EINFÜHRUNG IN DIE FEMINISTISCHE RECHTSWISSENSCHAFT PD Dr. Friederike Wapler, Universität Frankfurt heute: Ehe, Familie und andere Lebensweisen
Geschlechterrollen im Recht: Ehe und Familie Art. 3 II GG: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Dann ist das Bürgerliche Gesetzbuch verfassungswidrig. (Thomas Dehler [FDP] im Parlament arisc h en Rat, 1949) Reformschritte: Gleichberechtigungsgesetz von 1958 Stichtagsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1959) Ehe- und Familienrechtsreform von 1977
Geschlechterrollen im BGB 1354 BGB Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung. Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Missbrauch seines Rechtes darstellt. (1900-1957) 1354 BGB ist mit dem Gleichs tellungsg esetz (1958) weggefallen.
Geschlechterrollen im BGB 1358 I BGB Hat sich die Frau einem Dritten gegenüber zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet, so kann der Mann das Rechtsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn er auf seinen Antrag von dem Vormundschaftsgerichte dazu ermächtigt worden ist. Das Vormundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu erteilen, wenn sich ergibt, dass die Tätigkeit der Frau die ehelichen Interessen beeinträchtigt. (1900-1958) 1358 BGB ist mit dem Gleichste llu ngsg esetz (1958) weggefallen.
Geschlechterrollen im BGB 1628 I BGB Können sich die Eltern nicht einigen, so entscheidet der Vater, er hat auf die Auffassung der Mutter Rücksicht zu nehmen. (1900-1959) 1628 BGB wurde 1959 durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklär t.
Geschlechterrollen im BGB 1629 I BGB Die Vertretung des Kindes steht dem Vater zu; die Mutter vertritt das Kind, soweit sie die elterliche Gewalt allein ausübt oder ihr die Entscheidung nach 1628 Abs. 2, 3 übertragen ist. (1900-1959) 1628, 1629 BGB wurden 1959 durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt (BVerfGE 10, 59).
Geschlechterrollen im BGB 1356 I BGB Die Frau ist [ ] berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten. (1900-1958) Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist. (1958-1976)
Der leibliche Vater im Parlamentarischen Rat (1949) Ein eheliches Kind lebt in der Familie unter der Obhut von Vater und Mutter. Das uneheliche Kind lebt nicht in einer Familie, sondern steht in einem einseitigen Verhältnis zur Mutter. Solche Verschiedenheit kann keine Verfassungsbestimmung aus der Welt schaf fen. (Adolf Süsterhenn, CDU)
Der leibliche Vater im Parlamentarischen Rat (1949) Es ist doch wohl das natürlichste Recht, daß das uneheliche Kind mit seinem Vater, selbst wenn er gesetzlich nur Erzeuger genannt wird, verwandt ist. (Frieda Nadig, SPD)
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (2003) Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine Mutter, gerade wenn sie mit dem Vater und dem Kind zusammenlebt, sich nur ausnahmsweise und nur dann dem Wunsch des Vaters nach einer gemeinsamen Sorge verweigert, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden, dass sie also die Möglichkeit der Verweigerung einer Sorgeerklärung nicht etwa als Machtposition gegenüber dem Vater missbraucht. (BVer fge 107, 150)
EGMR (2009) Der Gerichtshof ist nicht überzeugt von dem [ ] Argument, der Gesetzgeber dürfe davon ausgehen, dass, wenn die Eltern zusammenlebten, die Mutter sich aber weigere, eine gemeinsame Sorgeerklärung abzugeben, dies eine Ausnahme sei und die Mutter dafür schwerwiegende Gründe habe, die vom Kindeswohl getragen seien. (EGMR FamRZ 2010, 103 Zaunegger/Deutschland)
Wie es weiterging Das Bundesverfassungsgericht schließt sich dem EGMR an und erklärt 1626a BGB für unvereinbar mit dem Grundgesetz (BVerfGE 1 27, 132) Seit 2013 haben nichteheliche Väter die Möglichkeit, auch gegen den Willen der Mutter ein Sorgerecht zu erhalten, wenn es mit dem Kindeswohl vereinbar ist. ( 1626a BGB i.d.f. v. 19.05.2003)
Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht BVerfG NJW 1993, 1358 ( Aktion Standesamt ) Die Verschiedengeschlechtlichkeit der Eheleute gehört zu den prägenden Merkmalen der Ehe. Ein gleichgeschlechtliches Paar kann keine Ehe schließen. Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften dürfen rechtlich abgesichert werden. Folge: Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes (2001) Rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Paare Reduzierte Rechte und Pflichten im Vergleich zur Ehe (v.a.: keine steuer- und beamtenrechtliche Vorteile, kein Adoptionsrecht)
Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht BVerfGE 105, 313 Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes Kein Verstoß gegen den besonderen Schutz der Ehe gem. Art. 6 I GG. Art. 6 I GG enthält kein Abstandsgebot in dem Sinne, dass andere Lebensformen gegenüber der Ehe benachteiligt werden müssten. Weitere Rechtsentwicklung: Einführung der Stiefkindadoption für Lebenspartner (2005) Steuer- und beamtenrechtliche Gleichstellung durch Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zulässigkeit der Sukzessivadoption durch Lebenspartner (2013)
Öffnung der Ehe für alle Paare Niederlande (2001) Belgien (2003) Spanien (2005) Norwegen (2009) Schweden (2009) Portugal (2010) Island (2010) Dänemark (2012) Frankreich (2013) England und Wales (2014)