Frauenvorträge an der FernUniversität 35



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Transkript:

Frauenvorträge an der FernUniversität 35 Die Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral

ii Vortrag und Diskussion an der FernUniversität Hagen am 07. Mai 2001 in Hagen Die Verantwortung für den Inhalt tragen alleine die Autorinnen. ISSN 1438-9606 FernUniversität Gesamthochschule in Hagen Redaktion: Überarbeitung und Gestaltung: Herausgeber: Die Gleichstellungsbeauftragte Die Vorsitzende der Gleichstellungskommission Melanie Graf Der Rektor

Die Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral iii 1 Was meint Globalisierung? S. 4 1.1 Frauen und die ungleiche Verteilung von Gewinnen und Verlusten S. 4 1.1.1 Call Girls der globalen Märkte S. 5 1.1.2 Air Bags der sozialen Krise S. 7 1.1.3 Kein win-win-spiel S. 7 Literaturhinweis S. 8

iv Die Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral Was meint Globalisierung? Seit dem Zusammenbruch der real-sozialistischen Regime 1989 ist Globalisierung zum scheinbar alles erklärenden Schlagwort für die Liberalisierung der Märkte und die globale Ausdehnung des kapitalistischen Weltmarkts geworden. Als ein von wirtschaftlichen Interessen geleiteter Prozess wird Globalisierung in Deutschland vor allem als ökonomische Strategie wahrgenommen. Im englischsprachigen Raum wird sie jedoch auch stark als politischer und kultureller Prozess weltweiter Wechselwirkungen und Abhängigkeiten diskutiert. Vorausgegangen sind in der Geschichte andere Globalisierungsschübe wie z.b. der Kolonialismus und der Imperialismus vor dem 1.Weltkrieg. Neu und charakteristisch für den Globalisierungsschub am Ende des 20. Jahrhunderts ist a) die Herstellung eines einzigen Weltmarkts mit Börsen, Finanzen, Spekulationen als neuem Zentrum und einer Intensivierung von Welthandel und Transport nach der Liberalisierung der Märkte, b) eine veränderte Rolle des Staates: vom Wohlfahrts- zum Wettbewerbsstaat, dessen Hauptaufgabe Standortsicherung ist, mit einem Rückbau staatlicher Steuerung und Regulierung des Marktes (Deregulierung), c) eine erhöhte Mobilität von Unternehmen und Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, d) eine erhöhte Mobilität von Arbeitskräften und Migration in andere Länder und Kontinente auf Jobsuche, e) eine Umstrukturierung von Arbeit und Beschäftigung nach Maßgabe von Konkurrenz und Effizienz. Frauen und die ungleiche Verteilung von Gewinnen und Verlusten Die Auswirkung der Globalisierung auf Frauen war einer der kontroversesten Punkte, als die Vereinten Nationen im Sommer 2000 Bilanz aufmachten über Fortschritte, Rückschläge und Stillstände für Frauen fünf Jahre nach der Weltfrauenkonferenz von 1995 in Peking. Sind Frauen Gewinnerinnen oder Verliererinnen der Globalisierung? Die Kontroverse spiegelt die realen Widersprüche im Prozess der Globalisierung und in den Lebens- und Problemlagen unterschiedlicher Frauen. In den neunziger Jahren, vor allem in der zweiten Hälfte, ist die Zahl der Armen erneut angestiegen. 70 Prozent davon sind weiblich. Andererseits wird ein wachsender Reichtum und Wohlstand produziert, der sich in einer nie gekannten Warenfülle auf den Konsummärkten auch in entlegenen Winkeln der Erde darstellt.

