Wie finden Kirchengemeinde und Menschen am Rande der Gesellschaft im Gemeindeleben zueinander?

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Transkript:

Wie finden Kirchengemeinde und Menschen am Rande der Gesellschaft im Gemeindeleben zueinander? Informationen Interpretationen und Impulse auf der Basis der SINUS- Studie Evangelisch in Baden und Württemberg (SSBW) Stuttgart, 2. November 2016 Forum Denkfabrik: Menschen am Rande Prof. Dr. Heinzpeter Hempelmann MA

Was Sie erwartet: I. Wer sind die Menschen am Rande? Eine Beschreibung des Prekären Milieus aus der Sicht der Lebensweltforschung II. Prekäres Milieu und Kirche: Erfahrungen mit einem schwierigen Verhältnis III. Was sind die Barrieren und was die Brücken für ein Zusammenwachsen? IV. Impulse: Was können wir tun? Was legt sich nahe

I DAS PREKÄRE MILIEU AUS DER SICHT DER LEBENSWELTFORSCHUNG

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung a) Kirchliche Missverständnisse von sozialwissenschaftlichen Beschreibungen als (Ab-)Wertungen; von Abkürzungen als zureichenden Beschreibungen a) Welche Milieus sind am Rand? 7 von 10 In keinem Milieus Diskriminierungserfahrungen wie im PRE In keinem Milieu so starke Wünsche nach Ausstieg und Aufstieg wie im PRE Das PRE als das Milieu am Rand

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung c) Die Debatte um die Bezeichnung prekär : Die prekäre Bezeichnung des Prekären Milieus Contra: Diskriminierung? Wer möchte sich den Prekären zugeordnet wissen? Pro: Angemessener Ausdruck des eigenen Weltund Selbstverständnisses; Pro: gegen Verschleierung oft untragbarer Verhältnisse Diskussion notwendig; wichtig v.a. Sensibilisierung

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung d) Kurzcharakteristik nach SINUS-Milieu-Modell 2010 Wer mit Menschen kommunizieren und sie erreichen will, muss sie kennen und möglichst viel über sie wissen wollen!!! Wir fragen nach... Kurzcharakteristik Soziale und demographische Lage Lebensweltlogik Selbst- und Weltsicht Leitmotive, Anliegen Wünsche Themen Tonalität/ Kommunikationsweise

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung d) Kurzcharakteristik nach SINUS-Milieu-Modell 2010 Wer mit Menschen kommunizieren und sie erreichen will, muss sie kennen und möglichst viel über sie wissen wollen!!! Die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht mit starken Zukunftsängsten und Ressentiments: Häufung sozialer Benachteiligungen, geringe Aufstiegsperspektiven, reaktive Grundhaltung; bemüht, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung e) Soziale und demographische Lage Eines von drei Milieus der Unterschicht oder unteren Mittelschicht Modern orientiert (B-Säule) Ca. 9% der Bevölkerung Durchschnittsalter 54 Jahre (TRA: 68; HED 39) niedrige Haushaltseinkommen im Allgemeinen niedrige Berufsabschlüsse (Hauptschulabschluss mit oder ohne Lehre) im Milieuvergleich der höchste Anteil von Geschiedenen überdurchschnittlich viele Menschen, die allein leben/ verwitwet sind die meisten Arbeitslosen im Milieuvergleich meist Arbeiter oder Facharbeiter.

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung e) Soziale und demographische Lage

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung e) Soziale und demographische Lage

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung Konsequenz: Menschen leben in prekären materiellen Verhältnissen. Sie haben nicht genügend Geld. Sie sind modern eingestellt, es fehlen ihnen aber die finanziellen Möglichkeiten, diese Vorstellungen und Ziele zu realisieren. Sie erleben Beziehungsnöte unterschiedlicher Art. Sie sehen sich vielfach beruflich und/ oder privat gescheitert.

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung f) Lebensweltlogik B : bemüht, Anschluss zu halten an die Mittelschicht, an den Lebensstandard und die Einstellungen von BÜM benachteiligt: schlechte Ausbildung oder gar keine; eher schlecht bezahlte Anstellungsverhältnisse oder gar keine; vielfach alleinlebend (geschieden, verwitwet, ohne Beziehung) beunruhigt: wo geht diese Gesellschaft hin? Werde ich abgehängt? Wo bleibe ich? Was wird in Zukunft werden? Hab ich überhaupt noch Aufstiegsperspektiven? Ggf. wie werde ich mit meinen Schulden fertig?

