Wie man ein minderjähriges Kind pflegt

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Vf. 33-IV-10 DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES Beschluss In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Frau R., Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Oliver Schenk, Lampestraße 3, 04107 Leipzig, hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Birgit Munz sowie die Richter Jürgen Rühmann, Matthias Grünberg, Ulrich Hagenloch, Hans Dietrich Knoth, Rainer Lips, Hans v. Mangoldt, Martin Oldiges und Hans-Heinrich Trute am 26. August 2010 beschlossen:

2 1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Leipzig vom 15. Januar 2010 und vom 24. Februar 2010 (399 UR II 02761/09) verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf i.v.m. Art. 1 Satz 2 SächsVerf und werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Leipzig Rechtspfleger zurückverwiesen. 2. Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten. G r ü n d e: I. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer am Montag, den 19. April 2010, bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde gegen den ihren Antrag auf Beratungshilfe zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 15. Januar 2010 (399 UR II 02761/09) und gegen den im selben Verfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 24. Februar 2010, ihr zugegangen am 18. März 2010, mit dem ihre gegen die Versagung der Beratungshilfe gerichtete Erinnerung zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin hat zwei am 16. Januar 1991 bzw. am 7. Oktober 1998 geborene Söhne. Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 wandte sich eine vom Vater des älteren Sohnes beauftragte Rechtsanwältin an die Beschwerdeführerin. Darin heißt es u. a. wie folgt: Sehr geehrte Frau R., Mein Mandant hat mich darüber informiert, dass er sich aufgrund der vor dem Jugendamt der Stadt L. errichteten Urkunde über die Abänderung eines Unterhaltstitels vom 02.09.1993 zu Urkunden-Reg.-Nr.... dazu verpflichtet hat, an Ihren gemeinsamen Sohn einen Unterhalt in Höhe von derzeit monatlich 283,00 zu zahlen. Da Ihr gemeinsames Kind zwischenzeitlich volljährig ist und sich in Ausbildung befindet, richtet sich der Unterhaltsanspruch nicht mehr allein gegen meinen Mandanten, sondern gegen beide Elternteile. Zur Prüfung, ob und in welcher Höhe Ihnen ein Unterhaltsanspruch gegenüber meinem Mandanten zusteht, habe ich Sie aufzufordern, mir spätestens bis zum 19.06.2009 Auskunft zu erteilen über Ihre sämtlichen Erwerbseinkünfte Ferner bitte ich um die Übersendung der Einkommenssteuererklärung mit allen amtlichen Anlagen und allen dazu gehörigen Steuerbescheiden samt eventueller Berichtigungsbescheide für das Jahr 2008. Lediglich der guten Ordnung halber teile ich mit, dass Sie hinsichtlich der von Ihnen erzielten Einkünfte mit Volljährigkeit auch ohne besondere Aufforderung gegenüber meinem Mandanten auskunftsverpflichtet gewesen wären. Ich

