conomics Internet-Revolution und New Economy



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Internet & New Economy Economics 12. Oktober 2001 Nr. 19 Editor: Antje Stobbe +49 69 910-31847 antje.stobbe@db.com Publikationsassistenz: Sabine Loetto +49 69 910-31831 sabine.loetto@db.com Internet: http://www.dbresearch.de Frankfurt am Main Deutschland E-mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 Managing Directors Axel Siedenberg Norbert Walter conomics Internet-Revolution und New Economy Virtuelle Marktplätze: Big is beautiful Unternehmen schreiben der Nutzung von virtuellen Marktplätzen - d.h. Handelsplattformen im Internet - in der Zukunft eine hohe Bedeutung zu. Umfragen zufolge wollen 68% der befragten deutschen Unternehmen im Jahr 2003 virtuelle Marktplätze nutzen. Bis 2004 dürften ca. 30-50% des gesamten Online-Umsatzes über öffentliche virtuelle Marktplätze abgewickelt werden. Nur wenige Marktplätze pro Branche werden sich am Markt behaupten können. Dafür spricht bei unabhängigen Marktplätzen die Notwendigkeit, eine hohe Zahl von Transaktionen auf sich zu konzentrieren, um sich aus Gebühren finanzieren zu können. Allerdings werden Unternehmen in Abhängigkeit von ihrem Tätigkeitsfeld und ihrer Branchenzugehörigkeit durchaus an mehreren verschiedenen Marktplätzen unterschiedlicher Funktionalität partizipieren. Öffentliche Marktplätze unabhängiger Betreiber standen am Beginn der Entwicklung virtueller Marktplätze. Sie dürften künftig für Unternehmen vor allem bei der Beschaffung geringwertiger und standardisierter Güter sowie bei Rohstoffen eine große Rolle spielen. Branchenspezifische Marktplätze (BSM) haben die Konkurrenzsituation in den betroffenen Branchen verändert. Sie werden typischerweise von Konkurrenten gegründet. Kooperation zwischen Unternehmen ist eines der Schlüsselargumente für den Erfolg von BSM. Zusammenarbeit und die damit verbundene Größe des Marktplatzes birgt aber auch das Risiko, dass Abnehmer ihre (Einkaufs-)Macht konzentrieren. Bei privaten Netzwerken steht vor allem das Element der Zusammenarbeit zwischen den Zulieferern und dem Abnehmer im Vordergrund. Dabei können verschiedene Elemente der Wertschöpfungskette in Form eines sog. Private Trading Networks organisiert sein. Alternativen reichen von der Bereitstellung von Echtzeitinformationen über Lagerbestände, koordinierten Planungs- und Prognoseprozessen bis zur gemeinschaftlichen Entwicklung eines Produktes. Das bisher größte Hindernis für die Verbreitung von Marktplätzen ist die Zurückhaltung von Unternehmen, an virtuellen Marktplätzen überhaupt teilzunehmen. Viele befürchten, dass ihre Margen weiter geschmälert werden. Aber auch die Reorganisation interner Prozesse stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Je stärker das Element der Zusammenarbeit im Vordergrund steht, um so größer sind die Anforderungen, die im Unternehmen bestehenden Systeme mit denen der Marktplätze bzw. anderer Unternehmen kompatibel zu gestalten. Antje Stobbe, +49 69 910-31847 (antje.stobbe@db.com) Laura Zampieri

conomics Deutsch und Englisch Schneller via E-mail erhältlich!!! Die conomics -Beiträge sind Teil der Reihe Aktuelle Themen. Virtuelle Marktplätze: Big is beautiful 12. Oktober 2001 Fokus: New Economy und Produktivität 19. September 2001 Digital Divide - Das Beispiel Asiens 10. August 2001 Internet-Trends in Japan: Mobilfunk als Triebkraft 16. Juli 2001 Softwarehäuser und DV-Dienste - Wachstumsbereiche im IT-Biz 17. Mai 2001 Rechtliche Rahmenbedingungen für den e-commerce: Viel Lärm um Nichts? 9. Mai 2001 e-banking: Konkurrenz durch Non- und Near-Banks 12. April 2001 Elektronisches Geld - die Zukunft des Zahlungsverkehrs? 22. Februar 2001 Embedded Systems - Der (verdeckte) Siegeszug einer Schlüsseltechnologie 30. Januar 2001 e-immobilien: Immobilienwirtschaft im Internet-Zeitalter 8. Januar 2001 Emerging Markets in Asien: Vom Hardware-Produktionsstandort zum 3. November 2000 ecommerce-eldorado? mcommerce: Mega Business oder Mickey Mouse? 20. Oktober 2000 Schweden und Finnland: Vorreiter der New Economy in Europa? 5. Oktober 2000 Finanzportale: Chancen für Kunden und Banken 26. September 2000 Das Internet - eine neue Basistechnologie? 9. August 2000 Mikroökonomische Aspekte der Internet Economy 9. August 2000 New Economy in den USA: Fakt oder Fiktion? 15. Juni 2000 Regionale Startpositionen im globalen e-wettbewerb 18. Mai 2000 E-Commerce: Katalysator für Strukturveränderungen in Deutschland 14. Februar 2000 Bestelladresse: Marketing 60272 Frankfurt am Main Fax: +49 69 910-31877 E-mail: marketing.dbr@db.com

