Auswirkungen des Aufenthaltsgesetzes auf Betroffene von Menschenhandel. 1. Einräumen einer Bedenkzeit bei Opfern von Menschenhandel

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Transkript:

KOK- Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.v. Behlertstr. 35 14467 Potsdam Tel.: 0331 / 280 33 00 Fax: 0331 / 280 33 07 e-mail : office@kok-potsdam.de Potsdam, 13.05.2005 Auswirkungen des Aufenthaltsgesetzes auf Betroffene von Menschenhandel Problemfelder zum Aufenthaltsgesetz: 1. Einräumen einer Bedenkzeit bei Opfern von Menschenhandel a.) Darstellung der Problematik Bislang war gemäß 42.3.2. AuslG-VwV eine Frist von mindestens vier Wochen vorgesehen, wenn konkrete Tatsachen oder andere Anhaltspunkte dafür sprechen, dass eine ausreisepflichtige Person von Menschenhandel betroffen ist. Beim Treffen der Bundesweiten AG Frauenhandel am 21.02.2005 wurde vorgetragen, dass der bisherige 42.3.2. AuslG-VwV inhaltlich voll in den neuen Verwaltungsvorschriften übernommen werden soll. b) Erfahrungen der Fachberatungsstellen Teilweise haben die Bundesländer bereits die vorläufigen Anwendungshinweise in Form von Erlassen umgesetzt, so beispielsweise Hamburg. Andererseits ergibt sich aus Kenntnis des bisherigen Umgangs mit der Verwaltungsvorschrift zu 42 AuslG, dass diese häufig nicht angewandt wurde. Vielmehr wurden oftmals lediglich Grenzübertrittsbescheinigungen für betroffene Frauen verfügt oder unmittelbar die Ausweisung / Abschiebung vollzogen. c) Vorschlag des KOK Die vier Wochen Frist sollte in den 50 AufenthG aufgenommen werden. Eine Regelung über neue Verwaltungsvorschriften birgt erneut die Gefahr, dass die Berechtigten keine Möglichkeit der Kenntnisnahme der internen Verwaltungsvorschrift haben bzw. die Verwaltungsvorschrift nicht angemessen berücksichtigt wird. Mit der gesetzlichen Regelung in den 50 AufenthG wäre eine bundesweite einheitliche, klare und rechtsverbindliche Regelung geschaffen, welche den mit der Bedenkzeit verfolgten Zweck sowie das Verbot der Abschiebung während der Bedenkfrist beinhalten würde. 2. Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer nach Nach 15 a AufenthG können unerlaubt eingereiste Ausländer, die nicht um Asyl ersuchen, aber auch nicht sofort abgeschoben werden können, auf die Länder verteilt werden. 1

Aufgrund der bekannten Problematik sind Betroffene von Menschenhandel z. T. unerlaubt eingereist. Als Folge hiervon die Betroffenen in Sammelunterkünften zu verteilen, ist in höchstem Maße nachteilig: Dieses Verfahren steht dem Erfordernis entgegen, dass die Frauen in einem geschützten Raum die Möglichkeit haben, mit Hilfe von Fachberaterinnen die Lage zu erfassen, in der sie sich befinden, ihre Autonomie wiederzugewinnen und sich zu entscheiden, ob sie sofort ausreisen oder als Zeugin zur Verfügung stehen wollen. Die Landesaufnahmeeinrichtungen sind meist nur an einem Ort im Bundesland zentral gelegen. Damit besteht die Gefahr, dass der Aufenthaltsort der Frauen leicht zu ermitteln ist und sie weiter gehandelt werden. Die häufig traumatisierten Klientinnen benötigen eine besondere psychosoziale Betreuung, die in Gemeinschaftsunterkünften nicht hergestellt werden kann. Ebenso sind in diesen Unterkünften auch Männer untergebracht, was für traumatisierte Klientinnen häufig unzumutbar ist. Weitere Erschwernisse kommen hinzu. Eine schnelle Unterbringung an einem vom Tatort entfernten Ort, in dem es eine Schutzwohnung oder