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung g) Selbst- und Weltsicht: Ausgrenzungserfahrung (HED: Abgrenzung; TRA: eigene Welt) Diskriminierungserfahrungen: Bereits in PRE-Verhältnisse hineingeboren Keine Chance haben, von Anfang an Warum ich, ausgerechnet ich? Von anderen gedisst werden

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung Mögliche Reaktionsmuster: das Ressentiment gegen die da oben ( Bonzen, Ausbeuter ), die uns hier unten drücken und benachteiligen, und das Ressentiment gegen die da unten ( Opfer, Asis ), die vermeintlich noch schlechter dastehen als man selbst und von denen man sich noch positiv abheben kann, der Rückzug angesichts der empfundenen Chancenlosigkeit und weitgehenden Ohnmacht, auf zu steigen und etwas aus dem eigenen Leben zu machen.

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung Diskrepanz zwischen Erfahrung und Selbstverständnis: PRE sehen sich nicht als schwach, Verlierer, benachteiligt, sondern als: stark, durchsetzungsfähig, leistungswillig Wir schaffen das, im Sinne von: Wir packen das, nicht im akademischen, sondern im physischen Sinne einer körpersprachlichen Semantik

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung Die Wirklichkeit wird erfahren als Kampf, Konkurrenz, bei der man sich bewähren und durchsetzen muß, aber im Regelfall unterliegt einengend und Grenzen ziehend, mit wenig Gestaltungsmöglichkeiten auf Grund geringer Bildungsund materieller Ressourcen eine Welt, der man oft ohnmächtig gegenübersteht oftmals harter und trauriger Ort als Raum, in dem ich wenig Anerkennung und Bestätigung finde.

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung g) Leitmotive/ Anliegen: PRE wollen stark sein, etwas schaffen etwas gelten, darstellen, sein und das auch zeigen dazu gehören, darum aufsteigen keinen Schmerz zeigen (männlich), in einem schon direkten Sinne schön, sprich: sexuell attraktiv sein (weiblich) ausgeprägte Geschlechterrollen leben

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung h) PRE wünschen sich Materielle Ressourcen Statussymbole (der gebrauchte 3er-BMW; der eigentlich nicht bezahlbare Großbildfernseher) Leistung (milieu-, lebenswelt-, ressourcenbezogen) Sport, Fitness, Coolness gut und reichlich essen Respekt erfahren

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung i) Themen sind dementsprechend unbefriedigende Zustände, Mißstände, Benachteiligungen ( Ungerechtigkeit ) Erfolge, Erfolgserfahrungen Aufstieg Anerkennung, Achtung, Respekt Geld Sexualität alles Körperbetonte (Kleidung, Frisör, Schmuck, Tatoos, Musik, Tanz) Statussymbole (Autos etc.) günstige Einkaufsmöglichkeiten Musik, DVD, TV.

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung k) Tonalität Das PRE möchte angesprochen werden und versteht sich selbst als wertschätzend, fair integrativ-inklusiv Chancen eröffnend Mitwirkung erschließend statushaft, Statussymbole vermittelnd körpersprachlich, körperbetonter Auftritt etwas gelten wollen, etwas darstellen wollen kräftig, stark, direkt, (aus der Perspektive anderer Milieus gesprochen): manchmal hart und rauh volkstümlich.

II Das Prekäre Milieu aus der Sicht der Lebensweltforschung l) Gemeinschaftsformate Gemeinschaft wird gesucht In der Familie (hier fühlt man sich sicher) Unter gleichartigen Freunden, die Familie sind Unter sich: Abschließungstendenz In der Peergroup, deren Anerkennung besonders wichtig ist Im kleinen Kreis, in dem man vor Diskriminierung und Unterlegenheitserfahrungen sicher ist

III KIRCHE UND PREKÄRES MILIEU EIN SCHWIERIGES VERHÄLTNIS

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Anteil der PRE an den Kirchenmitgliedern der Ev. Landeskirchen in Baden und Württemberg

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Anteil von Kirchenmitgliedern an den Milieus (Stand 2011)

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Befund: (1) Ein erheblicher Teil der Personen, die wir dem PRE zuordnen, gehört immer noch zu einer evangelischen Landeskirche (keine speziellen Zahlen für die ELKWü). (2) Der Prozentsatz der PRE an den Mitgliedern der ELKWü ist sehr gering und liegt deutlich unter dem Durchschnitt des Landes Baden- Württemberg.