conomics Virtuelle Marktplätze: Big is beautiful Mit dem Sturz der High-Tech-Aktienbörsen sehen Beobachter auch die Perspektiven des e-commerce in einem kritischeren Licht. Die Geschäftsmodelle vieler Start-ups sind wie Seifenblasen zerplatzt. Dies trifft auch auf zahlreiche virtuelle Marktplätze zu. Nicht nur an den Aktienmärkten ist die Unsicherheit groß. Auch die Prognose, wie sich der B2B-e-Commerce künftig quantitativ und qualitativ entwickeln wird, ist mit hohen Unsicherheiten behaftet. Dies unterstreichen die Erwartungen für B2B-Umsätze, die von verschiedenen Marktforschungsinstituten veröffentlicht werden. Während Jupiter Research für Westeuropa B2B-Umsätze von EUR 1.805 Mrd. im Jahr 2004 erwartet, prognostiziert Forrester USD 1.410 Mrd., emarketer gar nur USD 797 Mrd. Unterstellt man einen Umrechnungskurs nahe der Parität, so ist die optimistischste Prognose mehr als doppelt so hoch wie die konservativste. Darüber hinaus unterliegen Anzahl und Form virtueller Intermediäre einem ständigen Veränderungsprozess. Grundsätzlich schreiben Unternehmen der Nutzung von virtuellen Marktplätzen in der Zukunft eine hohe Bedeutung zu. Ein virtueller Marktplatz ist eine Website, auf der Geschäftspartner zusammentreffen, so z.b. Anbieter und Nachfrager von Gütern, um Transaktionen teilweise oder vollständig über das Internet abzuwickeln. Auf einer solchen Internetseite können aber auch Informationen, weitere Dienstleistungen oder gemeinsam nutzbare Tools angeboten werden. In einer Umfrage von BDA und KPMG vom November 2000 geben 68% der befragten deutschen Unternehmen an, im Jahr 2003 virtuelle Marktplätze nutzen zu wollen, während derzeit nur 19% dies tun. Die Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen auf dem Internet unterliegen einer stetigen Weiterentwicklung. Bei virtuellen Marktplätzen dominieren derzeit unabhängige Marktplatzbetreiber. Weitere Organisationsformen kommen hinzu so z.b. private Netzwerke und branchenspezifische Marktplätze,die künftig nebeneinander existieren dürften. Hierfür sprechen sowohl die unterschiedlichen Zielsetzungen, die Unternehmen verfolgen, wenn sie sich an virtuellen Marktplätzen beteiligen, als auch die spezifischen Strukturen einzelner Industrien. Nicht zuletzt sind auch Art und Charakter der Online-Geschäftsbeziehung zwischen zwei Unternehmen (z.b. Grad der Vertraulichkeit) für die Wahl eines Marktplatzes von Bedeutung. Der vorliegende Bericht analysiert Entwicklung und Erfolgsbedingungen virtueller Marktplätze. Warum werden virtuelle Marktplätze benötigt? Modell eines virtuellen Marktplatzes Einkäufer Website Eine der am häufigsten dem Internet zugeschriebenen strukturellen Konsequenzen ist der Wegfall von Intermediären. Zwischenhändler würden nicht mehr benötigt, da Produzent und Nachfrager im Web direkt miteinander in Kontakt treten könnten (Dis-Intermediation). Es stellt sich allerdings die Frage, ob die direkte Kontaktaufnahme von zwei potentiellen Transaktionspartnern in allen Fällen eine effiziente Form der Geschäftsanbahnung darstellt. Durch das Internet hat die dem einzelnen Unternehmen zur Verfügung stehende Informationsmenge rasant zugenommen. Zwar senkt das Internet die Kosten der Informationsbeschaffung: Informatio- Einkäufer Einkäufer Economics 3

conomics nen sind prinzipiell leichter zugänglich. Allerdings erhöhen sich die Kosten der Selektion und Verifizierung. Sie nehmen mit der Menge der zur Verfügung stehenden Informationen exponentiell zu. Aus Sicht eines Unternehmens ist bei einem ihm unbekannten, potentiellen Geschäftspartner aus dem Webauftritt zunächst keinerlei Information über Geschäftsverhalten, Zuverlässigkeit und Qualität der Ware abzuleiten. Es besteht also grundsätzlich das Risiko, dass das Unternehmen mit unlauterem Geschäftsverhalten seines Partners konfrontiert wird (asymmetrische Information). Virtuelle Intermediäre können die Kosten der Informationsselektion und -verifizierung und damit auch Informationsasymmetrien mindern. So ist es für ein Unternehmen, das ein ganz bestimmtes Gut in einer vorgegebenen Qualität und Menge (z.b. 20 Pakete Kopierpapier 80mg) erwerben möchte, sinnvoll, einen virtuellen Intermediär einzuschalten, der auf die Beschaffung von Büromaterial spezialisiert ist. Während für das Unternehmen hohe Kosten der Informationsselektion entstehen, wenn es zahlreiche Websites selbständig recherchiert (sog. Peer-to- Peer-Modell), werden auf dem elektronischen Marktplatz Informationen bereits sinnvoll selektiert (z.b. wird das günstigste Angebot für die nachgefragte Menge Papier hervorgehoben). Virtuellen Marktplätzen kommt also die zentrale Aufgabe zu, Angebot und Nachfrage auf dem Netz für ein bestimmtes Gut zum Ausgleich zu bringen. Ein Betreiber eines virtuellen Marktplatzes kann aber zusätzlich auch die Anbieter, die an seinem Marktplatz partizipieren, z.b. auf Bonität und Qualität der angebotenen Produkte kontrollieren. Freemarkets.com überprüft bspw. die Bieter, die an Auktionen teilnehmen. Der Intermediär kann den am Marktplatz partizipierenden Unternehmen (z.b. im Rahmen des Geschäftsmodells eines elektronischen Kataloges) ein Qualitätssiegel verleihen, wenn die geprüften Produkte einem vorgegebenen Standard entsprechen. Alternativ können Käufer, die bereits früher Produkte von dem Unternehmen gekauft haben, durch ein Online-Votum über deren Qualität abstimmen. Dies ist besonders für kleine und mittlere Anbieter von Bedeutung, die mit einem isolierten, unternehmensspezifischen Webauftritt nur