andere Unterbringungsmöglichkeit gibt, ist wie geschildert aufgrund von Gefährdungslagen und zur psychosozialen Stabilisierung der Frau notwendig. Bisher konnten die Klientinnen bei Anwendung der Verwaltungsvorschrift (4- Wochen-Frist) oder Erteilung einer Duldung aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen (Zeuginnen in Ermittlungs- und Strafverfahren) durch Fachberatungsstellen sofort entsprechend untergebracht werden. Laut Handreichung des Bundes, die in einigen Ländern auch in entsprechenden Erlassen verankert wurde, blieb die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes zuständig. Mit der Anwendung des 15 a AufenthG werden die bisherigen von den Fachberatungsstellen erarbeiteten Standards für die Begleitung und Beratung der betroffenen Frauen zunichte gemacht. b) Erfahrungen aus den Fachberatungsstellen Der erste Fall ist bereits dokumentiert: Eine Afrikanerin wurde in Stadt X festgenommen und sagte dort zum Straftatbestand Menschenhandel aus. Sie wurde trotz ihrer Anerkennung als Zeugin und Aussagebereitschaft in eine ZAAB gebracht. Sowohl die ermittelnde Polizeidienststelle als auch die Fachberatungsstelle intervenierten bei den zuständigen Behörden, um die Frau entsprechend dem Erfordernis aus der ZAAB in eine geeignete Unterkunft bringen zu können. Dieser Versuch scheiterte jedoch über Tage hinweg. Nur mit sehr viel Aufwand und schriftlichen Interventionen der Polizeidienststelle ist es der Fachberatungsstelle letztlich gelungen, diese Frau an einen Ort verteilen zu lassen, wo es auch eine Schutzwohnung gibt. c) Vorschlag des KOK Es ist hier eine klare Regelung für Menschenhandelsopfer erforderlich. Diese Regelung muss eine Verteilung grundsätzlich verhindern sowohl für Betroffene, bei denen Anhaltspunkte bestehen und eine 4-Wochen-Frist zu verfügen wäre als auch für Opferzeuginnen, denen aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen ein Aufenthalt im Bundesgebiet (am geeigneten Ort) gestattet sein muss. Eine Verteilung von Menschenhandelsopfern und ggf. Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen widerspräche auch der EU-Richtlinie, da hierdurch den besonderen Bedürfnissen des Personenkreises nicht Rechnung getragen wird. 2

3. zum 25 AufenthG Es war ursprünglich vorgesehen, den jetzigen 25 Abs. 4 AufenthG für die Gruppe von Ausländerinnen zur Anwendung zu bringen, welche als Zeugin für ein Ermittlungs- und Strafverfahren benötigt werden. 25 Abs. 4: Einem Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. ( ). Aufgrund der Systematik des jetzigen AufenthG kann aber die derzeitige Regelung des 25 Abs. 4 nur in den Fällen herangezogen werden, in denen die Betroffenen nicht vollziehbar ausreisepflichtig sind. Für Opfer von Menschenhandel, die unerlaubt eingereist sind und daher vollziehbar ausreisepflichtig sind (was bei unserer Klientel den Regelfall darstellen dürfte), findet 25 Abs. 4 keine Anwendung!! Bei der derzeitigen Rechtslage wäre dann 25 Abs. 5 vorrangig. 25 Abs. 5: Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernis in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. ( ). Der Grund für diese Vorrangigkeit ergibt sich daraus, dass 25 Abs. 5 eine Bestimmung ist, welche ausdrücklich von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern spricht. 25 Abs. 5 setzt jedoch wiederum voraus, dass es sich um solche Fälle handeln muss, welche die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich machen. Dies ist in den wenigsten Fällen gegeben, beispielsweise wäre das nach derzeitigem Recht der unverschuldete Verlust des Passes. 