Universität zu Köln Rechtswissenschaftliche Fakultät
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- Ferdinand Becker
- vor 8 Jahren
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1 Universität zu Köln Rechtswissenschaftliche Fakultät Großer Examenskurs SS 10 WS 10/11 PD Dr. A. Schall Fall zur Grundschuld Zivilrecht E ist Eigentümer eines Grundstücks. Er hat mit dem G, einer Privatperson, einen Darlehensvertrag über abgeschlossen und diese Summe auch vollständig ausbezahlt erhalten. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs hat E dem G eine Briefhypothek an seinem Grundstück bewilligt, die ins Grundbuch eingetragen worden ist. E schuldet dem G zum die Rückzahlung des Darlehens in voller Höhe. Diese Schuld ist mit einer Hypothek am Grundstück des E besichert. G tritt am die Hypothek formwirksam unter Übergabe des Hypothekenbriefs an den Z, ebenfalls eine Privatperson, ab. E, der davon nichts weiß, ist zur Zeit nicht flüssig und möchte die drohende Rückzahlung in bar gerne vermeiden. Zu diesem Zweck lässt er sich von seinem Bruder B eine bestehende Kaufpreisforderung gegen G über abtreten, die allerdings erst zum fällig wird. E rechnet fest damit, den G über diese wenigen Tage noch hinhalten und dann die Aufrechnung erklären zu können. Am meldet sich jedoch zur Überraschung des E der Z bei ihm, weist sich als neuer Gläubiger aus und verlangt Zahlung der E erklärt daraufhin ihm gegenüber die Aufrechnung. Z will das nicht gelten lassen und besteht weiterhin auf Zahlung. Ansonsten würde er aus der Hypothek die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben. Welche Ansprüche hat Z gegen E? Abwandlung 1: Wie wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn E dem G zur Sicherung des Rückzahlungsanspruches anstelle der Hypothek eine Sicherungsgrundschuld bestellt hätte (vgl Ia), welche er dann zusammen mit der gesicherten Forderung an Z abgetreten hätte? Abwandlung 2: Nehmen Sie wie in Abwandlung 1 an, E habe dem G eine Sicherungsgrundschuld bestellt. Er rechnet diesmal aber nicht auf, sondern zahlt in Unkenntnis der Abtretung an den Altgläubiger G auf die Sicherungsgrundschuld (nicht: auf die gesicherte Forderung). Könnte Z dennoch aus der Sicherungsgrundschuld gegen E vorgehen? Hinweis: Bei der letzten Frage (Abwandlung 2) ist nur die dingliche Ebene zu prüfen.
2 Vorbemerkung Der Fall spielt im schwierigen Recht der Hypothek/Grundschuld. Die Studenten waren aber auf die Thematik eingehend hingeführt und insbesondere mit dem Aufbauschema vertraut gemacht worden. Daher sollte den Bearbeitern zumindest im Ansatz eine ordentliche Gliederung gelingen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Leitlinien für die Bewertung: Eine ausreichende, brauchbare Lösung sollte trotz etwaiger Mängel zumindest die erste Frage sauber gliedern und vertretbar lösen können. Gelingt zudem Abwandlung 1 ordentlich und werden brauchbare Ansätze zu Abwandlung 2 erarbeitet, wird i.d.r. der Bereich der 9 Punkte erreicht. Vollbefriedigende Bearbeitungen sollten i.d.r. zumindest die Standardlösung der Abwandlung 2 erkennen. Gute Bearbeitungen erkennen in Abwandlung 2 die Problematik des Widerspruchs zur Zahlung auf die gesicherte Forderung und diskutieren ihre Auflösung. Lösung I. Z E aus 488 I 1 auf Zahlung von (obligatorische Ebene): 1. Anspruch entstanden/erworben: a) Bestehen des Rückzahlungsanspruchs (+) laut SV Setzt grds. voraus: Abschluss eines Darlehensvertrag E G sowie die Auszahlung an E. Hier beides laut SV zu unterstellen. b) Abtretung des Anspruchs von G an Z nach 398 Satz1 i. Abtretungserklärung des G in der Form des 1154: (+) laut SV ii. Annahme durch N: (+) iii. Übergabe des Briefs, 1154 I, 1117 (+) iv. Berechtigung des G: (+) G ist Forderungsinhaber 2. Anspruch erloschen: Möglicherweise ist der Anspruch erloschen durch Aufrechnung des E nach 389. Voraussetzungen: a) Aufrechnungserklärung: (+) durch E Weigerung des Z irrelevant, da Aufrechnung kein Vertrag, sondern einseitiges Gestaltungsrecht b) Aufrechnungslage: i. Gleichartigkeit der Forderungen (+) ii. Erfüllbarkeit der Hauptforderung (Darlehensrückzahlung): (+) iii. Fälligkeit der Gegenforderung: mittlerweile (+) iv. Problem: Gegenseitigkeit der Forderungen a. An sich ( )
3 b. Aber 406 könnte helfen. Diese Norm erlaubt zum Schutz des Schuldners gegen eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung durch den Gläubigerwechsel die Aufrechnung auch gegenüber dem neuen Gläubiger, obwohl es insoweit am Gegenseitigkeitserfordernis fehlt. Voraussetzungen: i. Forderung gegen den bisherigen Gläubiger G: (+) ii. Kein Ausschluss nach 406, 2. HS ( es sei denn ): 1. Kenntnis von Abtretung bei Erwerb: ( ) 2. Fälligkeit der Forderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als abgetretene Forderung: ( ) Die Kaufpreiszahlungsforderung gegen G (Fälligkeit 5.2.) ist zwar später als die abgetretene Darlehensforderung (Fälligkeit 31.1.) fällig, aber noch vor Erlangung der Kenntnis seitens des E (6.2.). 3. Ergebnis der schuldrechtlichen Ebene: Anspruch des Z nach 389, 406 erloschen. II. Z E aus 1147 auf Duldung der Zwangsvollstreckung über (dingliche Ebene): 1. Anspruch entstanden/erworben: Hier kommt ein Erwerb der Hypothek mit dem gesicherten Anspruch nach 1153 I in Betracht a) Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung: (+) s.o. b) Berechtigung des G: Diese liegt vor, wenn G Inhaber einer Hypothek geworden ist. Hier kommt die Bestellung durch E nach 873, 1113 ff in Betracht. i. Einigung E G ( 873 I): (+) ii. Eintragung in Grundbuch ( 873 I): (+) iii. Übergabe des Briefes ( 1116 I, 1117 I): (+) iv. Bestehen der gesicherten Forderung ( 1163 I): (+) v. Berechtigung des E: (+) 2. Anspruch erloschen: Nachdem infolge der Aufrechnung durch E die gesicherte Forderung erloschen st, müsste an sich auch die akzessorische Hypothek weggefallen bzw. zu einer Eigentümergrundschuld umgewandelt worden sein ( 1163 I 2). Jedoch ist auf der dinglichen Ebene (und nur dort) 1156 Satz 1 zu beachten. Danach findet (u.a.) 406 im Verhältnis von Eigentümer und neuem Gläubiger in Ansehung der Hypothek keine Anwendung. Vielmehr entsteht eine forderungsentkleidete Hypothek 3. Ergebnis: Z kann trotz der wirksamen Aufrechnung nach wie vor auf der dinglichen Ebene gegen E aus 1147 vorgehen. Abwandlung 1: I. Z E aus 488 I 1 auf Zahlung von (obligatorische Ebene): Grds wie oben, aber: Abtretungserklärung des G hier formfrei gilt nicht, auch keine Briefübergabe erforderlich) Z E aus 1192 I, 1147 auf Duldung der Zwangsvollstreckung über Anspruch entstanden/erworben a) Bestehen einer Grundschuld
