am Beispiel von Führungsnachwuchskräften darstellen: Beispiel von Führungsnachwuchskräften Abb.3: Ablauf des Workplace Learning für Führungs-Nachwuchskräfte Der Lernprozess startet unter Moderation eines Lernbegleiters aus dem Kompetenzmanagement mit einem Kick- off, in dem insbesondere folgende Elemente integriert werden: Begrüßung durch eine obere Führungskraft, Strukturierung des Kick-off, Vorstellung der Teilnehmer: Berufserfahrung, aktuelle Führungsaufgabe, evtl. Projektaufträge, Erwartungen, Befürchtungen, Einführung in die Lernkonzeption und Systeme der Kompetenzentwicklung mit Blended Learning und Social Software, die soziale Lernplattform und das E-Portfolio sowie die Learning Analytic Tools, Reflexion über die eigene Rolle im Kompetenzentwicklungsprozess, System der Kompetenzmessung und individueller Zieldefinition, Kompetenzmessung mit KODE mit Auswertungen und Definition persönlicher Lernziele (evtl. mit anschließender Abstimmung mit dem jeweiligen Vorgesetzten), Kick-off Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 9 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 45 03.02.2014 13:02:05

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen Bildung von Lerntandems und Lerngruppen, Entwicklung von»spielregeln«für die Tandem- und Gruppenarbeit sowie die Gestaltung der Projekttagebücher, Verbindliche Vereinbarungen für die folgende Praxisphase: Meilensteine, Jour fixe, Gruppentermine, Workshops etc. Selbstorganisierte Lernphasen In den selbst organisierten Lernphasen verknüpfen die Teilnehmer formelle und informelle Lernprozesse zu einem systematischen Kompetenzentwicklungsprozess. Diese werden in Anlehnung an die Struktur von cmooc gestaltet, indem folgender Lernraum geschaffen wird (in Anlehnung an Höfer 2013): Zentraler Blog des Kompetenzmanagements zur Initiierung und Begleitung der individuellen Lernprozesse der Mitarbeiter innerhalb des Ermöglichungsrahmens. Erhebung von Erwartungen, Befürchtungen, Meinungen, Stimmungen und Ideen. Erläuterung der Lernkonzeption und des Ermöglichungsrahmens Einstim- (Video). mung Evtl. jeweils individuelle, vertrauliche Videoaufnahmen, die, nach vorheriger Genehmigung durch die Beteiligten, einen Einblick in das tatsächliche Geschehene im Prozess der Arbeit erlauben. Diese im Sport oder in der Medizin geläufige Vorgehensweise vermittelt ein ganzheitliches und vor allem authentisches Bild der Handlungen, z. B. im Kundengespräch. Die Lerner erhalten dadurch wertvolle Hinweise für ihren Kompetenzentwicklungsbedarf. Start Orientierung Kick-off, evtl. Webinar, um sich gegenseitig kennenzulernen, die wesentlichen Herausforderungen in der Praxis oder in Projekten vorzustellen, über die aktuelle, persönliche Situation zu reflektieren, evtl. Redeschwellen durch Übungen abzubauen, offene Fragen zur Lernkonzeption zu klären, Lern-Tandems und -Gruppen zu bilden sowie verbindliche Vereinbarungen für die selbstorganisierte Lernphase zu treffen. Event (meist in Verbindung mit dem Kick-off), um sich gegenseitig besser kennenzulernen und das»wir«-gefühl der Teilnehmer aufzubauen. Dies kann z. B. im Rahmen eines Outdoor-Trainings erfolgen. Lernorganisation: Die Mitarbeiter finden in ihrem Ermöglichungsrahmen alle Instrumente und Informationen, die sie zur Planung ihrer selbstorganisierten Lernprozesse benötigen. Über die soziale Lernplattform werden alle wesentlichen Prozesse der Qualifizierung und Kompetenzentwicklung mit Blended Learning und Social Learning unterstützt. Insbesondere können die Lerner beispielsweise sich selbst in frei gewählten Gruppen organisieren, Lerncontent selbst erstellen (»User Generated Content«), online Umfragen durchführen, einfache semantische Werkzeuge nutzen, komplexe Sachverhalte mit Mindmaps visualisieren Problem- und Lösungswerkzeuge sowie eine Ideenbox für kreative Prozesse einsetzen. Es werden weiterhin Termine, z. B. Meilensteine, und die Vereinbarungen im Kurs dokumentiert. Über Visitenkarten können sich Lernpartner und Lerngruppen in diesem Bereich vorstellen. Weiterhin werden Testdaten fest gehalten. 10 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 46 03.02.2014 13:02:05

Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 Orientierung Struktur Formelles Lernen: In diesem Funktionsbereich werden alle für die Lerner wichtigen Planungsunterlagen, z. B. Curricula, sowie die notwendigen Elemente für die formellen Lernprozesse gebündelt. Sie finden dort das gesamte formelle Wissen, das Experten für ihre Lernprozesse zusammengestellt haben. Dies können WBT, Videos, Podcasts aber auch Printmedien sein, die der Lerner im Rahmen seines formellen Lernprozesses bearbeiten soll. Bei Führungsnachwuchskräften können E-Learning-Kurse zu dem erforderlichen formellen Führungswissen sowie vielfältige offene Aufgaben (Reflexionen, Transferaufgaben, Diskussionsthemen ) als»roter Faden«der Lernprozesse dienen. Blended Learning: Regelmäßige Workshops zur gemeinsamen Reflexion der Praxiserfahrungen, zum Austausch mit Lernpartnern, Lernbegleitern, Experten und oberen Mitarbeitern, bei Bedarf auch Trainings mit Fallstudien, Rollenspielen oder Planspielen, ermöglichen es den Mitarbeitern, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und die notwendige Qualifikation zu sichern. Elemente mit Event-Charakter (z. B. Kaminabende mit oberen Mitarbeiter, Outdoor-Übungen ) fördern wiederum die Netzwerkbildung. Informelles Lernen: Über eine datenbankbasierte Lösung kann das Erfahrungswissen der Lerner dokumentiert und in einem gemeinsamen Kommunikationsprozess weiter verarbeitet werden. Mit Suchfunktionen können die Lerner Erfahrungswissen, aber auch Lernpartner oder Experten zur Lösung von Praxisproblemen finden. Ergebnisse aus informellen Lernprozessen, die in der Lerngruppe Akzeptanz gefunden haben, können wiederum zu Lernmaterialien aufbereitet werden. Auch die formellen Inhalte erhalten damit einen dynamischen Charakter. Community of Practice: Die Mitarbeiter können wichtige Problemstellungen in das Netzwerk einbringen, Fragen formulieren, mögliche Lösungen zur Diskussion stellen, grundlegende Problemstellungen identifizieren und ihre Konsequenzen erörtern. Social Bookmarking: Relevante Inhalte werden verschlagwortet. Kompetenzorientiertes Wissensmanagement: System zur Dokumentation und zur Suche von Erfahrungswissen (Activity Stream, Dokumente, Blogs, Wikis, Communities) sowie zum Identifizieren von Experten (MySite), Recherchen. Community of Practice: Problemstellungen strukturieren und gewichten, weitere Quellen identifizieren, Themenbereiche strukturieren und gewichten. Co-Authoring: Erfahrungswissen und Problemlösungen aufbereiten, evtl. mit Rapid E-Learning. Blogs: Projekt- und Lerntagebücher zum Austausch von Erfahrungswissen. Wikis: Erfahrungswissen zusammentragen und kollaborativ erweitern. Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 11 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 47 03.02.2014 13:02:05

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen Lernen im Prozess der Arbeit: Die Lerner lösen ihre Herausforderungen in der Praxis, halten ihre wesentlichen Beobachtungen in ihrem Lerntagebuch fest, reflektieren diese und besprechen sie mit ihrem Lernpartner (Co-Coaching) bzw. in der Lerngruppe (Kollegiale Beratung). Lösung Live-Modelle: Die Lerner werden durch ihre Lernpartner in der Praxis von beobachtet und erhalten im Rahmen des Co-Coaching eine Rückmel- Herausdavon, welche Handlungsweisen sinnvoll sind. dung. Gleichzeitig bekommen die Beobachter eine klare Vorstellung forderungen Kollaborativer Arbeits- und Lernraum : Kollaborative Problemlösungen in der und Lernprozesse ermöglichen. Praxis Community of Practice: Austausch und Weiterentwicklung von Erfahund in rungswissen. Projekten Blogs: Erfahrungswissen aus Projekt- und Lerntagebüchern gemeinsam bewerten und weiterentwickeln. Wikis: Erfahrungswissen kollaborativ bewerten und weiterentwickeln. Co-Authoring: Entwicklung von Lernlösungen, z. B. mit Rapid E-Learning, Podcasts, Webcasts, Artikeln u. a. E-Portfolio: Diese persönliche, digitale Sammlung von Dokumenten und persönlichen Arbeiten eines Lerners dokumentiert und veranschau- Doku- licht die Lernergebnisse (Produkt) und den Lernweg (Prozess) seiner menta- Kompetenzentwicklung in einer bestimmten Zeitspanne und für tion und bestimmte Zwecke. Teilung Community of Practice: Zusammenfassung und Diskussion von Problemvon stellungen, Lösungsansätzen, Überlegungen, Erfahrungswissen und Erfah- Recherchen. rungs- Blogs: Persönliches Erfahrungswissen weitergeben. wissen Wikis: Erfahrungswissen von Gruppen weitergeben. Social Bookmarking: Erarbeitete Inhalte verschlagworten. Abb. 4: Elemente des Lernraums Gemeinsamer Wissens-Pool Dokumentation der Lernergebnisse Themenspeicher für offene Fragen Während des gesamten Prozesses können die Teilnehmer eigene Erfahrungen und Eindrücke in der Community of Practice zu einem gemeinsamen Wissens-Pool aufbauen. Das Ziel besteht bei Führungsnachwuchskräften insbesondere auch darin, sukzessive die Fähigkeit zum kompetenzorientierten Wissensmanagement zu entwickeln, sodass die Teilnehmer ihren Wissensaustausch auch nach Abschluss der Entwicklungsmaßnahme selbstorganisiert weiter führen können. Die Kommunikation der Führungskräfte untereinander, aber auch in ihrem Netzwerk, sowie die Dokumentation der Lernergebnisse aus formellen und informellen Lernprozessen bilden die zentrale»klammer«dieser Lernkonzeption. Das Weblog (Projekttagebuch) wird bei vielen Lernern zum Ersatz für den»zettelkasten«, der hilft, Informationen rasch wieder zu finden. Wikis werden in diesem Lernsystem insbesondere für virtuelle Gruppenarbeiten und für die Archivierung und Hierarchisierung von Erfahrungswissen eingesetzt. Auch Tandems nutzen dieses Instrument, um die gemeinsamen Ergebnisse in einem kommunikativen Prozess zu entwickeln. Alle offenen, unternehmensspezifischen Fragen, die sich aus den Transferaufgaben und in der Projektarbeit ergeben, werden in einem Themenspeicher gesammelt und in den Workshops mit entsprechenden Experten aus dem Hause diskutiert. Diese Fragen erweisen sich in unseren Projekten als sehr anspruchsvoll und führen zu spannenden Diskussionen. Der Erfolg wird anhand der Projektergebnisse bewertet. Die Teilnehmer präsentieren und 12 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 48 03.02.2014 13:02:05

Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen 8.51 diskutieren ihre Projektergebnisse im Abschlussworkshop mit oberen Führungskräften und entwickeln eine Ausarbeitung dazu. Die Führungskräfte vereinbaren, sich regelmäßig in einer Community of Practice selbstorganisiert auszutauschen. Die Verantwortung für die Gestaltung dieses Lernraumes übernimmt jedes Gruppenmitglied in Absprache abwechselnd für eine bestimmte Zeit. Selbstorganisierter Austausch 6 Bewertung Mit diesem innovativen Ansatz der Führungskräfteentwicklung wird eine Konzeption umgesetzt, die von den Teilnehmern ein hohes Engagement und eine starke Teamorientierung verlangen. Der Paradigmenwechsel, der sich insbesondere in den grundlegend veränderten Rollen der Beteiligten zeigt, erfordert ein zielgerichtetes Veränderungsmanagement. Mit der Verknüpfung von Blended Learning, Social Learning und kompetenzorientiertem Wissensmanagement wird zudem ein integrierter Ansatz zur Kompetenzentwicklung gestaltet, der insbesondere für global agierende Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Erfahrungen in solchen Projekten zeigen, das Social-Software-Instrumente die Entwicklung der Kompetenzen der Lerner sinnvoll unterstützen können, sofern sie in ein Blended-Learning-Konzept eingebettet sind, das sich am Ziel der Kompetenzentwicklung orientiert. Wikis oder Weblogs werden umso effizienter genutzt, je mehr Lerner mit dem Tool arbeiten und je stärker sie sich aktiv einbringen. Entscheidend für den Erfolg ist ein zielgruppengerechtes Lernarrangement, das auf der aktuellen Lernkultur aufbaute. Um mit diesen Tools umgehen zu können, benötigen Lernbegleiter und Nutzer sowohl Medien- als auch Selbstlernkompetenz. Deshalb kommt dem Implementierungsprozess für das Kompetenzentwicklungssystem mit Social Software eine zentrale Bedeutung zu. Veränderungsmanagement notwendig Zielgruppengerechtes Lernarrangement Literaturhinweise ERPENBECK, J.: Führungskompetenz, in: FAIX, W.G. (Hrsg.): Kompetenz. Festschrift Prof. Dr. John Erpenbeck zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2012, S. 109 140. HEYSE, V. (2012): Führungskompetenzen ausbauen. Komplementäre Fähigkeiten entwickeln, in: FAIX, W.G. (Hrsg.): Kompetenz. Festschrift Prof. Dr. John Erpenbeck zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2012, S. 211 234. HÖFER, M. L.: Im Trend: MOOCx als neues Lernkonzept Collaboration & Wissensmanagement, Sharepoint 2013, Change Management, Innovation Management, in: DOK 3/4/2013, S. 65 69. KARLHUBER, S./WAGENEDER, G.: Einsatz kollaborativer Werkzeuge. Lernen und Lehren mit webbasierten Anwendungen, in: SCHÖN, S./EBNER, M. (Hrsg.): Handbuch E-Learning 51. Erg.-Lfg. April 2014 13 Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 49 03.02.2014 13:02:05

8.51 Workplace Learning für Führungskräfte in einem Handelsunternehmen Lehrbuch für Lernen und Lernen mit Technologien, 2. Aufl., Graz 2013. STIEFEL, R. TH.: Strategieumsetzende Personalentwicklung Schneller lernen als die Konkurrenz, Wien 2010. WAHL, D.: Lernumgebungen erfolgreich gestalten Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln, 3. Aufl., Bad Heilbrunn 2013. 14 51. Erg.-Lfg. April 2014 Handbuch E-Learning Hdb_E-Learning_33299051_x1.pdf 50 03.02.2014 13:02:05