25 Abs 5 enthält nicht das Tatbestandsmerkmal erhebliche öffentliche Interessen und würde also für Opferzeuginnen nicht angewandt werden können. Hier können wir also eine gesetzliche Lücke feststellen, die auch durch das BMI gesehen wird. Bis zur Änderung des 25 wird also nach derzeitigem Recht so verfahren werden, dass unserer Klientel wieder nur eine Duldung erteilt wird. Die Duldung wird nach 60 a erteilt. Eine weitere Problematik ergibt sich daraus, dass laut 25 Abs. 5 bei bestimmten Fällen die Sperrfrist des 11 AufenthG Wirkung entfaltet. So könnte einer bereits ausgewiesenen aber nicht ausgereisten bzw. innerhalb der Sperrfrist wieder eingereisten Person (Fall des 11 AufenthG) keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir aber, dass unsere Klientel häufiger gerade diesen Fall erfüllt. Wichtig ist im Übrigen zu erwähnen, dass 25 AufenthG, so er Anwendung findet, keinen Daueraufenthalt sichert. Zur gesamten Problematik des 25 lässt sich darauf hinweisen, dass die EU- Richtlinie über die Erteilung von Aufenthaltstiteln ( ) ab dem Tage der Verkündigung Wirkung findet, auch wenn sie noch nicht im nationalen Recht verankert oder umgesetzt wurde. Das hieße, sofern hier keine entsprechende Regelung getroffen würde, wäre dies ein gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten Deutschlands und das in der EU-Richtlinie verankerte Recht könnte eingeklagt werden. Planung: Das BMI sieht ebenfalls die im AufenthG angelegte Problematik für Opfer von Menschenhandel. In der derzeitigen Systematik des AufenthG ist es aus Sicht 3

des BMI notwendig, den 25 AufenthG zu ergänzen. Eine entsprechende Ergänzung soll in das neue Änderungsgesetz aufgenommen werden. Ziel ist, dass Zeug/innen in Straf- und Ermittlungsverfahren eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Ein ergänzter 25 würde damit auch der Problematik des 11 begegnen. 4. Aufenthaltstitel nach Beendigung des Strafverfahrens Beim Treffen der Bundesweiten AG Frauenhandel wurde eingehend über den Nachweis einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben diskutiert, der zu erbringen ist, wenn nach 25 III AufenthG entschieden werden soll. Wie von den verschiedenen Beteiligten (BKA, KOK etc.) dargestellt wurde, ist dieser Nachweis sowohl für die Fachberatungsstellen als auch für die Polizeibehörden (LKA, BKA) praktisch unmöglich zu erbringen, da die Schwierigkeit der Nachweisbarkeit u.a. im Straftatbestand des Menschenhandels selbst begründet liegt und derzeit noch nicht umfassend genug Vernetzung der internationalen polizeilichen Stellen hergestellt werden kann, darüber hinaus verschiedene Standards in der Polizeiarbeit bestehen etc. Ein weiteres Problem liegt allerdings auch darin, dass bei der Entscheidung über das Abschiebeverbot nach 60 VII AufenthG gemäß 72 II das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu beteiligen ist. b) Erfahrungen der Fachberatungsstellen Negative Erfahrungen nach altem Recht liegen zur Genüge vor. Jedoch auch nach neuem AufenthG gibt es bereits einen ersten dokumentierten Fall: Obwohl sowohl das zuständige LKA als auch die Ausländerbehörde und die Fachberatungsstelle der Meinung waren, dass für die betroffene Frau eine Gefährdung besteht und dies auch schriftlich gut begründet worden ist, hat die BAMF die Gefährdung abgelehnt. Der schriftliche Bescheid liegt der entsprechenden Fachberatungsstelle noch nicht vor, allerdings wurde bereits mündlich das Ergebnis des Bescheides mitgeteilt. 