mit hohem Marketingaufwand eine weitreichende Reputation aufbauen können. Die Selektion eines Anbieters durch einen Marktplatzbetreiber u.u. in Verbindung mit der Auszeichnung mit einem Qualitätssiegel mindert die Informationsasymmetrie. Relativ hohe Kosten der Informationsselektion und Informationsasymmetrien zwischen potentiellen Geschäftspartnern begünstigen also eine Re-Intermediation auf dem Internet, d.h. eine Wiedereinführung von Intermediären bspw. in Form von virtuellen Marktplätzen. Dies ist vor allem für stark fragmentierte Märkte relevant. In diesen können sowohl bestehende Geschäftsbeziehungen (z.b. Großhandel) abgebildet werden als auch einmalige Transaktionen im Gegensatz zu kontinuierlichen Geschäftsbeziehungen koordiniert werden. e-readiness der Unternehmen beeinflusst Entwicklung virtueller Marktplätze Die Entwicklung virtueller Marktplätze hängt davon ab, in welchem Stadium der e-readiness sich die beteiligten Unternehmen befinden. Oft beginnen Unternehmen ihre Internet-Aktivitäten damit, Informationen online bereitzustellen oder einfache Transaktionen (Beschaffung, Vertrieb) und Dienstleistungen (z.b. Rechnungsstellung) auf das Netz zu verlagern. Diese Online-Aktivitäten gehören nach der Studie Peer-to-Peer Modell Einkäufer Einkäufer Einkäufer 4 Economics

conomics von KPMG und BDA zu den am meisten genutzten Anwendungen in Deutschland. Dies deutet darauf hin, dass Deutschland eher noch am Anfang der Entwicklung im e-business steht. Boston Consulting geht davon aus, dass in der e-business Evolution anfänglich eher unternehmensspezifische Websites dominieren werden, die sich auf Beschaffung oder Absatz konzentrieren. Bis 2004 dürften aber ca. 30-50% des gesamten Online-Umsatzes über öffentliche virtuelle Marktplätze abgewickelt werden. Komplexere Anwendungen machen hingegen ganzheitliche Managementkonzepte erforderlich. Zu diesen gehören sowohl Supply Chain Management (SCM) und Customer Relationship Management (CRM) als auch die Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen bei der Entwicklung von Produkten oder bei Planungsprozessen in virtuellen Projekträumen. Dementsprechend ist die Zahl der virtuellen Marktplätze, die solche komplexeren Prozesse organisieren, zur Zeit noch eher gering. Motivation der Unternehmen zur Teilnahme an virtuellen Marktplätzen sehr verschieden Wie mehrere Umfragen zeigen, gibt es verschiedene Faktoren, die Unternehmen veranlassen, sich mit virtuellen Marktplätzen zu vernetzen. Diese Faktoren erhalten allerdings in verschiedenen empirischen Studien unterschiedliche Priorität. Grundsätzlich steht das Bestreben der Unternehmen im Vordergrund, Transaktionskosten zu reduzieren und die Prozesseffizienz zu erhöhen. Der Wunsch, Beschaffungszeiten zu verkürzen und Lagerbestände zu vermindern, ist von hoher Bedeutung. Auch das Ziel, Kosten beim Erwerb von Vorprodukten zu sparen, Warum nutzen Käufer virtuelle Marktplätze? Geschäftsmodelle Die Geschäftsmodelle virtueller Marktplätze lassen sich nach ihrer Funktionalität unterscheiden. In aggregierten Produktkatalogen offerieren mehrere Anbieter in der Regel über einen Marktplatzbetreiber ähnliche oder komplementäre Produkte in einem elektronischen Katalog. Die Nachfrager profitieren bei diesem Geschäftsmodell von hoher Markttransparenz und guten Vergleichsmöglichkeiten. Die Anbieter sehen sich einer gebündelten Nachfrage gegenüber und sparen Kosten, indem sie den Vertrieb an den virtuellen Marktplatz auslagern. Virtuelle Börsen (Exchanges) bringen (anonym) Angebot und Nachfrage zusammen. Der Nachfrager versieht sein Gesuch mit bestimmten Anforderungen bzgl. Produktmerkmalen und Preis. Der Marktplatzbetreiber bringt dies dann mit dem entsprechenden Angebot in Übereinstimmung. Nachfrager erhalten Produkte oft günstiger als durch traditionelle Absatzkanäle. Anbieter haben die Chance Restbestände günstig abzusetzen. Auktionen sind durch ein dynamisches, offenes Preissetzungsverfahren gekennzeichnet. Produktattribute und Konditionen werden bereits im voraus festgelegt, so dass der Preis das alleinige Entscheidungskriterium für den Zuschlag ist. Geringere Transaktionskosten 48 Raschere Auftragsbearbeitung 43 Neue Anbieter identifizieren Geringere Lagerbestände 32 34 Geringere Kosten für Vorprodukte 28 Bessere Verb. zum Geschäftspartner 25 Einkaufsmacht konzentrieren Zwischenhändler umgehen 18 18 Anforderungen der Anbieter 11 Einfluß auf Entw. von Online-Marktpl. 8 % 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Quelle: BCG, 2000 Economics 5