3 weise daher darauf hin, dass ich bei Verstreichen des vorstehend bezeichneten Termins gehalten wäre, Sie auf entsprechende Auskunftserteilung gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2009 zeigte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin gegenüber der Rechtsanwältin des Vaters an und übersandte die geforderten Einkommensnachweise der Beschwerdeführerin. Die Forderung nach Übersendung von Einkommenssteuererklärungen wies er zurück. Am 18. Juni 2009 beantragte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht Beratungshilfe in Sachen Auskunft/Prüfung Kindesunterhalt. Sie habe angesichts der missverständlichen Formulierung des Schreibens nicht gewusst, wie sie sich rechtlich sinnvoll verhalten solle. Mit Beschluss vom 15. Januar 2010 wies das Amtsgericht durch die zuständige Rechtspflegerin den Antrag zurück. Bei Fragen zum Unterhalt für ein minderjähriges Kind bestehe für den betreuenden Elternteil nach 18 Abs. 1 SGB VIII bzw. für das Kind bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gemäß 18 Abs. 4 SGB VIII ein gesetzlicher Anspruch auf Beratung und ggf. Unterstützung durch das zuständige Jugendamt. Gegebenenfalls sei sogar eine unmittelbare Vertretung des Kindes durch das Jugendamt im Wege einer Beistandschaft möglich. Diese Hilfsmöglichkeit sei gegenüber der Bewilligung von Beratungshilfe vorrangig. Es sei nicht dargetan, dass eine Klärung der Angelegenheit über das zuständige Jugendamt gescheitert oder nicht zumutbar gewesen sei. In ihrer gegen diesen Beschluss am 1. Februar 2010 eingelegten sofortigen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, sie könne nicht auf die Beratung durch das Jugendamt verwiesen werden, da der von ihr betreute Sohn im Juni 2009 bereits volljährig gewesen sei und 18 Abs. 4 SGB VIII nur dem Unterhalt begehrenden Kind selbst einen Anspruch auf Beratung durch das Jugendamt gewähre. Die Rechtspflegerin half dem als Erinnerung ausgelegten Rechtsbehelf mit Beschluss vom 4. Februar 2010 nicht ab und legte den Vorgang der zuständigen Richterin zur Entscheidung vor. Diese wies die Erinnerung mit Beschluss vom 24. Februar 2010 zurück. Zur Begründung verwies die Richterin auf den Beschluss vom 15. Januar 2010 und führte ergänzend aus, selbst wenn nunmehr erstmalig mitgeteilt werde, dass es um den bereits volljährigen Sohn gehe, sei noch immer nicht dargelegt, warum es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei, die von der Gegenseite geforderte Auskunft selbst zu erteilen. Es sei der Beschwerdeführerin jederzeit möglich gewesen, sich mit der gegnerischen Rechtsanwältin in Verbindung zu setzen und zu hinterfragen, welches Ansinnen verfolgt werde. Eine verständige, wirtschaftlich denkende und nicht bedürftige Partei hätte nicht auf direktem Weg einen Rechtsanwalt aufgesucht, sondern zunächst versucht, die Sache selbst zu klären. Erst wenn eine selbständige Klärung mit der gegnerischen Anwältin gescheitert wäre, sei die Inanspruchnahme von Beratungshilfe gerechtfertigt gewesen. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 18 Abs. 1 i.v.m. Art. 1 Satz 2 SächsVerf). Zur Begründung wiederholt sie ihre bisherigen Ausführungen und führt des Weiteren aus, werde die Gewährung von Beratungshilfe unter Verweis auf das Bestehen einer Selbsthilfemöglichkeit abgelehnt, genüge dies verfassungsrechtlichen Anforderungen nur dann, wenn auch ein Bemittelter deshalb die Einschaltung eines Rechtsanwalts vernünftigerweise nicht in Betracht zöge. Sie sei durch das Schreiben vom

4 3. Juni 2009 mit Rechtsfragen konfrontiert worden, welche sie nicht habe beantworten können und zu deren Beantwortung auch eine verständige, wirtschaftlich denkende und nicht bedürftige Partei auf direktem Wege einen Rechtsanwalt aufgesucht hätte. Von ihr habe auch nicht verlangt werden können, der gegnerischen Rechtsanwältin ungeprüft die geforderten Unterlagen zu übersenden, zumal es auch darum gegangen sei, eigene Verpflichtungen zur Zahlung von Unterhalt abzuwehren. Das Staatsministerium der Justiz und für Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen. II. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 1 Satz 2 SächsVerf). 1. Art. 18 Abs. 1 SächsVerf in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 1 Satz 2 SächsVerf) gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 Vf. 105-IV-09; st. Rspr.). Weder der allgemeine Gleichheitssatz noch das Rechtsstaatsprinzip sind in ihrer Geltung auf das gerichtliche Verfahren beschränkt. Die im gerichtlichen Verfahren auf Rechtsschutzgleichheit gerichteten Verfassungsgrundsätze gewährleisten daher auch im außergerichtlichen Bereich Rechtswahrnehmungsgleichheit. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Rechtswahrnehmungsgleichheit hat der Gesetzgeber mit dem Beratungshilfegesetz grundsätzlich Genüge getan (vgl. BVerfG NJW 2009, 3417 [3417 f.]). Dessen Auslegung und Anwendung sowie die Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts obliegt den zuständigen Fachgerichten. Entscheidungen der Fachgerichte allgemein auf die richtige Auslegung der Gesetze und die korrekte Anwendung des einfachen Rechts zu kontrollieren, ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes; er kann nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 18 Abs. 1 SächsVerf in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 1 Satz 2 SächsVerf) verbürgten Rechtswahrnehmungsgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 81, 347 [357 f.]; SächsVerfGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 Vf. 36-IV-09). Entsprechend dem für die Prozesskostenhilfe geltenden Prüfungsmaßstab überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einem unbemittelten Rechtsuchenden im Vergleich zum bemittelten Rechtsuchenden die Rechtswahrnehmung unverhältnismäßig erschwert wird (BVerfG, NJW 2009, 3417 [3417 f.]; BVerfGE 81, 347 [357 f.]). Der Verweis auf die Selbsthilfe stellt jedenfalls dann keinen Verstoß gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit dar, wenn ein Bemittelter in vergleichbarer Angelegenheit die Einschaltung eines Rechtsanwaltes vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. August 2009 1 BvR 615/09 juris Rn. 11).