1 Weitere Fallschilderung: Eine FBS betreut zurzeit eine Klientin aus der Ukraine, die als Opfer von Menschenhandel kurz vor ihrer Zeuginnenaussage bei Prozess steht. Seit 12 Monaten bekommt sie eine Verlängerung der Duldung. Sowohl von Seiten der Staatsanwaltschaft als auch von Seiten des LKA s gibt es Bemühungen, aufgrund der eingeschätzten Gefährdungslage der Zeugin, einen Aufenthalt auch nach Abschluss des Strafverfahrens zu erwirken. Nach Aussage eines Mitarbeiters der zuständigen Ausländerbehörde wird es dem LKA kaum gelingen können, eine größere Gefahrenlage im Herkunftsland nachzuweisen, bzw. zu begründen, so dass aufenthaltsrechtlich entsprechend entschieden werden kann. Der Zeugin kann eigentlich nur von einem Auftreten im Strafprozess abgeraten werden, da sie hernach nicht geschützt sein wird. Auch in anderen Bundesländern wurde bei der Einschätzung der Gefahr für Leib und Leben bislang sehr rigoros vorgegangen. Es war bereits teilweise schwierig, dass die Frauen überhaupt bis zur Hauptverhandlung in Deutschland geduldet wurden (was auch Staatsanwaltschaften als das Strafverfahren gefährdend einschätzen). Danach wird auf jeden Fall die Ausreise erwartet. 1 Anmerkung: In der Zwischenzeit ist die Entscheidung revidiert worden, da dem BAMF wichtige Informationen nicht vorlagen. Ein weiteres Treffen aller Beteiligten soll diesen Vorgang auswerten und das künftige Verfahren verbessern. 4

Für ein erfolgreich geführtes Strafverfahren ist der Zeuginnenbeweis sehr wichtig und kaum zu ersetzen. Eine solche Praxis kann ein Strafverfahren zum Scheitern führen der betroffenen Frau wird trotz Kenntnis der Lage eine Gefährdung zugemutet, sie wird instrumentalisiert, aber nicht geschützt. c) Vorschlag Es ist immens wichtig, eine Verwaltungsvorschrift zu erlassen, welche die Ausländerbehörden und auch die BAMF ausdrücklich darauf hinweist, dass eine Stellungnahme von Seiten der in Deutschland ermittelnden Kriminalpolizeistelle, des LKA oder BKA ausreichen muss. 5. Möglichkeit der Arbeitaufnahme Die Aufnahme einer Beschäftigung ist grundsätzlich erst möglich nach einem Jahr und wenn die Bundesanstalt für Arbeit nach Durchführung einer Vorrangigkeitsprüfung zugestimmt hat. Die Weisung des BMA vom Mai 2001 besitzt keine Gültigkeit mehr. b) Vorschlag Anzustreben ist unbedingt, dass zu einem die Weisung erneut wird, aber besser noch, dass den Menschenhandelsopfern ein Aufenthaltstitel zuerkannt wird, der die Arbeitserlaubnis beinhaltet. So dieser Personengruppe dennoch eine Duldung nach 60 a erteilt wird, muss auch hierüber sichergestellt sein, dass ein Zugang zum Arbeitsmarkt erfolgen kann in der gleichen Verfahrensweise wie bisher. Die Arbeitserlaubnis muss bei Bedarf sofort erteilt werden können und nicht erst nach einem Jahr, da in der Regel die Prozesse erst nach geraumer Zeit stattfinden, während derer jedoch die Stabilisierung einer Zeugin, die wesentlich von einem geregelten und strukturierten Tagesablauf und einer Beschäftigung abhängt, auch über Arbeit hergestellt werden könnte. Die damalige Verfahrensweise nach der genannten Weisung war beschränkt auf den Arbeitsplatz und erwies sich in der Praxis als hinderlich, da der potentielle Arbeitgeber jeweils erklärt haben möchte, warum die Betroffene trotz Duldungsstatus (künftig Aufenthaltserlaubnis) eine Arbeitserlaubnis ohne Wartezeit und Vorrangigkeitsprüfung erteilt werden wird. Dies zieht selbstverständlich generell nach sich, dass der Menschenhandelshintergrund offengelegt werden muss und widerspricht damit dem Schutzbedürfnis. Abschließend empfehlen wir daher, dass der geänderte 25 einen allgemeinen, nicht an einen konkreten Arbeitsplatz gebunden Arbeitsmarktzugang erlaubt. 