conomics wird häufig genannt. Schließlich steht das Ziel, neue Anbieter zu finden, und die Beziehungen mit bestehenden Unternehmen zu vertiefen, auf der Prioritätenliste der Unternehmen. Die verschiedenen Motive der Anbieter spiegeln sich in der Entscheidung für eine spezifische Form eines Online-Marktplatzes wider. So spricht das Bestreben eines Unternehmens, niedrigere Preise zu erzielen oder Beschaffungszeiten zu reduzieren, eher für ein Engagement auf einem transaktionsorientierten öffentlichen oder branchenspezifischen Marktplatz, der z.b. auf Auktionen spezialisiert ist oder nach dem Prinzip einer Börse arbeitet (s. Box zu Geschäftsmodellen S. 5). Hingegen dürfte der Wunsch, engere Beziehungen mit Partnern einzugehen und auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, Unternehmen veranlassen, kooperative Lösungen zu suchen, z.b. in Form von Private Trading Networks. Öffentliche Marktplätze unabhängiger Betreiber waren der Anfang Öffentliche Marktplätze unabhängiger Betreiber z.b. Freemarkets.com sind die derzeit dominierende Form virtueller Marktplätze (zur Klassifizierung von Marktplätzen s. Box). Initiatoren sind meist Start-ups oder ein spezifisches unabhängiges Unternehmen (im Gegensatz zu branchenspezifischen Konsortien). Nach Schätzung von Jupiter Research existieren in Europa derzeit (April 2001) rund 500 öffentliche Marktplätze, von denen zu diesem Zeitpunkt 73% jünger als ein Jahr alt waren. Unabhängige Marktplätze haben meist die Abwicklung von Transaktionen als primäres Ziel. Einer Umfrage zufolge planen Unternehmen, den Handel mit geringwertigeren bzw. standardisierten Vorprodukten oder Rohstoffen auf Marktplätzen auszuweiten. Gerade bei geringwertigen Gütern hat fast die Hälfte der befragten Unternehmen vor, die Beschaffung bis 2002 vollständig auf virtuelle Marktplätze zu verlagern. Demgegenüber sind Unternehmen bei höherwertigen Gütern, die meist wenig standardisiert sind, zurückhaltender. Virtuelle Marktplätze dürften hier auch in Zukunft nur eine ergänzende Funktion im Beschaffungsprozess annehmen. Mit dem Bedeutungsgewinn virtueller Marktplätze durch die Verlagerung des Beschaffungsprozesses auf das Netz dürfte allerdings auch ein erheblicher Konzentrationsprozess einhergehen. Jupiter schätzt, dass 80% der heutigen Marktplätze bis 2004 verschwunden sein werden. Diese Schätzung beruht auf dem grundsätzlichen Problem, dem sich virtuelle Marktplätze gegenübersehen. Gerade öffentliche Marktplätze, die sich derzeit zum großen Teil aus Gebühren für Transaktionen finanzieren, sind auf einen hohen Umsatz und damit eine Mindestgröße angewiesen, um die getätigten Investitionen zu amortisieren. Bei gegebener Branchengröße und Zahl von Transaktionen müssen sich Marktplätze die für das Internet charakteristischen Netzwerkeffekte zu nutze machen: ein weiterer Teilnehmer eines öffentlichen Marktplatzes macht diesen für die bereits vorhandenen Nutzer attraktiver. Gleichzeitig kommt es darauf an, frühzeitig Marktanteile zu sichern, weil die meisten Unternehmen nur ein bis zwei Marktplätze, z.b. für die Beschaffung indirekter Vorprodukte, nutzen. Unabhängige Betreiber können in der Regel nur dann eine kritische Masse an Teilnehmern und damit ein ausreichend hohes Transaktionsvolumen auf sich vereinen, wenn sie ein führendes Unternehmen der Branche integrieren. Dies gilt vor allem in Branchen mit zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), zumal KMUs mit Blick auf ein Online-Engagement meist eher zurückhaltend agieren. Als hin- Private vs. öffentliche Marktplätze Marktplätze können öffentlichen Charakter haben, d.h. sie sind offen für potentielle Geschäftspartner (z.b. Covisint, Omnexus). Meist stehen Branchenkonsortien oder unabhängige Betreiber im Mittelpunkt eines solchen Marktplatzes. Private Marktplätze werden hingegen von einem einzelnen Unternehmen initiiert und sind nur für die Geschäftspartner dieses Unternehmens zugänglich (z.b. Dell, Cisco). Wie viele Online-Marktplätze für indirekte Vorprodukte planen Sie im Jahr 2000 zu nutzen? 1-2 (66%) Quelle: Forrester R esearch 3-5 (14%) 6-10 (4%) > 11 (4%) keine (12%) Horizontale und vertikale Marktplätze Virtuelle Marktplätze werden nach ihrer Ausrichtung klassifiziert. So sind vertikale Marktplätze auf eine spezifische Branche spezialisiert und konzentrieren sich auf den Handel mit den Gütern, die für diese Branche die Kernkompetenz ausmachen. Beispiele sind e- Steel oder Chemdex für die Chemieindustrie. Horizontale Marktplätze agieren branchenübergreifend. Sie bieten häufig MRO-Güter (Maintenance, Repair, Operation) an oder handeln mit Rohstoffen (z.b. Energie), die in zahlreichen Branchen benötigt werden. Beispiele sind die Beschaffungsmarktplätze für Bürobedarf und IT-Güter Emaro und Mercateo. 6 Economics

conomics derlich für Online-Marktplätze erweist sich darüber hinaus, dass Unternehmen das Netz zum Preisvergleich heranziehen, die Transaktion dann aber über traditionelle Handelswege tätigen. Das grundsätzliche Problem öffentlicher Marktplätze ist folglich mangelnde Liquidität. Schätzungen von Jupiter Research zufolge haben ca. 60% der öffentlichen, unabhängigen Marktplätze weniger als EUR 1 Mio. Umsatz pro Monat. Gleichzeitig wirken sich auch die sinkenden Gebühren für Transaktionen auf virtuellen Marktplätzen negativ auf deren Ertragslage aus. So sind die Gebühren von 2-8% des Transaktionsvolumens pro Jahr auf 0,5-2% (Ende 2000) gesunken. Boston Consulting geht davon aus, dass die Entgelte bis 2002 weiter auf unter 0,5% fallen. 