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Befund, FF: (3) Menschen, die dem PRE zugeordnet werden können, tauchen im kirchengemeindlichen Leben selten und nur am Rand auf (nicht verwechseln mit Traditionsorientierten oder der Bürgerlichen Mitte, soweit sie in die Unterschicht hineinragt). (4)Lebensweltforschung zeigt: Kirche wird erfahren und gesehen als Sozialdiakonischer Rettungsanker fremde, bürgerliche Welt, zu der man nicht gehört. SPURENSUCHE: Was sind Gründe?

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Ausgeprägte Abwehrreflexe von Seiten der kirchenamtlich und theologisch den Ton angebenden postmateriell geprägten Milieus (Sozial-Ökologisch, Liberal-Intellektuell) PRE sind aus der Sicht der SÖK und LIB oft politisch nicht korrekt Mangelndes ökologisches Bewusstsein Wenig Konsumkritik Abwehr des/ der Fremden, speziell der Immigranten Geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Ausgeprägte Ekelschranken auch im Ästhetischen: Volkstümliche Kultur (deutsche Schlager) Körpersprachliches Auftreten Vorwurf mangelnder Reflektiertheit ( Stammtischniveau ) Minderwertigkeitsempfindungen der Gebildeten als Faktor

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Für postmateriell geprägte Christen verkörpern PRE vielfach all das, was man als Christ nicht sein kann und nicht sein soll. Kirche als Repräsentant des angestrebten Aufstiegsortes setzt gefühlt erfahrene Diskriminierung fort. Resultat: PRE fühlen völlig zu Recht mangelnde Wertschätzung, wenig Akzeptanz.

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Diakonisches Handeln als Hauptschwerpunkt Aber, kirchliches Verhalten widerspricht eigenem Selbstverständnis: Barmherzigkeitsdiakonie wird einerseits gebraucht, andererseits steht sie in fundamentalem Widerspruch zur eigenen Lebensweltlogik: Ich bin stark; ich komme alleine zurecht; ich brauche keine Hilfe. Massive Kritik an Kirche und Diakonie in der SSBW.

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Keine (oder wenig) Kirchenkritik im reflexiven Sinne, wohl aber Kirchendistanz auf der soziokulturellen Ebene Kirche wird empfunden als fremder Ort, der auch der eigenen Ästhetik widerspricht: Da passe ich nicht rein Hier gehöre ich nicht hin Da gehöre ich nicht dazu Auch Das verstehe ich nicht, das ist langweilig, das ist nicht modern Empfindung der Hilflosigkeit im Gottesdienst mit seinen Regeln und seiner Sprachzentriertheit und Verkopfung

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Milieubefangenheit und mangelnde Milieusensibilität der Kirchen: Kirche präsentiert sich v.a. als Bildungsinstitution Bsp. EKD-Initiative Erwachsen glauben : Vorstellung von Glaubenskursen, die für PRE attraktiv sind Wissensbasierte, regelgerechte, differenzierte Darstellung und Reflexion des eigenen Standpunktes in schriftlicher Form bedeutet: Exklusion! Einladung zu weiteren Erfahrungen des Mißerfolgs, mindestens der Unterlegenheit

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Resümee: 1. Die soziokulturelle Prägung der kirchlich Tonangebenden, die immer noch vorwiegend traditionsorientierte Prägung der Gemeinden vor Ort macht Kirche und kirchliche Angebote für PRE zu einer anderen Welt, von der man spürt und weiss, dass man nicht zu ihr gehört. 2. Ausgrenzungserfahrungen in der Gesellschaft setzen sich angesichts der Ekelschranken und Abwehrreaktionen der Gebildet-Bürgerlichen ausgerechnet in der Kirche als empfundener Repräsentatin der Gesellschaft fort.

III Kirche und prekäres Milieu ein schwieriges Verhältnis Resümee, FF: (3) Die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft sind am wenigsten in der Kirche verankert und haben mit die größte Distanz zur Kirche, trotz diakonischer Zuwendung.