Die Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral v Im selben Jahrzehnt erhielten so viele Frauen wie nie zuvor eine Basisbildung oder sogar eine gute Berufsausbildung. Der Bildungsunterschied zwischen Jungen und Mädchen war noch nie so gering. Noch nie waren so viele Frauen im mittleren Management bei Banken, Versicherungen, Verwaltung, Medien und im Handel tätig. Spitzenreiter sind im internationalen Vergleich die USA, Kolumbien und Barbados mit über 40 Prozent. Dagegen sind die Top-Macht- und Entscheidungspositionen der Finanz-, Wirtschafts- und Politikwelt männliche Biotope geblieben. Nicht einmal 5 Prozent Frauen haben die Glasdecke zu den Spitzenetagen durchstoßen. Ein anderer Widerspruch: die Feminisierung der Beschäftigung hält an: im letzten Jahrzehnt ist Frauenbeschäftigung schneller gewachsen als die Beschäftigung von Männern. Diese neuen Jobberinnen gelten als Gewinnerinnen der Globalisierung, während die durch Deindustrialisierung von Massenentlassungen bedrohten Männer als Verlierer erscheinen. All diese Veränderungen auf den Arbeitsmärkten haben jedoch kaum etwas daran geändert, dass Frauen die Hauptverantwortung für die unbezahlte Sorge-, Haus- und Reproduktionsarbeit tragen und Männer sich ihr gegenüber in Abstinenz üben. Call Girls der globalen Märkte Die Umstrukturierung der Arbeitsmärkte und Beschäftigungsformen durch die verdichtete globale Konkurrenz verläuft zu einem bedeutenden Teil entlang der Geschlechterlinien. An drei zentralen Trends auf den Weltmärkten zeigt sich, dass der zunehmende Einbezug von Frauen in den Erwerbsarbeitsmarkt weltweit der Niedrighaltung der Lohnkosten und der Durchsetzung ungeschützter, rechtlich und sozial unsicherer Arbeitsverhältnisse dient, kurz: der Deregulierung der Arbeitsmärkte. Beispiel Nr.1: In den neunziger Jahren fand ein erneuter Verlagerungsschub von Produktionsschritten in neue Billiglohnländer in Mittelamerika, Osteuropa, Südafrika, Südostasien und vor allem nach China statt. Standortvorteil dieser Länder sind billige, flexible und gewerkschaftlich unberührte weibliche Arbeitskräfte. Die Internationationale Arbeitsorganisation ILO zählt derzeit 850 Exportproduktions- oder Freihandelszonen mit 27 Millionen Arbeitskräften, wovon knapp 90 Prozent Frauen sind. Verlagert werden nicht nur Jobs aus der arbeitsintensiven Bekleidungs-, Elektronik, Sport- und Spielzeugindustrie und aus der Agrarproduktion, z.b. der Gemüse- und Blumenanbau und die Krabbenproduktion. Zunehmend reisen auch Jobs aus dem Dienstleistungssektor, Büro- und Verwaltungsarbeiten und Software-Entwicklung von Unternehmen, aber auch von Behörden aus den Industrienationen in Teleports und Call Centres des Südens und Ostens. Soziale und ökologische Mindeststandards werden in diesen Verschleißjobs selten beachtet.

vi Beispiel Nr. 2: Die weltweit wichtigste Veränderung auf den globalen Arbeitsmärkten ist die Informalisierung und Flexibilisierung von Arbeit. Die informellen Arbeitsformen, die in den Ländern des Südens schon immer dominierten, werden nun auch in den hochindustrialisierten Ländern des Nordens zum Normalarbeitsverhältnis statt der lebenslangen, sozial abgesicherten Vollbeschäftigung. Wo Arbeit als Zeitauftrag aus großen Fabriken und Betrieben ausgelagert wird und Vollzeitarbeitsplätze heruntergebrochen werden in informelle Zu- und Zeitarbeit; entstehen in wachsender Zahl quasi rechtsfreie Räume in Klitschen, Kellern und Küchen, eine Hinterhof- und Straßenrandökonomie jenseits von Tarifen und Mindestlöhnen, Sozialversicherung und Umweltschutz. Frauen sind derzeit die Pionierinnen in diesen niedrigentlohnten und geringbewerteten Arbeitsformen, in Teilzeit- und Gelegenheitsjobs, Heim- und Telearbeit, Jobs in Sweatshops und Kleinselbständigkeit. So sind 89 aller Teilzeitarbeitenden in Deutschland Frauen. Aber in Zukunft werden auch immer mehr Männer und hochqualifizierte Tätigkeiten in solch flexible Beschäftigungsformen gedrängt. Beispiel Nr.3: Arbeitsmigration ist längst zu einem Strukturmerkmal der globalisierten Erwerbsarbeitsmärkte geworden. Derzeit ist eine zunehmende Feminisierung der Migration feststellbar: insgesamt liegt der Frauenanteil bei 47,5 Prozent. Aus den Philippinen, Sri Lanka und Indonesien wandern seit Jahren mehr Frauen als Männer ab und ihre Rücküberweisungen sind unentbehrliche Devisenbringer. Selbst gut qualifizierten MigrantInnen stehen meist nur prekäre Jobs in einem beschränkten Spektrum von Marktsegmenten offen, unterbezahlt und geringbewertet, vor allem Reinigungs-, Gastronomie- und Sexarbeit. Mehr Jobs für Mittelschichtfrauen schaffen eine wachsende Nachfrage nach billigen Haushaltshilfen, die vor allem illegale Migrantinnen befriedigen. Außerdem ist Frauenhandel in die Prostitution, Ehe und illegale Beschäftigungen längst keine kleine kriminelle Nische mehr. Es sind boomende, mafiös strukturierte, transnationale Märkte, die Frauen in sklavenähnliche Ausbeutung verschleppen. Fazit ist deshalb: Die Globalisierung integriert eine wachsende Zahl von Frauen in die Erwerbsarbeit, aber mehrheitlich in marginale Positionen. Sie haben ein Einkommen, aber kein Auskommen. Weil sie trotz Beschäftigung keine Existenzsicherung erwirtschaften, gehören viele Frauen zur neuen Klasse der working poor.