1 Diese Argumente sprechen für eine Konsolidierung der Zahl unabhängiger Marktplätze, wie sie bereits seit dem Crash der Technologiebörsen bei Start-ups zu beobachten ist. Branchenspezifische Marktplätze: Liquidität gesichert Auch die Herausbildung branchenspezifischer Marktplätze (BSM), die die jeweiligen Industrien dominieren, bringt neue Konkurrenz für unabhängige Betreiber. BSM werden von einem Konsortium großer Unternehmen einer Industrie initiiert und meist in unabhängiger Rechtsform geführt. 2 Sie sind damit ein typisches Beispiel für das Verschmelzen von Internet und Old Economy. Institutionell zusammengeschlossen sind oft nicht nur die großen Nachfrager, sondern auch Anbieter. Eines der bekanntesten Beispiele ist Covisint, ein virtueller Marktplatz an dem Ford, General Motors, Daimler-Chrysler, Nissan und Renault beteiligt sind. Auf branchenspezifischen Marktplätzen werden meist bereits bestehende Beziehungen zwischen Unternehmen abgebildet und Zulieferer besser integriert. Schwerpunkte der Tätigkeit von BSM bilden in der Regel der Handel mit Gütern (Beschaffung bzw. Absatz von Zwischenprodukten oder Rohstoffen) oder Dienstleistungen. Vielfach konzentrieren sich im Gegensatz zu zahlreichen unabhängigen Marktplätzen BSM auf Geschäfte mit Gütern, die die Kernkompetenz eines Unternehmens ausmachen und weniger standardisiert, sondern eher komplexerer Natur sind. Hauptziel von BSM ist es einer Umfrage zufolge, die Beschaffung zu bündeln und Ineffizienzen in der Zulieferkette zu reduzieren, indem bspw. Zulieferer mit Abnehmern direkt vernetzt werden. Bisher sind die zugrundeliegenden Geschäftsmodelle denen unabhängiger Marktplätze allerdings recht ähnlich: es dominieren Auktions- und Börsenprinzip bzw. das Angebot in einem elektronischen Katalog (s. Grafik). In einer nächsten Entwicklungsstufe von BSM erhalten Zulieferer idealerweise online Informationen über den Lagerbestand ihres Abnehmers, so dass sie ihre Produktion darauf abstimmen können und eine Bestellung automatisch ausgelöst wird. Geringere Durchlaufzeiten und dramatisch niedrigere Fehlerquoten machen die Vorteile solcher Modelle aus, deren vollständige Realisierung allerdings erst in der Zukunft zu erwarten ist. Derzeit geben nur 8% der befragten BSM an, auf diese Weise zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus Geschäftsmodelle Optimierung 13% des Workflow/ Zusammenarbeit 8% 17% Börse "Reverse Auction" Quelle: Jupiter Research, 2000 25% Auktion Dienstleistungen, z.b.performance- Ratings 8% 31% Elektronischer Katalog 1 Marktplätze können um so höhere Gebühren nehmen, je fragmentierter der Markt ist, in dem sie agieren, und je eher sie die Rolle des Market Makers übernehmen (z.b. bei niedriger Liquidität). 2 Dies sichert die Unabhängigkeit des virtuellen Marktplatzes von den beteiligten Unternehmen. Dieses konzeptionelle Element wurde von unabhängigen Markplätze übernommen, die sich als eigenständiger Intermediär zwischen Anbietern und Nachfragern verstehen. Economics 7

conomics können branchenspezifische Marktplätze dazu beitragen, Standards voranzutreiben. Dazu gehören beispielsweise übereinstimmende Produktklassifikationen, aber auch die Verwendung von einheitlichen Formaten für Dokumente und Tools. Das Bestreben, ein ausreichendes Maß an Liquidität auf einem virtuellen Marktplatz zu sichern, ist ein wichtiges Argument für die Gründung branchenspezifischer Marktplätze. Im Gegensatz zu virtuellen Marktplätzen unabhängiger Betreiber entschärft sich bei BSM das Liquiditätsproblem, da die beteiligten Unternehmen ihre Transaktionen über die Plattform abwickeln. Dadurch ist das Transaktionsvolumen ex ante relativ gut abzuschätzen. Insbesondere begünstigt ein gewisser Grad der Konzentration in einer Branche das Entstehen eines branchenspezifischen Marktplatzes, da bereits durch Kooperation von wenigen Unternehmen eine relativ hohe Zahl von Transaktionen und damit ausreichend Liquidität entsteht. BSM haben die Konkurrenzsituation in den betroffenen Branchen verändert. Sie werden typischerweise von Konkurrenten innerhalb einer Branche gegründet. Kooperation ist eines der Schlüsselargumente für den Erfolg von BSM. Zusammenarbeit und die damit verbundene Größe des Marktplatzes birgt aber auch das Risiko, dass Abnehmer ihre (Einkaufs-)Macht konzentrieren und ausnutzen. Wenn mehrere Auftraggeber ihren Einkauf über einen BSM bündeln, so sind die Zulieferer, die bisher die beteiligten Unternehmen offline und unabhängig voneinander belieferten, quasi gezwungen, internetfähig zu werden. Sie müssen daher ihre Vertriebsprozesse umstellen, um bspw. an Auktionen auf BSM teilnehmen zu können nicht zuletzt, weil Konkurrenten dies tun. Mittelfristig könnten Nachfrager aber auch mit wesentlich weniger Zulieferern auf dem Marktplatz zusammenarbeiten. Auch dies begünstigt den Prozess der Konzentration. Branchenspezifische Marktplätze stellen hohe Anforderungen an die Integrationsfähigkeit von Unternehmen. Dies gilt sowohl für die Unternehmen, die sich entschließen, einen solchen Marktplatz zu gründen, als auch für die beteiligten