Konrad-Adenauer-Stiftung Politik und Beratung Diskurs kommunal 2006 Der Stadt Bestes finden Wer rettet unsere Städte jetzt? Stellungnahmen aus Politik, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Verbänden Henning Walcha (Hrsg.) - Einzelbeiträge - Gesamtpublikation unter www.politik-fuer-kommunen.de abrufbar Konrad-Adenauer-Stiftung e.v. Hauptabteilung Politik und Beratung Arbeitsgruppe Innenpolitik Rathausallee 12 53757 Sankt Augustin Tel.: 02241-246-2440 Fax: 02241-246-2694 E-Mail: kommunalpolitik@kas.de www.politik-fuer-kommunen.de Layout: Anita Schreiner, Arthur Wallach 2006, Konrad-Adenauer-Stiftung e.v., Sankt Augustin ISBN 3-937731-87-3 Alle Rechte vorbehalten Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Zustimmung der Stiftung Printed in Germany
Die Kirche in der Stadt lassen Zukunftschancen von leer stehenden Kirchengebäuden Oliver Wittke Minister für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein- Westfalen Jede dritte Kirche ist heute von Schließung, Verkauf oder Abriss bedroht. So besitzt zum Beispiel die evangelische Kirche in Deutschland rund 21.000 Kirchengebäude, deren Instandsetzungsbedarf sie auf rund sechs Milliarden Euro beziffert. In Nordrhein-Westfalen ist der drohende Leerstand zentraler Gebäude regional unterschiedlich verteilt. Einige Großstädte und das Ruhrgebiet betrifft er stark, eher ländliche Gebiete wie das westliche Münsterland, das Sieger-, Sauer- und Lipperland weniger oder gar nicht. Das Bistum Essen hat im Januar 2006 bekannt gegeben, dass 96 Kirchengebäude nicht mehr für liturgische Zwecke benötigt werden. Damit sind in diesem Bistum rund 30 Prozent des sakralen Gebäudebestandes betroffen, in den anderen Bistümern und Landeskirchen liegt die Quote bei bis zu 20 Prozent. Die Ursachen sowohl für das Leerstehen von Kirchengebäuden als auch für die Instandsetzungsdefizite liegen auf mehreren Ebenen; Stichworte sind hier der demografische Wandel und veränderte kulturelle Einstellungen. Weniger Priester, weniger Gläubige und weniger Kirchensteuergeld zwingen die Bistümer und Landeskirchen zur Verkleinerung der Gemeinden, der Kirchenstandorte, des sakralen und profanen Gebäudebestandes. Mit den zu erwartenden demografischen Veränderungen werden sich die Probleme der christlichen Kirchen, ihren umfangreichen Immobilienbestand zu unterhalten, vermutlich weiter verschärfen. Es droht der Verlust unzähliger Denkmäler. www.politik-fuer-kommunen.de 2
Welche Relevanz haben Kirchengebäude für die Stadtentwicklung? Zum einen vermitteln Religionsgemeinschaften allgemeine gesellschaftliche Werte und Orientierungen. Als Normengeber und -vermittler sind sie ein Teil der städtischen Selbstvergewisserung und der historischen Identität von Stadtgesellschaften. Zum anderen trägt das gesellschaftliche Engagement der christlichen Kirchen ganz maßgeblich zur sozialen Stabilisierung von Stadtteilen bei. Darüber hinaus sind die Kirchengebäude oftmals architektonisch wertvoll und im positiven Sinne Stadtbild prägend. In fast allen Städten und Gemeinden des Landes markieren sie die Stadtmitte oder den Kern von Nebenzentren; für die Stadtsilhouetten sind sie im Regelfall prägend. Die europäische Kirchenbautradition ist international Beispiel gebend; sie setzt sich bis in die Gegenwart fort. Ein großer Teil der Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz. Allerdings sind von den Schließungen gerade Bauten aus der Nachkriegszeit besonders betroffen, deren architektonische Bedeutung und Qualität noch nicht bewertet worden ist. Bei einem Verlust von Kirchengebäuden entweder durch Abriss oder problematische Umnutzung sind in jedem Fall grundlegende Funktions- und Gestaltungsprobleme zu erwarten. An dem Erhalt und einer städtebaulich verträglichen Weiternutzung von Kirchengebäuden besteht ein öffentliches Interesse. Im Kern bezieht es sich auf den Erhalt wertvoller Bausubstanz und der städtebaulichen Mittelpunktsbedeutung. Auf der anderen Seite ist ein umfangreiches finanzielles Engagement von Staat und Kommunen zum Erhalt von Kirchengebäuden nicht nur ordnungspolitisch bedenklich, sondern wegen der dafür erforderlichen Finanzmittel auch nicht darstellbar. Die Sicherung und Weiterentwicklung dieser Bauwerke wird deshalb auch in Zukunft primär Aufgabe der Besitzer bleiben. www.politik-fuer-kommunen.de 3
Gleichwohl sieht sich das Land Nordrhein-Westfalen auf Grund der städtebaulichen Bedeutung von Kirchen in der Pflicht, Hilfestellung anzubieten. Wir führen deshalb ein landesweit angelegtes Modellvorhaben "Umnutzung von Kirchen" durch. Damit sollen am Beispiel konkreter Projekte (Umnutzungsfälle) vorbildhafte gestalterische und funktionale Lösungen erarbeitet werden, die wirtschaftlich tragfähig sind. Träger des Modellvorhabens sollen das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW, die jeweiligen Kommunen und die beiden großen christlichen Kirchen sein. Darüber hinaus sollen die Landeskonservatoren, der Bund Deutscher Architekten, die Kommunalen Spitzenverbände und die Deutsche Stiftung Denkmalpflege eingebunden werden. Die drei Landeskirchen, fünf Bistümer und die knapp 400 nordrhein-westfälischen Kommunen sollen Objekte vorschlagen, aus denen dann eine Jury zehn letztendlich zu bearbeitende Modellprojekte auswählt. Ein wichtiges Kriterium ist dabei, dass die beispielhaft erarbeiteten Lösungen sich möglichst weitgehend verallgemeinern lassen. Auf der Basis der Vorauswahl soll ein landesweiter Wettbewerb für zehn Machbarkeitsstudien im Rahmen der Landesinitiative StadtBauKultur ausgeschrieben werden. Diese Machbarkeitsstudien sollen vor allem eine Beschreibung und Analyse des Gebäudes, die Erarbeitung von Nutzungsalternativen, eine Bestimmung der Tragfähigkeit dieser Alternativen und Testentwürfe umfassen. Darüber hinaus sollen die Träger des Modellvorhabens Studien über das Best-practice der Umnutzung von Kirchengebäuden in Deutschland und Europa die baurechtlichen Konsequenzen der Umnutzung von Kirchengebäuden www.politik-fuer-kommunen.de 4
in Auftrag geben und begleiten. Die Finanzierung des gesamten Modellvorhabens soll aus öffentlichen und privaten Mitteln erfolgen. Ziel ist es, mit den Machbarkeitsstudien einen Leitfaden für den möglichen Umgang mit aufgegebenen Kirchengebäuden vorzulegen. www.politik-fuer-kommunen.de 5