Schuldrecht AT, 13.05.2014. PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)



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Transkript:

Schuldrecht AT, 13.05.2014 PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)

II. Die Aufrechnung ( 387ff BGB) 1. Die Grundidee Beispiel: A und B stehen in einer Geschäftsbeziehung, in der B den A laufend mit Waren beliefert. Vor einiger Zeit hatte B gewisse Liquiditätsprobleme. A hat ihm des- halb ein Darlehen in Höhe von 10.000 gewährt. Mittlerweile haben sich die finanziellen Verhältnisse umgekehrt. Daher konnte A den B schon eine Weile nicht mehr bezahlen und ist so seinerseits in Zahlungsrückstand mit 10.000. Gibt es für A eine Möglichkeit, seine Schuld gegenüber B anders als durch Zahlung des Geldes, d.h. anders als durch Erfüllung ( 362 BGB) zu tilgen?

Wenn zwei Parteien einander gleichartige Leistungen schulden, wäre eine wechselseitige Vornahme der Leistungen in naturanach 362 BGB unpraktisch. Das Recht stellt mit dem Institut der Aufrechnung eine vereinfachte Art der Abwicklung bereit: Durch die Aufrechnung erlöschen beide Forderungen in dem sich deckenden Anteil ( 389 BGB). Die Aufrechnung kann von beiden Parteien einseitig ohne Mitwirkung der jeweils anderen Partei durch Erklärung vollzogen werden ( 388 BGB).

Terminologie: Man rechnet mit der Gegenforderung gegen die Hauptforderung auf. Merke: In dem Satz darf bei jeder Forderung nur einmal das Wort gegen auftauchen! Die Gegenforderung wird auch Aktiv-, die Hauptforderung auch Passivforderung genannt. Der Aufrechnende: Derjenige, der die Aufrechnung erklärt (Der Inhaber der Gegenforderung) Der Aufrechnungsgegner: Derjenige, gegenüber dem die Aufrechnung erklärt wird (Der Inhaber der Hauptforderung)

2. Die Funktionen der Aufrechnung Tilgungsfunktion: Der Aufrechnende kann seine Schuld einfach durch Erklärung erfüllen, ohne dass er in natura leisten müsste. Die Aufrechnung wird deshalb auch als Erfüllungssurrogat bezeichnet. Befriedigungs- oder Vollstreckungsfunktion: Befriedigungs- oder Vollstreckungsfunktion: Der Aufrechnende kann durch die Aufrechnungserklärung aber auch seine eigene Forderung einfach und ohne fremde Hilfe durchsetzen und gewissermaßen selbst vollstrecken. Die Aufrechnung ist insoweit deutlich schneller und kostengünstiger als der normale Verfahrensgang.

3. Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung Es muss erstens eine Aufrechnungslage vorliegen, die Aufrechnung muss zweitens erklärt werden, und die Aufrechnung darf drittensnicht durch Vertrag oder Gesetz ausgeschlossen sein. a. Aufrechnungslage: 387 BGB Voraussetzungen. 387 BGB Voraussetzungen. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

i. Gegenseitigkeit der Forderungen Die beiden Forderungen müssen zwischen denselben Parteien bestehen. Ausgeschlossen ist die Aufrechnung, mit der Forderung eines Dritten: Über die Rechte Dritter kann man nicht verfügen Auch wenn der Dritte einwilligt, ist die Aufrechnungmit seiner Forderung ausgeschlossen, weil der Dritte die Forderung gegen den Aufrechnenden selbst auch nicht durch Aufrechnung erfüllen dürfte ( 267 BGB). gegen die Forderung des Aufrechnungsgegners gegen einen Dritten: Dies wäre ein Fall der Drittleistung nach 267 BGB durch Aufrechnung.