Zulieferer. In beiden Fällen kann der Austausch von sensiblen Informationen für die Unternehmen ein Hindernis für die Teilnahme sein. Die am BSM beteiligten Konkurrenten könnten befürchten, durch Teilung von Informationen über Produktionsprozesse oder Konditionen des Einkaufs Wettbewerbsvorteile einzubüßen. Auf Seiten der Lieferanten können Vorbehalte in Bezug auf eine Bereitstellung von Prognosen und Informationen über den Produktionsprozess reduziert werden, wenn Zulieferer institutionell am BSM beteiligt werden. Private Trading Networks: virtuelle Projekträume ermöglichen Zusammenarbeit Eine weitere Form virtueller Marktplätze sind sog. Private Trading Networks (PTN). Idealtypisch steht eine einzelne Firma im Zentrum eines PTN und arbeitet online mit Zulieferern und Abnehmern zusammen. Branchenspezifische Marktplätze sind eine Vorstufe von PTN. So wird auch von Covisint der Anspruch vertreten, nicht nur ein Beschaffungsmarktplatz zu sein, sondern mittelfristig die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Aufgrund des hohen Komplexitätsgrades von PTNs spielt diese Form der virtuellen Zusammenarbeit bisher eine untergeordnete Rolle. Neueren Erhebungen zufolge sind nur 15% der befragten US-Unternehmen, die online B2B-Aktivitäten nachgehen, Teil eines Private Trading Networks (s. Grafik). PTN E-Procurem. Software Öffentlicher Marktplatz/BSM Online- Beschaffung Keine Aktivitäten von US- Unternehmen (B2B) 15 27 30 38 0 20 40 39 % Quelle: Jupiter R esearch, 2 00 1 8 Economics

conomics Bei privaten Netzwerken steht vor allem das Element der Zusammenarbeit zwischen Zulieferern und dem Abnehmer im Vordergrund. Dabei können verschiedene Elemente der Wertschöpfungskette in Form eines PTNs organisiert sein. Alternativen reichen von der Bereitstellung von Echtzeitinformationen über Lagerbestände und Produktion, koordinierten Planungs- und Prognoseprozessen bis zur gemeinschaftlichen Entwicklung eines Produktes sowie Projektplanung und steuerung. Zusammenarbeit im Bereich von Planung und Prognose setzt in der Regel auf der Absatzseite an. Dies ist zum Beispiel für Produzenten im Bereich des Einzelhandels von Bedeutung. Austausch über veränderte Absatzprognosen in Echtzeit ermöglicht es den Produzenten, ihren Planungs- und Produktionsprozess zeitlich und quantitativ besser auf den Abnehmer einzustellen. Im Rahmen der Integration der Zulieferkette (Supply Chain Management) erhalten Zulieferer z.b. Informationen über die Menge der beim Abnehmer gelagerten Vorprodukte. Auch dies ermöglicht es Zulieferern, ihre Kapazitäten besser zu planen. In beiden Fällen liegt der Fokus auf den Gütern, die die Kernkompetenz des Unternehmens ausmachen. Schließlich können Unternehmen in PTNs gemeinsam Produkte entwickeln. Vorteilhaft ist dabei, dass Gruppen an geografisch verschiedenen Orten enger zusammenarbeiten können. Bessere Kommunikation und höhere Effizienz, v.a. auch durch die Verwendung einheitlicher Planungsprozesse, und engere Beziehungen zu Zulieferern sind wichtige Ziele für Unternehmen bei der gemeinsamen Produktentwicklung (s. Grafik). Gerade diese enge Zusammenarbeit dürfte für Unternehmen Wettbewerbsvorteile begründen. Im Mittelpunkt des PTN steht in der Regel ein spezifisches Unternehmen, das den Marktplatz kontrolliert und Regeln setzt. Die Investition in einen solchen virtuellen Marktplatz dürfte allerdings aus Sicht des Initiators nur sinnvoll sein, wenn das Unternehmen einen hohen Marktanteil besitzt. Erst wenn eine kritische Masse von Transaktionen erreicht wird oder der gemeinsame Planungsprozess von hoher Bedeutung ist, dürfte es sich für den Zulieferer lohnen, seine Organisation auf das PTN abzustimmen. Dies ist gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen eine Herausforderung, da sie sich u.u. auf verschiedene größere Geschäftspartner, deren Organisationsprozesse und unterschiedliche Standards einstellen müssen. Vorteilhaft sind PTN vor allem für Branchen, in denen recht komplexe Prozesse organisiert werden müssen oder in denen die Entwicklung von Produkten einen hohen Stellenwert einnimmt. Dementsprechend ist es aber auch relativ aufwendig, ein PTN zu implementieren. So müssen z.b. Engineering-Design-Systeme verbunden werden, um verschiedene Unternehmen an der Entwicklung eines Produktes zu beteiligen. Im Gegensatz zu unabhängigen Marktplätzen gewinnt bei PTNs daher das organisatorische Element im Gegensatz zum marktlichen Koordinationsprozess stärker an Bedeutung. Höherer Marktanteil Qualitätsverb. der Produkte Geringere Produktionskosten Geschäftsanalyse Risikomanagement Senkung der Lagerbestände Einspar. bei Prozesskosten Raschere Vermarktung Engere Bezieh. zu Vertriebspartnern Engere Bezieh. zu Lieferanten Quelle: Jupiter R esearch, 2001 Mehrwert durch PTNs 15 19 19 20 24 32 39 46 46 % 61 0 10 20 30 40 50 60 70 Zusammenarbeit als Modell der Zukunft? Eine große Zahl von Unternehmen engagiert sich im Bereich des B2B- Commerce, um Kosten zu sparen. Dies betrifft sowohl Produktkosten als auch Transaktionskosten und Prozesseffizienz. Die Automatisierung von Bestellungen verkürzt die hierfür benötigte Zeit und reduziert entsprechend die Kosten. Dies ist gerade für standardisierte Güter (z.b. MRO-Güter), die nicht direkt in die Produktion einfließen, aber relativ hohe Kapazitäten binden, von großer Bedeutung. Empirischen Erhebungen zufolge werden aber die preissenkenden Effekte beim online- Economics 9