5 2. An diesem Maßstab gemessen genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Amtsgericht hat keine ausreichenden, die Notwendigkeit anwaltlicher Hilfe in Frage stellenden Umstände angeführt. Die Möglichkeit der Beratung durch das Jugendamt bestand für die Beschwerdeführerin nicht, da sich der ihr gegenüber geltend gemachte Auskunftsanspruch auf den Unterhaltsanspruch ihres bereits volljährigen Sohnes bezog. Gemäß 18 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII haben Mütter und Väter, die allein für ein Kind oder einen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge einschließlich der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen des Kindes oder Jugendlichen. Die Anknüpfung des Beratungsanspruchs an die Personensorge verdeutlicht, dass er ausschließlich für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen Minderjähriger besteht (vgl. Münder u. a., FK-SGB VIII, Stand 1. Januar 2003, 18 Rn. 6). Der in 18 Abs. 4 SGB VIII normierte Beratungsanspruch steht nur dem jungen Volljährigen selbst und nicht seinen Eltern zu. Soweit das Amtsgericht die Erforderlichkeit der anwaltlichen Hilfe deshalb verneint, weil es die Beschwerdeführerin in der Pflicht sieht, sich mit der gegnerischen Rechtsanwältin in Verbindung zu setzen und zu hinterfragen, welches Ansinnen verfolgt werde, wird dies dem Vergleich mit dem bemittelten Rechtsuchenden ebenfalls nicht gerecht. Der zwischen der Beschwerdeführerin und der gegnerischen Rechtsanwältin bestehende Interessenkonflikt ließ es der Beschwerdeführerin nicht als zumutbar erscheinen, das aufgetretene Missverständnis durch eine Rücksprache mit der gegnerischen Rechtsanwältin zu klären. Der Beschwerdeführerin war auch nicht zuzumuten, die begehrten Auskünfte ohne vorherige anwaltliche Beratung selbst zu erteilen. Hierzu bedurfte es nicht nur der Klärung von Tatsachenfragen, die auch ohne Rechtskenntnisse zu beantworten wären, sondern der Kenntnis und Würdigung unterhaltsrechtlicher Normen. Es musste die Frage beantwortet werden, ob überhaupt ein Auskunftsanspruch besteht und wenn ja, in welchem Umfang, insbesondere, ob er auch die vom Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin verneinte Verpflichtung zur Vorlage von Steuerbescheiden umfasst. Es ist nichts dafür ersichtlich und wird auch von den angegriffenen Beschlüssen nicht angenommen, dass ein Bemittelter bei diesen Fragen vernünftigerweise nicht die Einschaltung eines Rechtsanwalts in Betracht ziehen würde.

6 III. Die Entscheidung ist kostenfrei ( 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG). Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten ( 16 Abs. 3 Sächs- VerfGHG). gez. Munz gez. Rühmann gez. Grünberg gez. Hagenloch gez. Knoth gez. Lips gez. v. Mangoldt gez. Oldiges gez. Trute