6. Sperrwirkung des 11 AufenthG Folgende Problematik wurde zwar in der Bundes AG andiskutiert, für uns allerdings nicht befriedigend gelöst: 11 AufenthG entfaltet eine Sperrwirkung, so dass bei einer bereits ausgewiesenen aber nicht ausgereisten bzw. innerhalb der Sperrfrist wieder eingereisten Person keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. b) Erfahrungen der Fachberatungsstellen Die Fachberatungsstellen haben sehr oft die Erfahrungen gemacht, dass die Sperrwirkung zur Anwendung kommen könnte. Nicht immer werden Betroffene bei ihrem ersten Aufgriff als Opfer von Menschenhandel erkannt und anerkannt. Sie werden ausgewiesen oder abgeschoben. Die Täter hindern dann 5

beispielsweise die Frauen an ihrer Ausreise (nach Entlassung durch die Behörden) und führen sie erneut der Prostitution zu oder sie verbringen sie nach der Ausreise erneut nach Deutschland. Beispiel: Eine Frau war in Abschiebehaft. Der Täter jedoch schickte ihr einen Anwalt in die Haft, welcher es schaffte, dass sie nicht abgeschoben wurde, sondern ein Dokument zur freiwilligen Ausreise erhielt. Nach ihrer Entlassung übergab der Anwalt die Frau dem Täter. Sie musste also weiter zwangsweise arbeiten. Danach wurde sie wieder von der Polizei aufgegriffen. c) Vorschlag Die Sperrwirkung ist auf jeden Fall für Betroffene von Menschenhandel hinderlich, sofern sie der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht. Daher sind wir der Ansicht, dass das Vorliegen einer Sperrfrist die Erteilung einer Duldung (bei Anzeichen für Menschenhandel) oder einer Aufenthaltserlaubnis (bei Opferzeuginnen) nicht verhindern darf. 7. Leistungen bei Bedürftigkeit Generell besteht, bei Duldung aber auch bei einem Aufenthalt nach 25 IV und V ausschließlich Zugang zu Leistungen nach dem AsylBLG. Es bleibt unklar, wie dies mit der EU-Richtlinie zur Erteilung kurzfristiger Aufenthaltstitel in Einklang gebracht werden kann. Die bekannte Problematik, dass durch die Leistungen des AsybLG die erhöhten psychischen und physischen Bedürfnisse der Opferzeuginnen keinesfalls ausreichend Rechnung getragen werden kann, wird nicht gelöst. b) Vorschlag Im 2 AsylBLG sollte daher eine entsprechende Regelung aufgenommen werden, dass bei dem infrage stehenden Personenkreis grundsätzlich eine Leistung über den AsylBLG hinausgehenden Anspruch zu erfolgen hat. Anzudenken wäre hier an eine analoge Anwendung des SGB II, bzw. SGB XII. 8. Anrechnung von Entschädigungszahlungen Bei Leistungen nach dem AsylbLG werden sämtliche Opferentschädigungen (OEG) angerechnet und dies läuft dem Gedanken der Wiedergutmachung zuwider. Auch steht dies einer präventiven Wirkung entgegen, da den Betroffenen die Möglichkeit genommen wird, sich mit den erhaltenen Mitteln im Heimatland eine Existenz aufzubauen. b) Vorschlag 7 AsylbLG sollte dahingehend geändert werden, dass auch hier ähnlich wie im SGB XII den Betroffenen Schonvermögen zugestanden wird. Für Rückfragen: Naile Tanis, Geschäftsführerin des KOK e.v., Tel: 0331 / 280 33 00 6