conomics Einkauf direkter Vorprodukte erst künftig voll wirksam werden. Nach Umfragen von Boston Consulting stellen derzeit erst 24% der Anbieter Preisdruck durch das Internet fest, nachdem ihre Kunden Bestellungen über das Netz aufgeben. Für das Jahr 2004 erwarten aber bereits 79% der befragten Unternehmen einen Preisverfall. Geringere Transaktions- (z.b. weniger Fehler bei der Auftragsvergabe, schnellere interne Abläufe) und Lagerkosten sowie kürzere Durchlaufzeiten reduzieren die Kapitalbindung in Unternehmen. Dies wirkt unter Vernachlässigung der Kosten, die durch die Reorganisation der internen Abläufe entstehen direkt produktivitätserhöhend. Damit können für Unternehmen komparative Vorteile entstehen. Gleichzeitig dürfte die Bindung zwischen den beteiligten Unternehmen steigen. Schwerer zu messen sind darüber hinaus die Vorteile, die aus der Erweiterung des Kreises der potentiellen Zahl von Abnehmern und Geschäftspartnern aufgrund der Nutzung von Marktplätzen entstehen. Die Chancen der Zukunft dürften in einer verstärkten Zusammenarbeit von Unternehmen liegen, durch die Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen. Einer Umfrage zufolge unterhalten 66% der Käufer und 85% der Zulieferer Projekte, bei denen sie mit ihren Geschäftspartnern online zusammenarbeiten bzw. haben in den nächsten zwei Jahren vor, solche Projekte einzurichten (Grafik). Dies spricht gegen das (einseitige) offensive Ausnutzen von Preisdruck, von dem letztlich nur eines des beteiligten Unternehmen profitiert. Vorteile größer als Herausforderungen? Den Vorteilen, die Unternehmen durch eine Online-Zusammenarbeit erzielen können, stehen vielfältige Herausforderungen gegenüber. Eines der größten Hindernisse für die Ausbreitung von Marktplätzen ist die Zurückhaltung von Unternehmen, an Marktplätzen überhaupt teilzunehmen. Viele befürchten, dass ihre Margen durch die höhere Transparenz auf Marktplätzen weiter geschmälert werden. Aber auch die Reorganisation interner Prozesse stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Je stärker das Element der Zusammenarbeit in den Zusammenarbeit auf dem Netz Gemeinsame Produktentwicklung 35 34 % Design maßgeschneiderter Produkte 41 35 Projektmanagement 43 43 Zugang zur Lieferkette für Kunden 40 48 Information von Lieferant/Käufer über Bestellung und Produktion in Echtzeit 66 85 Quelle: BCG, 2000 0 50 100 Käufer 10 Economics

conomics Vordergrund gestellt wird, um so größer sind die Anforderungen, um die im Unternehmen bestehenden Systeme mit den Systemen der Marktplätze bzw. der anderer Unternehmen kompatibel zu gestalten. Die Integration von Enterprise Resource Planning (ERP)- und anderen vom Unternehmen bereits genutzten Systemen stellen ein erhebliches Hindernis für die Integration von Unternehmen und Marktplätzen dar (s. Grafik). Darüber hinaus spielt eine große Rolle, dass die auf den Marktplätzen verwendeten Standards oft divergieren. Unternehmen, die an verschiedenen Markplätzen teilnehmen wollen, sind häufig mit verschiedenen Standards konfrontiert. Dies stellt eine Restriktion für die Zahl der Online-Geschäftsbeziehungen dar, die gerade kleinere Zulieferer eingehen können 3. Die dominante Rolle, die BSM in den jeweiligen Branchen einnehmen können, mindert dieses Problem, da BSM oft eine führende Rolle bei der Entwicklung von Standards zukommt. Je mehr sich BSM durchsetzen, um so mehr dürfte dies die Herausbildung von Standards auf Branchenebene begünstigen. Schließlich sind die Sorge der Beteiligten um die Sicherheit der Systeme und Informationen, aber auch die Zurückhaltung, unternehmensspezifische Informationen auszutauschen, für die Entwicklung von Marktplätzen hinderlich. Je enger die Zusammenarbeit der Unternehmen, z.b. in PTNs, um so sensibler und wettbewerbsrelevanter werden in der Regel die verwendeten Informationen. Dies lässt PTNs bei den potentiell Beteiligten oftmals auf Vorbehalte stoßen und dürfte ein kräftiges Wachstum von PTNs behindern. Marktplätze: wenige werden sich behaupten Die beschriebenen Faktoren, die Unternehmen hindern, an Marktplätzen teilzunehmen, dürften grundsätzlich das Wachstum von Marktplätzen dämpfen. Gleichzeitig ist eine Tendenz zur Konzentration zu beobachten: nur wenige Marktplätze pro Branche werden sich am Markt behaupten können. Daher wird sich die Zahl der derzeit am Markt befindlichen Marktplätze künftig stark reduzieren. Dafür spricht bei unabhängigen Marktplätzen die Notwendigkeit, eine möglichst hohe Zahl an Transaktionspartnern auf sich zu konzentrieren, um sich aus Gebühren finanzieren zu können. Zwar können auf der Site angebotene Dienstleistungen (Value-added Services), wie Finanzierung