4 i. Einigung E G ( 873 I): (+) ii. Eintragung in Grundbuch ( 873 I): (+) iii. Übergabe des Briefes ( 1192 I, 1116 I, 1117 I): (+) iv. Berechtigung des E: (+) b) Erwerb der Grundschuld von G: i I: ( ) gilt nicht, da GS nicht akzessorisch ii. Wie wird GS also übertragen? a. E.A.: Gemäß 413, 398 (anderes Recht) b. A.A.: Gemäß 873 I c. Streit hier irrelevant, denn in jedem Fall gilt für erforderliche Einigung das Formerfordernis des 1154 entsprechend, also iii. Einigung G Z in Form des 1154: (+) iv. Übergabe des Briefs: (+) 2. Anspruch durchsetzbar? a) Fälligkeit der Grundschuld ( 1193 I): Kündigung erforderlich (anders bei akzessorischer Hypothek, dort gilt 1141). Kündigungsfrist 6 Monate. Das ist jetzt für Sicherungs GS zwingend ( 1193 II 2). Z müsste also erst kündigen. Das ist aber nur eine dilatorische Einrede b) Einrede des Eigentümers aus dem Sicherungsvertrag, 1192 Ia: i. In Hingabe der Grundschuld zur Sicherung des Darlehens liegt konkludente Sicherungsabrede ii. Aus dieser ergibt sich eine Pflicht zur Rückgewähr bei Erfüllung/Erlöschen der gesicherten Forderung iii. Diese kann nach 1192 Ia jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden. Anders als nach früherer Rechtslage ist nicht seit dem Risikobegrenzungsgesetz mehr erforderlich dass der die Einrede begründende Tatbestand (hier die Aufrechnung) im Zeitpunkt der Abtretung bereits vollständig verwirklicht ist. 3. Der Anspruch aus der Grundschuld ist damit auf Dauer nicht mehr durchsetzbar wegen der Einrede der Rückgewährpflicht aus dem Sicherungsvertrag. Abwandlung 2: Der Anspruch aus 1147 ist entstanden und durch Z erworben worden (wie bei Abwandlung 1). Fraglich ist, ob der Anspruch durch die Zahlung des E an den Altgläubiger G auf die Grundschuld erloschen ist. Hätte E auf die gesicherte Forderung gezahlt, wäre diese Zahlung gemäß 407 gegenüber Z wirksam gewesen. E hätte die daraus folgende Einrede aus dem Sicherungsvertrag auch dem Z entgegen halten können (siehe eben, Abwandlung 1). Fraglich ist aber, wie die Zahlung auf die Grundschuld wirkt. Nach allgemeiner Meinung ist die Zahlung auf die Grundschuld grds. möglich und führt zur Entstehung einer Eigentümergrundschuld (die Begründungen sind dabei i.e. umstr.). Da eine Grundschuld ohne Wissen des Eigentümers übertragen werden kann, müsste dieser bei nachfolgende Zahlung an den Zedenten eigentlich entsprechend 407 geschützt werden. Dem könnte
5 jedoch 1156 entgegen stehen. Diese Norm findet gemäß 1192 I entsprechende Anwendung (vgl. Becksch er Online Kommentar/Rohe, 1192 Rn. 144). Zwar betrifft 1156 mit der Zahlung an den Altgläubiger eigentlich einen Fall, der sich aus der Akzessorietät der Hypothek ergibt. Jedoch liegt es ganz ähnlich bei Übertragung einer Grundschuld, wenn der Eigentümer direkt auf diese Grundschuld zahlen möchte. Dabei wird 1156 freilich anders als 1157 nicht durch den neuen 1192 Ia eingeschränkt (unklar Becksch er Online Kommentar/Rohe, 1192 Rn. 144). Danach würde 407 also keine Anwendung finden und E wäre nicht befreit. Das widerspricht jedoch in nicht sinnvoller Weise dem Ergebnis bei Zahlung des E auf die gesicherte Forderung (s.o.). Daher wird man 1156 bei einer Sicherungsgrundschuld teleologisch reduzieren müssen, so dass 407 bei Zahlung auf die Grundschuld anwendbar bleibt (so i.e. wohl auch Becksch er Online Kommentar/Rohe, 1192 Rn. 144; a.a. vertretbar).
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