Die Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral vii Air Bags der sozialen Krisen Weil bezahlte Arbeit und soziale Sicherung zunehmend voneinander entkoppelt sind, besteht ein großer Bedarf an sozialem Schutz und Auffangnetzen. Doch gerade jetzt sparen die Regierungen Ausgaben im sozialen Sektor ein und ziehen sich aus der Verantwortung fürs Gemeinwohl und für soziale Umverteilung zurück. Unter dem Druck der Globalisierung machen die Staaten es zu ihrer wichtigsten Aufgabe, Standortsicherung zu betreiben und komparative Vorteile des jeweiligen Landes zu optimieren. Öffentliche Versorgung wird kommerzialisiert, Gemeingüter werden privatisiert, soziale Aufgaben an die privaten Haushalte und lokalen Gemeinschaften zurückgegeben. In den strukturangepassten Ländern des Südens übernehmen Frauen wirtschaftliche Posten und Versorgungsleistungen in ihre unbezahlte subsistenzorientierte Ökonomie und in kollektive Auffangsysteme in Frauengruppen. Selbsthilfegruppen sind die Krankenschwestern des Sozialen, die Hausfrauen des Gemeinwohls. In den hochindustrialisierten Nationen, wo der Sozialabbau das soziale Netz zerreißt, werden nach dem Subsidiaritätsprinzip die privaten Haushalte und zivilgesellschaftlichen Kräfte mobilisiert. 80 Prozent der sozialen Freiwilligenarbeit in Deutschland wird von Frauen geleistet. Auf diesem Hintergrund erlebt das Ehrenamt eine politische Hochkonjunktur. Wenn soziale Aufgaben von der Kinderbetreuung bis zur Altenpflege vom Staat entsorgt werden, übernehmen sie meist Frauen. Während die Staaten sich aus der Verantwortung fürs Gemeinwohl und soziale Umverteilung zurückziehen, findet eine Feminisierung von sozialer Verantwortung statt. Weil Frauen den staatlichen Sozialabbau abfedern, nimmt ihre unbezahlte Versorgungsarbeit weltweit eher zu als ab. Fazit: Die strategische Rolle von Frauen in der Globalisierung ist es, vor allem die unterbezahlte und unbezahlte Arbeit auszuführen und dadurch den Umbau des Arbeitsmarktes und den staatlichen Sozialabbau aufzufangen. Kein win-win-spiel Globalisierung zieht Frauen anders in ihren Sog als Männer. Sie greift auf bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, zwischen einheimischer Bevölkerung und MigrantInnen, zwischen jungen Flexiblen und älteren, weniger Flexiblen usw. zurück. Ergebnis ist eine höchst ungleich mit Einkommen, gesellschaftlicher Anerkennung, Rechten und Sicherheiten ausgestattete Arbeitswelt und Sozialarchitektur. Die soziale Schere öffnet sich, und die ökonomische Ungleichheit wächst, im Weltmaßstab, innerhalb einzelner Gesellschaften und auch zwischen Frauen.

viii Auf der einen Seite die ganz wenigen Frauen, die den Sprung in die high-tech-gestützte Wissens- und Kommunikationselite geschafft haben. Im gesellschaftlichen Mittelfeld, die Frauen aus den neuen konsumorientierten Mittelschichten, die ein Stück Berufskarriere schaffen und die Haus- und Sorgearbeit einer gering bezahlten Hausangestellten übertragen. Und als Sockel der Gesellschaften die wachsenden Segmente unterbezahlter und ungeschützter Arbeit. Die zunehmende Feminisierung der Beschäftigung und der sozialen Verantwortung bringt verkrustete Geschlechterordnungen in Bewegung und lässt neue Geschlechterrollen entstehen. Doch Lebens-, Gleichstellungs- und Emanzipationschancen sind sehr ungleich verteilt. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wurde immer deutlicher, dass die Globalisierung nicht ein Gewinnspiel für alle ist. Sie ein Roulette mit hohem Fraueneinsatz, bei dem wenige gewinnen und viele verlieren. Der Mehrzahl der Frauen weltweit ist sie die Einlösung von Rechten, Gerechtigkeit und Gleichheit schuldig geblieben. Im Weltmaßstab nimmt die Armut zu, aber auch der Reichtum. Globalisierung erweist sich als höchst krisenanfälliger Prozess. Das haben nicht nur die Krisen in Asien, Brasilien und Russland gezeigt, die von den Finanzmärkten und der Verschuldung der Staaten ausgingen, sondern auch die Ernährungskrise (BSE usw.) und die Krise sozialer Versorgung. Weil die Widersprüche der Globalisierung offensichtlicher wurden, organisierte sich zunehmend ein globale Gegenwehr oder eine Globalisierung von unten. In Kampagnen wie z.b. der Kampagne für saubere Kleidung, in öffentlichen Protesten auf der Straße anlässlich von Weltbank- und WTO-Treffen und in der Forderung nach einer Reregulierung der Märkte, vor allem der Finanzmärkte, artikuliert sich Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung. Es wird gefordert, die Dynamiken der Globalisierung nicht als Naturgewalt hinzunehmen, sondern sie umzugestalten, eine Globalisierung von Rechten voranzutreiben und die Wirtschaft nach sozialen Maßgaben zu remoralisieren, d.h. sie wieder an ethischen und sozialen Werten statt an den alles dominierenden Effizienz- und Profitprinzipen zu orientieren. Literaturhinweis: Die globalisierte Frau. Berichte aus der Zukunft der Ungleichheit, Reinbek 1998