und Beratung, als zusätzliche Einnahmequelle dienen, sie machen aber in der Regel nur einen kleinen Teil der Erträge aus. Gleichzeitig dürfte es nur wenigen vertikalen, unabhängigen Marktplätzen gelingen, sich gegen branchenspezifische Marktplätze durchzusetzen. Schafft es ein unabhängiger Marktplatz nicht, einen hohen Marktanteil in einer Branche zu erzielen, so verbleibt ihm z.b. die Rolle eines Nischenanbieters, der als Vermittler in einem stark fragmentierten Markt oder als Spezialist agiert. Darüber hinaus können unabhängige Betreiber ihre Rolle als Marktpatz für bestimmte standardisierte Vorprodukte bzw. MRO-Güter oder Rohstoffe über mehrere Branchen hinweg wahrnehmen (horizontaler Marktplatz). Auch bei branchenspezischen Marktplätzen und bei PTNs dürften sich aus den oben genannten Gründen nur wenige große Sites etablieren. Hindernisse für das Entstehen von PTNs Unzureichende techn. Lösungen Umsetzungszeit Umstellungsaufw. bei Lieferanten Umstellungsaufw. bei Angestellten Integration bestehender Systeme Integr. von ERP- Systemen/EDI Gem. Nutzung sensibler Daten Quelle: Jupiter R esearch 4 10 13 21 21 24 % 36 0 10 20 30 40 3 Allerdings mindert die zunehmende Verwendung von XML (extensible Markup-Language) dieses Problem. Mit XML lassen sich die Inhalte von Dokumenten anwendungsund herstellerneutral beschreiben. Damit können sie von unterschiedlichen Computersystemen verarbeitet werden. Economics 11

conomics Der Wettbewerb verändert sich Im Gegensatz zu dem häufig vertretenen Argument, dass das Internet eine Chance für die Kleinen ist, verspricht der Entwicklungspfad virtueller Marktplätze eher das Gegenteil: Größe ist wichtig. Allerdings werden Unternehmen in Abhängigkeit von ihremtätigkeitsfeld und ihrer Branchenzugehörigkeit durchaus an mehreren verschiedenen Marktplätzen unterschiedlicher Funktionalität (Beschaffung von MRO-Gütern, Handel mit Rohstoffen) partizipieren. Die wettbewerbliche Struktur von Branchen wird sich durch virtuelle Marktplätze verändern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Form der Zusammenarbeit von Unternehmen in das Visier der Wettbewerbshüter gerät. Die Federal Trade Commission und die EU-Kartellrechtsbehörde beobachten die Entstehung und das Verhalten von Marktplätzen. Ihr Ziel ist es, u.a. die Herausbildung von wettbewerbsbeschränkender Marktmacht zu verhindern, wie sie entstehen könnte, wenn mehrere große Produzenten über einen Marktplatz Einkaufsmacht bündeln und Druck auf die Preise von Zulieferern ausüben. Auch Absprachen zwischen Wettbewerbern, die auf einem virtuellen Marktplatz kooperieren, oder der Ausschluß von Unternehmen von einer Plattform würde die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Die durch das Internet steigende Transparenz und die Effizienzgewinne durch den Handel auf virtuellen Marktplätzen sowie die Erweiterung der Märkte werden die Wettbewerbshüter allerdings auch in ihre Bewertung einfließen lassen müssen. Virtuelle Marktplätze sind also einerseits wettbewerbsfördernd, anderererseits aber auch Anlass für die Kartellbehörden und zwar auf internationaler Ebene, die sich verändernden Branchenstrukturen genau zu beobachten. Antje Stobbe, +49 69 910-31847 (antje.stobbe@db.com) Laura Zampieri Alle -Produkte sind auch via E-mail erhältlich. Sie erhalten die elektronische Ausgabe im Durchschnitt vier Tage früher als die gedruckte Veröffentlichung. Wenn Sie Interesse am E-mail-Bezug haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Kundenberater oder an das DB Research Marketing-Team: marketing.dbr@db.com 2001. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60272 Frankfurt am Main, Bundesrepublik Deutschland (Selbstverlag). Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe gebeten. Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten. Eine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben können wir nicht übernehmen, und keine Aussage in diesem Bericht ist als solche Garantie zu verstehen. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers/der Verfasser wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen dar. Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Meinungen können sich ohne vorherige Ankündigung ändern. Weder die Deutsche Bank AG noch ihre assoziierten Unternehmen übernehmen irgendeine Art von Haftung für die Verwendung dieser Publikation oder deren Inhalt. Die Deutsche Banc Alex Brown Inc. hat unter Anwendung der gültigen Vorschriften die Verantwortung für die Verteilung dieses Berichts in den Vereinigten Staaten übernommen. Die Deutsche Bank AG London, die mit ihren Handelsaktivitäten im Vereinigten Königreich der Aufsicht durch die Securities and Futures Authority untersteht, hat unter Anwendung der gültigen Vorschriften die Verantwortung für die Verteilung dieses Berichts im Vereinigten Königreich übernommen. Die Deutsche Bank AG, Filiale Sydney, hat unter Anwendung der gültigen Vorschriften die Verantwortung für die Verteilung dieses Berichts in Australien übernommen. Druck: HST Offsetdruck GmbH, Dieburg. 12 Economics