No Blame Culture vs. Behandlungsfehler vor Gericht (wie) passt das zusammen?

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Transkript:

No Blame Culture vs. Behandlungsfehler vor Gericht (wie) passt das zusammen? PD Dr. med. Max Skorning Leiter Stabsstelle Patientensicherheit, Seniorberater 04.05.2017

Ein fehlerbedingter Schaden und dann? 4. Mai 2017 Seite 2

Mit einem Bein im Knast? hilflos machtlos ausgeliefert Es kann jeden treffen Aber ist das die richtige Sichtweise? 4. Mai 2017 Seite 3

Statistiken? 4. Mai 2017 Seite 4

4. Mai 2017 Seite 5

Nicht wegen Behandlungsfehlern (bzw. Körperverletzung) einzeln aufgeführt 4. Mai 2017 Seite 6

Wir alle machen Fehler! Eine Binsenweisheit, aber sooooo wahr und wichtig! 4. Mai 2017 Seite 7

IOM Report To err is human 1999 Accidental injuries result from faulty systems, not from faulty doctors or nurses Was hat Schuld? statt Wer hat Schuld? 4. Mai 2017 Seite 8

4. Mai 2017 Seite 9

Haftung Strafe 4. Mai 2017 Seite 10

Medizin(straf)recht Heileingriff ist tatbestandlich Körperverletzung Aber: gerechtfertigt durch Einwilligung nach Aufklärung! Einwilligungserklärung! 630a BGB: Behandlungsvertrag (2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. 4. Mai 2017 Seite 11

Der Spruch zur Patientensicherheit? primum nihil nocere first do no harm Medicine used to be simple, ineffective and relatively safe. It is now complex, effective and potentially dangerous. Chantler. Lancet 1999 4. Mai 2017 Seite 12

Haftungstatbestände + Beweislast Fehler Kausalität Schaden Abweichen vom allgemein anerkannten fachlichen Standard ohne entsprechende Aufklärung oder Einwilligung (Gesundheits-)Schaden, der durch die (ausgebliebene, falsche, verzögerte ) Behandlung nicht durch den Krankheitsverlauf entstanden ist und deshalb vermeidbar war Behandlungsfehler 4. Mai 2017 Seite 13

Das zentrale Thema heute und morgen 4. Mai 2017 Seite 14

Vermeidbar! Ja, fraglos aber können wir es nicht irgendwie familienfreundlicher ausdrücken? 4. Mai 2017 Seite 16

Manchmal ist es nicht nur erlaubt! Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 630c Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten (2) Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. 4. Mai 2017 Seite 17

Nochmal: Wir alle machen Fehler! Eine fehlerhafte Behandlung sollte nicht primär bestraft werden, deren Schadenfolgen müssen aber zumindest entschädigt werden! Aus Fehlern, insbesondere aus fehlerbedingten Schäden muss gelernt werden! Fehlendes Lernen aus Fehlern sollte eher bestraft werden!? Managementverantwortung für die Mitarbeiter in der Patientenversorgung sollte stärker berücksichtigt werden! 4. Mai 2017 Seite 18

No Blame Culture vs. Behandlungsfehler vor Gericht (wie) passt das zusammen? Die meisten Fehler werden von niemandem erkannt weder von Ärzten und Pflegekräften noch von Patienten Die meisten erkannten Fehler werden nicht vorgeworfen Bei den meisten vorgeworfenen Fehler geht es um Haftung Die wenigen strafrechtlich verfolgten Behandlungsfehler führen im seltenen Fall einer Verurteilung zumeist nur zu geringen Strafen (Geldstrafen) Ausnahmen bestätigen diese Regel Vor diesen Ausnahmen kann man sich gut schützen In der Patientenversorgung braucht die Angst vor juristischen Konsequenzen nicht permanent mitzuschwingen! Schon gar nicht ist man mit einem Bein im Knast Es passt also zusammen, zumindest grob! 4. Mai 2017 Seite 19

Aber Strafrecht Diskussion über Mitverantwortung der Geschäftsführung im Krankenhaus (und anderer Systemverantwortlicher ) für einzelne Behandlungsfehler (aufgrund des Etablierens fehlerträchtiger Rahmenbedingungen) erst am Anfang Strafbarkeit von Organisationen? Fehlendes Lernen aus Fehlern in den Fokus nehmen? Haftungsrecht No blame vs. Transparenz: Kein Gegensatz! Beschleunigung der Verfahren erforderlich! Unterstützung von Anfang an: Härtefallfonds? 4. Mai 2017 Seite 20

Vielen Dank! m.skorning@mds ev.de PD Dr. med. Max Skorning 4. Mai 2017 Seite 21