III BRÜCKEN UND BARRIEREN

III Brücken und Barrieren Die No-Goes: Was nicht gut kommt (und Kommunikation stört) Alles, was überheblich klingt und ist, also der intellektuelle Habitus, das Akademische, das kognitiv Basierte Alles, was man nicht versteht Alles, was die eigenen Mindertwertigkeitsempfindungen stärkt Alles, was stigmatisieren könnte (Alleinerziehende in der Tauffeier)

III Brücken und Barrieren Die No-Goes: Was nicht gut kommt (und Kommunikation stört), FF: Angebote, die finanziell überfordern (Tauffeiern!!!) Das Luxuriöse, die Marke, das Ökologische, das man sich nicht leisten kann und das man auch nicht braucht

III Brücken und Barrieren Die No-Goes: Was nicht gut kommt (und Kommunikation stört), FF: Kommunikationsformen top down: von oben herab (schon Gebrauch von bestimmten Fremdwörtern) Angebot herrschaftsfreier Diskurse (bei denen PRE ihrer Erfahrung nach oft den Kürzeren ziehen) Barmherzige Zuwendung (top down-diakonie)

III Brücken und Barrieren Die No-Goes: Was nicht gut kommt (und Kommunikation stört), FF: das politisch Korrekte (etwa die Forderung nach Akzeptanz von Ausländern; Hilfe für sylanten; Toleranz gegenüber Andersdenkenden) Kritik an verbaler Abgrenzung

III Brücken und Barrieren Die Goes: Was gut kommt (und Kommunikation fördert sowie Zugänge schafft): Wertschätzung erfahren Anerkennung bekommen Gebraucht werden Eingebunden werden (nicht in Leitungsaufgaben)

III Brücken und Barrieren Die Goes: Was gut kommt (und Kommunikation fördert sowie Zugänge schafft), FF: Klare Regeln Einfache Botschaften Verständliche Sprache Das Direktive, Unverblümte klare Ansagen - Führen: Sagen, wo s lang gehen soll Konkrete Ansagen, die nicht im Ungefähren bleiben und zuviel Spielraum bieten

III Brücken und Barrieren Die Goes: Was gut kommt (und Kommunikation fördert sowie Zugänge schafft), FF: Hilfestellungen Techniken, Tricks, Praxis Absicherungen: Sicherheit, Absicherung, Schutz Ordnung Harmonie

III Brücken und Barrieren Touchpoints und trading zones (Marktplätze) könnten sein: Veranstaltungen und Angebote, bei denen Angehörige des PRE keine Unterlegenheitserfahrungen machen bei denen sie im Gegenteil zeigen können, was sie können Alles Praktische, Handwerkliche, Physische (LIB müssen sich nur fragen, was sie selber nicht gerne tun) Körperbetonte Aktionen

III Brücken und Barrieren Theologische Brücken: (1) Die Dialektik von Stark- und Schwach-Sein: sich als stark empfinden und als schwach erfahren, ist Lebensthema des PRE. Der kritische Umgang mit angemasster Stärke und die den Glauben kennzeichnende Erfahrung, mit Gottes Hilfe auch große Herausforderungen bewältigen zu können. (2) PRE empfinden diese Welt in besonderer Weise als eine schwierige Umgebung und einen unwirtlichen Ort. Die Suche nach Hilfe, Schutz, Absicherung ist dominant. Das kann niederschwellig über Engelfrömmigkeit aufgenommen werden und weitergehen in Angeboten der Fürbitte und familiarer, solidarischer Hilfeleistung.

IV IMPULSE

IV Impulse a) Wer andere erreichen will, muss bei sich selber beginnen Milieusensibel werden: die eigenen Milieuprägung erkennen. Wir sind selber Milieu. Aufklären über Milieugefangenschaft und Milieubefangenheit von Kirche als zentrales Kommunikationshindernis. Es gibt auch kirchliche Ekelschranken und auch kirchliche Bedürfnisse nach Abgrenzung.