Die Parteien können das Gegenseitigkeitserfordernis des 387 BGB aber vertraglich abändern. Dies ist vor allem bei Verträgen mit einem Unternehmen aus einem Konzernverbund üblich. Gesetzliche Ausnahmen vom Gegenseitigkeitserfordernis: 406, 409, 566d BGB Weitere Ausnahmen nach 242 BGB etwa gegenüber Inkassounternehmen und gegenüber Treuhändern. Besonderer Schutz der öffentlichen Hand vor Aufrechnungen durch 395 BGB. Hier ist die Aufrechnung nur zulässig, wenn die Gegenseitigkeit der Forderungen gegenüber derselben Kasse besteht.

ii. Gleichartigkeit der Forderungen Der Gegenstand der Leistung muss für beide Forderungen gleichartig sein. Aufrechnung daher nur möglich bei Geldschulden und Forderungen auf vertretbare Sachen (Gattungsschulden). Bei ungleichartigen Forderungen: ZBR ( 273)! Unterschiede bei den Leistungsmodalitäten (z.b. Verzinsung, Erfüllungsort) sind möglich; aber: 391 Abs. 1 S. 2 BGB! Keine Gleichheit des Rechtsgrundes erforderlich (z.b. Schadensersatz und vertragliche Ansprüche) Unterschiedliche Höhe schadet nicht ( soweit ).

Beispiel: A hat sich neulich ein Bild für 6000 in der Galerie des G gekauft, der ein guter Freund seines kürzlich verstorbenen Vaters V war. V hatte all sein Geld aus Misstrauen vor Banken und Konsorten seinen Freunden zur Verwahrung übergeben. Auch bei G hatte der V 5000 geparkt. Als A, der Alleinerbe des V ist, dies aus den Unterlagen des V erfährt, ruft er sogleich bei G an und sagt, dass er angesichts dieser Sachlage nur noch 1000 auf das Konto des G überweisen werde. Der G solle dann das Bild nach Zahlungseingang wie vereinbart liefern. G will lieber alles Geld auf dem Konto und kein Bargeld im Haus. A solle also alles überweisen und sich das Geld abholen. Wie ist die Rechtslage?

iii. Durchsetzbarkeit der Gegenforderung Da der Aufrechnende mit der Aufrechnung seine eigene Forderung vollstreckt, muss diese seine Forderung fällig ( 271 BGB) und auch im übrigen grundsätzlich durchsetzbar sein. Die Aufrechnung mit einer einredebehafteten Forderung ist darum ausgeschlossen ( 390 BGB). Es genügt nach h.m., wenn die Einrede besteht; sie muss nicht geltend gemacht werden. Beispiel: V schuldet dem K 100. Aus einem von beiden Parteien noch nicht erfüllten Kaufvertrag hat V aber auch noch eine Kaufpreisforderung von 100 gegen K. Kann V die Aufrechnung erklären?

Besonderheit: Aufrechnung mit verjährter Forderung 215 BGB Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht nach Eintritt der Verjährung. Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte. Beispiel (BGHZ 101, 244): M hatte bei V eine Wohnung gemietet. Das Mietverhältnis wurde zum 31.3 beendet. Am 15.10. verlangt M Rückzahlung der Kaution. V rechnet mit einem Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Wohnung auf. Zurecht?

iv. Wirksamkeit und Erfüllbarkeit der Hauptforderung Der Aufrechnende will durch die Aufrechnung die gegen ihn gerichtete Forderung tilgen. Er muss also leisten dürfen. Die Hauptforderung muss bestehen (wirksam sein) und erfüllbar ( 271 Abs. 1 a.e. BGB) sein. Der Hauptforderung können Einreden entgegenstehen. Denn es steht einem Schuldner frei, ob er sich auf ihm zustehende Einreden beruft. Die Hauptforderung kann auch bereits vor Eintritt der Aufrechnungslage verjährt sein (anders 215 BGB für die Gegenforderung!).

b. Die Aufrechnungserklärung In Deutschland erfolgt die Aufrechnung durch Gestaltungserklärung einer Partei Historisch und rechtsvergleichend nicht selbstverständlich; verbreitet ist eine Aufklärung ipso iure Auch im deutschen Recht findet sich (noch) die Idee, dass die Aufrechnung eigentlich schon ab Entstehen der Aufrechnungslage irgendwie wirken müsste oder sollte. Daher Rückwirkung der Aufrechnung und besonderer Schutz einer bestehenden Aufrechnungslage ( 215, 352, 392, 406, 543 II 3 BGB, 94 InsO)