IV Impulse b) Partizipationschancen bieten Partiziptaion stiftet Verbundenheit und hilft zur Identifikation Partizipation über die Stärken des Milieus Im Prinzip: große Hilfsbereitschaft, aber Negative Erfahrungen der Unterlegenheit, des Gedisst-Werdens d.h.:

IV Impulse b) Partizipationschancen bieten Aktivität aus der Lebenswelt heraus wachsen lassen Scheu vor Verantwortung und wissensintensiven, kognitiv basierten Aufgaben Stärken im zwischenmenschlichen und praktischen Bereich Menschen das machen lassen, worin sie gut sind Wo Hand angelegt werden muss (und es etwa auf handwerkliche Geschicklichkeit und Körperkraft ankommt) Wo Beziehung und Geselligkeit gefragt ist

IV Impulse b) Partizipationschancen bieten Spezifischer benefit: Anerkennung Gemeinschaft Solidarität

IV Impulse c) Die Gemeindefrage Geh-Struktur statt Komm-Struktur: anstelle der Komm-Erwartung: Bereitschaft hin zu gehen Aufgaben und Angebote aus der spezifischen Lebenswelt heraus wachsen lassen Nicht Menschen in unsere Kirche bekommen wollen, sondern Kirche bei den Menschen sein wollen

IV Impulse c) Die Gemeindefrage, FF Der Wunsch nach Integration von Menschen am Rande in die Kirchengemeinde ist ehrenwert aber unnüchtern. Der menschliche Faktor kann nicht idealistisch übersprungen werden. Die Kirchen-Gemeinde ist selber Milieu, mit den entsprechenden Distinktionsgrenzen. Möglich sind nach Milieusensibilisierung und gezielter Vorbereitung punktuelle Akte gezielter Milieuüberschreitung, auch ins PRE.

IV Impulse c) Die Gemeindefrage, FF Milieutoleranz ist als Lernziel für die Gemeinde wichtig. Sie muss die soziokulturellen Unterschiede achten und darf sie nicht zu überspielen suchen. Überforderungen müssen vermeiden werden. Hilfreich sind Brücken-Personen, die sich als Drehtür-Menschen in beiden Lebenswelten auskennen. Notwendig sind LoKs : lebensweltorientierte Kirchen, die als Kirche am anderen Ort die gegebene parochiale Struktur ergänzen.

Zusammenfassende Thesen (1) Das PRE ist das Milieu mit den durchschnittlich niedrigsten materiellen und Bildungsressourcen. Das PRE ist das einzige Milieu, das die ihm zugehörigen Menschen zu verlassen suchen. (2) Personen, die dem PRE zuzurechnen sind, erfahren überdurchschnittlich viel Zurückweisung, Ausgrenzung und Abwehr. (3) Anschauungen und Lebensweisen der PRE werden in der Kirche von tonangebender Seite als politisch nicht korrekt eingestuft. Ekelschranken werden auch von Seiten anderer Milieus in der Kirche aufgerichtet. Die in der Gesellschaft erfahrene Diskriminierung setzt sich in der Kirche fort. (4) PRE nehmen Kirche ästhetisch als überaltert (traditionsfixiert) und sozial als Repräsentation der Lebenswelt wahr, in die sie gerne aufsteigen möchten.

Zusammenfassende Thesen (5) Kirche ist für PRE der fremde Ort, an den sie nicht gehören und dem sie sich nicht zugehörig wissen. (6) Kirchlich gibt es vor allem einen diakonischen Berührungspunkt. Die oft als solche Barmherzigkeitsdiakonie steht aber im Widerspruch zu dem Selbstverständnis, stark und nicht hilfsbedürftig zu sein. Ärger und Frustration sind die Konsequenzen auf beiden Seiten. (7) PRE stehen der Kirche nicht generell kritisch, wohl aber distanziert gegenüber. Kirche ist nicht ihre Welt. (8) Kommunikationsversuche müssen die Goes wie die No-Goes beachten.

Zusammenfassende Thesen (9) Wichtig sind die universalen menschlichen Brücken Anerkennung, Wertschätzung, Förderung und Respekt. (10) Touchpoints ergeben sich dort, wo Kirche der Lebensweltlogik des PRE entsprechend um Hilfe und Unterstützung bitte und dabei die spezifischen Begabungen und die spezielle Leistungsfähigkeit der Menschen im PRE berücksichtigt. (11) Da auch die Kirchengemeinde vor Ort im Regelfall milieugebunden und dominiert ist, ist der Wunsch, Menschen aus dem PRE in die Kerngemeinde zu integrieren, kritisch zu bewerten. (12) Erfolgversprechend sind lokal orientierte Gemeinden (LoKs), die aus der Lebenswelt herauswachsen. Da das PRE auch umgekehrt für TRA, SÖK und BÜM eine andere Welt bedeutet, sind Brückenpersonen, die zwischen denlebenswelten vermitteln können und dadurch Überforderungen zu vermeiden helfen.