388 BGB Erklärung der Aufrechnung. 1 Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. 2 Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird. Die Aufrechnungserklärung ist eine einfache empfangsbedürftige Willenserklärung Die 104 ff. BGB sind anwendbar Als einseitige Gestaltungserklärung kann die Erklärung nicht bedingt oder befristet werden ( 388 S. 2 BGB) Ausnahme: Prozessaufrechnung!

Beispiel: Der A hat den B wegen einer angeblichen Falschberatung auf Schadensersatz verklagt. B bestreitet die Forderung des A auch im Prozess. Für den Fall, dass der Richter die Rechtslage anders beurteilt, rechnet B gegen die Forderung des A mit einem unbezahlten Honoraranspruch auf, der ihm aus einem anderen Geschäft zustehe. Eventualaufrechnung im Prozess nach h.m. zulässig, da keine echte Bedingung i.s.d. 158 BGB, sondern bloße Rechtsbedingung. Aufrechnungsgegner wird nur der allgemeinen Unsicherheit des Prozesses ausgesetzt, damit greift Schutzzweck des 388 S. 2 BGB nicht ein.

c. Kein Ausschluss der Aufrechnung i. Vertraglicher Ausschluss Die Parteien können grundsätzlich frei ein Aufrechnungsverbot vereinbaren. Bei ausdrücklicher Vereinbarung von Leistungszeit und Leistungsort wird ein Aufrechnungsverbot mit einer an einem anderen Ort zu erfüllenden Forderung vermutet ( 391 Abs. 2 BGB). Aufrechnungsverbote in AGB nach 309 Nr. 3 BGB unwirksam, wenn auch unbestrittene/titulierte Forderungen erfasst. Vertragliches Aufrechnungsverbot kann auch nach 242 BGB unwirksam sein.

ii. Gesetzlicher Ausschluss 392 BGB: Wenn die Hauptforderung gepfändet wird, ergeht ein Erfüllungsverbot an den Schuldner ( 829 I 1 ZPO); die Forderung soll dem Pfändungsgläubiger erhalten bleiben. 392 BGB erstreckt das Erfüllungsverbot auf die Aufrechnung, wenn nicht schon vorher Aufrechnungslage bestand. 394 BGB: Pfändungsgrenzen sollen nicht durch Aufrechnung unterlaufen werden. 393 BGB: Aufrechnungsverbot, wenn Hauptforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung. Grund: Ausschluss der Privatrache.

Beispiel (BGH, NJW 2009, 3058): A und B sind sehr diskussionsfreudig und setzen dabei gerne auf schlagkräftige Argumente. Als sie sich einmal nach einem Fußballspiel begegnen, kommt es zu einer Auseinandersetzung mit Folgen. A trägt einen Kieferbruch und B eine Gehirnerschütterung davon. Die Heilungskosten des A belaufen sich auf 2300, die A von B verlangt. B erklärt die Aufrechnung mit einem eigenen Ersatzanspruch wegen materieller und immaterieller Schäden gegen A wegen der Gehirnerschütterung. Ist die Aufrechnung wirksam? M.M.: teleologische Reduktion des 393 BGB bei zwei Forderungen wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlungen aus einem einheitlichen Lebensvorgang.

Literaturhinweise: Coester-Waltjen, Die Aufrechnung, Jura 2003, 246-250 Feser, Die Aufrechnung im Prozess eine Frage des Zeitpunkts, JA 2008, 525-529 Habermeier, Grundfragen der Aufrechnung, JuS 1997, 1057-1062 Lieder/Illhardt, Grenzen der Aufrechnung, JA 2010, 769-772 Lorenz, Grundwissen Zivilrecht: Aufrechnung ( 387 ff. BGB), JuS 2008, 708-712